#gemeckerfrei - Uli Bott - E-Book

#gemeckerfrei E-Book

Uli Bott

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Beschreibung

Ein Buch für Eltern, die Gemecker in der Partnerschaft und in der Familie satthaben, die Selbstfürsorge leben und ihre Kinder unterstützen statt erziehen wollen. #gemeckerfrei steht für einen gelassenen Alltag, in dem die Bedürfnisse aller gelebt werden können. Für wertschätzende Partnerschaft der Eltern und eine achtsame Eltern-Kind-Beziehung. Familie soll, muss und kann Glück sein. Elternsein ist leicht, wenn man weiß wie es geht.

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Uli Bott • Bernd Bott

Warum Erziehung nicht funktioniert und wiewir die Eltern sein können, die wir sein wollen

©Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2021

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

E-Book-Konvertierung: ZeroSoft, Timisoara

ISBN E-Book (ePub) 978-3-451-82444-9

ISBN 978-3-451-60400-3

Inhalt

Einleitung

1. Wie wir die perfekten Eltern sein wollten und warum wir grandios gescheitert sind

Eltern werden ist nicht schwer

Ohne unsere Kinder wäre ich eine arrogante „Besserwisserin“ geworden

Die Erziehungslüge – Warum wir unsere Kinder nicht erziehen können

Erziehungstipps sind wie Abnehmtricks

Wann auch bedürfnisorientiertes Elternsein zum Scheitern verurteilt ist

2. Wie wir wurden

Geplatzte Träume

Als Eltern ein Paar bleiben und gemeinsam weitergehen

Rückschlag und Tiefpunkt

Wie wir unsere eigenen Experten wurden

Unser Familienleben heute

3. beginnt IN uns selbst

ist die Rechtschreibreform des Herzens

Wie entsteht Gemecker eigentlich?

Äußeres Gemecker ist die Folge von innerem Gemecker

Das Lebensrestaurant

Wer meckert, hat vergessen, wie großartig er ist

Aus einer leeren Tasse kann man nichts trinken

Der emotionale Jo-Jo-Effekt

Warum Erziehungstipps nicht funktionieren

4. im Alltag

Von der unbewussten Inkompetenz zur unbewussten Kompetenz

Dein Kind ist nie gegen dich

Der emotionale Teufelskreis

Deine freie Entscheidung

Kinder können nicht verwöhnt werden

Raus aus dem Hamsterrad

Die drei Zauberfragen

Brauchen Kinder Regeln?

Aus Wunden Wunder machen

5. Kritik an

Kritikpunkt 1: ist ein scheinharmonischer Einheitsbrei

Kritikpunkt 2: Streit gehört dazu und Kinder müssen streiten lernen

Kritikpunkt 3: Ohne Regeln und Grenzen geht es nicht

Kritikpunkt 4: „Das ist ja voll antiautoritär“

Kritikpunkt 5: Kinder haben nun mal schwierige Phasen

6. Schluss

Teilnehmerstimmen

Danke

Literatur

Anmerkungen

Einleitung

Viele Jahre hätte ich alles dafür gegeben, die perfekte Mama zu sein, und habe von Bernd erwartet, der perfekte Papa zu sein. Ganz zu schweigen von all den anderen Lebensbereichen, in denen ich natürlich auch ganz vorne mitschwimmen wollte. Heute weiß ich, dass dieser Wunsch nach Perfektion einerseits ein wahnsinniger Antrieb ist, immer besser zu werden. Nicht stehen zu bleiben. Sich weiterzuentwickeln. Gleichzeitig ist er aber auch eine fatale innere Bremse. Denn das Streben nach Perfektion entsteht immer aus einem Mangelbewusstsein. Aus dem Gedanken, „nicht genug” zu sein. Und Mangel zieht Mangel an. Die Folge ist, dass wir Eltern uns in einem ewigen Hamsterrad bewegen und zielstrebig auf einen Burnout zusteuern. Heute wissen Bernd und ich, dass wir alle nicht perfekt sind und dass es vermessen wäre, als Eltern perfekt sein zu wollen. Dazu ist die Herausforderung, Kinder in die Welt zu begleiten, zu groß. Nichts hat unsere Familie mehr geprägt und geformt, uns wachsen lassen, als uns selbst immer wieder infrage zu stellen.

Da du dieses Buch liest, vermute ich, dass du zu jenen Eltern gehörst, die ihre Kinder so gut wie möglich ins Leben begleiten wollen und auf der Suche sind nach einem guten Weg dahin. Wir wären glücklich, diejenigen für dich sein zu dürfen, die wir uns vor zwanzig Jahren, als wir selbst junge Eltern waren, gewünscht hätten: Menschen mit dem Herz am rechten Fleck, die uns inspirieren, wie das Elternsein gehen kann. Voller Liebe. Voller Demut vor dem Wunder, das unsere Kinder sind. Voller Empathie und Mitgefühl, wenn wir doch einmal an unseren eigenen Ansprüchen scheitern.

Wir wollen dir mit diesem Buch einen Weg zeigen, wie das Projekt Familie gelingen kann. Wie du die Beziehungen in deiner Familie in jedem Moment an die erste Stelle setzen kannst und wie dadurch die Liebe ganz von selbst frei fließen kann.

#gemeckerfrei ist unsere Antwort auf die Frage, wie im Alltag mit unseren Kids Liebe statt Gemecker und Stress vorherrschen kann. Wie ein Zusammenleben für alle Beteiligten würdevoll sein kann. Wie ihr eine „Family in Love” werdet. Und wie dir dies gelingt, wenn du bei dir selbst beginnst.

Den Großteil des Buches habe ich, Uli, geschrieben. Ich habe unsere Geschichte zu Papier gebracht, denn in unserer Familie bin ich die „Schreibkraft”, die Autorin. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich immer nur meine persönliche Perspektive zum Ausdruck bringe. Im Großen und Ganzen ist es immer unsere, Bernds und meine, gemeinsame Sichtweise, die wir dir schildern. Und an manchen Stellen fließt ganz explizit Bernds Sichtweise ein.

An vielen Stellen des Buches erzähle ich von unserer eigenen Familie. Oftmals geschieht dies, das wirst du merken, mit einem Augenzwinkern. Denn Humor ist für uns ein guter Modus geworden, um mit unserem Schmerz umgehen zu können. Dem Schmerz darüber, dass es zwar immer schon unser erklärtes Ziel war, unsere Kinder bedingungslos zu lieben, es aber eben auch Situationen und Momente gab, in denen uns dies schlichtweg nicht gelungen ist. Momente, die uns leid tun und die gerade beim Schreiben dieses Buches immer wieder so präsent wurden, dass mir Tränen in die Augen traten.

Umso dankbarer bin ich für diesen Satz unseres 15-jährigen Kindes: „Ganz egal, wie blöd das vielleicht manchmal war, ich hab’s nicht als schlimm empfunden, weil ich immer wusste, dass ihr mich liebt!” Danke!

Bevor es richtig losgeht, möchte ich dich ermutigen, darauf zu vertrauen, dass auch du es schaffen kannst, die Mama oder der Papa zu sein, die oder der du schon immer sein wolltest. Es gibt einen Weg, wie du auf Augenhöhe mit deinen Kindern und befreit von hinderlichen Glaubenssätzen wachsen kannst. Wie du ein wunderbares Vorbild für deine Kinder sein kannst. Dafür ist es nie zu spät. NIE! Du kannst in jedem Moment das Ruder herumreißen und aus der Meckerspirale aussteigen. Oder aus der Selbstaufopferung. Sei gewiss, dass sowohl deine Kinder wie auch dein Partner diesen Weg mitgehen werden. Denn es ist ein guter Weg, ein Weg voller Liebe. Sei gewiss, dass du dein Bestes geben kannst und dass dies immer „genug” ist.

Viel Freude beim Lesen!

Hier findest du ein kurzes Video zur Begrüßung. Alles, was du dafür tun musst, ist den Code mit deinem Smartphone über eine passende App einzuscannen.

1. Wie wir die perfekten Eltern sein wollten und warum wir grandios gescheitert sind

Eltern werden ist nicht schwer

Als ich dreizehn Jahre alt war, fasste ich den Entschluss, dass ich die Welt für Kinder schöner machen wollte. Der Auslöser dafür war ein Artikel über Mutter Teresa und ihre Arbeit in Indien. Dieser Text hat etwas in mir zum Schwingen gebracht, etwas in mir berührt. Damals erlebte ich als Babysitterin und später in verschiedenen anderen Jobs, bei denen ich mit Kindern zu tun hatte, immer wieder, dass sie nicht gehört oder wahrgenommen wurden. Mir brach es das Herz zu sehen, wie diese kleinen Menschen reagierten, wenn sie kritisiert oder geschimpft wurden. Wie viel Schmerz durch dieses Verhalten entstand – sei es aus Unwissenheit oder weil man das eben so machte. Ich wollte, dass Kinder nicht wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden, nur weil sie kleiner sind.

Ich wünschte mir vielmehr, dass Kinder in dem Wissen und Gefühl aufwachsen dürfen, dass sie wundervoll sind, so wie sie sind. Dass sie nie vergessen, dass sie vom Leben selbst geliebt werden. Dass sie wissen, dass eine unzerstörbare Kraft in ihnen wohnt und dass sie hier in dieser Welt erwünscht sind.

Rückwirkend betrachtet, war das natürlich auch mein eigener Schmerz, der mich damals mit dreizehn angetrieben hat. Der Schmerz, als Kind nicht so gehört worden zu sein, wie ich es mir intuitiv gewünscht hätte. Gleichwohl weiß ich, dass auch meine Eltern, die ich von Herzen liebe, ihr Allerbestes gegeben haben.

Mein Wunsch, die Welt für Kinder schöner zu machen, führte zu diversen Tätigkeiten mit Kindern und deren Eltern während meines Studiums. Während dieser Zeit hörte ich immer wieder einen Satz, den alle kinderlosen Pädagogen kennen: Krieg erst mal selber Kinder! Und ja – ich konnte ihn nachvollziehen, auch wenn er mir nicht gefiel. Lustigerweise ist jedoch gerade dieser Satz zum Leitstern von Bernd und mir geworden, sodass wir heute nur über Themen sprechen, die wir selbst erlebt haben. Wir teilen in diesem Buch unsere Erfahrungen aus einundzwanzig Jahren Elternsein mit dir. Wie wir dieses Abenteuer erleben und es mit vier gemeinsamen Kindern meistern.

Dabei galt auch für Bernd und mich zunächst genau wie für alle Eltern: Wir werden Eltern und wir haben „no fucking idea”, wie die Nummer funktioniert. Wie gelingt es, dass unsere Kinder nicht nur körperlich wachsen? Wie werden sie selbstständig, wie funktioniert der Alltag, wie meistern sie selbst später ihr Leben? Was brauchen sie von uns? Und was sollten sie im besten Fall nie erleben? Wie schafft man das neben all den anderen „Baustellen” – Jobs, Finanzen, Beziehung, Gesundheit? Wie können wir dieses Leben erfüllt leben und dabei unsere Kinder bestmöglich unterstützen? Und all dies bitte so, dass jedes Kind sich in jeder Sekunde maximal geliebt fühlt – einfach weil es da ist.

Wir hatten keine Ahnung. Und wir hatten auch keine Ahnung, dass wir keine Ahnung hatten. Wir hielten uns an Konzepten fest, taten viele Ideen als veraltet ab, klammerten uns andererseits an jeden Strohhalm, der uns sinnvoll erschien.

Wir wussten zum Beispiel nicht, dass es wichtig sein könnte, sich mit dem Gefühl, „keine Ahnung zu haben” auszusöhnen. Stattdessen versuchten wir lange Zeit, den Stein der Weisen zu finden. Den einen ultimativen Weg, der funktioniert. Sowohl für unsere eigenen als auch für alle anderen Kinder. Denn das war ja immer unser erklärtes Ziel: Die eigenen Erfahrungen irgendwann multiplizieren zu können, um die Welt für alle Kinder liebevoller zu gestalten.

Aber der Reihe nach:

Aufgrund der Bedeutsamkeit eigener Erfahrungen haben wir ganz bewusst sehr früh im Leben – mit Anfang zwanzig – selbst Kinder bekommen. Und es war meine absolute Erfüllung. Ich gab mir selbst das Versprechen, dass dieses Kind und alle weiteren meiner Kinder sich in jeder Sekunde geliebt fühlen sollten, dass sie so heil und rein wie möglich bleiben können sollten. Durch meine leicht esoterisch angehauchte Kindheit war so etwas wie die „Vollkommenheit der Seele” ein hohes Gut. Als Eltern hatten wir den Auftrag, dafür zu sorgen, dass dieses Gefühl von bedingungsloser Liebe aufrechterhalten bleibt. Irgendwie erschien mir alles so zerbrechlich. In der Folge bedeutete das Hausgeburt, Langzeitstillen, dann Bio-Kost, kein Zucker, kein Fleisch, kein Plastikspielzeug, keine Chemikalien, Tragetuch statt Kinderwagen, Familienbett, solange das Kind will, sofort reagieren, wenn das Kind einen Pups von sich gibt, keine Fremdbetreuung in den ersten drei Lebensjahren … Wir wollten jedwedes Unheil von unserem Kind fernhalten, damit es ja keinen Schaden davonträgt.

Unser erstes Kind war das Zentrum unseres Lebens, und es fühlte sich gut und richtig an, sich ihm hinzugeben. Bald kam das zweite Kind. Als die ältere Schwester so etwa zwei Jahre war, bekam unser Konstrukt erste Risse. Denn wie geht man damit um, wenn Kind zwei sich in Kind eins „verbeißt”? Wieso bekommt dieses so sehr von uns geliebte Kind ständig Wutausbrüche? Wir geben unseren Kindern doch alles – ist das etwa immer noch nicht genug? Wir verwandelten das Wohnzimmer in Spielelandschaften, lasen den Kindern jeden Wunsch von den Lippen ab und trotzdem brannte die Hütte, weil die Lieblingshose nicht gewaschen war, die Zahnbürste auf gar keinen Fall in den Mund durfte oder die Naht der Socke drückte.

Ich stand dermaßen unter Strom. Denn alles, was ich als Mama tat, stand ständig auf dem Prüfstand: Mache ich es auch richtig? Bin ich wirklich eine perfekte Mutter? Die perfekteste überhaupt? Pausenlos kreisten diese Fragen in meinem Kopf, mit denen ich mich – und alle anderen Mamas in meinem Dunstkreis gleich mit – bewertete. Permanent. Lange Zeit habe ich diese Stimme in meinem Kopf gar nicht bemerkt. Oder ich habe mir nichts dabei gedacht, dass sie da war. Es war eben normal, solche fixen Ansichten und Vorstellungen zu haben. Es war normal, solche Erwartungen an mich selbst zu haben. Und an alle anderen. Denn es galt ja, die Welt für alle Kinder schöner zu machen. Ich sortierte kleinste Verhaltensweisen in „richtig” und „falsch” und ging davon aus, dass wir Eltern nur bereit sein müssten, den Kindern alle Bedürfnisse zu erfüllen, dann würden sie sich auch geliebt fühlen. Und sich auch so verhalten. Ich glaubte zum Beispiel, dass Kinder, die sehr wütend wurden, zu viele unerfüllte Bedürfnisse hatten und sich nicht ausreichend geliebt fühlten … Aber unerfüllte Bedürfnisse? Das konnte bei uns nicht sein. Es war unmöglich. Wir gaben doch alles. Wirklich ALLES.

Wir diskutierten mit Kind 1 und Kind 2 und überforderten sie regelmäßig mit unserem Redeschwall. Wir wendeten jede Methode der „Kindererziehung” an, die ich irgendwo auftreiben konnte. Wir hinterfragten uns als Paar. Wir arbeiteten an uns und nahmen externe Hilfe an. Wir stellten uns ständig die Frage, wie wir so liebevoll mit unseren Kindern sein können, wie ich in mir fühlte, dass es möglich sein müsse.

Dann kam Kind 3 dazu. Mein persönlicher Kollaps. Denn auf einmal waren da mehr Kinder als Erwachsene. Auch wenn wir uns gemeinsam um die Kids kümmerten. Vier Hände reichten nicht mehr aus – ein Kind musste immer warten. Meine Angst, dass sich eines unserer Kinder zurückgesetzt fühlen könnte, wurde größer und größer. Und wie das mit Ängsten so ist, dauerte es auch nicht lange, bis das erste Kind sich tatsächlich auch so fühlte und immer „schwieriger” wurde.

Irgendwann waren wir am Rande der Erschöpfung angekommen: jahrelang Nächte mit unterbrochenem Schlaf, finanzielle Sorgen und die latente Angst zu versagen forderten ihren Tribut.

Es kam, wie es kommen musste: Die Anspannung wuchs und wuchs, und wir wurden lauter und lauter. Spätestens wenn nach dem ersten und zweiten auch noch das dritte Kind einen Wutausbruch hatte – am besten, während Kind 4 gestillt wurde –, war es um meine Gelassenheit geschehen. Am schlimmsten war das schlechte Gewissen, oft schon während des Meckerns, ganz bestimmt aber danach. Wie oft habe ich abends im Bett gelegen mit der Sorge, was ich womöglich alles kaputt gemacht haben könnte. Dass es mir nicht gelungen war, die Mama zu sein, die ich so gerne sein wollte. Dabei wollte ich doch nichts anderes, als mein Ideal von Elternschaft leben. Und wenn ich es schon mit meinen eigenen Kids nicht hinbekomme, wie sollte ich dann jemals etwas an andere Eltern weitergeben können?

Wie so viele Eltern, die wir mittlerweile begleitet haben, hatte ich lange Zeit immer das halb leere Glas vor Augen. Statt mich zu freuen, was alles gut geklappt hat oder welche kleinen und großen Herausforderungen wir wieder einmal bewältigt hatten, lag mein Fokus auf unseren vermeintlichen Fehlern. Dabei gab es natürlich auch viele, viele superschöne Momente. Das Zusammenleben mit vier wundervollen kleinen Menschen ist großartig und so bereichernd. Was haben wir alles zusammen gespielt, gebaut, erlebt. Stundenlanges Zuschauen an jeder Baustelle, jeden Kuhstall kannten wir von innen, jeder Regenwurm bekam einen Namen, das ganze Haus ein absolutes Kinderparadies. Kinderlachen den ganzen Tag, eine offene Tür für die vielen Freunde unserer Kinder und unzählige wundervolle Erlebnisse. Ja tatsächlich, auch damals hat vieles schon ganz hervorragend funktioniert. Und ich bin mir sicher, das ist bei dir ganz genau so, wenn du einmal die Fehlersuche einstellst und eine andere Brille aufsetzt. Es war also vieles schon wunderschön und manches eben nicht. Deshalb wollte ich es noch harmonischer. Noch liebevoller. Noch entspannter.

Heute bin ich unendlich dankbar für diese großartige Reise, für diesen Weg, den Bernd und ich seit mehr als einem Vierteljahrhundert zusammen gehen. Ich bin dankbar für unsere wundervollen Kinder und dass sie sich uns als Eltern ausgewählt haben. Ich bin dankbar für jeden Fehler, den wir gemacht haben, weil wir so immer besser wussten, wie wir es haben wollten und wie es funktionieren kann. Denn ohne all diese Erfahrungen gäbe es heute #gemeckerfrei nicht.

Und ich bin auch dankbar dafür, dass wir einen Weg gefunden haben, wie wir Eltern begleiten können, das Elternsein mit all seinen Unwägbarkeiten zu genießen und das Beste aus der gemeinsamen Zeit zu machen. Ich liebe es zu sehen, wie viele Familien durch unser Vorausgehen bereits #gemeckerfrei wurden, sich von unzähligen Zwängen befreit haben – eigene, oftmals biografisch bedingte Blockaden und Glaubenssätze über Bord werfen konnten. Und natürlich bin ich und sind wir dankbar dafür, dass du dieses Buch in Händen hältst und dich inspirieren lässt.

Wenn dieses Buch ein wenig dazu beitragen kann, dass du die kritische Stimme in dir ein wenig veränderst und milder auf dich und deine Lieben schauen kannst, hat es seinen Zweck erfüllt.

Gemeinsam können wir es schaffen, die Welt für Kinder schöner zu machen. Genau genommen sind wir – du und ich – ja auch nur große Kinder. Wir wollen die Welt also für alle schöner machen. Liebevoller. Weil es dann schlicht besser ist. Denn – wie heißt es so schön – Liebe verdoppelt sich, wenn man sie teilt.

Ich würde mich freuen, wenn dieses Buch und #gemeckerfrei dich dabei unterstützen können, glücklich zu sein und „Ja” zu dir und deinem Leben zu sagen.

Bernds Blick

Auch in mir wohnt ein kleiner Weltverbesserer. Allerdings war mir lange nicht klar, welches Thema für mich im Vordergrund stand. Dafür war ich zu vielseitig interessiert. Umwelt-, Flüchtlings-, Bildungsthemen waren eigentlich mein Fokus. Und meine zweite Heimat. Mein wirkliches Zuhause war eher ein Anti-Vorbild. Meine Eltern waren zu sehr mit sich und ihrer Beziehung beschäftigt – die auch in einer unschönen Scheidung endete. Damals konnte ich mir gar nicht vorstellen, überhaupt jemals eine längerfristige Beziehung einzugehen – von eigenen Kindern ganz zu schweigen. Und dann kam Uli in mein Leben. Für mich war klar, wenn ich jemals Kinder bekomme, dann wachsen die in einer funktionierenden Beziehung auf. Gleichzeitig wollte ich ein wirklicher Papa sein – nicht nur der Feierabend-Gutenachtküsschen-Typ. Ich wollte mit meinen Kindern und mit meiner Frau leben, den Alltag mit ihnen teilen. Und so hat das gut gepasst mit uns beiden, mit Uli und mir.

Ohne unsere Kinder wäre ich eine arrogante „Besserwisserin” geworden

Dieses Eingeständnis pikst. Vor allem, weil es für mich früher unmöglich gewesen wäre, darüber zu sprechen oder gar zu schreiben. Allein, mir diese Schwäche selbst einzugestehen, wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Dabei ist Ehrlichkeit mit sich selbst der Gamechanger schlechthin, das Salz in der Suppe des Lebens. Weil wir nur verändern können, was wir erkannt haben. Weil wir unser Verhalten nur ändern können, wenn uns die zugrunde liegenden Muster bewusst sind.

Von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer Workshops und Seminare weiß ich jedoch, dass ich nicht alleine bin mit diesen Verhaltensmustern, die wir uns gleich näher ansehen werden. Und ich hoffe, dass es dir Mut gibt, auch bei dir selbst hinzuschauen. Wenn man ehrlich mit sich ist, kann man aus alten und hinderlichen Glaubenssätzen Glaubensschätze machen.

In meiner Kindheit gab es ganz klare Richtlinien, was als richtig und was als falsch galt. Es gab Regeln, wie man Dinge zu tun hat. Wenn man sie nicht in regelkonformer Weise tat, wurde dies als Fehler oder Missgeschick gewertet. Meine Eltern zum Beispiel reagierten wechselweise mit Tränen oder Wut, wenn ihnen selbst ein Fehler unterlaufen war.

Ich habe lange überlegt, inwieweit ich in diesem Buch generationenübergreifend erzähle und zum Beispiel auch meine geliebten Eltern „mit ins Boot hole” und Geschichten aus meiner Kindheit teile. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es wichtig ist, ein bisschen auszuholen und zurückzublicken. So können wir uns selbst viel besser verstehen.

Meine Eltern gehören zur ersten Nachkriegsgeneration, sind also Kinder zutiefst traumatisierter Menschen, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben und denen es über Jahre an vielem gemangelt hat. Vor allem hat es ihnen an Sicherheit gemangelt. Dieser Mangel an Sicherheit führte dazu, dass die Kinder dieser Eltern ein ausgeprägt großes Bedürfnis nach eben genau dieser Sicherheit entwickelt haben. Und eine ganz grundlegende Verhaltensweise, um Sicherheit in allen Bereichen des Lebens erleben zu können, ist die Einteilung der Welt in Gut und Böse, Richtig und Falsch. Denn Fehler zu machen, kann einen das Leben kosten. Das war die Erfahrung ihrer Eltern.

Deshalb war es ein ganz wesentlicher Gradmesser, die Dinge oder besser das Leben „richtig” zu machen. Und sie gaben sich alle Mühe dabei und strengten sich über die Maßen an. Meine Mama mit uns Kindern, mein Papa mit allem anderen. Möglichst keine Fehler zu machen war das Ziel. Denn Fehler waren gefährlich, sie implizierten, dass man vom richtigen Weg abgekommen war, dass man versagte. Gleichzeit war man, wenn man einen Fehler gemacht hatte, nicht liebenswert – weder in den eigenen Augen noch in den Augen anderer. Nur so kann ich mir erklären, warum die Angst meiner Mutter vor Fehlern oder die Wut meines Vaters angesichts von Missgeschicken immer so groß war.

Ich erinnere mich an „Dampfnudeln-Dramen”, weil die Hefeklöße nicht aufgegangen waren. Wie sehr meine Mutter darunter gelitten hat. Sie saß weinend auf dem Sofa, das gemeinsame Essen war Geschichte und ich wusste weder, wie ich hätte Trost spenden können, noch verstand ich ihren Schmerz. In der Luft hing beißende Kritik, doch gesprochen wurde nicht. Irgendwann nach Stunden oder Tagen war es dann wieder vorbei. Für mich haben die Dampfnudeln trotzdem lecker geschmeckt. Aber ich habe beobachtet und „gelernt”: Man muss perfekt sein, dann muss niemand leiden.

Und so habe ich mich mehr und mehr unter der „Richtig”- und „Falsch”-Glocke durch mein Leben bewegt. Ich habe mich selbst sehr angestrengt, um perfekt zu sein, habe mich angepasst und immer wieder abgeglichen, wann und wie ich richtig bin.

Andererseits funktionierten schon damals die Kritierien, die ich für „richtig” und „falsch” entwickelt hatte, nur bedingt. So erinnere ich mich beispielsweise daran, dass meine Eins in einer Klassenarbeit abgetan wurde mit der Bemerkung „Da hast du ja eh nichts für gelernt.”, während die Drei meines Bruders gefeiert wurde, weil es keine Fünf war. Ich habe damals also mitgenommen: Um geliebt zu werden, darf ich keine Fehler machen und muss mich anstrengen, sonst zählt es nicht.

Für unsere eigenen Kinder wünsche ich mir, dass sie sich losgelöst von irgendwelchen Bedingungen geliebt fühlen. Einfach weil sie sind, wie sie sind.

Zu Beginn meiner Elternschaft konnte ich das alles noch längst nicht so verstehen, wie ich es eben beschrieben habe. Erst mal war es nur ein Gefühl. Ich wollte, dass meine Kinder es leichter haben.

Allerdings habe ich diesen Wunsch mit demselben Muster versucht umzusetzen, das mich schon in meinem Elternhaus geprägt hatte. Das heißt, ich wollte es richtig machen. Ja keinen Fehler machen. Dafür war ich bereit, mich endlos anzustrengen.

Merkst du was? Das ist es, was so oft passiert: Wir überprüfen und reflektieren unsere eigenen Muster mit unseren eigenen Mustern. Die Glaubenssätze, die uns innewohnen, steuern uns – egal, wie bewusst wir uns selbst beobachten.

Damals wusste ich das nicht. Aber ich habe jedes Buch verschlungen, das mir sinnvoll erschien. Besuchte Weiterbildungen und Seminare. Lernte und beobachtete andere Menschen, zog daraus meine Schlüsse. Bewertete in Richtig und Falsch, Gut und Schlecht und richtete mein Handeln danach aus. Nach dem gleichen Muster bewertete ich auch andere Menschen. Schwarz oder weiß, das waren die Optionen. Ich sah nicht, dass jeder Vater und jede Mutter, dass jeder Mensch auf der Welt in jedem Moment sein Bestes gibt. Ich war der Meinung, dass jeder perfekt sein könnte, wenn er sich genug anstrengen würde.

Also strengte ich mich an. Gab alles. Die Folgen kennst du schon aus dem vorangegangen Kapitel. Je anstrengender es wurde, desto weniger klappte es. Denn: Es ist einfach totaler Blödsinn zu glauben, dass man mit genügend Anstrengung alles erreichen kann. Man kann auf diese Weise einen Burnout erreichen. Ja, kein Problem. Aber das war es dann auch schon.

Unsere vier wundervollen Kinder haben mir gezeigt, dass sie komplett unterschiedlich sind und dennoch jede und jeder auf seine Art gleichermaßen liebenswert. Ab einem bestimmte Zeitpunkt funktionierte mein Konzept von Schwarz-Weiß und Richtig-Falsch nicht mehr. Unsere Tochter hatte Wutanfälle, obwohl wir sie mit Liebe überschütteten, im Familienbett langzeitstillten, immer für sie da waren. All die Dinge, die bei ihrem älteren Bruder hervorragend geklappt haben, waren bei ihr völlig sinnfrei und wirkungslos. Oder zumindest führten sie nicht dazu, dass wir das Gefühl hatten, ihr gehe es gut. Bei unserem dritten Kind funktionierten wieder andere Dinge nicht. Wir waren maximal verwirrt.

Was haben wir nicht alles ausprobiert: Wahlmöglichkeiten, aktives Zuhören, gewaltfreie Kommunikation, logische Konsequenzen, Ermutigung statt Lob, Familienrat, Alternativen erforschen, noch mehr Bedürfnisse erfüllen, noch mehr Gefühle wahrnehmen, sein lassen, annehmen, klare Strukturen und Regeln oder wenige Strukturen und Regeln – für das eine Kind so, für das andere anders … Wir haben alles umgesetzt, was uns sinnvoll erschien. Im Höchstfall war es drei Wochen besser, dann kam das Chaos zurück.

Wenn du glaubst zu wissen, woran unsere Misere lag, und vielleicht denkst: viel zu viel Veränderung, zu wenig Konstanz oder zu viel Druck, zu wenig Liebe, zu wenige Regeln, zu viel … von was auch immer. Falls du also gerade solche Gedanken haben solltest, dass du glaubst zu wissen, was wir falsch gemacht haben: Ich bin ganz bei dir, denn so war ich jahrelang. Und ich weiß auch, dass es aufschlussreich sein kann zu merken, dass man es gerne „richtig” machen will. Und wie anstrengend das ist.

Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass genau dieses „richtig machen wollen” einer meiner größten Stolpersteine war. Ich bin heute davon überzeugt, dass unsere Kinder unsere tiefsten und sabotierendsten Glaubenssätze in uns bemerken und aufdecken. Dass es schlussendlich gar nicht darum geht, welche Methode die „richtige” ist – weil es den einen richtigen Weg gar nicht gibt und – genau genommen – gar nicht geben kann. Genauso wenig wie den einen richtigen Ansatz, der für alle passt. Es gibt nicht einen Weg für alle, aber für alle einen Weg. Jeder Mensch ist individuell und braucht eine ganz eigene Ansprache.

Als Eltern sind wir immer Anfänger. Denn auch bei meinem vierten Kind war ich noch nie die Mama von diesem Kind. Ich weiß nicht, was diese Seele mitbringt, was sie braucht, wie ich sie gut ins Leben begleite. Ich kann es nicht wissen, bevor ich es nicht ausprobiert habe. Jedes Mal aufs Neue. Und um es ausprobieren zu können, muss ich bereit sein, Fehler zu machen. Denn sie weisen mir den Weg. Den „Mut zum Fehler” entwickle ich seit über zwanzig Jahren jeden Tag weiter. Und mutig zu sein bedeutet, mir selbst mehr zu vertrauen als meiner Angst.

Ich bin nicht perfekt, und das ist gut so. Das ist sozusagen perfekt. Ein Geschenk.

Denn es bedeutet, erkennen zu dürfen: Ich bin ein Mensch. Ich bin liebenswürdig genau so, wie ich bin. Und ich bin hier auf dieser Erde, um Erfahrungen zu sammeln. Das ist mein Selbstverständnis.

Wenn wir ihn loslassen, den Perfektionismus, wenn wir unseren Mut zum Fehler kultivieren, dann kommen wir im Hier und Jetzt an. Dann brauchen wir keine Angst mehr zu haben vor der Zukunft, keine Sorgen aufgrund vermasselter Gelegenheiten in der Vergangenheit. Wir können neugierig sein auf das, was kommt. Neugierig sein zu sehen, was noch in uns steckt. Wir können beginnen, sanft und nachsichtig mit uns zu sein. Uns liebevoll annehmen. Damit legst du die Grundlage dafür, dass du auch sanft zu anderen sein kannst. Erkennen kannst, dass jeder Mensch in jedem Moment sein Bestes gibt. Vielleicht kannst du dadurch sogar dankbar sein für deine Geschichte, deine Vergangenheit, für all die Erfahrungen, die du bis heute machen konntest. Weil sie dich geformt haben und dich haben erleben lassen, was du magst und was eben nicht.

Für mich waren diese Schritte essenziell. Denn nur so konnte ich mein Anspruchsdenken an mich und alle anderen Menschen verändern. Ich konnte durch diese Erfahrungen den Glaubenssatz verändern, dass man alles mit genügend Disziplin und Anstrengung schaffen kann. Ich konnte sanft werden – auch mit den Eltern, mit denen wir arbeiteten, und allen anderen Menschen. Denn wir alle – du und ich und jeder große Mensch – trägt ein mitunter verletztes Kind in sich, das geheilt und geliebt werden möchte.

Je mehr wir bei uns selbst ankommen, umso mehr können wir uns entspannen. Und das ist die Basis für die eigene Neugierde. Erst dann ist ein Offensein für andere Menschen und andere Erfahrungen möglich. Dann kannst du dich öffnen für dein inneres Kind.

Neugierig sein, wer dein Kind wirklich ist. Was in ihm steckt, was es der Welt schenken kann. Wer es sein möchte, wenn es frei entscheiden darf, statt für dich perfekt zu sein.

Ich danke von ganzem Herzen unseren unperfekten Kindern. Danke, dass ihr mir geholfen habt loszulassen. Dieses Muster zu erkennen und immer mehr zu durchbrechen.

Danke, dass ihr mir eure unvoreingenommene Liebe schenkt.

Danke, dass ich lernen durfte, dass ich immer und in jedem Moment die beste Mama für euch bin.

Danke, dass ich die werden durfte, die ich heute bin, und milde und sanft auf die schauen kann, die ich früher war.