Geheime Gefühle - Nelli Novell - E-Book

Geheime Gefühle E-Book

Nelli Novell

4,4

Beschreibung

SEX, SEX, SEX ... nach ihrer Scheidung hat Priscilla nichts als nur das Eine im Kopf. Mit Sex-Eskapaden, Wahrsagerei und Online-Partnersuche begibt sie sich in eine Spirale, die unweigerlich nach unten führt. Erst als sie auf dem Asphalt der Wirklichkeit aufschlägt, merkt sie, was ihr wirklich fehlt. Als sie David begegnet, läuft dann aber doch alles anders, als sie erwartet hat.

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Seitenzahl: 448

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Dieser Roman basiert zum Teil auf einer wahren Begebenheit. Vor allem die Erlebnisse mit Wahrsagerei. Die Recherche zu diesem Thema hat eine große Sehnsucht oder Not der Menschen offenbart. Aus diesen Gründen sind viele Menschen bereit, Wahrsagern zu vertrauen und viel Geld für einen Blick in die Zukunft auszugeben.

Alle beschriebenen Personen sind Fiktion. Sollten Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen bestehen, sind diese rein zufällig und nicht vom Autor beabsichtigt.

Für Michael

Inhalt

Tabulose Fantasien

Kapitel 1 -

7

Sexuelle Abenteuer

Kapitel 8 -

26

Emotionale Wandlung

Kapitel 27 -

37

Sehnsucht Liebe

Kapitel 38 -

67

Wahre Liebe

Kapitel 68 -

70

Tabulose Fantasien

»Die Tabuverbote entbehren jeder Begründung, sie sind unbekannter Herkunft; für uns unverständlich, erscheinen sie jenen selbstverständlich, die unter ihrer Herrschaft leben.«

- Sigmund Freud -

1

Ich spürte die Härte der Badewanne an meinem Rücken und das weiche, nach Mandelöl duftende Wasser, das meinen großen festen Busen umspielte, während ich in eine andere Welt tauchte.

Ein leiser Windhauch sagte mir, dass er soeben mein Badezimmer betreten hatte. Er war ein großer, starker Mann. Unglaublich männlich und intelligent. Er wusste, was Frauen wie ich zum glücklich sein brauchten.

Meine Augen blieben geschlossen, während er sich auf den Badewannenrand setzte. Mit seinen Fingerkuppen fuhr er an meinem Arm empor, umrundete meine Schulter und fuhr langsam an meinem pulsierenden Hals hinauf bis zum Haaransatz. Gefühlvoll und doch mit einem angenehmen Druck massierte er meine Kopfhaut. Entspannt lehnte ich mich in seine Hände und ließ los. Ich döste vor mich hin und fühlte, wie das Badewasser leicht hin und her schwappte. Das Plätschern des Wassers, die Wärme und die kreisenden Fingerspitzen an meinem Kopf hüllten mich ein. Ich ließ mich tiefer in die Badewanne sinken und es fühlte sich an, als ob ich im Nirgendwo schwebte. Seine Kreise wurden kleiner und kleiner, immer sanfter und sanfter und seine Fingerspitzen wanderten langsam hinunter zu meinem Kinn.

Seine Bewegungen veränderten sich fast unmerklich, dennoch begann mein Puls schneller zu schlagen. Ich schluckte. Der Kloß in meinem Hals wollte nicht verschwinden und ich musste erneut schlucken. Als seine Finger über meinen Hals bis zum Schlüsselbein streiften, schnappte ich nach Luft. Behutsam näherte er sich meinen Brüsten und mein Puls begann zu rasen. Ich holte tief Luft und bewegte meine Brüste in Richtung seiner Hände, doch er ließ sich Zeit. Meine Haut kribbelte und ich fühlte, wie ich trotz des warmen Badewassers Gänsehaut bekam. Meine Brustwarzen stellten sich erwartungsvoll auf, noch bevor er sie aufreizend langsam umkreiste. In meinem Kopf begann es zu knistern und während ich mir wünschte, seine Hände fest auf meinen Brüsten zu spüren, wanderten seine Finger langsam weiter in Richtung Bauchnabel.

Ich fühlte seine Fingerkuppen, als er zwischen meinen Brüsten und meiner Scham auf und abwanderte. In meinem Körper brodelte es wie in einem wirbelnden Geysir, der kurz vor einer Eruption stand. Seine kräftigen Hände drückten sanft aber bestimmt meine Knie auseinander und glitten langsam, mit einem angenehm leichten Druck an der Innenseite meiner weichen Oberschenkel hinauf. Ich bemerkte ein kurzes Zögern, als er sich meiner Weiblichkeit näherte. Gefühlvoll massierend verharrten seine Hände an meinen Innenschenkeln, bis sie sich tastend über das kleine behaarte Dreieck zu dem wesentlichen Punkt hin bewegten. Seine Fingerspitzen umkreisten meinen Venushügel und ließen mich innerlich vibrieren. Ich wollte mehr, noch viel mehr. Mein Becken drückte sich seinen Fingern willig entgegen, aber er bestimmte das Tempo und ließ es mich mit seinen kräftigen Händen spüren. Selig fügte ich mich den Signalen seiner Hände und ließ mich lustvoll seufzend fallen. Ich stöhnte vor Verlangen.

Er verwöhnte mich mit sanft kreisenden Bewegungen. Mein Kopf dröhnte, meine Muskeln spielten verrückt und mein Becken begann zu zucken. Ich hatte meinen Körper nicht mehr im Griff. Meine Haut spannte sich, als er mit einer Hand meine Brust umfasste und mir leicht in die Brustwarze kniff. In meinem Innersten fühlte ich dieses wahnsinnige Prickeln, von dem ich nicht genug bekommen konnte. Es war wie der erste Kontakt zwischen Zunge und feinster Nougatpraline. Sobald ich den unveränderlich zarten Schmelz von Nougat gekostet hatte, wollte ich mehr und mein Gewissen hatte erst dann wieder eine Chance, wenn die Schachtel leergegessen war.

Gekonnt streichelte und knetete er meine Brüste und ich stöhnte im Takt seiner Bewegungen. Ich ging ins Hohlkreuz, um seiner Hand noch näher zu sein. Sie wanderte wieder in kreisender Form hinunter, um mich fordernder zu massieren. Als ich das Gefühl hatte, kurz vor einer Explosion zu stehen, verließ seine Hand meinen Venushügel, um sich nach hinten zu bewegen. Ich wollte schreien, mich dagegen auflehnen, eine andere Entscheidung provozieren. Ich wollte weiter gestreichelt werden! Er durfte jetzt nicht aufhören. Ich wollte alles und zwar sofort.

Aber mein Meister hatte mich in seiner Hand. Er umfasste kurz und fest meine Pobacke, um dann seinen Finger langsam vorzuschieben. Es fühlte sich an, als ob mich mehr als zwei Hände streichelten. Seine Finger waren überall. Für einen kurzen Augenblick nahm ein kleiner Teil von meinem noch funktionierenden Gehirn mit Erstaunen wahr, wie gut er mich zu kennen schien. Wie gekonnt er mich zum Höhepunkt brachte. Das Rauschen in meinem Kopf wurde stärker. Die Wellen trugen mich fort, wurden immer höher und höher, schlugen über mir zusammen. Ich explodierte. Mein Becken zuckte unkontrolliert und mein lautes Stöhnen erfüllte das Badezimmer.

Ich streichelte meinen Körper noch eine Weile, um die Süße des Verbotenen so lange wie möglich auszukosten. Ich fühlte meine harten Brustwarzen, die elektrisierte Hautoberfläche und die geschwollenen weichen Schamlippen. Langsam entspannte ich mich, ließ mich treiben und fühlte mich wohlig müde.

Ich öffnete meine Augen und kehrte blinzelnd in die Wirklichkeit zurück. Schnell stieg ich aus dem mittlerweile lauwarmen Wasser, um in meinen vorgewärmten flauschigen Bademantel zu schlüpfen. Ich kuschelte mich kurz hinein, um ihn dann wieder von den Schultern gleiten zu lassen. Gerade so viel, um mich eincremen zu können, ohne zu frieren. Ein Dutzend Tiegel mit wohlriechenden Texturen standen auf der Ablage. Diesmal entschied ich mich für die reichhaltige orangefarbene Emulsion. Ich rieb sie so lange in kreisenden Bewegungen ein, bis meine Haut sie vollständig aufgenommen hatte und nach Orange und ganz leicht nach Zimt duftete. Die Creme hinterließ einen seidig matten Glanz und machte meine Haut weich. Ich lächelte mein Spiegelbild an.

›Nie wieder wird mir ein Mann in dieses Haus kommen! Nun ja‹, grinste ich in mich hinein, ›höchstens in meiner kleinen Fantasiewelt‹. Mit meiner unbändigen Freude am eigenen Körper und meinem ausschweifendem sexuellen Vorstellungsvermögen konnte ich auch ohne Mann glücklich sein. Es war ganz einfach: Ich musste nur meine Augen schließen und schon konnte ich in eine andere Sphäre eintauchen. Für nichts musste ich mich schämen oder rechtfertigen und es gab keine Tabus in meinem kleinen Kosmos. Wenn ich meine Kleider auf den Boden fallen ließ, war ich allein mit mir und meinem Körper. Heute war es wieder einmal an der Zeit gewesen, etwas für mich zu tun und mich von meinen Illusionen treiben zu lassen. Müde, aber wohlig entspannt, ging ich zu Bett und schlief sofort ein.

2

Der Wecker klingelte um 6:00 Uhr morgens. Ich hielt meine Augen noch eine Weile geschlossen und versuchte, den Sprung in die Wirklichkeit hinaus zu zögern. Mit der linken Hand tastete ich blind nach dem Wecker und beendete den nervtötenden Klingelton.

Ich öffnete die Augen, reckte mich ausgiebig und freute mich, dass die Strahlen der aufgehenden Sonne durch meine halb geschlossenen Rollos flackerten. Vom Sonnenlicht angezogen stand ich schnell auf, öffnete das Fenster und sog die frische Morgenluft tief in meine Lungen ein. Ein Gefühl grenzenloser Freiheit machte sich in mir breit und tief in mir spürte ich Frieden.

Heute wird bestimmt ein schöner Tag, dachte ich. Gut gelaunt ging ich ins Badezimmer und schaute in den Spiegel. Mein Gesicht sah entspannt aus. Am Morgen wirkten meine sinnlichen Lippen noch voller als sonst, meine Mundwinkel zeigten nach oben und meine graublauen Augen glänzten. Sie drückten eine gewisse Zufriedenheit aus, auch wenn ein Hauch von Traurigkeit darin zu sehen war. Ich schenkte meinem Spiegelbild ein Lächeln und hüpfte schnell unter die Dusche. Meine Dusche. Der feste Wasserstrahl hatte mir schon oft Lust bereitet, aber heute Morgen musste ich mich beeilen, damit ich noch genug Zeit für meine Mädchen hatte. Seufzend steckte ich also den Duschkopf in die dafür vorgesehene Vorrichtung.

Langsam ging die Badezimmertür auf. Meine jüngere Tochter Lea stand in der Tür und blinzelte verschlafen in das helle Badezimmerlicht. Sie rieb sich die Augen. Mein Herz ging auf, wie sie so dastand, in ihrem etwas zu großen rosafarbenen Schlafanzug und mit ihrem Lieblingskuscheltier, dem Pinguin, in der Hand.

»Guten Morgen mein Spatz. Hast Du gut geschlafen?«

Nachdem ich schnell in meinen Bademantel geschlüpft war, nahm ich sie in meine Arme. Sie schmiegte sich müde und liebevoll an mich. Ich küsste ihre weichen Wangen und streichelte ihr durch ihr wuscheliges rotblondes Haar, während ich sie im Arm hin und her wog und sie fest an mich drückte.

»Ja, aber ich habe einen Albtraum gehabt«, erwiderte Lea verschlafen.

»Und Du bist trotzdem in deinem Bett geblieben und hast mich nicht geweckt?«

Sie kuschelte sich in meinen Arm und nickte kräftig.

»Unglaublich! Du machst das wie eine Große!«, sagte ich bewundernd.

»Nun ja«, druckste sie herum und wand ihren schmächtigen Körper hin und her. »Ich habe Dich schon gesucht, aber die Badezimmertür war abgesperrt und ich hörte so komische Geräusche im Bad.«

Mein Herz blieb vor Schreck fast stehen. Ich wollte etwas Beruhigendes sagen, aber ich bekam nur ein Krächzen über meine Lippen. Schnell räusperte ich mich und fragte mit banger Stimme: »Und was hast Du dann gemacht?«

»Ich bin zurück in mein Zimmer gelaufen, mit einem Satz in mein Bettchen gesprungen, habe die Bettdecke über meinen Kopf gezogen und bin ganz schnell wieder eingeschlafen.« Ich drückte sie fest an mich. Mein schlechtes Gewissen umklammerte mein Herz. Wie konnte ich in einem Moment, in dem meine Tochter mich brauchte, mit meinen Fantasien zugange sein. Ich hatte ihr Klopfen nicht gehört. Nicht auszudenken wäre, wenn sie länger an der Türe gelauscht hätte und mein Stöhnen gehört hätte. Ich schämte mich so sehr.

»Es tut mir leid, dass ich Dich nicht gehört habe«, entschuldigte ich mich und hoffte, dieses Thema ganz schnell beenden zu können.

»Was hast Du denn im Badezimmer gemacht, Mama?«, fragte sie mich neugierig.

»Ach mein süßer Spatz«, rief ich und suchte krampfhaft nach einer Notlüge. »Ich lag in der Badewanne und habe Musik gehört.«

»Da war aber gar keine Musik im Badezimmer, es war nur Deine Stimme, aber sie war so komisch, so...« Lea suchte nach dem richtigen Begriff und mir wurde heiß und kalt zugleich. Bevor sie ihren Satz beenden konnte, verbesserte ich mich schnell: »Um euch nicht zu wecken, habe ich mit Kopfhörern Musik gehört. Vielleicht habe ich leise mitgesungen.« Ich versuchte nicht ängstlich sondern gutgelaunt auszusehen, während ich auf ihre Antwort wartete.

Abwägend legte sie ihren Kopf erst auf die linke, dann auf die rechte Seite. Irgendetwas gefiel ihr an meiner Erklärung nach wie vor nicht, aber sie gab sich schlussendlich mit meiner Antwort zufrieden und nickte mir zu. Erleichtert drückte ich sie erneut an mich. Das nächste Mal musste ich viel vorsichtiger sein.

»Ich bin sehr stolz auf Dich, mein Spatz, dass Du es geschafft hast, ohne meine Hilfe wieder einzuschlafen.« Lea nickte kräftig. Das sollte ich ihrer Meinung nach vermutlich auch sein, denn so einfach war es mit dem Schlafen in letzter Zeit nicht gewesen. Die Trennung von Bernhard und mir und der Auszug ihres Papas aus unserem Haus waren für Lisa und Lea eine fürchterliche Erfahrung. Daher wollte ich ihnen so viel Nähe und Geborgenheit wie irgend möglich geben. Deshalb hatte ich nach dem Auszug meines Exmannes erstmal ein großes Bettenlager errichtet, indem ich drei Matratzen aneinander geschoben hatte. Meine beiden Mädels und ich genossen es ungemein, eng aneinander gekuschelt einzuschlafen, oder morgens nach dem Aufwachen noch ein wenig miteinander zu reden, bevor wir jeder in unseren Tag starteten.

Nebenbei war so ein Matratzenlager auch für mich ganz praktisch. Wenn meine Kinder nachts weinten, gab ich ihnen einfach meine Hand und murmelte, ohne die Augen zu öffnen: »Schon gut, ich bin bei Dir.« Das beruhigte sie sofort. Leider wachten sie nachts oft auf, zu oft. Ganz besonders schlimm war es, wenn sie kurz nacheinander wach wurden, aber gerade so viel Zeit dazwischen lag, dass ich vorher einnicken konnte. Kaum hatte ich Lea beruhigt und war wieder eingeschlafen, weckte mich Lisa und ich konnte für den Rest der Nacht keinen Schlaf mehr finden. Hinzu kam noch, dass ich als Mutter natürlich in der Mitte lag. Die vielen Tritte, die ich jede Nacht einstecken musste, brachten mich zusätzlich um den Schlaf. Wenn mehrere Nächte hintereinander so abliefen - und das passierte regelmäßig - war ich nicht mehr fähig, eine gutgelaunte Mutter zu sein und schon gar nicht, konzentriert meiner Arbeit nach zu gehen.

Schließlich hatte ich mich vor einigen Wochen schweren Herzens dazu durchgerungen, das Bettenlager aufzulösen und die Kuscheleinheiten am Abend beim Zubettbringen zu verteilen, oder morgens, wenn sie noch verschlafen unter meine Bettdecke krabbelten.

»Darf ich mir ein Kreuz im Kalender machen?«, fragte Lea und schaute mich erwartungsvoll an.

»Natürlich, das hast Du Dir heute Nacht wirklich verdient, mein kleines tapferes Mäuschen.« Wenn sie gewusst hätte, wie groß mein schlechtes Gewissen war, hätte sie vermutlich noch mehr Kreuze herausgehandelt.

Um Lea, Lisa und mir zu mehr Schlaf zu verhelfen, hatten wir vereinbart, dass sie für jede durchgeschlafene Nacht ein Kreuz im Kalender machen durften. Wenn sie mich aufweckten, obwohl sie weder krank waren, noch einen Albtraum hatten, gab es hingegen einen Strich.

Hatten sie zehn Kreuze gesammelt, durften sie sich eine Zeitschrift oder andere Dinge wünschen, bei denen ich mich sonst weigerte, sie zu kaufen. Waren es zehn Striche, hatte Lisa eine Woche Fernsehverbot und Lea musste einen Nachmittag ohne ihre Freundinnen auf ihrem Zimmer verbringen. Wir hatten das ›Kreuze-und Striche-Machen‹ später ausgeweitet auf ›Beim-ersten-Mal-Hören‹ und ›aufgeräumte Zimmer‹. Sie waren nun eifrig beim Kreuze sammeln, weil sie, wie jedes Kind natürlich, viele Wünsche hatten. Ich fragte mich immer wieder, warum ich nicht früher auf diese Idee gekommen war. Das Leben war mit diesem System viel einfacher zu bewältigen.

»Hat Lisa Dich heute Nacht geweckt?«, fragte Lea neugierig.

»Nein, Lisa darf sich auch ein Kreuz machen.«

»Aber Mama, ich hatte einen Albtraum und habe Dich trotzdem nicht geweckt! Da darf ich mir eigentlich zwei Kreuze machen, sonst ist es ja gemein!«

Ich war hin und her gerissen. Der Nachteil von diesem ansonsten sehr hilfreichen System war das Konkurrenzverhalten der Kinder. Meine Mädels gingen wirklich sehr liebevoll miteinander um, aber wenn es darum ging mehr Kreuze als die Schwester zu haben, wurde schon mal mit harten Bandagen gekämpft.

»Jetzt zieh Dich erst einmal an, wir reden nachher darüber.« Lea hätte gern jetzt gleich meine Zustimmung gehabt, aber sie begnügte sich damit, mich vorwurfsvoll mit zusammengezogenen Augenbrauen anzuschauen, um dann wortlos aus dem Bad zu stapfen.

Jetzt hatte ich mir eine kleine Pause erschlichen und hoffte, dass das Thema im Sande verlief.

Lisa schlief heute noch. Ich weckte sie, indem ich ihr sanft über den Rücken streichelte. Sie knurrte verschlafen, dann streckte sie mir ihre Arme entgegen und zog mich zu sich hinunter. Wir kuschelten kurz. Doch bevor ich aufstehen konnte, stand Lea neben dem Bett und rief enttäuscht: »Mama, mit mir hast Du heute nicht im Bett gekuschelt! Ich weiß schon, Du magst Lisa viel lieber als mich!«

Ich breitete meinen freien Arm aus als Zeichen, dass sie sich zu uns gesellen sollte, aber sie lief weinend die Treppe zum Wohnzimmer hinunter, um sich wütend auf die Couch zu werfen und um so laut zu weinen, dass im Umkreis von 30 Kilometer niemand überhören konnte, wie bedauernswert sie war.

Seufzend streichelte ich Lisa ein letztes Mal über ihren wuscheligen Lockenkopf, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und machte mich auf den Weg zu Lea.

»Lea, mit Dir habe ich im Bad genauso lieb gekuschelt, wie mit Lisa. Du hast keinen Grund traurig oder wütend zu sein. Wenn Du so ein Drama veranstaltest, bekommst Du heute sicher kein zweites Kreuz mehr.«

»Ich will zu Papa!«, rief Lea verzweifelt und vergrub ihr kleines Gesicht im Sofakissen. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Mir fiel ein, dass mir die Trennungstherapeutin geraten hatte, ganz gleich welche Sorgen und Nöte bei den Kindern wegen der Trennung entstanden, ich sie immer dort abholen sollte, wo sie gerade standen, bevor ich mit Erklärungen und dem Trösten begann.

»Ich kann verstehen, dass Du Deinen Papa vermisst«, sagte ich traurig, während ich ihr über die widerspenstigen rotblonden Locken streichelte. »Vor allem, wenn Du Dich von mir ungerecht behandelt fühlst.«

»Hier hat mich niemand lieb!«, schrie Lea ins Kissen. »Papa hat mich wenigstens lieb!«

Ich spürte Hilflosigkeit in mir aufsteigen und tiefe Traurigkeit. Tränen drückten sich in meine Augen. Mein Herz wurde schwer und ich bekam keine Luft. Aber ich blieb auf der Couch sitzen, streichelte Lea weiter über ihre Haare und sagte leise: »Es stimmt, Dein Vater hat Dich sehr lieb, aber ich habe Dich und Lisa auch sehr lieb. Ihr zwei seid für mich das Wichtigste in meinem Leben. Es macht mich sehr traurig, wenn Du das Gefühl hast, dass ich Dich nicht liebe.«

Lea hörte auf zu schluchzen. Ich spürte, wie sie sich entspannte. Als ich aufstehen wollte, drehte sie sich um und hielt meine Hand fest, während sie sich das Gesicht mit ihrer anderen kleinen süßen Hand verdeckte. Sie spähte zwischen ihren Fingerchen hindurch, um meinen Gesichtsausdruck sehen zu können. Ich zog sie hoch und nahm sie auf meinen Schoß. Während ich sie hin und her wog, hörte ich ein leises unterdrücktes Schluchzen aus dem Kinderzimmer.

»Lea, ziehst Du Dich bitte fertig an? Ich gehe jetzt zu Lisa und ich wünsche mir von Dir, dass Du nicht traurig bist, wenn ich Lisa auch tröste.«

Ein langgezogenes »Na gut« von Lea, ließ mich erleichtert aufatmen. Behutsam setzte ich sie auf das Sofa und ging zu Lisa.

Meine Große versuchte ihr Weinen wie immer im Kissen zu ersticken, damit ich sie nicht hören konnte. Lisa spürte meine Verzweiflung in solchen Situationen mehr als mir lieb war. Sie gab sich immer sehr viel Mühe, mir nicht zusätzlich zur Last zu fallen, was mich allerdings beunruhigte. Ich dachte, ich spiele meinen Mädels erfolgreich die starke Mutter vor, die nichts umhaut, aber sie bemerkten meine Stimmungen dann doch meistens. Vor allem Lisa.

»Lisa, warum weinst Du denn?«, fragte ich, während ich mich neben sie kuschelte.

»Ich weiß nicht!«, sagte sie unwillig.

»Du musst doch wissen, warum Du so traurig bist«, ließ ich nicht locker.

»Ich muss immer weinen, wenn Lea weint. Das ist halt so.«

»Komm her mein Spatz.« Ich zog Lisa in meinen Arm und hielt sie ganz fest. Zuerst wurde ihr Weinen lauter, aber bald schon ebbte es ab. Sie legte ihre Arme um mich und drückte mich ganz fest.

»Ich vermisse den Papa ja auch so sehr und immer wenn Lea damit anfängt, muss ich auch weinen«, sagte sie leise.

»Du darfst auch weinen und Du darfst Papa vermissen. Es ist ganz normal, dass Du jemanden vermisst, den Du lieb hast und der nicht bei Dir ist.«

Lisa schaute mir prüfend in die Augen, dann sagte sie leise: »Ich habe euch alle beide lieb.«

»Das freut mich, Lisa. Du darfst Papa auch genauso lieb haben wie mich.«

Ich konnte förmlich hören, wie Lisa ein Stein von ihrem kleinen Herzchen fiel.

Wieder einmal war ein schöner sonniger Morgen zu einem Morgen geworden, an dem ich den Eindruck hatte, auf allen Ebenen als Mutter versagt zu haben. Hätte ich es den Kindern zuliebe doch in der Ehe mit Bernhard aushalten sollen? Ich hatte unter dem Gefühl gelitten, nicht geliebt zu werden. Aber wie groß war das Leiden meiner Kinder jetzt, wenn es sie innerlich zerriss? War es egoistisch von mir gewesen, an mich und mein Glück, meine Gefühle zu denken?

Nun schien die Sonne für mich nicht mehr ganz so hell, weil sich ein paar emotionale Wölkchen davor geschlichen hatten. Ich schlüpfte nicht ganz so beschwingt und heiter in mein neues Kleid, wie ich es mir ausgemalt hatte. Darauf hatte ich lange gespart und heute wollte ich es zum ersten Mal anziehen. Kaum hatte ich mich mit meinem neuen Kleid im Spiegel betrachtet, hob sich meine getrübte Stimmung wieder. Ich war stolz, dass ich drei Kilo abtrainiert hatte. Das Kleid unterstrich meine weiblichen Rundungen, kaschierte aber durch ein paar gezielte Raffungen meine kleinen Speckröllchen am Bauch. Gigantisch! Wenn ich Modedesignerin wäre, würde ich nur Kleider mit diesem Schnitt entwerfen.

»Mama, Du bist so schön!«, rief Lisa, als sie mein Zimmer betrat. In ihren großen blauen Augen konnte ich echte Bewunderung erkennen.

»Danke, mein Spatz!«

»Bekomme ich Dein Kleid, wenn ich erwachsen bin?«, fragte sie mich und strich ehrfürchtig über den seidigen Stoff.

»Natürlich«, erwiderte ich lachend und gab ihr ein Küsschen.

3

»Was bekommt Lisa von Dir?«, hörte ich Lea von unten aus rufen. Ich verkniff mir eine unwirsche Antwort auf die eifersüchtige Frage und begnügte mich damit, innerlich die Augen zu rollen. Beleidigt kam sie angelaufen. Ich versprach auch ihr eines meiner Kleider. Endlich lächelte Lea wieder. Der Morgen war halbwegs gerettet.

Wie so oft war ich spät dran und gab ordentlich Gas, um ein paar Minuten aufzuholen. Auf dem Mittleren Ring war leider wie an jedem Morgen Stau und ich drehte die Musik im Radio lauter, um mich abzulenken. Ich sang lauthals mit und merkte, dass meine Stimmung trotz des Staus stieg. Als jemand neben mir hupte, ahnte ich, dass ich schon eine Weile beim Singen beobachtet worden war. Ein etwa Fünfzigjähriger Mann mit schwarzen Locken lachte mich an und zeigte eine Reihe weißer gepflegter Zähne, wie in der Zahnpastawerbung. Nachdem ich nicht schnell genug weg geschaut hatte, bat er mich mit Zeichensprache, das Fenster herunterzufahren. Es widerstrebte mir, aber ich wollte auch nicht unfreundlich sein, darum folgte ich seiner Bitte.

»Schöne Frau und singen können auch! Du mir geben Deine Telefonnummer? Ich wollen mehr singen hören!«

Ich setzte einen bedauernden Blick auf, schüttelte verneinend den Kopf und ließ die Fensterscheibe wieder hochfahren.

Er versuchte, mit seinem grünen Mercedes immer wieder auf gleicher Höhe neben mir stehen zu bleiben. Aber durch geschicktes Slalomfahren, kleine Zwischensprints und ein wenig Glück, konnte ich meinen Verehrer abhängen und war am Ende sogar schneller bei der Arbeit als sonst. ›Hat also auch etwas Gutes gehabt‹, dachte ich mir und ging gut gelaunt in mein Büro. Meine beiden Kollegen waren schon in ihre Akten vertieft und schauten nur schnell für ein kurzes »Guten Morgen« auf. Als ich meinen Aktenschrank öffnete, zog sich mein Magen zusammen. Wo kamen bloß diese vielen Akten her? Ganz gleich, wie viel ich arbeitete, es wurde einfach nicht weniger.

Ich ließ mir meine gute Stimmung aber nicht verderben und zog den vordersten Stapel heraus, um ihn auf meinen Schreibtisch zu wuchten. Auf dem Weg dahin bemerkte ich einen verstohlenen Seitenblick meiner Kollegin Sandra, die mein neues Kleid und meine Schuhe musterte.

»Und, wie findest Du meine neueste Errungenschaft?«, fragte ich sie lachend und sah, dass sie sich ertappt fühlte.

»Ganz gut. Ich habe mich nur gerade gefragt, wie Du mit so hohen Hacken laufen kannst.«

In ihren Augen spiegelte sich eine Mischung aus Bewunderung und Neid für meine High Heels.

»Außerdem frage ich mich jeden Morgen, wie Du es schaffst, so fröhlich und gut gelaunt ins Büro zu kommen. Du hast so viele Akten im Schrank liegen, steckst privat in einer schwierigen Situation und kommst ins Büro geschneit, als würdest Du auf der Sonnenseite des Lebens stehen.«

Ihr Blick war vorwurfsvoll, was mich noch mehr amüsierte.

»Es gibt auch sehr viele schöne Dinge in meinem Leben. Wenn ich mich jetzt hängen lasse, wüsste ich nicht, wer mich aufrichten sollte. Also lasse ich mich erst gar nicht gehen«, erwiderte ich. ›Wenn die wüsste, wie viel Spaß ich gestern in meiner Badewanne hatte‹, dachte ich mir.

Sandra schüttelte verständnislos ihren Kopf und ließ ihn langsam wieder in Richtung Akte sinken. Das Gespräch war vorerst beendet, wollte sie mir mit dieser Geste wohl sagen. Ich akzeptierte es, obwohl ich gern noch ein wenig geplaudert hätte, bevor ich mich meinen Fällen widmete.

Kaum hatte ich mich in meine erste Akte eingelesen, hörte ich es knistern. Es knisterte eigentlich den ganzen Morgen lang. Snickers, Kinderschokolade, Gummibärchen und jede Menge Kekse verschwanden unauffällig fast ohne Unterbrechung in Sandras Mund. Entsprechend war auch ihre Figur, die sie aber selbstbewusst in enge Kleidung presste. Nun ja, vielleicht war ich auch einfach nur ein wenig neidisch auf sie, weil sie ohne Skrupel von morgens bis abends aß.

Als Bernhard sich morgens noch um die Kinder kümmerte, hatte ich die Möglichkeit genutzt, zum frühesten Zeitpunkt im Büro aufzuschlagen. In der Stille, die um 7 Uhr morgens im Büro herrschte, ließen sich die schwierigsten Fälle am besten bearbeiten. Außerdem fand ich es schön, zunächst allein an meinem Schreibtisch zu sitzen und zu sehen, wie sich das Büro langsam mit Leben füllte und zum Ende der Gleitzeit zunehmend in Hektik ausartete. Faszinierend war für mich auch, wie meine beiden Zimmerkollegen ihren Tag im Büro begannen. Sandra kam als Erste und richtete sich einen Frühstücksteller, auf dem meistens ein großes Salamibaguette, ein Ei, eine Paprika, ein Apfel und eine Orange appetitlich angerichtet waren. Immerhin, ein fast gesundes Frühstück. Nachdem sie ihre ersten drei Akten bearbeitet hatte, war ein Schoko-Müsli dran und wenn eine Akte ganz besonders nervte, folgte sonstiger Süßkram als Frustabwehr. Ihre Vorräte an Naschereien schienen unerschöpflich. Ich muss gestehen, dass mir schon ein ums andere Mal das Wasser im Munde zusammenlief und ich gelegentlich alle guten Vorsätze über Bord warf und mir beim Bäcker ein süßes Teilchen holte.

Mein Kollege Cornelius hingegen war knochendürr. Er weckte in mir meinen Mutterinstinkt. Am liebsten hätte ich ihn immer wieder ermahnt, etwas zu essen. Cornelius hatte die Angewohnheit, sich morgens als Erstes einen Tee zu kochen. Bis dieser fertig war, putzte und räumte er seinen ohnehin akribisch geordneten Schreibtisch auf. Das fand ich vor allem deshalb bemerkenswert, weil er ihn jeden Abend reinigte und ordnete, bevor er das Büro verließ. Ich war ja selbst gerne lieber ordentlich, aber manchmal war mir Cornelius Pingeligkeit echt zu viel. Da war mir Sandra mit den vielen Süßigkeiten deutlich sympathischer. Nervennahrung war in unserem Job sehr wichtig. Wir im Versorgungsamt kümmerten uns um Menschen, die Anspruch auf Leistungen des Staates für körperliche oder psychische Schäden, z.B. in Folge von Unfällen oder Erkrankungen, hatten. Wir befassten uns jedoch nicht nur mit teils tragischen Menschenschicksalen, wir mussten uns auch bei unseren Vorgesetzten behaupten. Die anstrengendste Aufgabe war eindeutig, uns unseren Gruppenleiter vom Leib zu halten. Herr Kümmerlich hatte es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, uns unser Leben im Büro so schwer wie möglich zu machen. Zum Beispiel achtete er vorwiegend auf kleinere Formfehler in der Aktenbearbeitung, anstatt uns wertvolle Tipps zu geben, wie wir Fälle, in denen wir uns festgefahren hatten, auf den richtigen Weg zu bringen. Innerlich war ich schon immer ein kleiner Rebell, aber im Büro verhielt ich mich ruhig, denn ich wollte ja noch ein paar Jahre friedlich meine Arbeit verrichten dürfen.

Auch wenn es eine ordentliche Belastung war, als alleinerziehende Mutter einer Berufstätigkeit nachzugehen, wollte ich es nicht missen. Außerdem tat mir die Anerkennung gut. Auch wenn ich sie manchmal weniger für meine Arbeit, als für mein Aussehen bekam.

Und an diesem Tag bekam ich für mein Kleid besonders viel Aufmerksamkeit. Ich konnte mich glücklich schätzen, ein paar Kollegen zu haben, die mit bewundernden Blicken und Worten nicht sparten. Aber auch einer der Abteilungsleiter war mehr als freundlich zu mir. Herr Richter. Er war sehr groß und hager und ich hatte den Eindruck, dass er Magenprobleme hatte, weil er sich immer ein wenig nach vorn gebeugt hielt. Sein Alter konnte ich schwer einschätzen, weil er bereits eine Glatze hatte, sehr distinguiert wirkte und andererseits noch nicht sehr viele Falten hatte. Hagere Menschen hatten zumeist mehr Falten als die korpulenteren Artgenossen. Auch wirkte er mit seinen karierten Hemden zu den glatt gebügelten Jeans eher jünger. Herr Richter hatte außergewöhnlich blaue Augen, die meist ernst und aufmerksam alles um sich herum aufzunehmen schienen. Manchmal, wenn ich seinen Rat suchte, weil ich nicht wusste, wie ich bei einem Fall verfahren sollte, sahen mich seine Augen lieb und warm an. In diesen Augenblicken vermittelten sie mir Sicherheit. Als würde er mir sagen wollen: »Das bekommen wir schon hin.«

Zuerst dachte ich, er mag mich, weil ich für seine Tipps dankbar war, wie ich die Akten bearbeiten sollte. Aber hin und wieder erhaschte ich einen Blick, der mich beunruhigte, weil ich ihn nicht deuten konnte. So wie an diesem Vormittag. Er rief mich fünfmal in sein Büro, um Fälle mit mir zu besprechen. Das war äußerst ungewöhnlich. Sandra und Cornelius lächelten still vor sich hin, wenn mein Telefon klingelte und schon wieder Herr Richter dran war. Sobald ich aufstand, tauschten sie vielsagende Blicke aus. Ich wusste, sobald ich dieses Büro verlassen hatte, würden sie über mich lästern. Scheinbar dachten sie, ich würde mich in meiner Einsamkeit Herrn Richter an den Hals werfen. Oder aber dass Herr Richter mich seit meiner Trennung als Freiwild betrachtete. Aber so schätzte ich ihn nicht ein.

»Frau Paulus, mir ist noch etwas in dem Fall Klausen aufgefallen. Wir könnten ihn genauso gut am Tegernsee in die stationäre Reha schicken. Er wohnt keine halbe Stunde von dort entfernt. Da wären die sozialen Kontakte für ihn sichergestellt. Ich denke, es wäre für alle Seiten gewinnbringender, als ihn die ambulante Reha am Wohnort durchführen zu lassen.« Herr Klausen war ein Opfer von Gewalt. Nach einem einjährigen Krankenhausaufenthalt weigerte er sich, in eine vom Wohnort weiter entfernte stationäre Reha zu gehen, da er seine Familie um sich haben wollte. Wir konnten ihn verstehen, aber wir wollten ihm auch die bestmögliche Behandlung zukommen lassen, um den Genesungserfolg nicht zu gefährden. Und er brauchte aus ärztlicher Sicht viel Ruhe, daher wäre es wichtig, dass er weiterhin stationär untergebracht war und nicht den Strapazen der täglichen Taxifahrten ausgesetzt wurde.

»Im Fall Dellwang liegt eine Dienstaufsichtsbeschwerde auf dem Tisch. Ich habe mit dem Anwalt telefoniert und er ist bereit, mit seiner Mandantin zu reden. Ich erwarte heute noch seinen Rückruf. Dieser Fall ist jetzt ein SOFORT-Fall.« SOFORT-Fälle waren Akten, die ohne die geringste Verzögerung bearbeitet werden mussten und von Hand zu Hand weitergereicht wurden, ohne die Registratur zu bemühen. »Um die Verletzte zu beruhigen, habe ich zugesagt, alle Reisekosten sofort zu erstatten. Auch wenn die Taxifahrten fraglich sind. Den Bescheidentwurf bezüglich der Versorgungsrente sollten sie heute noch Herrn Kümmerlich vorlegen.« Es lag kein Vorwurf in seiner Stimme, obwohl der Fall Dellwang in dem Durcheinander meines Aktenschrankes untergegangen war und tatsächlich schon zu lange unbearbeitet dalag. Herr Richter war gleichmäßig freundlich und sachlich. »Vielen Dank, mach ich«, erwiderte ich schuldbewusst. Ich fühlte mich gar nicht gut.

Während Herr Richter mir weitere Vorschläge unterbreitete, die selbstverständlich wie Anweisungen zu behandeln waren, machte ich mir fleißig Notizen. Als er fertig war, schaute ich auf und sah direkt in seine klaren blauen Augen, mit denen er mich fixierte. Verwirrt sah ich ihn fragend an, woraufhin er mich anlächelte. Das brachte mich noch mehr aus dem Konzept. »Wie geht es Ihnen, Frau Paulus?«, fragte er mich entgegenkommend. »Mit Ausnahme meiner Aktenberge ganz gut, vielen Dank«, antwortete ich schnell und schaute ihn unsicher an. Ich wusste nicht was, aber es war sonnenklar, dass jetzt etwas auf mich zukam. So hatte er mich noch nie gemustert. Mein Herz fing an zu pochen und ich konnte meinen Herzschlag noch im Hals spüren. Es war, als ob er erraten konnte, dass ich mich auf meine ausgefallene Fantasie heute Abend freute. Obwohl er mich freundlich ansah, wünschte ich mich weit weg. »Das sieht man. Ihr Kleid steht Ihnen wirklich gut. Ihr neuer Freund kann sich glücklich schätzen.«

»Ich habe keinen neuen Freund«, antwortete ich vorschnell und erkannte erst an seinem veränderten Blick, dass dies eine Fangfrage gewesen war. »Und ich habe auch nicht vor, mir einen zuzulegen«, ergänzte ich sofort und mit ernstem Ton. Ich stand auf und verließ sein Büro. Mein Magen rebellierte. So konnte ich nicht meinen neugierigen Zimmerkollegen unter die Augen treten. Ich ging zur Toilette, um mich etwas zu fangen. Diese blöden Männer! Warum ausgerechnet Herr Richter? Er verhielt sich mir gegenüber doch immer so korrekt. Oder hatte ich eben etwas missverstanden? Das wäre ja noch peinlicher! In Gedanken ging ich jede Kleinigkeit der letzten «Besprechung« durch. Nein! Sein Gesichtsausdruck war eindeutig. Er hatte mir sein Interesse bekunden wollen. Mein Magen fühlte sich an, als läge dort ein schwerer Stein. Bevor ich mein Büro betrat, setzte ich eine Maske der Unnahbarkeit auf. Ich wollte weder von Sandra noch von Cornelius angesprochen werden. Das Glück war auf meiner Seite. Sandras Vorgesetzte, Frau Meier, stand neben ihrem Schreibtisch und hielt einen ihrer endlosen Vorträge. Cornelius schickte mir einen eindeutig zweideutigen Blick zu, konnte mich aber in Gegenwart von Frau Meier nicht wegen Herrn Richter aufziehen. Nachdem Frau Meier ihren Monolog endlich beendet hatte, waren wir alle so erschöpft von ihrem Redeschwall, dass wir nur still vor uns hinarbeiteten. So konnte ich erfolgreich alle weiteren Gedanken bezüglich Herrn Richter ausblenden. Allerdings dauerte es nicht lange, bis es erneut klopfte und Herr Richter unser Büro betrat. Scheinbar konnte er unser Gesprächsende nicht auf sich beruhen lassen.

»Frau Paulus, ich wollte Ihnen noch schnell die gute Nachricht überbringen, dass ich es tatsächlich geschafft habe, die Dienstaufsichtsbeschwerde im Fall Dellwang abzuwenden«, sagte er gespielt fröhlich. Nur ein paar hektische rote Flecken in seinem Gesicht verrieten ihn. Ich wusste, dass er nun auf meine Dankbarkeit spekulierte.

»Diese Nachricht rettet meinen Tag. Vielen Dank Herr Richter.«

»Das hatte ich mir schon gedacht, Frau Paulus. Wir tun ja, was wir können«, sagte er mit einem Augenzwinkern und verließ grinsend unser Büro.

»Wir tun alles für sie, Frau Paulus!«, äffte Cornelius ihn nach und Sandra kicherte. Vermutlich weil er «alles« besonders betont hatte.

»Ok, wollt ihr mir damit irgendetwas sagen?«, fragte ich amüsiert und leicht genervt.

»Nein, nein!«, erwiderte Cornelius gespielt schnell und theatralisch.

»Ich wusste gar nicht, dass Du so gut schauspielern kannst, lieber Cornelius. Also, was habt ihr hinter meinem Rücken ausklamüsert?«, fragte ich Sandra.

»Wirklich nichts Schlimmes, Priscilla. Es ist nur so, dass Du auffällig oft zu Herrn Richter ins Büro gerufen wirst. Den Spott musst Du jetzt einfach über Dich ergehen lassen.«

»Herr Richter hilft mir eben meine Rückstände so gut und schnell wie möglich aufzuarbeiten!«, verteidigte ich mich.

Cornelius und Sandra grinsten mich frech an und ich ahnte, dass sie etwas wussten, was ich nicht wusste.

»Herr Richter hilft Dir tatsächlich. Was Du nicht weißt, ist, dass sich Herr Richter am Nachmittag, wenn Du nicht mehr da bist, schwierige Fälle aus Deinem Schrank holt.« Ich wollte gerade etwas zu meiner Verteidigung vorbringen, aber plötzlich fielen mir ein paar wichtige Fälle ein, die ich tatsächlich nicht mehr in meinem Schrank gefunden hatte. Also erwiderte ich nur schulterzuckend: »Na und? Warum sollen Vorgesetzte zur Abwechslung nicht auch mal nett sein?« Sandra und Cornelius lächelten sich weiterhin an, sagten aber nichts mehr.

Ich beschloss, sie zu ignorieren und vertiefte mich in meinen aktuellen Fall. Ich stand unter extremem Zeitdruck, denn ich musste noch einige Akten vom Tisch bringen, damit ich anschließend in die Stadt fahren konnte, um »Spielzeug« für meine heutige Fantasie einzukaufen und trotz nachmittäglichem Berufsverkehr meine Mädels pünktlich vom Hort abzuholen.

4

Mittags entschied ich mich für heute Feierabend zu machen. Den Fall Dellwang hatte ich bearbeitet und vorerst vom Tisch und auch die anderen Vorgänge, die Herr Richter angeschaut hatte, waren erledigt. Die unerledigten Akten brachte ich zurück zum Aktenschrank, sperrte meinen Schreibtisch ab und schnappte mir meine Handtasche. »Heute schon so früh?«, fragte Cornelius vorwurfsvoll, mit einem dezenten Seitenblick auf die Wanduhr. »Ja«, stieß ich erleichtert aus und stolzierte zur Tür. »Lasst euch nicht stören. Ich wünsche euch allzeit frohes Schaffen.«

Leider musste ich in die Stadtmitte fahren. Da es die einschlägigen Geschäfte für die heißen Utensilien nur in der Fußgängerzone gab, hoffte ich sehr, dass mir niemand begegnete, der mich kannte. Ich platzierte mich in der Sendlinger Straße auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Sexshops und tat so, als ob ich auf jemanden warten würde. Dabei suchte ich beide Richtungen nach bekannten Gesichtern ab. Als die Luft rein war, überquerte ich so schnell und unauffällig wie möglich die Straße und verschwand mit einem nochmals absichernden Seitenblick hastig in dem Laden.

Kaltes weißes Licht empfing mich und ich musste mehrmals blinzeln, da ich mir diesen Augenblick ganz anders vorgestellt hatte. Viel verruchter oder sinnlicher. Ich hatte mir einen Raum mit roten Plüschsesseln und schummrigem Licht ausgemalt, in dem leicht bekleidetes Personal den Kaufinteressenten beim Aussuchen der gewünschten Utensilien half. Aber es war wie ein ganz «normales« Geschäft und die Kaufinteressenten suchten sich, wie im Supermarkt, die benötigten Gegenstände in den Regalen selbst aus. Mit einem schnellen Blick suchte ich die Bereiche ab und stellte erleichtert fest, dass die von mir benötigten Dinge wohl im Untergeschoss zu finden waren. Rasch lief ich die Treppe hinunter.

Meine Freude währte nur kurz. Ich stand in einem einzigen Durcheinander von Reizwäsche, Porno-DVDs, Peitschen, Masken, Lederwäsche, hochhackigen Lacklederschuhen und sonstigen Hilfsmitteln, die wohl das Sexualleben aufpäppeln sollten, wenn es im Schlafzimmer nicht mehr so richtig klappte.

Endlich stand ich vor der von mir gesuchten Produktgruppe. Allerdings ließ mich die unglaublich große Auswahl an Männerersatzstücken leicht panisch werden. Wie sollte ich denn in diesem, an der Wand hängenden Chaos, so schnell das für mich geeignete Utensil finden? Ich griff einfach nach einem halbwegs natürlich aussehenden hautfarbenen Dildo, der vielleicht etwas groß war, aber laut der aufdringlichen Werbung versprach, weich und anschmiegsam zu sein und alle Frauen glücklich zu machen. Anschließend suchte ich die voll behängten Wände nach den anderen von mir benötigten Spielzeugen ab. Endlich hatte ich alles, was ich für heute Abend brauchte.

Dummerweise war die Kasse im Erdgeschoss. ›Wer hat sich denn das einfallen lassen‹, dachte ich mir wütend. Da brauchte ja jemand nur im Vorbeigehen in dieses Geschäft zu schauen und könnte mich mit einem Haufen Zeugs in der Hand in der Schlange stehen sehen. Ich konnte meine Einkäufe noch nicht einmal unauffällig hinter meinem Körper verstecken, weil die einzelnen Verpackungen so groß waren, dass ich Schwierigkeiten hatte, sie alle nebst meiner Handtasche fest zu halten.

Ein Pärchen, das vor mir an der Kasse stand, küsste sich wild und hemmungslos, während die Hände des Mannes den gesamten Körper der Frau abtasteten. Vermutlich in Vorfreude auf den heutigen spannenden Abend. Ich versuchte unauffällig in ihren Einkaufskorb zu schauen, was gar nicht so einfach war, weil sie sich beim Küssen ungünstig viel bewegten. Ich konnte zwei Pornofilme sehen. ›Aha, sie standen augenscheinlich auf härteren Sex.‹ Auf einem Cover war ein Mann gefesselt und wurde an einer Kette hochgezogen. Neben ihm stand eine in Lack gekleidete Frau mit Gesichtsmaske, die eine Peitsche schwang. Mir wurde übel. Wie konnte sich jemand freiwillig auspeitschen lassen und dabei Lust empfinden? ›Ob Schmerz die Lust tatsächlich steigerte‹, fragte ich mich, während ich sie weiter beobachtete. Er sah wie ein erfolgreicher Geschäftsmann aus, der alles im Griff hatte. Oder vielleicht doch nicht? Sie hatte ihre langen dunklen Haare mit Gel streng zurückgekämmt. Während er seine Augen beim Küssen geschlossen hielt und es zu genießen schien, fixierte sie ihn mit ihren stark geschminkten Augen. Ihre Zunge schnellte immer wilder in seinen Mund hinein und ich fragte mich, wann er denn nun aufstöhnt oder ob er sie gleich an der Kassentheke nehmen würde. Zuzutrauen wäre es diesem Paar. Unwillig ließen sie sich vom Kassierer unterbrechen und bezahlten hastig ihre Einkäufe.

Danach war ich endlich an der Reihe. Der Kassierer versuchte freundlich, aber ungeschickt, mit mir ins Gespräch zu kommen, indem er mich fragte, ob ich alles gefunden hätte, worauf ich Lust hatte. Ich schwieg einfach. Mir war heiß und ich wollte nichts anderes, als endlich aus diesem unangenehmen Geschäft heraus zu kommen. Anscheinend merkte er, dass ich nicht zum Reden aufgelegt war und ließ mich in Ruhe. Erleichtert stellte ich fest, dass er die gekauften Artikel in undurchsichtigen braunen Tüten verstaute. Meine Handtasche war leider zu klein, um alle in großer Aufmachung verpackten Artikel verstecken zu können. Ungeduldig riss ich die Tüte an mich und verließ eilig das Geschäft, um mich in das Getümmel der Fußgängerzone unauffällig einzuordnen. Ein Mann, der es wohl sehr eilig hatte, rempelte mich so stark an, dass mir vor Schreck die braune Tüte aus der Hand fiel.

»Oh, Frau Paulus! Das tut mir leid. Ich wollte noch schnell die U-Bahn erreichen, aber das ist um diese Uhrzeit gar nicht so einfach.«

Herr Ludowich, der Sportlehrer meiner Kinder, schaute mich entschuldigend an und bückte sich, um meine fallengelassene Tüte aufzuheben. Ich war so geschockt, dass ich mich nicht mehr bewegen, geschweige denn, etwas sagen konnte. Die Schamesröte schoss mir ins Gesicht, als er mir verständnisvoll lächelnd meine braune Tüte reichte. Ich war immer noch starr vor Schreck. Mir fiel nichts ein. Ich konnte ihn nicht begrüßen und mich auch nicht fürs Aufheben bedanken. Wie eine Salzsäule stand ich einfach nur da und starrte ihn an.

»Alles okay mit Ihnen, Frau Paulus?«, fragte Herr Ludowich und sein Grinsen wurde immer breiter.

»Ja, ja danke!«, presste ich mit Mühe heraus. Ich hob kurz zum Gruß meine Hand und verschwand so schnell ich konnte in der Gegenrichtung der U-Bahn-Haltestelle Sendlinger Tor. Ich war peinlich berührt und konnte mich für den Rest des Tages kaum noch beruhigen.

5

Endlich war es soweit. Meine Mädels waren im Bett und der Abend gehörte mir. Nachdem ich mich in der Dusche vom Staub des Tages befreit und duftend eingecremt hatte, legte ich die neu erworbenen Utensilien bereit und zog mir ein weißes Spitzennegligé an. Sicherheitshalber zog ich meinen Bademantel über und sah ich nochmals nach den Kindern, ob sie auch wirklich tief und fest schliefen. Ich hatte wahnsinnige Angst davor, dass mich meine Töchter beim Ausleben meiner Fantasien erwischten, aber gleichzeitig übten diese Fantasien eine ungeheure Anziehungskraft auf mich aus. Leise trat ich an ihre Betten und beobachtete, wie sie völlig entspannt vor sich hin schnauften. Ich deckte sie zu und drückte ihnen noch ein kleines Küsschen auf den Kopf, bevor ich ihr Zimmer verließ. Jetzt stand meiner Flucht aus der Wirklichkeit nichts mehr im Wege.

Ich lag auf meinem seidenen Bettlaken und spürte die angenehme Kühle an meinem Rücken. Mein Puls beschleunigte sich und eine wohlige Vorfreude breitete sich in meinem Inneren aus. Ich schlang ein Tuch um mein linkes Handgelenk, verknotete es und fesselte meine linke Hand an den Bettpfosten. Mit dem Überstreifen der schwarzen Augenbinde entschwand ich in meine Traumwelt. Sie half mir, mich noch besser zu spüren und meine Sinne zu wecken.

Meine rechte Hand glitt langsam über das kühle, seidene Bettlaken. Ich bemerkte nicht, wie die Tür meines Schlafzimmers geöffnet und wieder geschlossen wurde. Erst als meine Matratze seitlich eingedrückt wurde, wusste ich, dass er da war. Mein Traummann. Ich zerrte nervös an dem Tuch an meinem linken Handgelenk, aber ich konnte es nicht lösen. Zwischen völliger Hingabe und einer Prise ängstlichem Abwarten bewegte ich mich unruhig hin und her. Mein Negligé verrutschte und enthüllte teilweise meinen Körper. Ich fühlte mich hilflos und doch so voller Lust. Mit einer Feder begann er mir sanft über den Körper zu streicheln und mein Dessous weiter hoch zu schieben. Meine Sinne erwachten. Die Berührung hinterließ ein angenehmes Prickeln auf meiner Haut. Ich fühlte mich wohl und wünschte mir, nun endlich seine Hände zu spüren. Er ließ sich Zeit. Je ungeduldiger ich mich hin und her wandte, desto langsamer bewegte er die Feder. Sie strich leicht über meine Brustwarzen und umrundete meine vollen Brüste. Er ließ sie in kreisenden Bewegungen über meinen Bauch flattern und fuhr sacht an meinen Oberschenkeln auf und ab. Ich spreizte etwas die Beine, aber meine Scham berührte er nicht. Stattdessen änderte er die Richtung und verweilte zart in meiner Kniekehle und deutete immer wieder nur an, am Innenschenkel entlang hinauf zu meiner intimen Stelle wandern zu wollen. Ich wurde wahnsinnig vor Lust, mein Stöhnen wurde lauter und mein Atem immer schneller.

›Wann fasste er mich endlich an, wann ließ er mich seine geschickten Finger spüren?‹ Unbeirrt langsam glitt er über mein Bein zu meinem Fuß hinab. Es kitzelte an den Zehen, aber gleichzeitig fühlte ich ein erotisierendes Prickeln in meinem Schoß. Ich wollte ihn so sehr und bettelte stumm, in der Hoffnung, erhört zu werden. Meine Nerven waren bis aufs Äußerste gespannt.

Endlich, endlich hörte er auf, mich zu streicheln. Legte er die Feder weg? Obwohl das zärtliche Streicheln sehr schön war, sehnte ich mich nach Befriedigung. Ich hielt die Luft an und fragte mich, was er nun tun würde. Einladend lasziv bewegte ich meinen Körper und hoffte, dass er mich endlich berührte. Doch ich hörte nur seinen Atem. ›Was konnte ich tun, um ihn zum Weitermachen zu bewegen?‹

›Oh ja‹, schrie es in meinem Inneren auf, als ich seine Fingerspitzen endlich spürte. Aufreizend langsam glitten sie an meinem Oberarm hinauf und verharrten kreisend an meinem Schlüsselbein. Ungeduldig hob ich ihm meinen Busen entgegen, doch er streifte nur über mein hochgeschobenes Negligé und wanderte tastend zwischen meinen Brüsten hinab zu meinem Bauchnabel. Er umrundete ihn und als er seine Finger unendlich langsam tiefer gleiten ließ, stöhnte ich leise voller Vorfreude auf. Ich spannte meine Bauchmuskeln an und stöhnte lauter. Ich wollte mich ihm nicht anbiedern, aber ich hatte keine Kontrolle mehr über meinen Körper. Mein Becken drückte sich ihm mit Wucht entgegen.

Zu spät merkte ich, dass ihn meine Reaktion vom richtigen Kurs wegbrachte. Er streichelte mich an der Taille entlang wieder aufwärts. Ich schluckte die Enttäuschung hinunter und versuchte mich treiben zu lassen. Zart strich er mit den Fingerspitzen durch meine Achselhöhle meinen Oberarm hinauf. Ich seufzte. Sobald sich seine Finger wieder nach unten begaben, spannte sich mein Körper in seliger Erwartung an. Als ich seine Hände auf meiner Taille abwärts spürte, brauchte ich meinen ganzen Willen, um nicht den gleichen Fehler erneut zu begehen und ihm mein Becken entgegen zu strecken. Ich atmete tief durch und versuchte so entspannt wie möglich liegen zu bleiben. Vorsichtig strich er über meine frisch rasierte Scham und erkundeten sacht den Beginn meiner Spalte. Allein diese Berührung entfachte in mir eine Explosion. Es war, als sähe ich tausende von Sternschnuppen über mir. ›Bitte!‹, schrie mein Körper und hob sich ihm nun doch entgegen. ›Bitte, bitte tu es!‹ Seine Finger umrundeten meinen Venushügel und strichen bedächtig über meine Leiste zum Oberschenkel. Enttäuschung machte sich in mir breit. Doch da verharrten seine Finger auf meinem Oberschenkel und fuhren aufreizend langsam wieder höher. Er wusste, worum mein Körper lautlos bettelte, doch er wollte meine Lust durch das Warten steigern.

Gefühlvoll berührte er erneut meine Taille, streichelte mich seitlich an den Brüsten hinauf bis zu den Achseln. Es kitzelte und ich wand mich unter der Berührung. Sanft massierte er mich mit seinen kräftigen Fingern unglaublich zart an der Schulter, wanderte in kreisenden Bewegungen zu meinem Nacken. Ich entspannte mich und genoss die Berührung. Gerade als ich mich fallen ließ, glitt seine Hand zu meinem Busen hinab und umfasste ihn fordernd. Mein Atem ging schneller, ich stöhnte lustvoll und mein wogender Vorbau presste sich seiner Hand entgegen. Er versuchte meine Brust mit seiner Hand zu umfassen. Das weiche Fleisch quoll zwischen seinen Fingern hindurch, während er sie nacheinander fest massierte. Als er mich zart in die Brustwarze zwickte, war es um mich geschehen. Mein Körper drückte sich ihm entgegen. Ich wollte endlich mehr. Aber er blieb bei meinen Brüsten und zwickte die Knospen immer wieder und immer ein wenig fester. Ich keuchte. Es war nahe an der Schmerzgrenze und jedes Mal, wenn ich vor lauter Wollust oder Schmerz stöhnte, ließ er von meinen Brustwarzen ab und massierte den Schmerz weg.

Er steckte mir den Zeigefinger in den Mund und befeuchtete mit meinem Speichel die Knöpfchen. Ganz zart rieb er mit der Fingerkuppe an meinen Nippeln. Ich wollte ihn endlich! Jetzt gleich! Mit aller Macht hob ich ihm wieder einmal meinen Körper entgegen, wobei mich meine gefesselte Hand am Bett festhielt. Zart drückte er mich in die seidenen Laken zurück. Er bestimmte das Tempo. Willig überließ ich mich seiner Hand. Langsam schob er mein ohnehin verrutschtes Negligee über meinen Kopf, strich mir über meine Haare, meinen Hals hinunter, zwischen meinen Brüsten entlang zu meinem Bauch, um sich dann Millimeter für Millimeter an meinen Venushügel heranzutasten.

Er drückte meine heißen Schenkel auseinander und seine Hände glitten langsam tiefer bis zu meiner pinkfarbenen Mitte. Mein Mund wurde trocken, ich befeuchtete meine Lippen mit der Zunge. Seine Finger wurden immer wilder und fordernder. Ich spürte die Spannung und den Druck in meinem Unterleib. Es steigerte sich, bis das Feuerwerk entzündet wurde. Mein Körper stand in Flammen, zuckte unkontrolliert und ich stöhnte vor Lust. Er streichelte mich zärtlich weiter. Obwohl sich mein Unterleib langsam beruhigte und der Gefühlsgeysir nur noch kleine, aber helle Funken versprühte, blieb die Spannung während seiner zärtlichen Streicheleinheiten in der Tiefe meines Venushügels bestehen. Ich spürte, wie langsam die Gier wieder erwachte und spreizte meine Beine. Das Streicheln seiner Finger wurde wieder fordernder. Ich näherte mich dem nächsten Feuerwerk. Diesmal schneller und viel intensiver, als beim ersten Mal. Ich ließ mich fallen. Mein Körper bäumte sich auf. Die Explosion trug mich fort. Ich fühlte mich wie auf einem anderen Stern. So leicht, so schwebend, so allein, so glücklich.

Seine Hand packte mich fest an der Hüfte und drehte mich auf den Bauch. Die überraschende Wendung ließ mich kurz aufschreien. Er fuhr mit seiner Hand zwischen meine Schenkel und hob meinen Unterleib so hoch, bis ich mit weit gespreizten Beinen vor ihm kniete. Hart führte er einen Vibrator in mich ein und stieß zu. Er fühlte sich kühl und fest an. Ich spürte das kalte Gel an meinem Oberschenkel hinunter rinnen. Die anfänglich unnatürliche Härte des Spielzeugs spürte ich bald nicht mehr. Er rotierte in mir und als er meinen G-Punkt fand, schrie ich vor Lust auf. Nach meinem Orgasmus wurde er sanfter, entzog ihn mir fast, um dann wieder einzudringen und mich immer wieder auf den Gipfel meiner Lust zu treiben. Irgendwann konnte ich nicht mehr. Ermattet ließ ich mich auf mein angenehm kühles Bettlaken fallen und genoss die letzten Streicheleinheiten. Zärtlich deckte er mich zu, löste den Knoten des Tuchs, das meine linke Hand gefesselt hielt und verließ mit einem leichten Windhauch mein Schlafzimmer.

Ich streckte mich glücklich. Es gab nichts Befriedigenderes als meine Fantasien Wirklichkeit werden zu lassen. Schnell duschte ich mich, schlüpfte in meinen rosafarbenen Frotteepyjama und sah nach Lea und Lisa. Ich hoffte, dass sie nicht wieder aufgewacht waren, während ich meine Kreativität auslebte. Noch einmal käme ich wahrscheinlich nicht so glimpflich davon. Meine Mädels waren nicht dumm. Wie peinlich wäre es vor allem, wenn sie es ihrem Papa gegenüber erwähnten. Er wüsste sofort, was in meinem Schlafzimmer los war.

Zum Glück schliefen sie ruhig. Dankbar streichelte ich ihre verwuschelten Haare und ging in mein Schlafzimmer. Eilig räumte ich meine Utensilien auf und kuschelte mich ins Bett. Befriedigt schlief ich ein.

6

Mit meiner kleinen Oase des Glücks ging die Woche schnell herum.

Am Freitagnachmittag packte ich mit Lisa und Lea die Tasche für das Wochenende mit ihrem Vater. Unzählige Spielzeuge und Kuscheltiere wanderten in die Reisetasche, von denen die meisten wahrscheinlich im Laufe des Wochenendes noch nicht einmal die Tasche verlassen würden. Ich fühlte die Verzweiflung der Kinder, mit der sie versuchen, ihr Zuhause mitzunehmen. ›Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis sie begreifen, dass sie nun zwei Zuhause haben‹, dachte ich mir. Nachdem die letzten Kuscheltiere verstaut waren, setzten wir uns gemeinsam auf die Couch.

»Mama, liest Du uns aus unserem neuen Lola-Buch vor, bis Papa da ist?«, fragte Lisa, während sie mich mit traurigen Augen ansah.

Eigentlich wollte ich die Zeit nutzen, um meine Mädels eng an mich zu drücken und sie zu spüren, bevor ich sie zwei Tage und Nächte nicht bei mir hatte. Aber mir wurde auch klar, dass es den Kindern genauso schwer fiel, von mir fort zu gehen, um endlich wieder mit ihrem Vater zusammen sein zu können. »Also gut«, antwortete ich möglichst fröhlich, »wer von euch beiden holt das Buch?«

»Ich!«, rief Lea und lief schnell die Treppe hoch, um als Erste im Kinderzimmer zu sein. Lisa wollte es offenbar gar nicht holen und kuschelte sich stattdessen in meinen Arm. Ich spürte ihre Traurigkeit und hätte am liebsten geweint, aber ich riss mich zusammen und wir saßen einfach nur eng aneinander geschmiegt auf der Couch.

»Ich hab es gefunden!«, rief Lea und kam eilig die Treppe herunter gelaufen. Bevor sie im Wohnzimmer war, löste Lisa sich aus meinem Arm, um Lea keinen Grund zur Eifersucht zu geben.

Wir lasen eine Weile, bis Lisa sich ruckartig aufrichtete und rief: »Ich höre Papas Auto!« Ich lächelte sie an. Lisa hatte schon mit zwei Jahren heraushören können, ob ein Nachbar oder ihr Vater auf den Hof fuhr.

Lisa und Lea liefen flink in Richtung Haustür, um die Tür aufzumachen. In der Wohnzimmertür blieben sie plötzlich stehen und schauten sich unsicher nach mir um. »Lauft nur!«, rief ich ihnen aufmunternd zu und sie setzten ihren Weg fort, aber sehr viel langsamer.

»Papa!«, riefen sie beide aufgeregt an der Haustür. Sie fielen ihm um den Hals, küssten ihn und freuten sich, ihn endlich wieder zu sehen.

Bernhard ging in die Hocke, um seine Mädels besser in den Arm nehmen zu können. Lisa beobachtete mich heimlich, während sie sich halb hinter ihrem Vater versteckte. Ich lächelte und nickte ihr zu, obwohl mir gar nicht nach Lächeln zumute war. Nachdem sie Bernhard ausgiebig begrüßt hatten, kamen sie zu mir und drückten sich an mich. Ich nahm sie in den Arm und flüsterte ihnen zu: »Geht nur zum Papi. Ich finde es schön, dass ihr euch so auf ihn freut!«

Als sie zu Bernhard liefen, johlten sie vor Freude und rannten ihren Vater fast um. Ich erhaschte Lisas dankbaren Blick.