Gemeinsam gegen Rheuma - Jörn Klasen - E-Book

Gemeinsam gegen Rheuma E-Book

Jörn Klasen

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Beschreibung

Die Diagnose Rheuma kann jeden treffen. Und häufig führt die gefürchtete Erkrankung zu langen erfolglosen Odysseen durch Arztpraxen und Krankenhäuser. Dabei hat sich in der Rheuma-Therapie in den letzten Jahren enorm viel getan – das wissen die renommierten Experten Dr. Jörn Klasen und Dr. Keihan Ahmadi-Simab. Die beiden Ärzte ergänzen sich perfekt in ihren Ansätzen: Ernährungs-Doc Jörn Klasen als Vertreter der Naturheilkunde und anthroposophischen Medizin und Dr. Ahmadi-Simab als einer der führenden Rheumatologen geben in diesem Buch ihr umfassendes Wissen weiter. Ihre gute Nachricht: Mit einer Kombination aus schulmedizinischen und naturheilkundlichen Medikamenten und verschiedenen Begleittherapien können Rheuma-Patienten lange beschwerde- und tablettenfreie Phasen haben und ihr Leben wieder ohne Schmerzen genießen. Das Buch klärt über die häufigsten Rheuma-Formen auf und motiviert Patienten, aktiv mitzumachen. Denn der beste Helfer ist neben dem Arzt der gut informierte Patient selbst!

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Seitenzahl: 278

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INHALT

Vorwort

IM TEAM GEGEN RHEUMA

Rheuma – die rätselhafte Krankheit

Interview: Rheuma heute

Mythen über Rheuma

Erfolgreich mit Expertenteam

Diagnose: Ist es wirklich Rheuma?

Neues aus der Rheumaforschung

Fragebogen: Habe ich tatsächlich Rheuma?

Medikamente gegen Rheuma

SANFTE HILFE AUS DER NATUR

Wissenswertes aus der Anthroposophie

Das Zusammenwirken der vier Wesensglieder

Die wichtigsten Medikamente aus der Natur

Wohltaten für die Gelenke: Wärme und Kälte

Wickel gegen die Schmerzen

Den Alltag besser bewältigen

RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN IM ÜBERBLICK

Entzündlich-rheumatische Systemerkrankungen

Rheumatoide Arthritis

Psoriasis-Arthritis

Morbus Bechterew

Systemischer Lupus erythematodes

Sjögren-Syndrom

Systemische Sklerose

Polymyositis und Dermatomyositis

Riesenzellarteriitis

Granulomatose mit Polyangiitis

Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis

Autoinflammatorische Syndrome und weitere Krankheiten

ESSEN FÜR MEHR WOHLBEFINDEN

Essen gegen Entzündungen

Entzündungshemmer auf einen Blick

Getränke als Entzündungshemmer

Heilsamer Verzicht

Lebensmittelauswahl bei Rheuma

Antientzündliche Superhelden

REZEPTE

Frühstück

Kleine Gerichte

Hauptgerichte

Süßes

SANFTES TRAINING GEGEN SCHMERZEN

Sport und Bewegung bei Rheuma

Sportarten für Rheumapatienten

Übungen für den Kreislauf

Übungen für die Hände

Übungen für die Schultern

Übungen fürs Ellenbogengelenk

Übungen für die Hüfte

Übungen für die Füße und die Zehen

Übungen für die Knie

Übungen für den Rücken

BESSER LEBEN TROTZ BESCHWERDEN

Den Schmerz besser bewältigen

Für gute Nächte trotz Rheuma

Biografiearbeit: das Leben selbst gestalten

Psychologie: Gutes für die Seele

Künstlerische Therapien: weniger Schmerzen, weniger Kortison

Rheuma und Beruf: Das sind Ihre Rechte

Kleine Hilfen für zu Hause

Service

Die Autoren

Impressum

DIE SYMBOLE BEI DEN REZEPTEN

Vegetarisch

Laktosefrei

Glutenfrei

Low Carb

Vegan

RHEUMA RICHTIG BEHANDELN – GEMEINSAM GEHT'S AM BESTEN

Um Rheuma zu bekämpfen, ist heute nicht nur ärztliches Wissen gefragt. Jeder Patient kann selbst lernen, mit der Krankheit gut umzugehen und seine Lebensqualität zu verbessern. Wir haben die Erfahrung gemacht: Je mehr die Patienten wissen, desto erfolgreicher verlaufen ihre Therapien. Erfahren Sie in diesem Buch, was aus Expertensicht bei der Rheumabehandlung im Team heute alles möglich ist.

Rheuma – wohl jeder hat von dieser Volkskrankheit schon etwas gehört. Doch kaum jemand kommt darauf, wenn unspezifische Beschwerden auftreten. In vielen Fällen dauert es zu lange, bis die Betroffenen zum Facharzt gehen und die richtige Diagnose bekommen. Das hat verhängnisvolle Folgen, die schlimmstenfalls zu Invalidität führen. Dabei ist es heute möglich, mit Rheuma ein weitgehend beschwerdefreies Leben zu führen, wenn die Therapie individuell angepasst wird. Dass dies nicht immer gelingt, hat vor allem einen Grund: Die Erkrankung ist sehr vielschichtig. Diagnose und Zuordnung sind nicht einfach, die ersten Anzeichen selten eindeutig. Wer denkt schon an Rheuma, wenn Bewegungen Beschwerden verursachen, der Rücken wehtut, der Appetit nachlässt, Fieberschübe auftreten, Hautausschlag mit Gelenkschmerzen einhergeht oder man sich plötzlich müde und antriebslos fühlt?

Dieses Buch soll Ihnen oder Ihren Angehörigen dabei helfen, frühzeitig die richtige Diagnose und Therapie zu bekommen, um mit der Krankheit gut zu leben. Unser Wissen als Ärzte und die Erfahrungen in unserer Praxis zeigen uns immer wieder, dass ein weitgehend beschwerdefreier Alltag möglich ist. Wir, der Rheumatologe Dr. Keihan Ahmadi und der Ernährungs-Doc Dr. Jörn Klasen aus der gleichnamigen NDR-Fernsehserie, waren viele Jahre lang leitende Ärzte in verschiedenen Krankenhäusern und arbeiten nun gemeinsam im Medizinicum Stephansplatz in Hamburg. Im Mittelpunkt unserer täglichen Arbeit steht die Idee einer Medizin, die den aktuellen Bedürfnissen der Menschen entspricht. Wir behandeln nicht nur nach den neuesten Möglichkeiten der modernen Schulmedizin, sondern betrachten unsere Patienten auch ganzheitlich. Wo immer es sinnvoll ist, ergänzen wir die notwendige klassische Therapie mit Behandlungen aus der Naturmedizin und unterstützen unsere Patienten mit einem Netzwerk aus Experten dabei, mit ihrer Erkrankung zu leben und ihren persönlichen Lebensstil zu verbessern. Unser Motto lautet: gemeinsam für eine bessere Medizin.

Im ersten Kapitel dieses Buches geht es um grundsätzliche Fragen zu Rheuma. Der Einfluss von Heilpflanzen, von Anwendungen mit Wärme und Kälte oder von unterstützenden Ritualen steht im Mittelpunkt des zweiten Kapitels. Dann wenden wir uns den verbreitetsten rheumatischen Erkrankungen zu. Allen voran der Rheumatoiden Arthritis, die am häufigsten vorkommt. Wir nennen typische Symptome, mögliche Diagnosemethoden und Therapien und erzählen aus unserem Praxisalltag von Menschen und ihren Krankheitsverläufen. Weitere große Themen sind Ernährung, Bewegung und die Bewältigung des ganz normalen Alltags, der mit einer chronischen Krankheit nicht einfach ist.

Wir hoffen, Ihnen mit diesem Buch helfen zu können.

Jörn Klasen

Keihan Ahmadi

WAS HILFT, WENN DIE GELENKE SCHMERZEN?

Rheuma – der umgangssprachliche Name für die vielen Formen dieser Krankheit ist zwar gut bekannt, doch ein Großteil der Patienten wird nicht angemessen behandelt. Viele leiden unnötig unter Schmerzen, weil sie keine wirksame Therapie bekommen. Erfahren Sie hier, warum die unheilbare Krankheit entgegen allen Mythen doch gut behandelbar ist, wie die Diagnose gestellt wird und was Rheumatologen heute wissen. Vielleicht finden Sie mit unserem Test „Habe ich tatsächlich Rheuma?“ erste Antworten auf Ihre Fragen.

RHEUMA – DIE RÄTSELHAFTE KRANKHEIT

Hinter dem Namen „Rheuma“ verbergen sich Erkrankungen mit vielen Gesichtern, denn es gibt mehr als 400 Krankheitsformen. Der „fließende Schmerz“ kann jeden treffen und führt häufig zu einer langen Odyssee von Arzt zu Arzt. Für eine zeitgemäße Therapie bringen wir das Beste aus Natur- und Schulmedizin zusammen. Richtig behandelt, ist ein Leben ohne Schmerzen möglich.

Die ersten Symptome zeigten sich bereits vor fünf Jahren. Ulrike S. spürte Schmerzen, die sie sich nicht erklären konnte. Mal taten die Schultern weh, mal die Handgelenke, dann die Knie, die Leiste und die Füße. Die Schmerzen kamen und gingen, gerieten zwischenzeitlich in Vergessenheit – traten aber plötzlich wieder auf. Die 45-jährige Architektin verdrängte das so gut es ging. Dann half sie sich selbst mit Schmerztabletten. Als das nicht mehr ausreichend wirkte, begann eine Odyssee von Arzt zu Arzt. Der Orthopäde gab etwas gegen Entzündungen. Als Müdigkeit und Fieber dazukamen, verschrieb der Hausarzt Antibiotika. Nichts half langfristig. Gelenke schwollen an, die Schmerzen wurden immer stärker.

INDIVIDUELLE BEHANDLUNG MIT SYSTEM

Schmerzen ignorieren, Zähne zusammenbeißen, still auf Besserung warten und auf ein Wunder hoffen – Ulrike S. ertrug viel, weil niemand wusste, was ihr helfen könnte beziehungsweise, was sie überhaupt hatte. Eher zufällig landete sie schließlich in einer Rheuma-Ambulanz, in der sie erstmals eine Diagnose bekam: Rheumatoide Arthritis. Sie wusste nun, dass sie an einer entzündlichen Gelenkerkrankung leidet, die schubweise verläuft. Und dass sie der Krankheit nicht hilflos ausgeliefert ist. Die ersehnte Wunderheilung von heute auf morgen stellte sich zwar nicht ein, doch dank einer individuellen und integrativen Behandlung ist Ulrike S. heute so gut wie beschwerdefrei.

BIS ZU 20 MILLIONEN BETROFFENE

Das kann längst nicht jeder Betroffene von sich sagen. Mehrere Millionen Menschen leiden in Deutschland an der Volkskrankheit Gelenkrheuma (der Begriff stammt aus dem Griechischen und steht für „fließenden Schmerz“). Viele haben starke Beschwerden, aber keine Diagnose. Etwa ein Viertel aller Deutschen hat gelegentlich Schmerzen, die mit Rheuma zusammenhängen könnten. Nach Angaben der Deutschen Rheuma-Liga haben somit bis zu 20 Millionen Deutsche eine rheumatische Erkrankung. Frauen trifft es häufiger als Männer. Die Folgen sind in manchen Fällen harmlos, können aber auch dramatisch sein – sie reichen bis zur Invalidität. Zusätzlich führen chronische Entzündungen zu schwerer Erschöpfung, sodass viele Betroffene ihren Alltag kaum noch bewältigen können. Die chronische Erkrankung gilt im schulmedizinischen Sinne als nicht heilbar. Das Fortschreiten der Entzündungen lässt sich aber bremsen oder zumindest verlangsamen. Es gibt heute immer bessere Therapien, sodass ein Alltag ohne Beschwerden ein realistisches Ziel bei der Behandlung ist. Ein Wesenszug unserer „menschengemäßen“ Medizin ist die Verbindung von Naturmedizin und Schulmedizin. Das heißt: Auf der einen Seite setzen wir auf die Heilkräfte der Natur, die sich jahrtausendelang bewährt haben; auf der anderen Seite nutzen wir die moderne, naturwissenschaftliche Medizin, die in den vergangenen 150 Jahren großartige Erkenntnisse in der Diagnostik und Therapie von Erkrankungen gebracht hat. Im Team bringen wir das Beste aus beiden Welten zusammen.

INTEGRATIV-GANZHEITLICHES KONZEPT

75 Prozent der Deutschen wollen ein Miteinander von Schulmedizin und ergänzenden (im Fachjargon: komplementären) Behandlungen aus der Naturmedizin. Dazu gehören unter anderem Naturheilverfahren, die Anthroposophische Medizin, Akupunktur, Ernährungsmedizin und Homöopathie. Es gibt inzwischen zahlreiche Forschungsergebnisse, die den Wert und Nutzen der Naturmedizin nach den heute geforderten Kriterien einer beweisgestützten Medizin belegen – und das nicht alternativ zur Schulmedizin, sondern zusätzlich im Sinne eines integrativ-ganzheitlichen Behandlungskonzepts.

BESTE METHODE IM SINNE DER WHO

Für die Erforschung der Integrativen Medizin hat sich in den USA ein eigenes Forschungsnetzwerk gegründet, das „Academic Consortium for integrative Medicine“ unter Beteiligung von Universitäten wie Harvard und Stanford. Wie die Grafik auf der nächsten Seite zeigt, ist das ganz im Sinne der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wenn sie von der Integrativen Medizin als beste Methode („Best Practice“) spricht. Das ist auch der Grund, warum wir dieses Buch gemeinsam schreiben. Wir möchten Ihnen anhand von rheumatischen Erkrankungen zeigen, dass die Zukunft in der Versorgung der Patienten in einem Sowohl-als-auch und nicht in einem Entweder-oder liegt. Das zeigt sich gerade bei Rheuma. Die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sind sehr vielfältig: Sie treffen nicht nur die Gelenke, sondern können auch die Wirbelsäule versteifen, Drüsen und Bindegewebe schädigen, Hautausschläge entstehen und Finger anschwellen lassen. Entzündete Blutgefäße, ausgetrocknete Augen oder ein trockener Mund gehören ebenfalls zu den Symptomen.

RHEUMA TRITT MEIST IN SCHÜBEN AUF

Mediziner kennen etwa hundert verschiedene Rheumaerkrankungen; zu den rheumamatischen Erkrankungen gehören mehr als 400 Rheumaformen. In den meisten Fällen tritt Rheuma in Schüben auf. Das heißt, dass Schmerzen, Funktionseinschränkungen, Schwellungen und andere Beschwerden plötzlich da sind, eine Zeit lang (manchmal Wochen, manchmal Monate) anhalten und dann in ihrer Intensität wieder nachlassen. Unsere integrativen Therapien setzen sich aus einer Mischung aus Medikamenten, die Schmerzen lindern und Entzündungen hemmen, Physiotherapien, einem gesunden Lebensstil, einer möglichst antientzündlichen Ernährung und psychologischen Begleitprogrammen zusammen. Wird Rheuma frühzeitig und richtig behandelt, verliert die Krankheit ihren Schrecken. Symptome wie verbogene Hände gehören zum Glück der Vergangenheit an. Passende Behandlungen ermöglichen den Patienten heute lange beschwerde- und tablettenfreie Phasen.

THERAPIE MUSS FRÜH BEGINNEN

Es ist wichtig, dass die Diagnose so früh wie möglich gestellt wird. Denn die Chancen auf Erfolg sinken, wenn die chronisch entzündlichen Prozesse länger dauern. Als optimal gilt heute ein „therapeutisches Fenster“ von 12 bis 16 Wochen. Das heißt, dass eine Therapie in diesem Zeitraum beginnen sollte. Leider sieht die aktuelle Praxis in Deutschland derzeit anders aus: Im Durchschnitt dauert es fast zwei Jahre, bis Patienten erstmals zu einem Rheumatologen kommen und mit einer zielgerichteten Therapie beginnen. Gefragt sind dafür nicht nur gute Rheumatologen, sondern auch aktive, informierte Patienten, die motiviert sind, selbst etwas zu tun, um das Leben trotz der Krankheit wieder genießen zu können. Wenn Arzt und Patient vertrauensvoll zusammenarbeiten, ist das die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie.

URSACHEN NOCH UNBEKANNT

Die Diagnose Rheuma kann jeden treffen. Die Krankheit ist keine Alterserscheinung, wie es häufig angenommen wird. Erste Symptome zeigen sich schon bei Kindern und Jugendlichen. Ansonsten beginnt die chronisch entzündliche Erkrankung meist mitten im Leben: im Alter zwischen 35 und 50 Jahren. Die Ursachen sind noch nicht eindeutig geklärt; möglicherrweise sind sie ebenso vielfältig wie die verschiedenen Rheumaformen. Die am weitesten verbreitete Erkrankung, die Rheumatoide Arthritis, entsteht durch eine chronische Entzündung der Gelenkinnenhaut. Erwiesenermaßen sind Autoimmunprozesse an entzündlich-rheumatischen Erkrankungen beteiligt. Das heißt, dass sich Fehler ins Immunsystem einschleichen und die Körperabwehr, die normalerweise Viren, Bakterien, Gifte oder Krebszellen bekämpft, körpereigenes Gewebe angreift. Durch Fehlsteuerungen gelangen Immunzellen in die Gelenke, in denen sie unkontrollierbare Entzündungen auslösen. Sie werden dazu von speziellen Botenstoffen (u. a. Interleukinen) angeregt. In der entzündeten Innenhaut entstehen Vernarbungen und Wucherungen, die die Gelenke auf Dauer zerstören, wenn keine angemessene Therapie erfolgt.

KEINE EINDEUTIGEN ZUSAMMENHÄNGE

Zum einen dürften genetische Veranlagungen dabei eine Rolle spielen. Dieser Einfluss ist aber geringer, als die meisten glauben. Kommt Rheuma in der Familie vor, trägt man ein gewisses Risiko in den Erbanlagen. Das heißt aber nicht, dass die Krankheit ausbricht. Umwelteinflüsse und Lebensstil sind viel größere Risikofaktoren. Auch Störungen des Immunsystems, bestimmte Krankheitserreger, Stress und Überlastung gehören zu den möglichen Auslösern. Oft kommen mehrere Ursachen zusammen, die eventuell erst in Kombination gefährlich werden und einzeln keine entscheidende Rollen spielen würden. In diesem Buch stellen wir Ihnen Therapien und Maßnahmen vor, die Ihre Situation verbessern können. Sie sind dabei nicht immer auf die Unterstützung Ihres Rheumatologen angewiesen, sondern können auch selbst ausprobieren, was Ihnen guttut.

Nicht auslösend, aber begünstigend

Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die nicht unbedingt auslösend, aber in manchen Fällen begünstigend wirken. Dazu gehören Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Schilddrüsenprobleme, ungesunde Ernährung, Übersäuerung, Hormonstörungen oder auch ein Vitamin-D-Mangel. Rauchen und ein zu hoher Alkoholkonsum schwächen den Gesundheitszustand allgemein und machen damit auch anfälliger für Rheuma. Außerdem zeigten Forschungen, dass …

•… Babys, die länger als ein Jahr gestillt werden, später seltener Rheuma bekommen als diejenigen, die gar nicht oder nur kurz Muttermilch getrunken haben.

•… eine frühe Menstruation und Übergewicht das Risiko erhöhen.

•… Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen eher zu Rheuma neigen als Gesunde.

•… dass bestimmte Bakterien aus Milch und Rindfleisch als Auslöser für Arthritis infrage kommen.

RHEUMA HEUTE:

„WIR KÖNNEN SO VIEL TUN – DIE PATIENTEN MÜSSEN UNS NUR FINDEN“

Ob mit der klassischen Schulmedizin oder mit Naturmedizin: Die Mögkeiten zur Rheumabehandlung sind heute besser denn je. Trotzdem leidet ein großer Teil der Betroffenen viel zu lange unter unnötigen Schmerzen. Was läuft falsch? Ein Gespräch mit Dr. Keihan Ahmadi und Dr. Jörn Klasen über einen gemeinsamen Ansatz mit zwei Schwerpunkten, Ärztemangel, Patientenängste und Türsteher vor entzündeten Zellen.

SIE SIND RHEUMASPEZIALISTEN. MACHT DER BERUF SPASS?

Dr. Ahmadi: Ja! Auch wenn es nach außen vielleicht nicht immer so aussieht, ist das ein unheimlich spannender Beruf. Bei etwa der Hälfte aller Fälle muss ich regelrechte Detektivarbeit leisten. Rheuma erfolgreich zu behandeln, ist eine sehr komplexe Tätigkeit. Es gibt keine festen Regeln und keinen Moment, in dem ich – auch nach 20 Jahren Berufserfahrung – einfach auf Autopilot stellen kann. Rheuma kann die Gelenke, die Organe, die Haut oder das Immunsystem treffen. Alles ist fließend, wie der Name „Rheuma“ für „fließender Schmerz“ schon sagt. Trotzdem – oder gerade deshalb – ist die Rheumabehandlung eine sehr dankbare Tätigkeit. Ich habe Patienten, die im Rollstuhl kommen und ein paar Monate später wieder tanzen können. Als Rheumatologe erlebe ich manchmal echte Wunder.

Dr. Klasen: Das kann ich bestätigen. Es ist ein toller Job – und das sogar noch nach mehr als 35 Jahren. Wir müssen kreativ sein, manchmal fantasievoll vorgehen, aber wir können viel erreichen. Und das nicht nur mit den Mitteln der Schulmedizin. Auch bei Rheuma betrachten wir den ganzen Menschen. Die Krankheit hängt mit sehr vielen anderen Dingen zusammen. Ob jemand Raucher ist, Übergewicht hat, sich schlecht ernährt oder unter seelischen Problemen leidet – all das spielt bei der Behandlung eine Rolle. Nichts verläuft nach dem gleichen Muster. Der Arzt muss sehr genau auf den Patienten eingehen, um ihn gut behandeln zu können.

WO ERGÄNZEN SIE SICH?

Dr. Klasen: Das lässt sich am besten mit Beispielen verdeutlichen. Eine Patientin, Anfang 40, kommt mit einem totalen Haarausfall zu mir. Die Blutuntersuchung ergibt einen bestimmten Verdacht. Ich gehe zu Herrn Dr. Ahmadi. Er bestätigt meine Verdachtsdiagnose. Es handelt sich um einen sogenannten kutanen Lupus erythematodes. Dr. Ahmadi empfiehlt mir noch eine Basistherapie, die ich durch anthroposophische Medikamente und komplementärmedizinische Maßnahmen ergänze. Eineinhalb Jahre später hat die Patientin wieder einen vollen, lockigen Haarschopf. Oder ein anderes Beispiel: Dr. Ahmadi ruft mich an: „Ich habe einen Patienten mit Gelenkbeschwerden, der einfach nicht von seinem erheblichen Übergewicht herunterkommt. Können Sie helfen?“ Selbstverständlich, denn der Patient muss unbedingt seine Ernährung umstellen. Nach einem Jahr hat er 17 Kilo abgenommen und seine Beschwerden sind deutlich gelindert. Noch ein weiteres Beispiel: Eine unserer Rheumatologinnen kommt vorbei und zeigt mir das Laborblatt eines Patienten, dessen Leberwerte unter Methotrexat deutlich angestiegen sind. Mit den anthroposophischen Mitteln Stibium und Mariendistel haben wir das in den Griff bekommen.

WARUM WISSEN VIELE BETROFFENE NICHT, WAS HEUTE ALLES MÖGLICH IST?

Dr. Ahmadi: Weil die nötigen Informationen über die Möglichkeiten, die wir heute haben, sie nicht erreichen. Das hat dramatische Folgen. Ein typisches Beispiel: Eine Frau wohnt in einer ländlichen Region, in ihrer Nähe gibt es keine rheumatologische Praxis. Da sie selbst nicht weiß, woran sie leidet, macht sie sich auch nicht auf die Suche im weiteren Umfeld. Seit acht Jahren hat sie unerklärliche Schmerzen, geht von einem Arzt zum nächsten, bekommt Medikamente auf Verdacht, wird mal auf dies, mal auf jenes behandelt, aber nichts hilft ihr. Man kommt nicht auf die Idee, dass es Rheuma sein könnte. Das Leiden geht weiter, obwohl es völlig unnötig ist. Ein Spezialist hätte ihr sofort helfen können.

MÜSSTE DER HAUSARZT SIE NICHT ZUM SPEZIALISTEN SCHICKEN?

Dr. Klasen: Theoretisch schon, aber die Hausärzte sind wegen des großen Andrangs der Schmerzpatienten auch oft hilflos. Sie können auf diesem Gebiet kaum Erfahrungen sammeln. Ein Hausarzt sieht vielleicht einmal in der Woche oder im Monat einen Rheumafall. Trotz der hohen Anzahl der Betroffenen gehört Rheuma mit seinen vielfältigen Formen im Vergleich zu anderen weitverbreiteten Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck zu den seltenen Erkrankungen.

GIBT ES ZU WENIG RHEUMATOLOGEN IN DEUTSCHLAND?

Dr. Ahmadi: Ja, es gibt bundesweit nur 600 bis 800 internistische Rheumatologen. Wer das Pech hat, so zu wohnen, dass er durch das weitmaschige Netz hindurchfällt, muss nicht nur viel zu lange Schmerzen ertragen. Es entstehen in dieser Zeit auch irreversible Schäden an den Gelenken und Organen, die man bei einer rechtzeitigen Behandlung leicht hätte vermeiden können. Um eine einigermaßen flächendeckende Grundversorgung zu gewährleisten, müsste es in Deutschland 1800 bis 2000 internistische Rheumatologen geben.

WAS SIND DIE GRÜNDE FÜR DIESEN MANGEL?

Dr. Ahmadi: Das beginnt schon bei der Ausbildung. Nur sechs Unikliniken in Deutschland haben Lehrstühle für Rheumatologie; dabei müsste eigentlich jede medizinische Fakultät einen haben. Zudem wollen nicht viele junge Ärzte Rheumatologen werden. Es ist schwer, einen Weiterbildungsplatz zu bekommen. Die Ausbildung ist – wie bei allen Ärzten – lang und teuer. Danach weiß der junge Kollege auch nicht, ob er davon einigermaßen leben kann. Es handelt sich bei der Rheumatologie um die sogenannte sprechende Medizin, die in unserem System schlecht bezahlt ist.

Dr. Klasen: Leider wird heute in vielen Krankenhäusern nur noch darauf geguckt, wie viel Gewinn eine Abteilung macht. Privatwirtschaftlich organisierte Krankenhäuser sind auf hohe Umsätze angewiesen. Dabei gilt: Je mehr technische Geräte zum Einsatz kommen, desto besser ist die Vergütung. Rheumabehandlung ist ärztliche Kunst, die für junge Ärzte nicht attraktiv honoriert wird.

WAS ERSCHWERT DIE BEHANDLUNG SONST NOCH?

Dr. Ahmadi: Hinzu kommt die Tatsache, dass die Vorselektion, die wir von Hausärzten erhalten, meistens nicht ausreicht, weil Hausärzte oft nicht genug Zeit aufbringen können. Ob Arthrose, chronische psychosomatische Schmerzen, Fibromyalgie oder Rheuma die Ursache der Beschwerden ist, muss im Vorfeld gut selektiert werden. Ist das nicht gegeben, müssen die Patienten sich beim Rheumatologen einer aufwendigen Diagnostik unterziehen, bei der eventuell herauskommt, dass es kein Rheuma ist. Das verstopft die rheumatologischen Praxen mit Patienten, die da gar nicht hingehören, während andere dringend Hilfe brauchen.

LÄSST SICH DAS NICHT ANDERS ORGANISIEREN?

Dr. Klasen: Das ist in jeder Praxis unterschiedlich. Wir haben zum Beispiel einen Fragebogen für Hausärzte und Patienten entwickelt, mit dem wir einen gewissen Anteil aller Anfragen vorab aussortieren. Ohne diesen Filter könnten wir nur Termine mit drei bis zwölf Monaten Wartezeit anbieten. Das wäre nicht im Sinne der Patienten, die wirklich unsere Hilfe brauchen. Niemand sollte so lange auf eine Behandlung warten müssen.

MÜSSTEN HAUSÄRZTE BESSER GESCHULT WERDEN?

Dr. Ahmadi: Das wäre hilfreich. Aus meiner Erfahrung haben auch viele Hausärzte Interesse, sich in diesem Bereich weiterzubilden. Ich halte Vorträge für Ärzte anderer Fachrichtungen. Sobald die Hausärzte geschult sind, verbessert sich die Versorgung, denn die Patienten kommen schneller zu einem Spezialisten. Nur so kann man den Patienten eine richtige Diagnose und Therapie zukommen lassen.

KÖNNEN SIE EIN BEISPIEL NENNEN?

Dr. Ahmadi: Ein Patient kam im Rollstuhl zu mir. Er war nicht nur gesundheitlich, sondern auch beruflich ruiniert, hatte seinen Lebensmut verloren. Die Diagnose war bis dahin nicht klar, daher hatte er Medikamente bekommen, die nicht zum Erfolg führten und auch eine ganze Menge Nebenwirkungen hatten. Der ehemals sportliche Mann war aufgeschwemmt. Er wog 20 Kilo mehr als vor der Krankheit. Zum Glück konnten wir rasch helfen. Richtig behandelt, waren schnell 10 Kilo Wasser weg. Der Patient konnte sich wieder bewegen und ist jetzt dabei, langsam in sein altes Leben zurückzukehren.

Dr. Klasen: In solchen Fällen spielen auch therapeutische Maßnahmen eine Rolle, die uns über die Schulmedizin hinaus heute zur Verfügung stehen, weil sie das Leben mit einer schweren Krankheit erleichtern. Das reicht von Physiotherapie über Ernährungsberatung bis zu schmerzlindernden Anwendungen und Entspannungsmethoden.

WIE SCHNELL KÖNNEN SIE HELFEN?

Dr. Klasen: Wer im Anfangsstadium, also noch in der Zeit, in der die größten Schäden entstehen, die bestmögliche Behandlung bekommt, kann nach kurzer Zeit beschwerdearm beziehungsweise beschwerdefrei sein. Es gibt Krankheitsfälle, die bereits nach Ablauf von einem Jahr zur Ruhe kommen; nach einer Behandlungsphase von ein bis drei Jahren kommt es in manchen Fällen zu einer Vollremission, also zum vorübergehenden oder dauerhaften Nachlassen der Symptome, sodass Medikamente gar nicht mehr nötig sind. Je früher die Behandlung beginnt, desto größer ist die Chance, dass die Beschwerden komplett zurückgehen.

„Wer im Anfangsstadium die bestmögliche Behandlung bekommt, kann nach kurzer Zeit beschwerdefrei sein.“

WAS HEISST FRÜH?

Dr. Ahmadi: In der Regel sind die ersten Wochen sehr entscheidend. In dieser Manifestationsphase sind viele Fenster offen. Wir müssen früh an die Krankheit ran und sie sofort hart bekämpfen. Es ist die Zeit, in der die größten Schäden entstehen. Gelenke werden zerstört, Organe verlieren ihre Funktionen. Für den Behandler ist das die entscheidende Zeit. Hier kann ein Rheumatologe noch sehr viel bewirken. Die zweite Phase verläuft weniger problematisch. Ist der Patient gut eingestellt und sehr eng an die Arztpraxis gebunden, geht es ihm relativ gut. Manchmal sogar so gut, dass er seine Medikamente vergisst oder meint, sie nicht mehr zu brauchen („Ich kann das jetzt allein“). In dieser dritten Phase kann dann wieder viel schiefgehen. Nur durch engmaschige Kontrollen durch den Rheumatologen lässt sich feststellen, ob die Krankheit noch eine medikamentöse Therapie braucht oder nicht. Deshalb sollten Patienten unbedingt ihre Kontrolltermine einhalten und therapietreu bleiben. Wir versuchen, unsere Patienten weitestgehend so zu informieren, dass sie solche Entscheidungen besser nachvollziehen können. Unser Motto ist: Ein informierter Patient ist unser bester Partner.

IST DIESER ABLAUF BEI ALLEN PATIENTEN GLEICH?

Dr. Ahmadi: Wir sehen heute viele Patienten, die früher Invaliden geworden wären. Da geht es nicht immer nach dem gleichen Schema. Die ärztlichen Leitlinien geben zwar vor, was wann zu tun ist, lassen aber auch Ausnahmen zu, wenn die Gesundheit eines Menschen akut in Gefahr ist. In 10 bis 20 Prozent aller Fälle können wir nicht so vorgehen wie vorgesehen. Es gibt zum Beispiel einige Fälle mit Rheumatoider Arthritis bei jungen Frauen, in denen wir eine modifizierte Vorgehensweise auswählen müssen, damit die Patientinnen später keine bleibenden Schäden an den Gelenken zurückbehalten.

KÖNNEN PATIENTEN SELBST ETWAS TUN?

Dr. Klasen: Auf jeden Fall. Es ist bekannt, dass Patienten, die gute Kenntnisse über ihre Erkrankungen haben, viel besser mit den Symptomen umgehen. Wer umfassend betreut wird und zusätzlich selbst etwas macht, ist gelassener und hat längere beschwerdefreie Intervalle. Ernährung, Bewegung, ein gesunder Umgang mit Stress und ein guter Lebensstil können viel zur Verbesserung beitragen. Methoden aus der Naturmedizin wirken unterstützend und schmerzlindernd. Das sind relativ einfache Maßnahmen ohne Nebenwirkungen. Zum Beispiel ist die Ernährung gar nicht so extrem eingeschränkt, wie es oft befürchtet wird. Was hilft und was schadet, ist gut benennbar. Ein Ernährungsmediziner ist bei der Rheumaschulung ein guter Berater.

ABER NICHT JEDER IST MOTIVIERT. GIBT ES HILFE?

Dr. Klasen: Wer Hilfe sucht, der findet sie auch, muss sie aber oft selbst organisieren. Optimal wäre ein Netzwerk aus Hausärzten, Rheumatologen, Physiotherapeuten, Enährungsmedizinern, Naturmedizinern und Psychologen. Der behandelnde Rheumatologe schickt den Patienten dann – je nach Notwendigkeit – zu den einzelnen Experten. In einem solchen Netzwerk, wie wir es im Medizinicum in Hamburg bereits haben, arbeiten alle Ärzte und Therapeuten zusammen, sodass sie sofort reagieren können, wenn eine chronische Entzündung wieder aufflammt.

NEHMEN PATIENTEN PSYCHOLOGISCHE UNTERSTÜTZUNG AN?

Dr. Ahmadi: Die Erkrankung wirkt sich aufs ganze Leben aus. In der Krebsbehandlung gibt es die Psychoonkologen. Auch für Rheuma wäre das in Deutschland hilfreich. Dafür brauchen wir aber auch mehr Psychologen und Psychiater, und die Patienten müssen es wollen. Erst wenn sie erkennen, dass ihnen Hilfe guttut und dass es nicht darum geht, jemanden zu stigmatisieren, klappt das in der Regel. Ob jemand diese Hilfe annimmt, ist oft eine Frage der Formulierung. Kaum jemand möchte sagen: „Ich gehe zum Psychologen“, aber mit dem Satz „Ich habe einen Lifestyle-Coach“ kommen die meisten prima klar.

WAS MACHEN SIE MIT PATIENTEN, DIE KEINE KLASSISCHE MEDIZIN WOLLEN?

Dr. Klasen: Die kommen natürlich erst einmal zu mir. Das ist kein einfaches Feld, denn es ist meine Aufgabe, den Patienten die bestmögliche Therapie zu vermitteln und dabei auch noch die Leitlinien zu beachten. Da sind zunächst die Patienten, die genau wissen, dass sie nur mit Natursubstanzen behandelt werden wollen und auch keine Kompromisse machen. Dann gibt es eine Gruppe, die gravierende Nebenwirkungen, von denen sie einmal gehört hat, vermeiden möchte. Und dann kommen Menschen, die einfach wissen wollen, was so ein „Naturarzt“ sagt. Bei der überwiegenden Anzahl der Patienten, die zu mir kommt, steht die Diagnose fest. Sie wünscht sich nur eine Auswahl an individuellen Therapiemöglichkeiten.

UND WENN ES ZWEIFEL AN DER DIAGNOSE GIBT?

Dr. Klasen: Dann muss ich von einer rheumatischen Erkrankung ausgehen und schicke die Patienten zu einem unserer Rheumatologen. Später höre ich nicht selten: „Ja, das war ja eine nette Kollegin, ich bin auch gleich für die Therapie dageblieben.“ Die Patienten aus der ersten Gruppe wollen die Therapie bei mir. Nachdem ich das intensiv geprüft habe – alle anderen gehen über kurz oder lang zum Rheumatologen oder ich behandle sie gemeinsam mit ihm –, beginne ich eine Behandlung aus der Anthroposophischen Medizin, unterstützt durch Naturheilverfahren und Ernährungsmedizin. Dafür gibt es keine Leitlinien, aber meine 35-jährige Erfahrung und die Ergebnisse der vergleichenden Rheumastudie durch das Bundesforschungsministerium, in der die Anthroposophische Medizin keineswegs schlecht abgeschnitten hat, helfen sehr gut.

GIBT ES TYPISCHE RHEUMA-PERSÖNLICHKEITEN?

Dr. Klasen: Früher wurden Körper und Psyche in der Medizin klar getrennt. Heute sehen wir, wie eins aufs andere wirkt, der Körper auf die Seele und die Seele auf den Körper. Als Ärzte erleben wir das tagtäglich. Viele Rheumapatienten schleppen etwas mit sich herum. Aus meiner Erfahrung mit Autoimmunprozessen spielen bei der Entstehung fast immer auch seelische Faktoren eine Rolle. Wir haben an einem Krankenhaus, in dem ich früher gearbeitet habe, eine Studie zur chronischen Polyarthritis gemacht und dabei festgestellt, dass viele Frauen mit dieser Krankheit Traumata aus der Kindheit haben.

„Früher wurden Körper und Psyche in der Medizin klar getrennt. Heute sehen wir, wie eins aufs andere wirkt …“

ZEIGT SICH EIN UNTERSCHIED ZWISCHEN MÄNNERN UND FRAUEN?

Dr. Ahmadi: In der Regel kommen die Autoimmunerkrankungen und entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen häufiger bei Frauen vor. Wir wissen aus der täglichen Praxis, dass Frauen sich deutlich mehr um ihre eigene Gesundheit kümmern als Männer. Frauen wollen daher auch mehr wissen. Ich habe männliche Patienten, die es ihren Frauen zu verdanken haben, dass Diagnosen noch rechtzeitig gestellt und die Behandlung eingeleitet wurde. Oft lesen Frauen im Internet, wo ihr Mann Hilfe findet, und bringen ihn zu uns. Frauen kümmern sich auch besser und umfassender um sich selbst. Die Einstellung „Wehwehchen sind etwas für Schwächlinge“ ist bei Männern ausgeprägter – mit der Konsequenz, dass sie die Schmerzen ertragen, statt etwas dagegen zu tun.

WAS BEDEUTET DIE DIAGNOSE FÜR EINEN MENSCHEN?

Dr. Klasen: Natürlich freut sich niemand darüber. Doch viele Patienten, die jahrelang von einem Arzt zum anderen gelaufen sind und das Gefühl haben, dass niemand sie ernst nimmt, sind geradezu erleichtert, wenn ihre Schmerzen endlich einen Namen haben. Denn einen Namen zu haben, heißt, dass ihnen geholfen werden kann. Ich habe 20 Jahre Notfallendoskopie im Krankenhaus gemacht. Der weitaus größte Teil der Patienten kam mit Magenblutung bei unkontrollierter Einnahme von Schmerzmitteln. Auch deshalb ist die frühe Diagnose so wichtig. Denn wir haben bei den rheumatischen Erkrankungen heute so gute medikamentöse Möglichkeiten, dass Schmerzmittel häufig überflüssig werden.

WOVOR HABEN RHEUMAPATIENTEN ANGST?

Dr. Ahmadi: Leider oft ausgerechnet vor den Medikamenten, die ihnen helfen. Wenn sie den Beipackzettel gelesen haben, sagen viele: „Das ist ja Teufelszeug!“ Zugegebenermaßen klingen die Nebenwirkungen bedrohlich; die Hersteller müssen sich damit absichern. Das geht nicht anders. Wir haben aber zusätzlich ein Merkblatt entwickelt, mit dem wir gründlich aufklären und die meisten Bedenken aus dem Weg räumen können.

WIE ENTWICKELT SICH DIE RHEUMABEHANDLUNG DERZEIT?

Dr. Ahmadi: Die Entwicklung geht rasant vorwärts. Verbogene Hände, die früher ein typisches sichtbares Rheumazeichen waren, sieht man heute fast gar nicht mehr. Auch hier geht es – wie in vielen anderen medizinischen Bereichen – immer weiter in Richtung personifizierte Medizin. Die erste große Revolution war Kortison in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrtausends. In den Achtzigern kam Methotrexat dazu. Mit den Biologika, die zur Jahrtausendwende auf den Markt kamen, hat die Rheumatherapie eine echte Revolution erfahren. Wir können die Krankheit nun in der Tat so gut behandeln, dass keine bleibenden Schäden zurückbehalten werden – vorausgesetzt natürlich, dass rechtzeitig diagnostiziert wird. Aktuell versprechen die neueren Januskinase-Inhibitoren, auch JAK-Hemmer genannt, die im Gegensatz zu den klassischen Biologika als Tabletten verabreicht werden, weitere hervorragende Möglichkeiten.

WAS PASSIERT DABEI IM KÖRPER?

Dr. Ahmadi: Die modernen Medikamente gehen immer zielgerichteter in die Zellen oder an die Botenstoffe, ohne die Umgebung zu zerstören. Das ist vergleichbar mit einem Zimmerbrand. Stellen Sie sich vor, dass ein Türsteher den Eingang eines Zimmers blockiert. Früher wurde einfach das ganze Haus gelöscht. Dann lag das Zimmer in Schutt und Asche, die Entzündung war weg, der Türsteher tot, das Haus renovierungsbedürftig. Mit besseren Medikamenten konnten Ärzte später nur den Türsteher besiegen, um ins Zimmer zu kommen und dort zu löschen. Das Haus blieb erhalten. Inzwischen schicken wir Wirkstoffe ins Haus, die sich mit dem Türsteher anfreunden, sodass der sie freiwillig ins Zimmer lässt. Dabei handelt es sich um sogenannte Checkpoint-Inhibitoren, wie sie auch aus der Krebsbehandlung bekannt sind. Das ist viel schonender. Wir haben wirklich gute Therapieoptionen, die sich in den nächsten Jahren weiter rasant verbessern werden. Da ist noch einiges in der Pipeline. Die Patienten müssen nur rechtzeitig zu uns kommen.

MYTHEN ÜBER RHEUMA

Um die Krankheit Rheuma kursieren viele veraltete Ansichten. Lassen Sie sich dadurch nicht verunsichern. Hier finden Sie Antworten auf typische Fragen und Richtigstellungen über weitverbreitete Mythen.

1.

RHEUMA IST EINE REINE ALTERSERKRANKUNG

Auch wenn es überwiegend Menschen in der zweiten Lebenshälfte trifft, ist die Aussage nicht richtig. Einige Rheumaformen treten nämlich auch schon in jungen Jahren auf. Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) ermittelte im Rahmen einer statistischen Erhebung, dass bundesweit etwa 15 000 Kinder und Jugendliche unter der sogenannten juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) leiden. Diese Krankheit ist die häufigste Form von Rheuma, die vor dem 16. Lebensjahr auftritt. Meistens sind die Gelenke betroffen, manchmal aber auch Organe. Mädchen erkranken doppelt so oft wie Jungen.

2.

BEIM FACHARZT BEKOMME ICH DOCH NUR KORTISON

Das stimmt nicht mehr. Bei der Behandlung von rheumatischen Erkrankungen spielen Kortisonpräparate zwar eine wichtige Rolle und bei längerer Einnahme geht es meist nicht ohne Nebenwirkungen. Das heißt aber nicht, dass es keine Alternativen gibt. Heute werden individuell maßgeschneiderte Therapiekonzepte angeboten, bei denen moderne Medikamente wie Biologika zum Einsatz kommen. Wenn Patienten keine Kortisonpräparate nehmen wollen, sollten sie mit ihrem Rheumatologen über Alternativen sprechen. Häufig helfen auch Medikamente aus der Naturmedizin, eine Ernährungsumstellung, ein gezieltes Bewegungsprogramm oder Verbesserungen des Lebensstils.

3.

NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL VERHINDERN SCHMERZEN

Das stimmt nicht! Es ist natürlich verständlich, dass Patienten große Hoffnungen in Präparate setzen, die Schmerzlinderung bei Rheuma versprechen. Dabei sollten sie allerdings skeptisch bleiben. Bei einer gesunden und ausgewogenen Ernährung brauchen Sie keine Nahrungsergänzungsmittel. Bevor Sie solche Mittel kaufen, sollten Sie die Einnahme mit Ihrem Arzt besprechen. Sonst besteht die Gefahr, dass Sie viel Geld für nutzlose Produkte ausgeben.

4.

JE WENIGER DIE GELENKE BELASTET WERDEN, DESTO BESSER

Das stimmt nicht. Im Gegenteil: Nichtstun ist die falsche Strategie. Lernen Sie stattdessen, wie Sie sich zielgerichtet und genau auf Ihre Probleme abgestimmt möglichst viel bewegen. Selbst ein akuter Schub kann milder verlaufen, wenn Sie währenddessen leichte Übungen machen und auch sonst körperlich aktiv bleiben.

5.

KASTANIEN IN DER HOSENTASCHE SCHÜTZEN VOR RHEUMA

Schön wär’s, doch das ist leider nicht so. Der Mythos dürfte entstanden sein, weil es früher schmerzlindernd wirkte, zwei Rosskastanien in der Hand kreisen zu lassen, die sich in der Hosentasche aufgewärmt hatten. Ein paar Fingerübungen mit glatten Kastanien als Handschmeichler in der Hosentasche schaden keineswegs, sind aber keine wirksame Prophylaxe.

6.

RHEUMA ENTSTEHT DURCH KALTE RÄUME

„Mach doch mal die Heizung an, sonst bekommst du Rheuma.“ Das ist nicht richtig, weil Rheuma als Autoimmunerkrankung nicht durch Kälte entsteht. Das Missverständnis kann aber darauf beruhen, dass kalte, feuchte Räume bei Rheumapatienten oftmals die Schmerzen verschlimmern, während kühle, trockene Zimmer sie lindern. Viele Rheumatiker klagen auch bei nasskaltem Wetter über zunehmende Schmerzen. Das liegt vermutlich aber nicht an der Kälte, sondern daran, dass Muskeln sich schneller verkrampfen, wenn sie nicht warm gehalten werden.

ERFOLGREICH MIT EXPERTENTEAM

Häufig gelingt es uns, auch sehr schwere Krankheitsverläufe zu verbessern, indem wir auf die Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachärzten und Therapeuten setzen und das ganze Spektrum der Schul- und Naturmedizin nutzen. Drei Patientenfälle zeigen dies besonders deutlich.

Unsere Patientin hatte eine lange, schicksalhafte Vorgeschichte, die bereits bei ihrer Geburt begann. Sie kam in der 24. Schwangerschaftswoche, also viel zu früh, auf die Welt und musste zehn Tage lang beatmet werden. Mit 23 Jahren hatte sie einen Diabetes mellitus Typ 1, die Schilddrüsenerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis, eine Rheumatoide Arthritis und zuletzt auch noch Morbus Bechterew. Als Spätfolge ihrer Frühgeburt und der Beatmung entwickelte sie einen grauen Star, eine Augenerkrankung, bei der das Sehvermögen langsam nachlässt und die normalerweise erst im Alter auftritt. Die junge Frau war so krank, dass sie nicht mehr arbeiten konnte.

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