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Gerhard Tersteegen war ein deutscher Theologe und bedeutender Kirchenlieddichter. Viele dieser in diesem Band zusammengefassten Lieder werden auch heute noch gesungen.
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Seitenzahl: 525
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Geistliches Blumengärtlein
Gerhard Tersteegens
Inhalt:
Gerhard Tersteegen – Biografie und Bibliografie
Geistliches Blumengärtlein
Des geistlichen Blumengärtleins erstes Büchlein, enthaltend kurze und erbauliche Schlußreime
Nachlese
Übersetzungen
Des geistlichen Blumengärtleins zweites Büchlein, bestehend in kurzgefaßten Betrachtungen über einige auserlesene Sprüche aus den vier großen Propheten auf das innere Leben gerichtet
Vorbericht
Zugabe einiger Sprüchlein von der Kraft der Erhöhung Christi am Tage seiner Himmelfahrt geschrieben
Die heilige Liebe Gottes und die unheilige Naturliebe in erbaulichen Versen vorgestellt aus dem Französischen der Frau von Guyon
Des geistlichen Blumengärtleins drittes Büchlein oder geistliche Lieder und Andachten
58. Der Stand der Beschaulichkeit, sonst genannt der Stand der Gegenwart Gottes, des schmackhaften Glaubens usw.
98. Stille Gedanken von Gott, dessen Eigenschaften und Vollkommenheiten
Nachlese
Übersetzungen
Dies ist der Frommen Lotterie
Zugabe einiger Lose vom Kindlein Jesus empfangen und der Kindheit Jesu Genossen mitgeteilt
Nachlese einiger Lose aus dem Spanischen der Anna Garçias
Geistliches Blumengärtlein , G. Tersteegen
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849637439
www.jazzybee-verlag.de
Vorbericht an den gottsuchenden und gottliebenden Leser
1. Weil ich nicht wissen kann, wer heut oder morgen diese Schrift möchte in die Hände bekommen, so finde ich nötig, etwas weniges zu einiger Nachricht davon voraus zu erinnern. Es sind mir diese Schlußreime und Andachten mehrenteils unvermutet und zufälligerweise innerhalb weniger Zeit, nun und dann eines, gegeben worden, die ich dann auch, ohne viel auf Kunst und Zierlichkeit zu denken, so wie sie mir in die Gedanken kamen, aufs Papier gesetzt. Ich kann demnach dem Leser von meiner kleinen Arbeit nichts Großes versprechen, zumal es unter anhaltenden Kopfschmerzen und Leibesschwächlichkeit geschrieben ist. Anfangs waren es meine Gedanken keineswegs, diese Reime bekanntzumachen; weil aber einige meiner bekanntesten Freunde, denen etliche davon zu Gesicht gekommen, ihren Gefallen daran bezeugten und sie auch andern erbaulich zu sein achteten, habe ich auf ihr Begehren sie dem Druck übergeben müssen.
2. Was die Materie anlangt, wie schlecht und kindisch sie auch einem Vernünftling vorkommen möchte, diese ist allerdings der Wahrheit gemäß, ja heilig und göttlich; und wo ich etwa aus Mangel des Lichts und der Weisheit ein Wörtchen nicht wohl möchte gesetzt haben, wird solches einem erleuchteten Gemüt zu entscheiden gern überlassen. Ich habe getrachtet, alles mit so deutlichen, einfältigen und so wenig Worten auszudrücken, als mir möglich war, weswegen ich jeden, der etwa dieses Büchlein zu lesen bekommen möchte, ersuche, daß er alles mit stiller Bedachtsamkeit und Aufmerkung lesen und betrachten wolle.
3. Sollte etwa jemand dieses oder jenes noch nicht fassen können, der bekümmere sich darüber keineswegs, sondern trachte nur, das, was er versteht und für gut erkennt, mit mir auszuüben, so mag das übrige und noch ein weit mehreres zu seiner Zeit schon klar und nützlich werden. Eine jede christliche Wahrheit hat ihre Stufen und ihr Alter, worin sie erst gebührend verstanden wird; wobei auch noch dies zu erinnern dienlich sein mag, daß die allerbesten, geistlichsten und göttlichsten Wahrheiten und noch vielmehr die allerhöchste Wahrheit, welche Gott selber ist, nimmer recht und mit Gewißheit können erkannt werden, als in und von einem Gemüt, das durch die Abtötung seines Fleisches, seiner Sinne, seiner Affekte, seiner Begierden und seines Willens sehr innig, geistlich und stille gemacht, wie auch durch die Verleugnung der mannigfaltigen Überlegungen und Wirksamkeiten der Vernunft sehr vereinfältigt und kindlich geworden ist. Wo diese Disposition oder Gestalt des Herzens fehlt, da ist die Seele der wesentlichen Erleuchtung Gottes unfähig, und sind demnach alle ihre Erkenntnisse, Konzepte und Urteile von Gott und göttlichen Dingen sehr schwach und ungewiß. Je geistlicher und göttlicher nun eine Wahrheit ist, desto mehr muß eine Seele in diese Disposition eingehen, um sie gebührend und mit Nutzen einzusehen.
4. Noch dieses eine finde ich hochnötig zu erinnern, daß, wenn ich etwa von einer etwas tiefen Wahrheit oder gar reinen Seelenbeschaffenheit rede und dabei das Wörtlein ich gebrauche, ich alsdann nur rede in der Person einer Seele, die in solchem Stande und Erfahrung steht, keineswegs aber mich selber dafür ausgebe, solches alles in wirklicher Erfahrung zu besitzen, ob ich wohl solche Wahrheiten mit genugsamer Gewißheit in göttlichem Lichte aus Gnaden erkannt habe, welches aber von dem wesentlichen Genuß, Erfahrung und von einem solchen Stande noch weit unterschieden ist. Es geht mir wie einem Kranken, der gern von der Gesundheit hört und redet, weil, er, auch solang er krank ist, die Gesundheit liebt und darnach verlangt. So rede ich auch bisweilen in diesen Reimen von sehr geistlichen und innigen Wahrheiten, nicht als ob ich sie schon hätte, sondern weil ich sie durch die Gnade Gottes so köstlich und liebenswürdig erkenne, daß ich sie von Herzen umfasse und in mir zu erfahren verlange, ja auch bei Gelegenheit sie andern gleichfalls in Schwachheit anzupreisen nicht unterlassen kann.
5. Ach, daß so viele hungrige Gemüter sich noch so lange aufhalten und abspeisen lassen mit dürren, kraftlosen Schalen- und Schatten-Bildern der Wahrheiten, worin doch der Geist keine gründliche und beständige Vergnügung und Frieden finden kann, da indessen die wesentlichen Kernwahrheiten des inwendigen Christenlebens, welche noch hier auf dem Pilgerwege durch göttliche Gnade zu erfahren sind, wo nicht gar verachtet, dennoch so wenig in ihrer Schönheit und Kostbarkeit erkannt und genossen werden, daß es nicht genugsam mit Mitleiden kann beklagt werden! Ach, man sucht einen Schatz weit und breit und mit vielen Bemühungen, ohne ihn je recht zu finden, den man doch so leicht und so nahe haben könnte, wenn man nur in die gehörige Bereitschaft oder Disposition des Herzens durch göttlichen Beistand einzugehen sich angelegen sein ließe.
6. Kommt, ihr von Gott zu seinem reinen Dienst des Geistes berufenen Seelen! Laßt uns in der Kraft des Herrn uns losmachen und losmachen lassen von allem Sichtbaren, von den Sinnen, von der Vernunft und von allen Eigenheiten, damit wir als recht abgeschiedene, vereinfältigte, reine Kreaturen in unsern Geist und Seelengrund können einkehren und Gott, welcher auch ein Geist ist, daselbst finden, schauen, lieben und seinen Frieden genießen mögen, welcher höher ist als alle Vernunft!
7. Findet jemand unter euch in diesem Werklein etwas Gutes zu seiner Erbauung und Erweckung im kindlichen Glaubenswandel vor Gott, der denke doch, daß es der Vater der Lichter sei, von dem alle und also auch diese guten Gaben von oben herab kommen, damit er dem wahren Ursprung und Geber dieses Guten alle Ehre und Dank mit mir dafür abstatte. Ich indessen werde mich auch, und zwar von ganzem Herzen freuen, wenn auch nur eine einzige Seele, ich will nicht sagen bekehrt werden, sondern nur eine kleine Stärkung und Erweckung hierdurch in ihrem inwendigen Wandel durch göttliche Mitwirkung bekommen möchte; in welchem Fall eine solche dann auch mir mein inständiges Begehren nicht abschlagen wird, daß sie nämlich den, der diese Sachen geschrieben, mit einem herzlichen Seufzer dem Anfänger und Vollender des Glaubens anbefehlen wolle.
8. Obiges wurde bei der ersten Ausgabe dieses Büchleins erinnert. Weil es denn nun einmal Gott so gewollt, daß es durch den Druck bekanntgemacht worden ist, habe ich auch kein Bedenken getragen, es bei den folgenden Auflagen immer wieder um verschiedene Verse zu vermehren, welche von eben der Materie etwa noch zur Hand waren, was ich umso williger getan, weil ich auch seither mit demütiger Erkenntlichkeit gesehen, daß der Herr dieses einfältige Zeugnis seiner Wahrheit noch an manchem Herzen mit seinem Segen begleitet hat. Dadurch bin ich in der Einsicht bekräftigt worden, daß Gott nach seiner bewundernswürdigen Herunterlassung eben darum manchmal unser Geringes und Gebrechliches seines Segens würdige, damit man bei keinem Mittel oder Werkzeug stehen bleibe, sondern in allem allein auf ihn sehe und zu ihm selbst sich ziehen lasse, auf daß wir die Wasser des Lebens frisch aus der Quelle trinken, die so gern in unsrem dürren Seelengrunde hervorquellen und einem jeden unter uns sich reichlich mitteilen will.
9. Ach ja, ihr durstigen matten Herzen, laßt es euch nochmals in Gottes Namen erinnert sein und nehmt's in einfältigem Glauben an als den unschätzbaren Kern des wahren Evangeliums, daß nämlich uns von Natur grundverdorbenen und unter der Macht der Finsternis hart gefangenen Adamskindern in dem holdseligen Namen Jesus Immanuel die sanfte, wallende Liebe Gottes inwendig in unserm Herzensgrunde wiederum eröffnet und unaussprechlich nahe worden sei, obgleich wir es der jämmerlichen Ausgewandtheit, inneren Finsternis und Verwirrung wegen nicht allemal so deutlich merken können. Weil denn nun das Reich Gottes so nahe herbei-, ja inwendig in uns gekommen ist, so dürfen wir auch gar keinen weiten Umweg mehr machen durch vieles Wissen und eigenes Wirken, sondern wir können durch diesen eröffneten neuen und lebendigen Weg (Hebr. 10, 20) fein geradezu gehen ins Heiligtum der innigen und ewigen Gemeinschaft Gottes. Wir lassen uns nur durch die treue Zucht, Lockung und Kraft dieser tief verborgenen, nahen Gottesliebe ausführen aus aller betrüglichen Lust dieser Welt und dem quälenden Leben der Selbstheit, geben zu dem Ende unser Herz und Willen so bloß und blind dieser innigen Liebe gefangen, daß sie unser ein und alles sei und uns führe nach ihrem freien Belieben. Sehet da die ganze Sache! Sodann bleibt und wird man nur immer mehr ein einfältiges Herzenskindlein, übt sich frei ohne Kunst im Innebleiben, Lieben, Leiden und Überlassen und wird dergestalt aus lauter Gnaden gerecht, heilig und selig von nun an und hat Gemeinschaft mit dem Vater in seinem Sohne Jesus Christus. Amen. Und nun Kindlein, bleibt in ihm, auf daß wann er geoffenbart wird, wir Freudigkeit haben und nicht zu Schanden werden vor ihm in seiner Zukunft! (1. Joh. 2, 28.)
10. Dir aber, o du Gott meines Herzens, der du deine Ergötzungen hast in und mit den Kindern der Menschen, ohne welchen kein Mensch tüchtig ist, etwas rechtschaffen Gutes zu denken aus sich selber, dir sei auch für dieses Gute demütig und herzlich gedankt. Gib, daß es in mir und in allen denen, die es mögen zu sehen bekommen, zu lauter Wahrheit und Wesen werde, zu deiner herrlich-seligen Verklärung in uns!
Zeuch, bis mein Alles wird in dich sein eingeführet,
Du kräftiger Magnet, der meinen Grund berühret
Mit deiner Gottheitslieb', Daß durch verborg'nen Trieb
Des Geistes Hunger ewig nun
In nichts, was du nicht bist, kann ruhn!
Es ist ihm viel zu eng, dich selber muß er haben,
In deinem Element muß er den Hunger laben.
Zeuch mich aus mir und aller Kreatur,
Es koste, was es will, zeuch, zeuch mich nur!
Laß reißen alle Bande, Bis daß ich selig lande
In dich, den Hafen meiner Ruh!
Da tu ich dann die frohen Augen zu,
Da höret auf mein Hunger, Durst und Lauf,
Weil ich dich selber kann im Seelengrund umfassen;
Mein Wille lieget da gebrochen und gelassen,
Mein Mund aus Ehrfurcht schweigt,
Mein Geist sich innig beugt
Und sich zum Eigentum zu deinen Füßen schmieget,
Erfährt dann, was es heißt, dies Wort: Ich bin vergnüget.
Mülheim an der Ruhr, den 10. Mai 1768
Gerhard Tersteegen
Die Blümlein stehen hier
Gepflanzet aufs Papier.
Gott wolle selbst sie malen,
Begießen und bestrahlen;
1. An den Leser
Mensch, Gott dein Anfang ist; hast du ihn selbst im Wesen,
So hast du schon das End' von dieser Schrift gelesen.
Suchst du ihn noch, so lies dies auf der Pilgerbahn!
Bist du ein solcher nicht, so geht es dich nicht an.
2. Wo der Schatz ist, da ist das Herz
Wenn Herz und Sinn und Lust so gerne auswärts fliegen,
So hat man Gott noch nicht, so lebt man jämmerlich.
Wer Gott im Grund besitzt, der läßt sich wohl begnügen
Mit diesem einen Gut; drum kehrt er stets in sich.
3. Geduldig sein in Kreuz und Pein
Senk dich fein tief in Gottes Lieb' hinein,
Dann kannst du leicht sanft, still, gelassen sein!
Des Herren Kreuz ist solch ein sanftes Kissen,
Man sollt' es nicht für Seid' und Sammet missen.
4. Anbetung im Geist
»Ich bet' dich an, mein Gott«, ein andrer öfters spricht;
Mein Geist es immer tut, doch sagt mein Mund es nicht.
5. Wie Gott gesucht werde
Laß los die Kreatur, entsink dem eignen Willen,
Gedenk nicht mehr an dich und laß dich Gott im Grund
Demütig, liebreich, sanft, merk, wenn er dich will stillen;
So findst du dich in Gott und Gott in dir zur Stund'!
6. Ost, West; zu Haus ist's best'
Mein Geist gehört in Gott zu Haus,
Drum kehrt er sich aus allem aus;
Sein Vaterland heißt Ewigkeit,
Drein senkt er sich aus Ort und Zeit,
Da er im innig stillen Nun
In Gott kann im Verborg'nen ruhn.
7. Jesus zu der Seele
Ei, stör dich nicht, mein Kind, bleib innig abgeschieden
In sanft und stillem Geist, in unverrücktem Sinn;
Laß kommen, was da will, bewahre deinen Frieden,
Nichts ist des Störens wert, Ich, Jesus, in dir bin;
Hab Ruh in mir, daß ich in dir kann ruhn,
Was will dir Welt und alle Teufel tun!
8. Jesus zu der Seele
Du sprichst, ich möge dich bewirken und bereiten;
Nun, streck die Hände aus und laß mich machen dann!
Dein eig'ner Will' und Sorg', dein Treiben und Arbeiten
Stört deine Ruh und macht, daß ich nicht wirken kann.
Schau nur die Blümlein an bei heiterm Sommerwetter,
Sie halten sich ganz still und öffnen ihre Blätter,
So scheint die Sonne drein und wirket sänftiglich;
So will ich's machen auch, halt dich nur leidentlich!
9. Wie man leicht Gott erreicht
Nur die Lust von allem scheiden,
Wenig tun und vieles leiden,
Lieben, still und fröhlich sein,
Macht das Herz mit Gott gemein.
10. Wie man Gott findet
Gedenk nicht weit hinaus, willst du Gott in dir finden;
Was ist und wird geschehn, laß alles sanft verschwinden
Und bleibe wie ein Kind ohn' Sorg', ohn' Witz und Will'!
Es braucht nicht große Kunst, Gott wohnet in der Still'.
11. Jesu Aug' und Herz lindert Pein und Schmerz
Die beste Medizin in allem Schmerz und Leid:
Das Aug' auf Jesu Kreuz und große Herrlichkeit,
Der Will' in Jesu Hand, die Lieb' in Jesu Herz,
Das Haupt auf Jesu Schoß! Dies lindert allen Schmerz.
12. Bester Zeitvertreib
Verlier dich selbst samt Welt und Zeit
Und senk dich in die Ewigkeit,
So hast du, glaub es, Tag und Nacht
Die Zeit aufs beste zugebracht!
13. Einfältiges Auge
Willst du Gott wesentlich mit Geistesaugen sehen,
So schau auf ihn allein, so wird es bald geschehen!
Du siehst bald dies, bald das, du bist bald hie, bald da;
Die Gottheit ist nur eins und dir im Grunde nah.
14. Jesus zu der Seele
Kind, willst du mich recht fassen,
So mußt du dich mir lassen;
Wer sich und alles läßt,
Der hat mich ewig fest.
15. Die herrlichste Zeitkürzung
Fällt hier die Zeit schon lang den Menschen dieser Zeit,
Wie lang wird ihnen sein die lange Ewigkeit!
Ich, ob ich stille sitz', hab immer g'nug zu tun;
Die Ewigkeit scheint kurz dem, der in Gott kann ruhn.
16. Die größte Unbarmherzigkeit
Sobald du suchst in dir und im Geschöpf Genügen,
So kann dein armer Geist, glaub's, keinen Odem kriegen.
Du Unbarmherziger, laß deinem Geist doch Luft!
Gott ist sein Element, der dir so freundlich ruft.
17. Nicht mehr tun, ist die beste Buße
O Jesu, Mutterherz, du bist so treu und fromm;
Lauf' ich gleich von dir aus, du holst mich immer wieder.
Es soll nicht mehr geschehn; halt fest dein Eigentum,
Das sich in deinen Schoß, o Liebe, leget nieder!
18. Was lieblich reucht, auch leicht verfleucht
Wird man vom Herren einst ergötzt,
Im Grunde freundlich angesehen,
Und man da viel von rühmt und schwätzt,
Muß man hernach in Dürre stehen.
DieLieb', die niemand ist bekannt,
Ist der vergnügtste Liebesstand.
19. Die beste Gesellschaft
Geht, Kreaturen, geht, ich kann euch alle missen!
Mein bester Freund, der bleibt, der mir so innig nah;
Ich kehr' ins Kämmerlein, ich will die Türen schließen
Und meinem Seelenfreund Gesellschaft leisten da.
Wenn ich so bin von den Geschöpfen einsam,
So werd' ich mehr dem Schöpfer selbst gemeinsam.
20. Wär' ich so!
Klein und rein und abgeschieden,
Sanft, einfältig, still, im Frieden,
Willenlos und innig froh;
Ach wär' mein Gemüte so!
21. Jesus zu der Seele
Mein Kind, wo läufst du hin mit Herze, Sinn und Denken,
Ist meine Gegenwart dir denn nicht mehr bewußt?
Und kann ich deinem Geist nicht mehr Genüge schenken
Als alle Kreatur mit ihrer falschen Lust?
22. Jesus zu der Seele
Lauf nicht ohn' mich, du fällst und irrst zu beiden Seiten,
Du bist ein schwaches Kind, dein Tun ist Unverstand;
Drum, wo du gehst und stehst, da laß dich von mir leiten,
Kleb innig fest an mir und halt mich bei der Hand!
23. Bleib zu Haus!
Du nötigst Gott so oft und läufst doch immer aus;
Wenn er dich dann besucht, so bist du nicht zu Haus.
24. Das beste Studium
Ein andrer sich bemüht mit Lernen und Studieren,
Man will was Großes sein, man will was Großes tun;
Mein Werk ist, alles gar vergessen und verlieren,
In mir zu werden nichts und meinem Gott zu ruhn.
25. Was ist unser Werk?
Wer Gottes Willen tut und Gottes Willen leidet,
Wer seines Herzens Lust von allen Dingen scheidet
Und seinen Willen ganz ergibt in Gottes Macht,
Tät' er auch gar nichts mehr, der hat sein Werk vollbracht.
26. Kannst du nichts tun, so mußt du ruhn
Kannst du nicht vieles tun, so sei nur still und leide,
Und was zu lassen ist, so viel dir möglich, meide
Und harre in Geduld! Wirst du dem Herren ruhn,
So wird er alles selbst in dir und durch dich tun.
27. Wo ist Gott?
Vernunft spricht: Wo ist Gott? und schauet an die Sterne;
Wo ist die Sonne? spricht ein blindgeborner Mann.
Ei, werde nur zum Kind, so ist dir Gott nicht ferne,
Kehr einwärts dein Gesicht, der Geist ihn schauen kann!
28. Alles in Gottes Namen
Willst du was nehmen vor, so leg vorher dein Herze
Gleichgültig, still und bloß in Gottes helles Licht;
Halt ein den eignen Trieb, der bringt nur Schad' und Schmerze!
Tust du dein Werk in Gott, so darfst du fürchten nicht.
29. Zu Haus wird's besser gehen
Ei Pilger, werd nicht müd, halt noch ein wenig aus
Und bleibe abgespänt von dem, was muß verschwinden!
Die Zeit kürzt immer ab, bald kommst du ja nach Haus,
Da wirst du, was du wünschst, bei deinem Vater finden.
30. Selbstverleugnung besser als Gaben
Offenbarung, Wundergaben,
Trost und Süßigkeiten haben,
Ehre, Welt und Geld verachten,
Vieles wissen und betrachten,
Fasten, lesen, singen, beten
Und mit Engelzungen reden:
Alles dieses acht ich nicht,
Wo man nicht den Willen bricht.
31. Ein jeder etwas hat
Ein jeder etwas hat, worin er ist verliebet,
Ein jeder etwas hat, das ihm Gesellschaft giebet,
Ein jeder etwas hat, das ihm verkürzt die Zeit,
Ein jeder etwas hat, worin er sich erfreut,
Ein jeder etwas hat, worauf er stützt und trauet,
Ein jeder etwas hat, das er am liebsten schauet:
Was wähl' ich mir denn nun? O Jesu, du allein,
Du sollst mein Schatz, mein Gut, mein Trost, mein Alles sein!
32. Die wahre Gelassenheit
Bald folgt man Gott nicht nach, bald läuft man vor zu heftig,
Der eine ist zu träg, der andre zu geschäftig;
Herr, wär' ich dir nur so, wie mir ist meine Hand,
So, dünkt mich, hätt' ich wohl den rechten Mittelstand.
33. Ausgehen war nie so gut, Innebleiben ist besser
Ein andrer gehet aus und sich gern divertieret;
Ich geh am liebsten ein, so werd' ich nicht verführet,
Und wenn ich aus soll gehn, so bleib' ich eingekehrt,
Daß ich im Ausgehn selbst nicht abgezogen werd'.
34. Jesus zu der Seele
Bin ich dir denn nicht g'nug? Wo laufen deine Sinnen?
Die Kreatur betrügt, sie hat nur schönen Schein,
Und was du draußen suchst, das findst du bei mir drinnen;
Willst du mich lieben recht, so liebe mich allein!
35. Wie wehrt man sich?
Ich bin ein armes Kind, von Witz und Kräften bloß,
Da tausend Feinde mir nach meiner Seele stehen;
O Jesu, Mutterherz, ich kriech' in deinen Schoß
Und will mich regen nicht, sollt' gleich die Welt vergehen.
36. Selten kommt's uns gelegen
Stets hast du 'was im Kopf, stets hast du 'was zu tun;
Wenn Gott schon zu dir kommt, so kann er doch nicht ruhn.
37. Gott muß auch reden
Du hast Gott immerhin so viele Ding' zu sagen,
Bald hättst du dieses gern, bald kommst du jenes klagen;
Laß ihm doch auch 'was Raum, schweig ihm ein wenig still
Und merk, was er dir sagt und von dir haben will!
38. Selbstgefälligkeit
Was Gott dir gibt, nimm an, doch nimm dich des nicht an,
Sonst hast du eben das was Luzifer getan!
39. Der menschliche Geist
Ein Geist, ein Wunderding, könnt er gleich alles kriegen,
Was Erd' und Himmel hat, es würd' ihn nicht vergnügen;
Sobald er aber Gott im Grund gefunden hat,
Hätt' er auch gar nichts mehr, so spricht er: Ich bin satt.
40. Alles am rechten Ort
Ein Stein sich nach der Erde neigt,
Ein Flämmlein in die Höhe steigt,
Ein Fisch will in dem Wasser leben,
Ein Vogel in der Luft muß schweben;
Wenn jedes da ist, wo es soll,
So ist es still und ihm ist wohl.
Mein Geist ist ruhig und vergnüget,
Wenn er in Gott, sein'm Ruhpunkt, lieget.
41. Aus dem Kopf ins Herz
Gott ist ein Herzens-Gott; drum, wenn du ihn willst finden,
So blende die Vernunft, sie wird ihn nie ergründen!
Senk dich aus deinem Kopf in 's Herzens Grund hinein
Sanft, liebreich, wie ein Kind, so wird er dir gemein!
42. Gleiches sucht sich, Gleiches findet sich
Gott ist die Einfalt selbst, sanft, rein und abgeschieden,
Uneingeschränkt und still, stets freudig und zufrieden;
Tracht auch zu werden so nach deinem tiefsten Grund,
So wird dir werden Gott und alle Wahrheit kund!
43. Wer's recht greift an, hat's halb getan
Du sprichst, es sei dir schwer, Lust, Sinn und Willen zwingen;
Ja, zwingen tut auch weh, doch greif's mit Gott nur an,
So wirst du bald mit Lust ganz leicht und frei vollbringen,
Was du vorhin mit Zwang in eigner Kraft getan!
44. Der Herr ist an diesem Ort
Gott ist dir immer nah, Gott denket stets an dich,
Er ist zu dir gewandt und zieht dich auch zu sich;
Merk, Seele, was ich sag', und laß dein Herz und Denken
Auf Gottes Liebeszug auch stets zu ihm sich lenken!
45. Genau und rein mußt du sein
Du sollst noch hier auf Erden
Der Gottheit Tempel werden;
Wie rein, o Seel', wie rein
Muß nicht dein Herze sein!
Begierden und Gedanken
Vorsichtig halt in Schranken
Und wart auf Gottes Hut,
Wie sonst ein Priester tut!
46. Gott und sein Wille bringt Stille
Wer nichts begehrt als Gott und seinen liebsten Willen,
Der kann am besten sich in allen Ständen stillen.
Es komme, was da will, er hat, was er begehrt;
Wer noch 'was mehr verlangt, nur seine Qual vermehrt.
47. Erfahrung macht gelehrt
Die Jünger wurden einst des heil'gen Geistes voll;
Ich spekuliere nicht, wie ich's begreifen soll.
Möcht' ich mein Herz nur leer von mir und allem sehen,
Bald würd' ich's seliglich erfahren und verstehen!
48. Wie stark der Feind sei
Mein Feind ist stark und schwach, nach dem ich uns betrachte;
Seh' ich nur mich und ihn, so ist er stark und groß,
Doch seh' ich Jesus auch, ich ihn gar wenig achte,
Will er mich greifen an, kriech' ich in Jesu Schoß.
49. In allerhand Proben
Nichts wollen und nichts tun,
Nur leiden, hoffen, ruhn,
Versuchung, Proben, Kämpfen
Aufs beste können dämpfen.
50. Sinnbild eines Spiegels
Ach, möcht' mein Herz nur still, von allen Flecken rein,
Durch Leiden schön poliert gleich einem Spiegel sein!
Wie lieblich würd' in mir die Gottheitssonne strahlen,
Wie bald würd' sie ihr Bild in meinem Grund abmalen!
51. Mit Gott allein in der Welt
Nur Gott und ich allein! – So lebe hier auf Erden,
Wenn du ganz leicht und bald rechtschaffen fromm willst werden!
52. Im Finstern tu die Augen zu!
Wenn du im Finstern bist, sieh dich nicht viel herum;
Der schmale Himmelsweg geht öfters wunderkrumm!
Wer immer forschen will, wird immer sich verwirren,
Ein Blind' und Dummer kann auf diesem Weg nicht irren.
53. Der weiseste Arzt
Ei, überlaß dich Gott, er ist so weis' und treu,
Dein Sündengift er selbst gebraucht zur Arzenei!
Wer aber seine Sünd' mit solcher Gnade decket,
Der wisse, daß der Trank gar sau'r und bitter schmecket.
54. Ich bin auch 'was Großes
Gott selbst mein Vater ist, ich bin des Sohnes Braut;
Sein Geist, das Pfand und Band, wodurch ich ihm vertraut.
Gott hat mir mehr geschenkt als allen Seraphinen,
Die Engel stetig mich begleiten und bedienen,
Ich habe, was ich will, die ganze Welt ist mein,
Die Hölle fürchtet mich, ich fürchte Gott allein,
Im Himmel wandle ich als eine Königin:
Sag, armes Weltkind, ob ich nicht 'was Großes bin!
55. Man muß den Kindern den Willen brechen
Folg nimmer der Natur und deines Fleisches Willen,
Sie sind den Kindern gleich, die nie vergnüget sein!
Man kann sie besser nicht als durch Verleugnen stillen;
Wenn du zu weichlich bist, so mehrst du deine Pein.
56. Ohne Verstellung
Tu alles schlecht und recht, verstell dich nimmer nicht,
Du hast mit Gott zu tun, der dir ins Herze sicht!
57. Kindlich und vertraulich
Gott macht sich gern gemein,
Du mußt nicht schüchtern sein;
Vertraulich, kindlich, bloß
Senk dich in 's Vaters Schoß!
Er, als dein bester Freund,
Es herzlich mit dir meint.
58. Gott allein lass' ich ein
Es muß ein Menschenherz wohl etwas Großes sein;
Gott, Teufel, Welt und Fleisch und alles will hinein.
Erwähle, weil du kannst, dir doch den besten Gast;
Hast du 'was Gut's gewählt, so halte, was du hast!
59. Abhängigkeit bringt Heiligkeit
Gott ist die Sonne, ich ein Strählchen seines Lichts;
Trenn' ich von ihm mich ab, bin ich ein finstres Nichts,
Halt' ich mich stets an ihn, so wird mir Licht und Leben
Und alle Tugenden sein stiller Einfluß geben.
60. Jesus zu der Seele
Verleugne dich, mein Kind, du tust mir ein Pläsier;
Gedenke, wer ich bin! Wollt'st du es weigern mir?
61. Ursach' aller Pein
Es kommt mir alle Pein aus Stolz und Eigensinn,
Daß ich kein stilles Kind und Gott gelassen bin.
62. Den Fremdling geht's nicht an
Ich bin ein Pilger hier, drum geht es mich nicht an,
Was in der fremden Welt von andern wird getan.
63. An einen Vernünftling
Vernunftchrist, werde doch zum Kinde
Und laß all' deines Kopfes Fünde,
Verleugne dich und alle Ding'
Und Gott dein Herz und Willen bring
Und wandle vor sein'm Angesicht;
Dein Spekulieren tut es nicht!
64. Durchs Nichts geht der Weg
Christ, du willst immer viel genießen, haben, sein;
Dein Heiland liebete Verachtung, Armut, Pein.
Mach's auch so! denn der Weg des Friedens und des Lichts,
Der geht, versteh mich recht, durchs Nichts, durchs Nichts, durchs Nichts.
65. Lob und Verachtung
Wer dich lobt, dich versucht; denk, alle Menschen lügen,
Sieh dich im Wahrheitslicht und laß dich nicht betrügen!
Wer aber uns veracht't, der nützt und dienet sehr
Dem, der mit Christus gern in Gott verborgen wär'.
66. Dreifache Beschäftigung eines Christen
Wer Gott ganz reine liebt, gleicht einem Seraphim,
Wer ihn im Geist beschaut, macht's wie ein Cherubim,
Wer Gott ruht und auch Gott in sich läßt ruhn und wohnen,
Der ist nicht träg, er tut, was alle Himmelsthronen.
67. Ich hab' die Zeit nicht
Gott ist mir immer nah. Mir sterben und ihm leben,
Mit ganzer Lieb' an ihm im stillen Grunde kleben,
Dies ist mein großes Werk; die Zeit läßt mir's nicht zu,
Daß ich mich viel zerstreu und andre Sachen tu.
68. Fängst du 'was an, so denke dann
Mein Herr, dies wollt' ich tun, ich glaub', es sei dein Wille;
Willst du es haben nicht, sieh da, so lass' ich's stehn,
Gelingt es oder nicht, ich bleibe immer stille,
Bist du nur kontentiert, so ist mein Werk geschehn.
69. In Jesus du nur findest Ruh
Ja, Jesus, es ist wahr, nur Angst ist in der Welt;
Kehrt nur mein Sinn hinaus, bald wird mein Geist gequält.
Nun, ich kehr' wieder ein
In dich, mein Kämmerlein,
Daß ich, ganz abgeschieden,
Genieße deinen Frieden.
70. Guten Mut!
O Seele, guten Mut! Was nützet dein Betrüben?
Gott fordert ja nicht viel: nur lieben, lieben, lieben.
Du sprichst: Ich bin so bös'; ich sage: Gott ist gut,
Wirft dich in ihn nur ein! O Seele, guten Mut!
71. Allein oder laß es gar sein
Ei, teil dein Herz doch nicht; dein Alles Gott ergiebe
Und deine Liebe ganz in ihn allein einführ!
Dein kleines Herz hat doch noch viel zu wenig Liebe,
Um ein unendlich Gut zu lieben nach Gebühr.
72. Gottes Güt' zur Buße zieht
Du Liebesgott, so gut, so fromm, so gnädig bist,
Es möcht' nicht gut sein, wenn's der freche Sünder wüßt'.
Doch ja, es wäre gut, er ließ' sein Sündenleben,
Sein Herz müßt' brechen und sich solchem Gott ergeben.
73. Ein stilles Wesen hat Gott erlesen
Jesus ist ein Friedenskönig,
Siehe, hör und rede wenig,
Was du tust, tu mit Bedacht,
Ohne Stören, still und sacht;
Und bei allem deinem Werke
Stets auf ihn im Grunde merke,
Daß sein Friedensthron und -reich
Nie aus deinem Herzen weich'!
74. Laß nichts ein, es bringt nur Pein!
Das Herz wird leicht und sanft an Kreaturen fest,
Doch kostet's Kampf und Schmerz, eh' man sie wieder läßt;
Drum fasse nichts mit Lust im Himmel und auf Erden,
Als was dir ewiglich nicht kann genommen werden!
75. Wer verliert, der findet
Wo du dich find'st, da mußt du immer dich verlieren
Und alle Lust und Lieb' allein in Got einführen;
Je treuer du verlierst, je mehr du stets gewinnst
Und, wenn du gar bist arm, in Gott viel Reichtum find'st.
76. Alles sieht auf dich
Gott, Engel, Teufel, Welt und alles sieht auf dich,
Drum leb in heil'ger Furcht und halt dich inniglich!
77. Jesus zu der Seele
O Seele, laß dein Sorgen,
Dies ist nur meine Pflicht;
Sorgst du, so sorg' ich nicht!
Drum bleib in mir verborgen,
In meinen Schoß dich senk
Und an dich selbst nicht denk!
78. Standesgemäß
Denk, Seele, daß du bist des Himmelskönigs Braut,
Der dich aus Tausenden erwählt und sich vertraut!
Leb solchem Ruf gemäß, dein Herz ist ganz ihm eigen,
Laß keine Liebeskraft zur Kreatur sich neigen!
79. Der Gott ergebene Wille ist stark
Dein tiefster Will' muß ganz, nicht halb sich Gott ergeben,
So kannst du aller Macht der Sünden widerstreben.
80. Nimm alles von Gott an!
Du hast allein mit Gott zu tun, was immer mag geschehen,
Du mußt auf Kreaturen nicht und auf das Äußre sehen;
Was Gott für Mittel je gebraucht, das gehet dich nicht an,
Was dir begegnet in der Welt, denk stets: Gott hat's getan!
81. Von der Einsamkeit
Wo du nach deinem Sinn, wie gut er scheint, willst leben,
So kann die Einsamkeit dir keine Stille geben;
Wer sich von sich entfernt, kann allezeit allein,
Vergnügt und ungestört auch selbst bei Menschen sein.
82. Des Lammes Bild
Ach, wär' ich wie ein Lamm unschuldig,
Sanft, rein, einfältig und geduldig!
Ach, möcht' man Christi Bild und Wesen
Aus meinem ganzen Wandel lesen!
83. Völlige Gleichgültigkeit
Gleichwie ein leichtes Blatt, also gleichgültig schwebet
In Gottes Luft mein willenloser Sinn;
Kein Wollen sonst in mir als Gottes Wollen lebet,
Sein mind'ster Wink bläst meinen Willen hin,
Zu lassen und zu tun, zu leiden oder nicht,
Es ist mir alles eins, Herr, wenn dein Will' geschicht.
84. Für Feu'r und Glut ist Wasser gut
Wenn Hoffart, Lust und Zorn und Eigenheit dich stören,
Mußt du dich innig bald in Gottes Liebe kehren;
So rauschet alle Macht des Bösen überhin,
So wird bald sanft und klein der stolz' und steife Sinn.
85. Umgang mit Menschen
In Werken und in Worten
Sanft, lieblich aller Orten
Sollst du bei Menschen sein;
Doch mußt du stets daneben
An Gott im Grunde kleben,
Als wenn du wärst allein.
86. Schalksauge und Einfaltsauge
Wenn du in Eigenheit suchst immer heimlich dich,
Wirst du im Finstern stets in Angst und Unruh schweben;
Doch wenn dein Einfaltsaug' Gott meinet lauterlich,
So kannst du frei im Geist und still im Lichte leben.
87. Wer's hat im Haus, läuft nicht hinaus
Ich darf mich ja nicht kehren aus,
Die Quelle hab ich selbst im Haus,
Die mich kann völlig laben.
Ich kann dich missen, Kreatur;
In meinen Grund ich kehre nur,
Da ich Gott selbst kann haben.
88. Das verborgene Leben
In Gott verborgen leb in Abgeschiedenheit,
Ganz fremd und tot der Welt und deiner Eigenheit!
Das Eig'ne bringt nur Qual; verlier, vergiß dich gar,
Kein Leben sei in dir als Christus offenbar!
89. Der göttliche Augenblick
Senk dich ins stille Nun, den göttlich'n Augenblick,
Sanft, lieblich und gedenk nicht vorwärts noch zurück!
So überlaß dich Gott, dich innig in ihn neige
Und warte in Geduld, bis er sich selbst dir zeige!
90. Demütig, doch getrost
In dir schwach, klein und bloß,
In Gottes Stärke groß,
In Demut tief gebücket,
Im Glauben unverrücket,
Im Geist getrost und frei
In deinem Wandel sei!
91. Jesus zu der Seele
Stets gehst du in dir selbst mit deinen Lasten tragen;
Bin ich doch immer nah, kannst du es mir nicht sagen?
Willst du dir helfen selbst, du arme Kreatur?
Ich helf' dir ja so gern; sei offenherzig nur!
92. Christi Blut für alles gut
Nur Jesu Blut versöhnet meine Sünd',
Die Lieb'stinktur zerbricht des Grimmes Machten,
Labt meinen Geist, der sonst im Feu'r muß schmachten,
Belebt aufs neu, was alt und tot sich find't!
Doch wenn es mich in Angst und Not soll stillen,
So muß der Brunn in meinem Herzen quillen.
93. Gebeugt unter alle Menschen
Seel', leg dich stets im Demutssinn
Zu aller Menschen Füßen hin!
Wird dir 'was Böses angetan,
So nimm es ohne Murren an!
Wer sich in sich noch etwas dünket,
Vor Gott, o Elend! wahrlich stinket;
Ist sonst 'was Gut's an deinem Leben,
So bleibt es Gottes, der's gegeben.
94. Ach, wär' ich so!
Los von Kreaturenlieb',
Tot an eig'nem Willenstrieb,
Inn- und äußerlich viel schweigen,
Stets in Gott sich lieblich neigen,
Wie ein Kind mit ihm gemein:
Selig, wer stets so kann sein!
95. Du mußt der Vorsehung leben
Die Seele, die sich Gott in Wahrheit hat ergeben
Wie ein unmündig's Kind, muß der Vorsehung leben.
Wart augenblicklich nur, was Gott gibt, nimmt und tut
Nach Leib und auch nach Seel', er weiß ja, was dir gut!
96. Sanftmut löscht der Hölle Glut
Jesus durch gelass'nes Lieben
Hat des Vaters Zorn vertrieben
Und der Hölle Grimmigkeit;
Kann dich nun sein Geist durchfließen,
Wirst du auch durch Lieb' versüßen
Aller Menschen Bitterkeit.
97. Jesus zu der Seele
Kind, schließ die Augen zu vor diesem ganzen Rund,
Die Welt laß von der Welt und ihren Puppen handeln,
Bleib du stets nah bei mir in deiner Seele Grund!
So innig wollen wir hier miteinander wandeln;
Was geht die Welt dich an? Bald gehest du hinaus;
Dann sind wir stets beisamm'n in meines Vaters Haus.
98. Eins ist not
Die Menschen suchen viel und finden nimmer g'nug,
Ich aber bin vergnügt, weil ich nur eines such';
Sie haben viel zu tun, ich nur ein einzig Werk,
Daß ich beim Stillesein auf Jesu Reden merk'.
99. Alles um alles
O Seele, du mußt Gott dein Wollen, Lieben, Denken
Und was du bist und hast, zu eigen ewig schenken.
Geh gründlich aus dir aus und innig in ihn ein,
So wirst du ewiglich des Höchsten Lustspiel sein!
100. Die wahre Freiheit
Wer wahre Freiheit sucht, der zwinge Fleisch und Sinnen
Samt aller Eigenheit in enge Bande ein.
Die Freiheit der Natur zwingt nur den Geist von innen;
Geh aus dir aus in Gott, willst du in Freiheit sein!
101. Herr, wie du willst!
Herr, wie du willst, nicht dies noch das ich wähle;
Herr, wie du willst, so laß es nur geschehn!
Ich bin dein Sklav', mein König, nur befehle!
Ich will als Kind dir nach den Augen sehn.
102. Wer Vielheit flieht, das Eine sieht
In Mannigfaltigkeit find'st du das Eine nicht,
Dein Aug' von allem ab, muß einwärts sein gericht't;
Und kannst du auch dich selbst vergessen und verlieren,
So wirst du Gott in dir, das wahre Eins, bald spüren.
103. Äußere und innere Stille
Wie süß ist's, wenn Gedanken, Glieder, Sinnen,
Affekte, Wille und Begierden stille sind,
Wenn alles schweigt von außen und von innen
Und man im heitern Grund Gott gegenwärtig find't!
104. Wie man Frieden bekommt
Wer gerne Frieden hätt', der breche seinen Willen,
Sonst kann dich weder Gott noch alle Himmel stillen.
105. Wer recht ruht, vieles tut
Beim eignen Wollen, Wirken, Treiben
Wirst du derselbe immer bleiben;
Wer abgeschieden, willenlos,
Gelassen liegt in Gottes Schoß
Und so von eignen Werken ruht,
Vor Gott die beste Arbeit tut.
106. Wo ist der Himmel?
Frag nicht, wo Himmel sei, geh aus der Eigenheit,
Sonst bleibt dir, wo du bist, der Himmel fremd und weit!
Wer seinem Willen stirbt und Gott sich kann ergeben,
Der wird auf Erden schon bei Gott im Himmel leben.
107. Wo find't man den Schatz?
Man sucht und findet nicht, doch ist der Schatz so nah;
Was läufst du viel herum? Er ist im Herzen ja;
Verkauf nur, was du hast, und geh in dich hinein,
So wird der beste Schatz, Gott selber, deine sein!
108. Nimmer allein
Wo ich je geh' und steh', auch sitze und arbeite,
Da bin ich nicht allein, mein Freund steht mir zur Seite;
Halt' ich mich nah zu ihm und tu, was ihm gefällt,
So wandelt er mit mir und gern sich zu mir hält.
109. Der Baalstempel
Laß ja nichts neben Gott in deinen Grund hinein,
Sonst wird dein Herz, o Mensch, ein Baalstempel sein!
110. Zwei allein macht gemein
Je mehr ich bleib' mit Jesus einsam,
Je mehr er sich mir macht gemeinsam;
Wenn er und ich nur sind allein
In meines Herzens Kämmerlein,
So hab' ich in ihm tiefen Frieden,
Drum bleib' ich gerne abgeschieden.
111. Gib mir, mein Kind, dein Herz!
Gott ist so reich und will doch meine Gaben;
Er gibt sich ganz, sollt' ich denn sparsam sein?
Mein Liebstes und mein Bestes soll er haben,
Das ganze Herz soll ihm geheiligt sein!
112. Halt nichts zurück!
Gib deinen liebsten Benjamin
In Gottes Hände willig hin,
Sonst bleibt die Angst in deiner Seelen,
Und mußt bedrückt dich immer quälen!
113. Nimm dich's nicht an, was wird getan!
Wenn man dich haßt, wenn man dich liebt,
Wenn man dir nimmt, wenn man dir gibt,
Wenn man dich schilt, wenn man dich ehrt,
Und was dir sonst auch widerfährt:
Bleib ungestört und abgeschieden
In deinem Grund mit Gott zufrieden!
114. Gehorsam ist besser als Opfer
Der dient und liebt Gott mehr, der seinen Willen bricht,
Als wer ein großes Werk nach eig'nem Sinn verricht't.
115. Man soll noch den Sabbat feiern
In Sabbatruh, bei Müßiggehn,
Wirst du gar viel gewinnen;
Laß eignes Wirken stille stehn
Und leide Gott von innen!
Still mit Gedanken, Willen, Lust,
Wirk auch nicht viel mit Kopf und Brust,
Laß Zeit und Ort und alles dar
Und auch dich selbst in Wahrheit,
Verlier dich still ins Dunkle gar,
Da wohnet Gottes Klarheit!
Kannst du so Gott gelassen ruhn,
Was will der Hölle Macht dir tun?
116. Der Weg nach Haus
Halt stets dein Ziel im Aug'! Es hindert nur im Gehen,
O Pilger, wenn du viel auf dies und das willst sehen.
Merk, wie du reisen mußt: aus dir und allem aus
Mit deiner ganzen Lieb'! So heißt der Weg nach Haus.
117. Gott dienen auf seine Weise
Du mußt nicht dienen Gott, nach dem es dich dünkt gut!
Der dient ihm, der sich läßt und Gottes Willen tut.
Und kann man ihn nicht tun, so kann man ihn doch leiden;
Wer sonst nichts will als Gott, der dienet ihm in beiden.
118. Verlaß deinen Posten nicht!
Weich nicht vom Post! Dein Herze, ja Gedanken
Nicht auswärts laß vom rechten Vorwurf wanken,
An 's Herzens Tür stets auf der Wacht zu sein!
Zwar mußt du nicht in Eigenheit eindringen;
Doch harre still, gewandt von allen Dingen,
Bis man dich läßt ins Kabinett hinein!
119. Traue und laß dich führen!
Du mußt auf Gott es blindlings wagen,
Nicht immer forschen, fürchten, klagen;
Laß dich ihm ganz im Einfaltssinn!
Verlier dich selbst in Gottes Hände!
Wie er dich führt, auch du dich wende
Und frage nicht: Wo geht es hin?
120. Halt dich nur still; Gott streiten will!
Wenn dich der Feind anficht, mußt du nicht so erschrecken,
Bleib in der Festung nur, Gott selber wird dich decken!
Veracht den Feind getrost und halt in Gott dich still,
Er kann ja dem nichts tun, wer selbst nichts tut noch will!
121. Frisch gewagt, ist halb gewonnen
Furcht und Zwang und Blödigkeit
Hält das Herz in Ängstlichkeit,
Alles schwer dann heißt;
Liebe, Lust und guter Mut
Mit Gott große Taten tut,
Breitet aus den Geist.
122. Gedenke an Lots Weib!
Beständig sei, beständig sei, ohn' Umsehn und ohn' Weichen,
Mit Herz und Sinn zu Gott gewandt, willst du den Schatz erreichen!
123. Wer sein Leben verliert, der wird es finden
Ei, werd nicht bang, wenn alle Stützen dir
Entnommen sind und du entblößt mußt schweben;
Im Ozean der Gottheit dich verlier,
Der tiefste Tod bringt dir das reinste Leben!
Laß alles los und schließ die Augen zu;
Verlierst du nicht, so wirst du nimmer finden!
Wer sich entsinkt, der find't in Gott die Ruh,
Sein Leben bleibt, das eigne muß verschwinden.
124. Erst kommen und dann sehen
Gott wohnet außer Ort und Zeit,
Von Kreatur und Sinnen weit,
Still in sich selbst, in sanftem Frieden;
Willst du ihn schauen, frommer Christ,
So mußt du kommen, wo er ist,
Und werden auch so abgeschieden.
125. Nicht ruhen als in Gott
Laß Kreaturentrost, so kriegst du Gottes Gaben;
Doch ruh auch hierin nicht, willst du Gott selber haben!
126. Im Mittelpunkt bleibt man still
Die Welt ist nur ein Rad, ein immer drehend Rund,
Gehst du mit Lust hinein, so kommst du mit ans Treiben.
Gott ist der Mittelpunkt; kehr ein in 'n Seelengrund!
Wer da gesammelt ist, kann still und ruhig bleiben.
127. Den Säugling geht die Haushaltung nichts an
Wie töricht ist ein Kind, da es im Schoß könnt' ruhn,
Wenn's selber sorgen will und große Dinge tun!
Wer klug ist, bleibe still in Jesu Schoß verborgen,
Er sauge Gnad' um Gnad' und laß die Mutter sorgen!
128. Geistliche Schiffahrt
Stroman geht meine Reis', wie soll ich's machen dann,
Ich bin so matt und müd', daß ich nicht rudern kann?
Hier sitz' ich still und wart', die Segel haltend auf,
Bis daß ein guter Wind befördre meinen Lauf.
129. Der blinden Liebe Art
Die blinde Liebe acht't es nicht,
Ob's gleich ihr selbst an Kraft gebricht;
Sie weiß: Gott alles kann.
Die blinde Liebe auch nicht denkt,
Ob dies erquickt und jenes kränkt;
Sie siehet Gott nur an.
Die blinde Liebe will nicht sehn,
Sie folget, ohne zu verstehn,
Wieund wo Gott sie führt.
Die blinde Liebe sich ergibt
Auf ewig ganz dem, den sie liebt,
Sich selbst in ihm verliert.
130. Gehe ein in die Freude deines Herrn!
Daß ich im Leiden bin, was ist daran gelegen?
Mein Herr in Freuden ist, und dies erfreuet mich.
Mein Gott und all mein Gut, mein Himmel, Trost und Segen,
Wer dich ganz reine liebt, der denkt nicht viel an sich.
131. Das beste Opfer
Selig, wer zu aller Stund'
Einen stillen, nackten Grund,
Einen willenlosen Sinn
Kann dem Herren legen hin!
132. Wir sehen nicht auf das Sichtbare
Zieh Herz und Sinnen ab von dem, was muß verschwinden,
Sonst kannst du nie in Gott Lust, Ruh und Leben finden,
Und leb in dieser Welt, als wenn du schon wärst tot;
Tu es aus Liebe jetzt, eh' du es mußt aus Not!
133. Wie man der Sünde los wird
Willst du von deiner Sünd' erlöst und heilig sein,
So senk dich, wo du bist, in Gottes Reinheit ein;
Verlier dich selbst in ihm mit allen deinen Sünden,
Bis du dich ganz in Gott und Gott in dir wirst finden!
134. Unser Herz Gottes Heiligtum
Ich kehr' ein in mein Heiligtum
Und bleib' in Liebesehrfurcht stumm;
In 's Geistes stiller Dunkelheit,
Von Kreatur und Sinnen weit,
Da wohnet Gottes Klarheit,
Da schaut man Gott in Wahrheit.
135. Wo Gott zu finden sei
Gott ist ein stiller Geist, der überall zugegen,
Drum, wer ihm nahen will, darf sich nicht viel bewegen;
Verlier, was bildlich ist, und brauch nicht viel Gewalt,
Kehr sanft in'n stillen Geist! Ich weiß, du findst ihn bald.
136. Immer im Gegenwärtigen
Was ist geschehn, mußt du nicht viel bedenken,
Was kommen soll, ist auch nicht deine Pflicht;
Der Augenblick, drin du dich Gott kannst schenken,
Ist gar zu teu'r: o Seel', verlier ihn nicht!
137. Ich lebe, doch nicht mehr ich
Mein Wollen, Reden, Tun, mein Denken und Verstehen
Ist voller Eigenheit, das beste ist nicht rein;
Möcht' ich mein Ich als tot in Gott verschlungen sehen,
Möcht' Gott mein Leben und ich Gottes Werkzeug sein!
138. Trau der Schlange nicht!
Sünd' ist ein listig Ding: sie macht sich anfangs klein,
Sie schmeichelt sanft und süß und kommt in schönem Schein,
Hernach da wird sie groß und greulich im Gesicht;
Vergaff dich nicht, o Seel', laß ihr den Willen nicht!
139. Das Leben in Gott
Ein Fisch wohl hundertmal mit Lust in einer Stunde
Bald in die Höhe steigt, bald sinkt in 's Wassers Grunde,
Er spielt gar sanft und still beim warmen Sonnenschein.
Ich auch im Element der Gottheit stets so lebe,
Bald kehr' ich ein in 'n Grund, bald mich im Geist erhebe
Und finde überall mein'n Ruhpunkt, so ich mein'.
140. Gottes Rauchaltar
Dein Herz ein Rauchaltar, der nur dies eine Neigen
Zum Rauchwerk Tag und Nacht muß lassen aufwärts steigen:
Mein Gott und all mein Gut, mein Gott, nur du allein,
Mein Gott, ich liebe dich, du sollst es ewig sein!
141. Wer Gott nur will, ist immer still
Ein Weltkind fürchtet, dies und jenes möchte kommen,
Es sorgt, daß, was es liebt, ihm werden möcht' entnommen;
Bald hätt' es dieses gern, bald jenes ihm gebricht,
Bald grämt und quält es sich, daß dies und das geschicht.
Ich hab' und will nur Gott, ich leb' vergnügt und stille,
Denn stets geschiehet mein und meines Vaters Wille.
142. Weichlich sein bringt größre Pein
Mensch, zärtle doch nicht lang mit deinem Fleisch und Blut,
Brich durch die erste Stund', faß einen Heldenmut!
Was du nicht kannst, kann Gott; die Ewigkeit kommt an,
Denk an das bittre Wort: Ach hätt' ich's doch getan!
143. Wie selig ist ein wahrer Christ!
Wie selig ist ein Mensch, der alle seine Zeit,
Auch Leibs- und Seelenkraft in Gottes Dienst verzehret,
Der nichts für sich behält und der in Ewigkeit
Kein ander Teil und Gut als Gott allein begehret!
144. Im Heiligtum ist alles stumm
Es frag' mich niemand nicht, wie ich so stille bin!
Gott ist in meinem Grund, die Ehrfurcht macht mich schweigen,
Mein Herze betet an, mein Geist, der schauet ihn;
Dies ist mein stetes Werk: vor meinem Gott mich beugen.
145. Im Tal trifft kein Wind
Wer in Vernunft geht ein, kommt bald in Angst und Treiben;
Wer Frieden liebt, der muß im Einfaltsgrunde bleiben.
146. Wo man mit verkehrt, da wird man mit geehrt
Weltumgang stecket an. Mach dich ihr nicht gemein,
Sonst wirst du unvermerkt, o Seel', ein Weltkind sein;
Nur lebe stets mit Gott gemein auf dieser Erden,
So wirst du göttlich auch und leicht vollkommen werden!
147. Jesus zu der Seele
Wenn ich dich recht soll führen,
Mußt du dich selbst verlieren,
Die Augen schließen zu;
Nicht immer wollen sehen,
Nur glauben, nicht verstehen:
So heißt der Weg zur Ruh.
148. Nur eins von beiden!
Nimm in der Kreatur nicht Lust, nicht Trost, noch Leben,
So wird es dir in Gott im Seelengrund gegeben!
149. Glücklicher als die Engel
Dein Heiland hat aus reiner Lieb'
Für dich sich in den Tod gegeben;
Du auch ihm willig wieder gib
Dein ganzes Herz, dein liebstes Leben!
Umfaß aus Liebe Kreuz und Pein,
Kein Engel kann so glücklich sein!
150. Hoher Stand im Christentum
Fürwahr, der ist bei Gott ein tief erfahrner Christ,
Wer gründlich glaubt, daß er ein großer Sünder ist,
Der ganz entblößt in sich auf pure Gnade trauet
Und wie ein Bettler Gott stets nach den Augen schauet.
151. Wacht in der Nacht
In dunkeln Wegen harre nur
Und kehr nicht aus zur Kreatur,
O Jungfrau, Gottes Braut;
Denk nicht, dein Bräut'gam sei dann weit!
Wer sich hält wachend und bereit,
Zur Mitternacht ihn schaut.
160. Nur ein Gebot fordert Gott
Liebe Gott von ganzem Herzen!
Hast du dies Gebot erfüllt,
Mensch, ich sag' dir ohne Scherzen,
Tu dann immer, was du willst!
161. Adams Leben, Christi Tod
Was Sinn und Fleisch vergnügt, bringt meist dem Geiste Leid;
Drum ist mir lieber Kreuz als Ehre, Geld und Freud'.
162. Laß dich führen!
Wer klug ist, stark und groß, der will sich selber führen,
Der hat und kennet noch des Hirten Leitung nicht.
Mich dummes, schwaches Lamm mein Jesus muß regieren;
Ich merk' auf seine Stimm' und halt' ihn im Gesicht.
163. In allem meine nur Gott alleine!
Dein Einfaltsaug' auf Gott muß sehen,
Im Essen, Trinken, Gehen, Stehen,
Im Tun und Lassen, wo du bist;
Dein reiner Zweck sei in dem allen,
Nur Gott aufs beste zu gefallen,
G'nug, wenn der Zweck erreichet ist!
164. Verleugnen und glauben
O Seel', du mußt dich treu verleugnen und mit Kämpfen
Die Sünde immerdar und ihren Ausbruch dämpfen.
Doch sei dein Hauptwerk stets, im Glauben Jesus fassen
Und dich von seinem Geist im Grund bewirken lassen;
Sonst, glaub es, wird dein Herz beim allerfrömmsten Schein
Ein übertünchtes Grab voll Sündenunflat sein.
165. Wie man gute Werke tun soll
Ein gutes Werk zu tun, ist nötig, nütz und gut,
Doch wird es bös', wenn man's nach eignem Willen tut;
Tu alles, wann und wie und wo es Gott will haben,
Gebeugt, gehorsam sein, ist mehr als Opfergaben!
166. Kinderstand, unbekannt
Eigenwillig, groß und klug,
Solcher Menschen find't man g'nug;
Klein, einfältig, untertänig,
Dieser Kinder sind gar wenig.
167. Unverbildet
Du mußt des Herzens Kämmerlein
Von fremden Bildern halten rein;
Laß alles draußen stehen!
Gott sieht es gerne bloß und leer
Und unbekümmert, so wird er
Sich bald drin lassen sehen.
168. Der köstliche Zierrat
Ein sanft' und stilles Kinderwesen,
Ein unverstellter Einfaltssinn,
Solch schönen Schmuck hat Gott erlesen,
Der führt zur ersten Unschuld hin.
Wer sich vom Geist dahin läßt ziehen,
Wird als ein lieblich Blümelein
Schon hier im Paradiese blühen
Und ewig Gottes Lustspiel sein.
169. Alles aus Gnaden
Gott hat so viel mit mir und meiner Sünd' zu tun,
Wär' er nicht selber Gott, er könnt' wohl nimmer ruhn;
Verdienste meiner Werk', die heißen Höllenpein,
Wenn ich noch selig werd', so wird's aus Gnaden sein.
170. Ein Kind und ein Mann
Wer tief sein Nichts erkennet
Und Gott sein Alles nennet,
Wer auf sich selbst nicht schauet
Und bloß in Gott vertrauet,
In Demut sich vernichtet,
In Gott steht aufgerichtet;
Wer so recht werden kann,
Der ist ein Kind und Mann.
171. Laß, was nichtig; tu, was wichtig!
Wie kann ein Mensch mit eiteln Sachen
Sich so viel Müh und Unruh machen!
Die Welt ist keinen Seufzer wert.
Ein wichtig Werk hab' ich zu handeln:
Vor Gott und in Gott kindlich wandeln,
Von allem gründlich abgekehrt.
172. Völlige Übergabe
Was stehst du in dir selbst noch lang?
Wirf dich in Gott und sei nicht bang,
Gib dich doch hin mit vollem Willen,
Kehr innig und auf ewig nur
Aus Eigenheit und Kreatur,
So wird dich Gott mit sich erfüllen!
173. Unser Vaterland ist nah
Seel', schließ die Augen zu vor diesem Rund der Erden,
Entsinke sanft und still dir selbst samt Ort und Zeit!
Im Nun der Ewigkeit kann Gott geschauet werden,
Dein Vaterland ist nah; wo läufst du noch so weit?
174. Aufrichtigkeit bringt Fried' und Freud'
Ach, lieber sterben tausendmal,
Ach, lieber alle Höllenqual,
Als eine Sünd begangen!
Mein tiefster Wille wanket nicht;
Mein nackter Grund in Gottes Licht
Mit solchem Sinn kann prangen.
175. Immer dasselbe Werk
Dein einzig Werk sei, Gott zu kontentieren
Und dich von ihm in allem lassen führen;
In allem Tun dein Werk dies eine sei,
So wirst du nicht zerstreut durch mancherlei!
176. Wie die Speise ist, so ist das Leben
Die Menschen irdisch sind, sie hungern nach der Erden,
Ihr Seelengrund wird nur mit finstrer Qual gefüllt;
Ach hungre nur nach Gott, so wirst du göttlich werden,
So wirst du froh und licht, so wird dein Durst gestillt!
177. Leer und rein das Herz muß sein
Nach deinem Seelengrund
Bleib fremde allen Dingen,
Daß du Gott alle Stund'
Ein leeres Herz kannst bringen!
Sei abgeschieden, rein
Von Lüsten dieser Erden,
So wirst du Gott gemein,
Sein Freund und Schoßkind werden!
178. Wie gefall' ich Gott?
Kleinheit, Reinheit, Einfaltswesen
Hat mein Seelenfreund erlesen;
Kinderherzen müssen's sein,
Denen er sich macht gemein.
179. Speise auf der Reise
Verleugnung ist die Speis', Gebet das täglich Brot;
Wenn eins von beiden fehlt, so leid' ich Hungersnot.
180. Wer Eines will, ist immer still
Der eigne Will', das mancherlei Verlangen,
Wie gut es scheint, nur Unruh bringt und Pein;
Ganz lediglich vom Herren abzuhangen,
Laß Nacht und Tag dein Werk und Wille sein!
181. Jesus zu der Seele
Mein Kind, schließ Tür und Fenster zu
Und kehre wieder ein zur Ruh;
Im Grunde deiner Seelen,
Laß nichts, was stören kann, hinein!
Wirst du so innig mir gemein,
Will ich mich dir vermählen.
182. Was draußen steht, dich nicht angeht
Was draußen ist, laß draußen stehn,
Es kann nur Unruh geben!
Im Geist allein mit Gott umgehn,
Bringt Ruhe, Freud' und Leben.
183. Leiden ist Lieben
O Seel', die du in Finsternissen gehest
Und innerlich in Kreuz und Leiden stehest
Und nichts mehr willst als wahrlich Gott allein,
Dein Glück ist groß: du liebst den Herren rein.
184. Ich erwarte Besuch
Weil ich die Zeitung hab' vernommen,
Mein Bräutigam woll' zu mir kommen,
Drum bleib' ich Tag und Nacht zu Haus,
Daß er nicht komme, wann ich aus.
185. Gott allein gefällig sein
Wer etwas will vor Menschen scheinen,
Der ist von Gott schon ausgekehrt;
Auf Gott nur sehen und Gott meinen,
Macht dich in Gottes Augen wert.
186. Wer will wider uns sein?
Werd nicht betrübt, wenn alles geht entgegen,
Du mußt gebeugt und stets gelassen stehn!
Das größte Kreuz gebiert den größten Segen;
Dem, der Gott liebt, kann nichts entgegengehn.
187. Mein Schöpfer, mein Töpfer
Durch äußre Widrigkeiten,
Durch innres Kreuz und Leiden
Wirst du gebeugt und rein;
Laß wie ein Ton dich wenden
In deines Schöpfers Händen,
Sie bilden dich recht fein!
188. Stille sein in Kreuz und Pein
Bleib Gott ergeben, froh und stille
In Dürre, Kreuz und Dunkelheit;
Es sei dir g'nug Gott und sein Wille,
Sostehst du fest in Ewigkeit!
189. Stille sein ist dein Lob in Zion
In Gottes Gegenwart sei stille
Dein Mund, Gedanken, Lust und Wille!
Die höchste Majestät ist wert,
Daß sie mit Schweigen wird geehrt.
190. Liebe macht alles leicht
Wer Gottes Treu und Liebe kennet,
Der weiß von keiner Mühe mehr,
Verleugnen er Vergnügen nennet,
Des Kreuzes Schande seine Ehr'.
191. Den Unmündigen wird's geoffenbart
Eignes Forschen fasset nicht
Gottes Wahrheit, Werk und Licht;
Nur ein klein' und reines Kind
Gottes Wunder schlafend find't.
192. Gemerk auf Gott
Ein innig, sanft, verliebt Gemerk
Auf Gott im Grunde deiner Seelen,
Dies eine, kleine, reine Werk
Wird dich ganz leicht mit Gott vermählen.
193. Der verbotene Baum
Der Sünden kurze Lust, die Eitelkeit der Welt
Ist ein verbotner Baum; ach, laß dich nicht verführen!
Wer seine Lust in Gott stets eingekehret hält,
Wird über Welt und Feind mit Christus triumphieren.
194. Laß ab von deinem Tun!
Es schmerzt mich, wenn ich seh so manche gute Seelen
In vielem Wirken sich ohn' Frucht und Fortgang quälen.
Liebt Gott und bleibt ihm nah, stellt euer Wirken ein
Und laßt euch gründlich ihm, wollt ihr geheiligt sein!
195. Der Gelassene ist reich
Bald willst du dies, bald jenes haben,
Und immer unvergnügt du bist;
Der hat den Geber mit den Gaben,
Wer völlig Gott gelassen ist.
196. Verleugnung und Gebet
Verleugnung und Gebet sind Schwestern, die sich lieben,
Wer eine von sich stößt, hat beide schon vertrieben,
Wer eine sucht, der mach' der andern sich gemein,
Wer beide liebt und übt, wird bald geheiligt sein.
197. Gott Herr, ich Knecht
Gott will als König mich regieren