Gesunde Ernährung heute und morgen - Jörn Klasen - E-Book

Gesunde Ernährung heute und morgen E-Book

Jörn Klasen

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Beschreibung

Welche Lebensmittel sind gesund? Was begünstigt ein langes und gesundes Leben? Und was macht eine gesunde und nachhaltige Ernährungsweise aus? Diese Fragen sind brandaktuell und für viele schwer zu beantworten. Dr. Fionna Zöllner und ihr Vater, der TV-Ernährungs-Doc Jörn Klasen, haben jetzt ein neues Standardwerk verfasst, das endlich Orientierung bietet. Das Autoren-Duo garantiert höchste fachliche Kompetenz: Die habilitierte Gesundheitswissenschaftlerin Dr. Zöllner hat über 1000 internationale Studien gesichtet und fasst leicht verständlich und praxisnah den aktuellen Stand der Forschung zusammen. Ergänzend lässt Dr. Klasen seine langjährige Erfahrung als Ernährungsmediziner und praktizierender Arzt einfließen. Die Autoren liefern nicht nur ein umfassendes Wissensbuch – sie geben auch konkrete Anleitungen, wie sich eine gesunde Ernährung im Alltag umsetzen lässt. Ihr motivierendes Fazit: Man muss nur wenige Tipps beherzigen, um effektiv die eigene Gesundheit und das Wohl des Planeten zu schützen. Die Rettung liegt auf dem Teller!

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Seitenzahl: 502

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Inhalt

 

 

Interview: Die Rettung liegt auf dem Teller

Einleitung: Die Schlüsselrolle der Ernährung

1. Was ist eine gesunde Ernährung?

Der Speiseplan unserer Vorfahren

Es gibt nicht die eine Paleo-Diät

Wie empfehlenswert ist die moderne Paleo-Kost?

Die Blue Zones

Mediterrane Ernährung

Okinawa-Ernährung

Die vegetarische Ernährung der Siebenten-Tags-Adventisten

Nordische Ernährung

Die Jäger-und-Sammler-Ernährung der Tsimane

2. Woraus bestehen unsere Lebensmittel?

Kohlenhydrate

Glukose, der häufigste Zucker

Fruktose – ist sie gefährlich?

Kohlenhydrate und Gesundheit

Wie viel Kohlenhydrate sollten wir essen?

Atkins und die Low-Carb-Bewegung

Glykämischer Index und glykämische Last

Fette

Der Fette-Irrtum

Fette und Gesundheit

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren – Omega-3 und Omega-6

Einfach ungesättigte Fettsäuren – nicht zu unterschätzen

Gesättigte Fettsäuren – besser als ihr Ruf?

Transfette sind tödlich

Die Rolle des Cholesterins

Qualität ist das, was zählt

Wie viel Fett sollten wir essen?

Abnehmen – besser Fette oder Kohlenhydrate reduzieren?

BMI, Bauchumfang und Taillen-Größen-Verhältnis

Eiweiße

Eiweiße und Gesundheit

Insekten – eine gesunde und ökologische Eiweißalternative?

Wie viel Proteine sollten wir essen?

Ballaststoffe

Wie viel Ballaststoffe sollten wir essen?

Vitamine, Mineralstoffe & sekundäre Pflanzenstoffe

Vitamine

Mineralstoffe

Sekundäre Pflanzenstoffe

Was sind Antioxidantien?

Wie gut ist unsere Nährstoffversorgung?

Von Pillen und Pülverchen – sind Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll?

Anti-Aging-Food – Warum uns eine antientzündliche Ernährung jung hält

Lebensmittelkennzeichnung: Das gibt es, das fehlt

3. Unsere Verdauung: ein faszinierendes System

Das Verdauungssystem

Mikrobiom – die gesunden Darmbakterien

4. Lebensmittel: Was sollen wir essen?

Gemüse

Gemüse und Gesundheit

Gemüse – eine bunte Truppe

Auswahl und Zubereitung von Gemüse

Wie viel Gemüse sollten wir essen?

Gemüse und Klima

Obst

Obst und Gesundheit

Wie viel Obst sollten wir essen?

Obst und Klima

Getreide

Getreide und Gesundheit

Wenn Getreide nicht vertragen wird – über Gluten, FODMAPs und ATI

Reis in Maßen – wegen Arsen und Klima

Wie viel Getreide sollten wir essen?

Hülsenfrüchte

Hülsenfrüchte und Gesundheit

Verträglichkeit und Zubereitung von Hülsenfrüchten

Wie viel Hülsenfrüchte sollten wir essen?

Hülsenfrüchte und Klima

Nüsse & Samen

Nüsse – kleine Kraftpakete

Nüsse und Gesundheit

Wie viel Nüsse sollten wir essen?

Nüsse und Klima

Superfoods

Samen – diese Minis haben es in sich

Fisch

Fisch und Gesundheit

Wie viel Fisch sollten wir essen?

Fisch und Klima

Fleisch

Fleisch und Gesundheit

Tierwohl und Qualität

Fleisch und Klima

Wie viel Fleisch sollten wir essen?

Eier

Eier und Gesundheit

Eier, Tierwohl und Klima

Wie viele Eier sollten wir essen?

Milch & Milchprodukte

Milchprodukte – Joghurt, Sahne, Käse und Co.

Milch und Gesundheit

Wie viel Milch(produkte) sollten wir essen?

Milch und Klima

Pflanzliche Öle & Butter

Die verschiedenen Öle

Kalt gepresst versus raffiniert

Braten – welche Öle sind hoch erhitzbar?

Fette – Butter oder Margarine?

Wie viel Öl und Fette sollten wir essen?

Öl und Kilma

Zucker

Welche Lebensmittel enthalten Zucker?

Zucker hat viele Namen

Zucker und Gesundheit

Zucker und Kinder

Wie viel Zucker sollte es maximal sein?

Warum ist es so schwer, Zucker zu reduzieren?

Wege aus der Zuckerfalle

Wie gesund sind künstliche Süßungsmittel?

Salz

Welche Lebensmittel enthalten Salz?

Salz und Gesundheit

Wie viel Salz sollten wir essen?

Weniger Salz dank gezielter Gesundheitspolitik?

Kräuter & Gewürze

Der Gesundheitswert von Kräutern und Gewürzen

Wie viel Kräuter und Gewürze sollten wir essen?

Kräuter und Klima

Getränke

Wasser

Kaffee

Tee

Limonaden, Fruchtsäfte und Smoothies

Alkohol

Gesunde Lebensmittel – unsere Lieblinge

5. Der optimale Speiseplan

Gesundheit auf dem Teller

„Echte“ Lebensmittel

Bio-Lebensmittel – warum sie auf unseren Teller gehören

Clean Eating – was steckt hinter dem Trend?

Die Vielfalt der Lebensmittel ist entscheidend

Der Speiseplan für eine gesunde, nachhaltige Ernährung

Der Speiseplan in der Praxis

Personalized Nutrition – wie lässt sich der Speiseplan individuell anpassen?

6. Maßhalten für die Gesundheit

Genuss in Maßen

Wie viel Energie benötigt der Körper?

Sind Diäten sinnvoll?

Zu welchen Tageszeiten sollten wir essen?

Wie oft sollten wir essen?

Fasten – Jungbrunnen für den Körper

Fastenmethoden

Wie oft sollten wir fasten?

7. Die Macht der Gewohnheiten

Warum fällt uns eine gesunde Ernährung so schwer?

Was sind Gewohnheiten?

Dopamin – das Belohnungshormon

Die permanente Verführung

Gute Gewohnheiten zahlen sich langfristig aus

Zwei Strategien zur Verhaltensanalyse

Fünf Strategien zur Verhaltensänderung

Wie lange dauern Veränderungen?

Mit Stress und Rückschlägen umgehen

Esskultur – mit Genuss schmeckt alles besser

Was ist ein gesunder Lebenstil?

8. Ernährung und Nachhaltigkeit

Food for Future

Gefahr für das Klima: die Lebensmittelproduktion

Zehn Millarden Menschen im Jahr 2050

Die Ernährungswende - mehr Gesundheit und Nachhaltigkeit

Was kann jeder tun?

9. Zehn Regeln für eine gesunde Ernährung

Gesund und nachhaltig ernähren – so gelingt es ganz einfach!

Unser Appell

 

 

Literatur

Empfehlungen

Tabellennachweis

Abbildungsnachweis

Die Autoren

Impressum

Interview: Die Rettung liegt auf dem Teller

Die Gesundheit des Menschen hängt maßgeblich von seiner Ernährungsweise ab. Aber was ist die richtige Ernährung für ein langes und gesundes Leben? Wie sollen wir uns ernähren, um auch die Gesundheit unseres Planeten zu schützen? Und wie können wir es schaffen, schlechte Ernährungsgewohnheiten abzulegen? Ein Gespräch mit dem Autorenduo Dr. Fionna Zöllner, Psychologin und Gesundheitswissenschaftlerin, und Ernährungsmediziner Dr. Jörn Klasen, einem breiten Publikum als Ernährungs-Doc aus dem NDR Fernsehen bekannt.

Wann habt ihr begonnen, euch mit Ernährung zu befassen?

Jörn: Mein Interesse an Ernährung wurde geweckt, als ich als Zivildienstleistender in dem großen Garten eines Kinder- und Jugendheims arbeitete. Das war Anfang der 1970er-Jahre. Ich habe schon damals die Prinzipien der nachhaltigen Landwirtschaft kennengelernt. Seitdem sind mir vor allem drei Dinge bei Lebensmitteln wichtig: naturbelassen, regional und frisch zubereitet. Mit den eigenen Kindern wurde mir die Bedeutung der Ernährung noch bewusster. So haben wir uns dann zum Beispiel wöchentlich eine Bio-Kiste bestellt.

Fionna: Ja, daran kann ich mich noch gut erinnern. Bei uns wurde sehr gesund gekocht. Meine Mutter hat selbst Sauerteigbrot gebacken und mir als Kind Nüsse und Obst als Süßigkeiten angedreht. Nachdem ich ausgezogen bin und für meine Ernährung selbst verantwortlich war, habe ich mich überhaupt nicht für das Thema interessiert und mich ziemlich ungesund ernährt. Ich habe viel gearbeitet. Kantinenessen, Fertiggerichte und Teilchen vom Bäcker waren bei mir alltäglich. In stressigen Zeiten habe ich nur von Brühe und Brötchen gelebt. Darüber macht sich mein Mann heute noch lustig. Erst als ich mit meinem zweiten Kind in Elternzeit war, habe ich mir endlich die Zeit genommen, etwas durchzuatmen und mich ausführlicher mit Ernährung zu befassen. Ich möchte meinen Kindern einen gesunden Start ins Leben ermöglichen, aber auch etwas tun, um meine eigene Gesundheit möglichst lange zu erhalten. So habe ich also in den letzten Jahren mehr und mehr über Ernährung gelesen. Dabei haben sich mir unzählige Fragen gestellt.

Welche Fragen waren das?

Fionna: Gibt es eine optimale Ernährung für den Menschen? Welche Lebensmittel sind besonders gesund? Sollte ich auf Zucker ganz verzichten? Oder mich glutenfrei ernähren? Sollte ich nach 18 Uhr gar nichts mehr essen? Muss ich Salz sparen? Ist Kaffee nun eigentlich gesund oder ungesund? Was ist mit Milch? Und Käse? Enthält Obst zu viel Zucker? Macht Brot dick? Ist Fisch mit Schwermetallen belastet? Sind Bio-Produkte wirklich besser? Was sind eigentlich Ballaststoffe ganz genau? Wie bereitet man Gemüse schonend zu? Kann man mit Ernährung wirklich das Risiko für chronische Krankheiten wie Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken? Und noch 1000 weitere Fragen. Als Wissenschaftlerin bin ich es gewohnt, dass jedes Thema zunächst mit vielen Fragen beginnt und dass es zu jedem Thema verwirrend viele unterschiedliche Informationen gibt. Ich habe also begonnen, mir systematisch zu jeder Frage die wissenschaftliche Literatur herauszusuchen und die Fragen Stück für Stück zu bearbeiten. Außerdem habe ich auch mit meinem Vater immer mehr über Ernährung gesprochen. So ist irgendwann die Idee zu diesem Buch entstanden.

Warum ist ein wissenschaftlicher Zugang zum Thema Ernährung so wichtig?

Fionna: Gesundheit ist die Voraussetzung für ein produktives und erfülltes Leben und eines der höchsten Güter des Menschen. Deswegen sollten Informationen, die unsere Gesundheit betreffen, besonders hochwertig sein. Das heißt, auf wissenschaftlichen Studien beruhen und nicht auf Meinungen und Erfahrungen Einzelner. Wir haben für dieses Buch Tausende Studien gelesen. Uns war es auch wichtig, dass die Quellen in dem Buch angegeben sind. In vielen Ernährungsratgebern fehlt das nämlich leider. Oft wird da von Studien berichtet, die angeblich dieses oder jenes zeigen. Ohne Quelle lässt sich die Behauptung jedoch nicht nachprüfen. Oft weiß man nicht, aus welchem Jahr die Studie stammt, welche Methoden für die Datenerhebung verwendet wurden oder wer die Studie finanziert hat. Dem Leser wird so ein Gefühl von Wissenschaftlichkeit vermittelt, das sich allerdings nicht überprüfen lässt. Wir wissen natürlich, dass die meisten Leser aus nachvollziehbaren Gründen die Originalquellen nie nachlesen werden, trotzdem ist es uns sehr wichtig, dass dies zumindest theoretisch möglich ist.

Welche Rolle spielte Ernährung im Medizinstudium?

Jörn: Für mich war seit meiner Jugend immer die zentrale Frage: Was braucht es, damit sich Menschen gesund entwickeln können? Nach einem kurzen Ausflug in die Soziologie und Volkswirtschaftslehre entschloss ich mich, Medizin zu studieren, um der Antwort dieser Frage näherzukommen. Während meines Studiums habe ich viel über Zellen und biochemische Prozesse gelernt. Ich konnte jeden Knochen auf Griechisch und Latein benennen. Über Ernährung hingegen habe ich nichts gelernt. Überhaupt nichts. Weder im Studium noch in der Weiterbildung zum Internisten und in der Gastroenterologie gab es dazu Lehrinhalte. Und so hatte ich nach meinem Studium immer noch keine Antwort auf meine Frage. Ich habe mich auf die Suche begeben und bin dann zusätzlich Arzt für anthroposophische Medizin und Naturheilkunde geworden. Da wurden meine Anliegen behandelt. Am meisten aber habe ich über Ernährung gelernt im täglichen Umgang mit den Patienten während meiner Tätigkeit als Krankenhausarzt und in der Zusammenarbeit mit Ökotrophologen und Ernährungsberatern.

Was ist eine gesunde Ernährung und was kann mit ihr erreicht werden?

Jörn: Es sind nur wenige Elemente, wie wir in diesem Buch wissenschaftlich fundiert herausgearbeitet haben. Dazu gehört eine pflanzenbasierte, mit guten Ölen angereicherte Ernährung mit wenig Fleisch und Zucker. Die Lebensmittel sollten regional und von naturbelassener Qualität, also bio sein. Aber wir wollen nicht zu viel verraten, nur so viel vorab: Mit einer gesunden Ernährung kann viel mehr bewirkt werden, als viele Menschen ahnen. Ernährung ist neben Bewegung und dem Umgang mit Belastungen wie Stress das zentrale Mittel, damit Menschen gesunden beziehungsweise gesund bleiben. Mit der richtigen Ernährung können wir wirklich Krankheiten vorbeugen und können so auch den Menschen etwas an die Hand geben, um selbst Verantwortung zu übernehmen. Wir müssen nicht ständig warten, bis das „Kind in den Brunnen gefallen ist“, so wie wir es heute in der Medizin tun.

Warum habt ihr einen besonderen Fokus auf Klima und Umwelt gelegt?

Fionna: Die Lebensmittelproduktion hat einen hohen CO2-, Wasser- und Flächen-Fußabdruck und trägt maßgeblich zur Verschmutzung von Böden und Gewässern bei. Gesunde Menschen brauchen aber auch einen gesunden Ort, an dem sie leben können. Deswegen finden wir, dass man das Thema Gesundheit heute nicht mehr ohne die Umweltfragen behandeln kann. In den großen Ernährungsratgebern der letzten Jahre ist dies kaum geschehen und diese Lücke wollten wir gerne füllen. Gesundheit und Nachhaltigkeit sind zum Glück auch überhaupt kein Zielkonflikt, sondern folgen den gleichen Grundprinzipien. Fleisch- und Milchprodukte zu reduzieren, ist dabei der größte Hebel. Niemand muss ganz darauf verzichten, aber unser aktueller Konsum ist einfach viel zu hoch. Wenn wir außerdem saisonale und regionale Lebensmittel aus nachhaltiger Landwirtschaft essen, weniger Lebensmittel wegschmeißen und mit dem Fahrrad oder zu Fuß einkaufen, können wir die Umweltbelastungen deutlich reduzieren.

Ist eine gesunde Ernährung aufwendig?

Fionna: Nein, eine gesunde Ernährung muss nicht aufwendig sein. Aus Sorge davor habe ich jahrelang nicht selbst gekocht. Aber dann habe ich mir eine Wokpfanne zugelegt und gemerkt, dass ich in kürzester Zeit frische und leckere Gerichte für die ganze Familie zubereiten kann. Das schaffe ich inzwischen in 20 Minuten. Ich bekomme so eine sehr gesunde und dazu auch noch ziemlich preiswerte Mahlzeit. Wie das geht, haben wir ebenfalls im Buch beschrieben.

Warum fällt es dann oft so schwer, sich gesund zu ernähren?

Fionna: Unser Ernährungsverhalten besteht zu einem großen Teil aus Gewohnheiten. Die sitzen tief und lassen sich nur schwer ändern. Wir beschreiben aber, wie man Schritt für Schritt vorgehen kann und was man dabei beachten sollte. Außerdem reagieren Belohnungszentren in unserem Gehirn positiv auf ungesunde Lebensmittel mit viel Fett und Zucker. In der Steinzeit waren solche Lebensmittel selten und bedeuteten Vorteile fürs Überleben und damit für die Fortpflanzung. Heute, wo es solche Lebensmittel an jeder Ecke und zu jeder Tageszeit gibt, werden sie zum Gesundheitsrisiko. Wir zeigen psychologische Strategien auf, mit deren Hilfe wir unser Steinzeitgehirn austricksen können.

Jörn: Aus meiner Praxis weiß ich, dass Menschen viel mehr schaffen, als sie für möglich gehalten haben. Mit etwas Anleitung sind sie zu erstaunlichen Veränderungen in der Lage. Ich habe zahlreiche Patienten gesehen, denen es gelungen ist, ihr Verhalten nachhaltig zu ändern. Damit haben sie nicht nur ihr Gewicht reduziert und ihren Gesundheitszustand verbessert, sie hatten auch viel mehr Selbstvertrauen, Freude, weniger Stress und bessere Beziehungen. Eine Ernährungsumstellung ist somit oft der erste Schritt zu einer gesünderen Lebensweise.

Einleitung: Die Schlüsselrolle der Ernährung

Was wir essen, ist für unsere Gesundheit und unseren Planeten von entscheidender Bedeutung. Es ist jedoch ein komplexes Unterfangen herauszufinden, was genau wir essen sollten, um unsere Gesundheit bestmöglich zu fördern und gleichzeitig zur ökologischen Nachhaltigkeit beizutragen. Die Flut an Informationen ist erschlagend; kaum jemand kann für sich herausfiltern, was richtig und wichtig ist.

Deshalb haben wir für dieses Buch Tausende Studien gelesen. Dabei herausgekommen sind ganz konkrete Empfehlungen für eine gesunde Ernährung. Und eine klare Erkenntnis: Eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist viel einfacher als oft dargestellt. Der amerikanische Publizist Michael Pollan hat es so zusammengefasst: „Eat food. Not too much. Mostly plants.“1 Also: Essen Sie echte Lebensmittel, nicht zu viel und überwiegend pflanzlich. Wir werden Ihnen in diesem Buch beschreiben, warum er damit recht hat und wie einfach das geht.

Fokus Gesundheit

»Die Gesundheit ist zwar nicht alles,aber ohne Gesundheit ist alles nichts.«Arthur Schopenhauer (1788–1860)

Wir sind, was wir essen. Das stimmt tatsächlich buchstäblich. Jede Zellfunktion unseres Körpers basiert auf Stoffen, die wir gegessen haben. Nahrung ist nicht nur Energie, sondern vor allem Information für unzählige Stoffwechselvorgänge in unserem Körper. Sie beeinflusst unsere Hormone, die Chemie in unserem Gehirn, den Stoffwechsel, das Immunsystem, das Mikrobiom in unserem Darm und das An- oder Abschalten bestimmter Gene. Dabei spielt es nicht nur eine große Rolle, was wir essen, sondern auch, wann wir es tun und wie viel wir dabei zu uns nehmen.

In diesem Buch stellen wir dar, wie Sie durch Ernährung Ihre Gesundheit fördern und schützen können. Dass unsere tägliche Nahrung für den Erhalt unserer Gesundheit eine zentrale Rolle spielt, zeigen viele Studien. Immer mehr Daten deuten sogar darauf hin, dass unser Essen zu einem der größten Risiken für unsere Gesundheit geworden ist.2,3

Weltweit sind erschreckende zwei Milliarden Menschen übergewichtig.4 In den USA sind 70 Prozent der Menschen betroffen,5 in Deutschland sind es auch schon 54 Prozent.6 Seit 1960 hat Typ-2-Diabetes hierzulande um 800 Prozent zugenommen.7 Inzwischen ist fast jeder zehnte Erwachsene daran erkrankt.8 Jährlich sterben weltweit elf Millionen Menschen vorzeitig an den Folgen einer schlechten Ernährung, das sind 22 Prozent aller Todesfälle.9 Diese Entwicklungen verursachen großes persönliches Leid und kosten unser Gesundheitssystem viele Milliarden. Dabei wäre ein großer Teil durch einen gesunden Lebensstil vermeidbar.

Wie hängt unsere Lebensweise mit diesem enormen Krankheitsgeschehen zusammen? Wir leben heute viel länger als früher. Ein 2021 in Deutschland geborenes Kind hat eine Lebenserwartung von 81 Jahren. Das ist doppelt so viel wie um 1900 und eine spektakuläre Errungenschaft der verbesserten Lebensbedingungen und der modernen Medizin. Wir sterben kaum noch an Infektionskrankheiten, sondern vor allem an chronischen Leiden, die sich über viele Jahre, oft Jahrzehnte entwickeln und stark von unserer Lebensweise beeinflusst werden. Eine schlechte Ernährung, körperliche Inaktivität, Stress, Rauchen und zu viel Alkohol, aber auch Schlafmangel und soziale Isolation gehören zu den Faktoren, die unsere Gesundheit gefährden. Bestehen sie langfristig, führen sie zu körperlichen Struktur- und Funktionsveränderungen, darunter vor allem Übergewicht, hoher Blutdruck, erhöhter Blutzucker und erhöhte Cholesterinwerte. Und diese wiederum gehören zu den Hauptrisiken für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes.10

Bisher greift unser Gesundheitssystem in der Regel erst, wenn diese Entwicklung weit fortgeschritten ist und wir bereits krank sind. Wir selbst ändern meistens auch erst dann etwas, wenn sich durch Beschwerden ein Leidensdruck entwickelt hat. Wer ein langes, gesundes und erfülltes Leben möchte, muss seinen Fokus verschieben. Wir brauchen einen Bewusstseinswandel, der Gesundheit, Lebensqualität und Nachhaltigkeit in den Fokus rückt. Die Ernährung ist dabei ein entscheidender Hebel: Durch eine gesunde Ernährung kann jeder etwas sehr Direktes, Einfaches und relativ Kostengünstiges für seine Gesundheit tun.

Gesunde Jahre verlängern

Durch eine gesunde Ernährung können wir unsere Gesundheitsspanne verlängern. Unser Ziel sollte sein, durch einen gesunden Lebensstil unsere Gesundheitserwartung an die Lebenserwartung anzugleichen.

Nachdem unsere Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen ist, sollten wir unser Augenmerk nun auf die Verlängerung der Gesundheitsspanne legen. Aktuell beträgt sie durchschnittlich 70 Jahre.11 Das bedeutet, dass wir im Schnitt elf Jahre mit Krankheiten leben – im Einzelfall auch sehr viel länger und oft mit mehreren gleichzeitig. Viele Beispiele aus den sogenannten Blue Zones (► Seite 28), den Regionen der Welt, in denen Menschen bei guter Gesundheit besonders alt werden, zeigen, dass es möglich ist, die Gesundheitsspanne so auszudehnen, dass sie fast so lang ist wie die Lebensspanne. Das sollte auch unser Ziel sein.

Fokus wissenschaftliche Studien

»Wer nichts weiß, muss alles glauben.«Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916)

Welchen Informationen kann man vertrauen? Das ist in Sachen Ernährung eine sehr wichtige Frage, denn es geht dabei um ein existenzielles Thema, bei dem Menschen nach Orientierung und Antworten suchen. Unser Gehirn ist darauf programmiert, ständig die Umgebung nach neuen relevanten Informationen und Gefahren abzuscannen. Dabei kann es interessante und emotionale Geschichten besonders gut verarbeiten und speichern.

Tausende Webseiten, Blogs, Facebook-Einträge, Tweets, Zeitschriftenartikel und Fernsehsendungen „informieren“ uns ständig über Ernährung. Im Kampf um Aufmerksamkeit, Klicks und Likes werden kleine Effekte und unklare Ergebnisse zu Durchbrüchen und spektakulären Einsichten aufgebauscht. Es kursieren viele Fake News und Mythen, die für den Laien oft nur schwer als solche zu erkennen sind. Auch sorgfältig arbeitende Journalisten müssen komplexe Inhalte oft in 30 Sekunden Sendezeit oder 250-Wörter-Beiträgen unterbringen. Das ist fast unmöglich. Deswegen sind viele Informationen widersprüchlich, oberflächlich und zusammenhangslos. Zurück bleibt ein verwirrter Mensch, der sich im Dschungel dieser Informationen kaum zurechtfinden kann und sich die Frage stellt: „Was kann/darf/soll ich überhaupt (noch) essen?“

An diesem Punkt setzt unser Buch an: Die hochwertigsten Informationen stammen aus der Wissenschaft, also von Universitäten und Forschungsinstituten. Hier kann nicht jeder einfach seine Meinung kundtun, sondern Erkenntnisse werden nach strengen Kriterien generiert und Daten nach festgelegten Standards erhoben, ausgewertet und veröffentlicht. Alle angewandten Methoden müssen beschrieben werden und die Ergebnisse werden in Fachzeitschriften nach einem aufwendigen Begutachtungsverfahren durch unabhängige Experten (sogenannte Peer-Reviews) veröffentlicht. Außerdem müssen alle Interessenkonflikte, zum Beispiel von wem die Studie finanziert wurde, angegeben werden. In den gesamten wissenschaftlichen Prozess sind viele Qualitätskontrollen eingebaut. Eine solche systematische Herangehens-weise ist etwas völlig anderes als die Meinung eines Einzelnen.

Ein so komplexes Thema wie die menschliche Ernährung zu erforschen, ist mit zahlreichen Herausforderungen verbunden und in vielerlei Hinsicht schwierig. Eine der Herausforderungen liegt im Untersuchungsgegenstand selbst. Anders als bei Experimenten in Chemie und Physik müssen in Ernährungsstudien Menschen beobachtet oder befragt werden. Randomisierte Studien, in denen die Untersuchungsteilnehmer nach dem Zufallsprinzip verschiedenen Bedingungen zugeordnet werden und sich zum Beispiel für den Studienzeitraum auf unterschiedliche Weise ernähren, haben von allen Studiendesigns die höchste wissenschaftliche Qualität.

Solche Studien sind aber aus praktischen oder ethischen Gründen oft nicht möglich. Stattdessen werden die Teilnehmer in Ernährungsstudien häufig zu ihren Essgewohnheiten befragt. Ein solcher Bericht unterliegt vielen Verzerrungen: Fragt man Untersuchungs-teilnehmer, was sie die letzten zwei Wochen gegessen haben, erinnern sich viele nicht richtig oder sie versuchen, ihre Ernährungsweise positiver darzustellen, als sie tatsächlich ist. Studien, in denen man nicht randomisieren kann, haben das Problem, dass die erfassten Zusammenhänge (Korrelationen) keine kausalen Beziehungen (Ursache/Wirkung) sind.

Zum Beispiel wurde in einer großen Studie herausgefunden, dass diejenigen, die mehr Äpfel essen, weniger chronische Krankheiten haben. Aber ist wirklich der Apfel dafür verantwortlich? Oder sind es andere Dinge, die Menschen, die mehr Äpfel essen, häufiger tun? Vielleicht bewegen sie sich mehr oder essen mehr Gemüse. Deswegen werden in Ernährungsstudien möglichst viele Informationen erhoben. So kann man später mit statistischen Methoden ihren Einfluss analysieren.

Die Grenzen von Ernährungsstudien

Allerdings hat dieser Ansatz Grenzen. Denn bei einem so komplexen Thema wie der Ernährung wird es nur selten gelingen, alle relevanten Variablen zu erfassen. Außerdem muss ein Forscher immer abwägen, wie viele Fragen er den Studienteilnehmern zumuten kann. Diese Herausforderungen in der Ernährungsforschung können zu falschen oder verzerrten Ergebnissen führen – das ist in der Vergangenheit auch immer wieder passiert. So dachte man zum Beispiel lange, dass Kaffee zu chronischen Krankheiten führen würde. Dann stellte man fest, dass die höhere Erkrankungsrate durch das Rauchen erklärt wird und nichts mit dem Kaffee zu tun hat. Weil Raucher oft mehr Kaffee trinken, war zunächst der Kaffee verdächtigt worden. Heute gilt er sogar als gesund. Es ist also ein bisschen wie in der Kriminalistik: Über die Zeit werden die meisten Fälle aufgedeckt, aber zwischendurch muss man auch falsche Fährten verfolgen.

Eine weitere Herausforderung ist, dass Lebensmittel so komplex sind. Sie bestehen oft aus Hunderten Komponenten wie verschiedenen Vitaminen, Mineralien und sekundären Pflanzenstoffen, von denen viele noch nicht einmal umfassend definiert und beschrieben sind. Diese Stoffe wirken einzeln und interagieren miteinander. Solche komplexen Wirkmechanismen sind schwer zu beforschen. Dazu kommt die Tatsache, dass sich viele ernährungsmitbedingte chronische Krankheiten meistens über Jahre, oft über Jahrzehnte entwickeln, sodass man die Studienteilnehmer über viele Jahre immer wieder untersuchen müsste, um sagen zu können, welche Ernährungsweise welche Erkrankungen mitbedingt hat. Solche Studien sind sehr teuer und werden nur selten finanziert.

Wenn Sie sich also zu Recht fragen, warum sich Studien zum selben Thema so oft widersprechen, so liegt es an den zuvor beschriebenen Herausforderungen. Für einen Wissenschaftler sind widersprüchliche Studien übrigens etwas völlig Normales und gehören zum wissenschaftlichen Fortschritt dazu. In der Wissenschaft geht es oft über Jahre für jeden Schritt vorwärts mindestens einen halben wieder zurück, bevor es irgendwann zu einem Durchbruch kommt. Zum Beispiel berichtet eine Studie einen Zusammenhang zwischen gesättigten Fettsäuren und Herzerkrankungen. Wenig später wird eine andere Studie veröffentlicht, die nachweist, dass dieser Zusammenhang nur unter bestimmten Bedingungen gilt oder sie widerlegt ihn sogar.12 Erst wenn mehrere Studien, die unabhängig voneinander in verschiedenen Regionen von verschiedenen Forschern durchgeführt wurden, die gleichen Ergebnisse produzieren, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein wahres Ergebnis handelt. Das bedeutet auch, dass wissenschaftliche Erkenntnisprozesse häufig langsam sind. Sorgfältige Ernährungsforschung ist also mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Trotzdem liefert sie durch ihre systematische Herangehensweise die besten Informationen. Winston Churchills viel zitierter Spruch über die Demokratie lässt sich auch auf die Wissenschaft übertragen: Die Wissenschaft ist die schlechteste aller Informationsquellen – abgesehen von allen anderen.

In der medizinischen Literaturdatenbank PubMed erscheinen jede Woche allein im Bereich Ernährung ungefähr 1000 neue wissenschaftliche Artikel. Die meisten Menschen lesen verständlicherweise keine Originalarbeiten, denn dies erfordert Übung, Wissen zu Forschungsmethodik und Kenntnis des Fachjargons. Außerdem sind die Artikel häufig in englischer Sprache verfasst. Wir haben uns für dieses Buch sehr bemüht, die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse aus Tausenden Fachartikeln in eine allgemein verständliche Sprache zu übertragen, ohne Fremdworte zu benutzen und ohne komplizierte statistische oder methodische Ausführungen. Die Originalquellen finden Sie im Literaturverzeichnis (► Seite 266).

Wissen ist erwiesenermaßen eine gute Voraussetzung, um langfristig auf eine gesunde Ernährung umzustellen. Verstehen, was eine gesunde Ernährung ausmacht, ist auch der beste Schutz und Filter gegen die Flut von widersprüchlichen Ernährungsbotschaften, die ständig und überall um unsere Aufmerksamkeit buhlen.

Fokus Klima und Nachhaltigkeit

»Die Lebensmittelproduktion hat das Potenzial,die menschliche Gesundheit zu fördern unddie ökologische Nachhaltigkeit zu unterstützen;heute gefährdet sie beides.«Walter Willett, Johan Rockström et al.13

Unser Planet hat ökologische Grenzen – werden diese überschritten, sind die Stabilität des Klimas und die Lebensgrundlagen der Menschheit gefährdet. Diese planetaren Grenzen wurden im Jahr 2009 von einer Forschungsgruppe um Johan Rockström in einem weithin beachteten Fachartikel in Science mit dem Titel „A safe operating space for humanity“ erstmals umfassend beschrieben.14 Darin wurden neun grundlegende Bereiche für die Stabilität und Widerstandsfähigkeit der Erde definiert (► Abbildung rechts).

In vier der Bereiche haben wir die Grenzen der sicheren Zone bereits überschritten: bei Artensterben, Klimawandel, Landnutzungsänderungen sowie Phosphor- und Stickstoffkreisläufen.15 Experten sind sich weitgehend darin einig, dass ein menschengemachter Klimawandel unsere Erde bedroht und wir nur noch wenig Zeit zum Handeln haben.16 Immer mehr Forscher warnen davor, dass kritische Schwellenwerte, sogenannte Kipppunkte, schon bald erreicht sein könnten und Prozesse in Gang setzen, die sich nicht mehr umkehren lassen.17

Die ökologischen Belastungsgrenzen unserer Erde sind bereits heute in mehreren Bereichen überschritten: bei Artensterben, Stickstoff- und Phosphorkreisläufen, Klimawandel sowie Abholzung und Landnutzungsänderungen. 15

Der Nahrungsmittelsektor trägt maßgeblich zum Klimawandel bei.18 Bewegungen wie Fridays for Future zeigen, dass in der Gesellschaft allmählich ein Umdenken stattfindet. Gerade die junge Generation möchte mit ihrem Konsum- und Essverhalten zum Klimaschutz beitragen. Wir schlagen in diesem Buch eine Ernährungsweise vor, die die Gesundheit des Menschen und die des Planeten gleichermaßen in den Fokus rückt. Dabei orientieren wir uns an den Vorgaben der EAT-Lancet-Kommission. Diese hochkarätig besetzte Kommission aus 37 führenden Ernährungs- und Klimaexperten hat 2019 konkrete Vorschläge für eine gesunde und nachhaltige Ernährungsweise entwickelt. Geleitet wird der Zusammenschluss von Walter Willett, dem vielleicht weltweit renommiertesten Ernährungswissenschaftler von der Harvard University, und dem Klimaforscher Johan Rockström, der das Konzept der planetaren Grenzen entwickelt hat. Auf der Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Literatur wurden Empfehlungen für eine gesunde Ernährungsweise definiert. Dabei gelten vor allem fünf Prinzipien:

►mindestens fünf Portionen Gemüse und Obst pro Tag

►Kohlenhydrate vor allem aus Vollkornprodukten und wenig raffinierte Stärke und Zucker

►Fett überwiegend aus ungesättigten pflanzlichen Fettsäuren

►Eiweiß überwiegend aus pflanzlichen Quellen wie Hülsenfrüchten und Nüssen, moderateMengen an Fisch, Geflügel und Eiern sowie wenig rotes und verarbeitetes Fleisch

►moderate Mengen an Milchprodukten19

Für jede Lebensmittelgruppe wurden ganz konkret Verzehrempfehlungen erstellt. Dabei sind die Ernährungsempfehlungen keineswegs starr; sie lassen viel Spielraum für individuelle Anpassungen (► Seite 197). Auf diesen Empfehlungen bauen wir das Buch auf und werden immer wieder darauf zu sprechen kommen.

Außerdem hat die Kommission die ökologischen Grenzwerte in fünf für den Nahrungsmittelsektor relevanten Bereichen definiert. Diese Bereiche sind:

►Treibhausgasemissionen

►Ausdehnung von landwirtschaftlichen Nutzflächen

►Frischwasserverbrauch

►Artensterben

►Belastung der Böden und Meere durch Stickstoff und Phosphor

Durch aufwendige Analysen zeigt die Kommission, dass die Lebensmittelproduktion innerhalb der ökologischen Grenzen funktionieren kann. Die Strategien dafür sind:

►eine überwiegend pflanzliche Ernährungsweise

►Qualität und Vielfalt statt Quantität in der Landwirtschaft

►eine nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft

►die Einhaltung strenger ökologischer Vorgaben für die Nutzung von Land und Meer

►die Halbierung von Lebensmittelabfällen19

Die Ernährung wird im 21. Jahrhundert sowohl für unsere individuelle Gesundheit als auch für die Gesundheit des Planeten eine Schlüsselrolle spielen. Oft sind wir angesichts der Bedrohung durch den Klimawandel gelähmt, aber mit dem Bericht der EAT-Lancet-Kommission liegen uns ganz konkrete Empfehlungen vor, was wir tun können. Das gilt für jeden Einzelnen im Rahmen seiner Ernährung, aber auch in Produktion, Landwirtschaft und vor allem Politik

Der Bericht der EAT-Lancet-Kommission ist in deutschen Ernährungsratgebern bisher kaum angekommen. Wir möchten Ihnen mit diesem Buch Zugang dazu verschaffen und beschreiben, wie eine gesunde und nachhaltige Ernährung funktionieren kann.

Viel Freude beim Lesen und alles Gute für Ihre Gesundheit!

Was ist eine gesunde Ernährung?

Auf der Suche nach der optimalen Ernährung für den Menschen erkunden wir in diesem Kapitel, was unsere Vorfahren in der Steinzeit aßen. Denn daran sind wir evolutionär wahrscheinlich besonders gut angepasst. Außerdem schauen wir uns an, was die Menschen essen, die heute besonders gesund alt werden.

Der Speiseplan unserer Vorfahren

Was haben unsere Vorfahren gegessen? Was ist eine Paleo-Ernährung? Waren unsere Vorfahren gesünder als wir heute? Bestand die Steinzeiternährung vor allem aus Fleisch? Sollten wir wie in der Steinzeit essen, um chronischen Erkrankungen vorzubeugen?

Unser Verdauungs- und Stoffwechselsystem hat sich über Millionen Jahre entwickelt und ist vermutlich am besten an die Steinzeitkost angepasst. Denn fast die gesamte Menschheitsgeschichte spielte in der Steinzeit. Diese begann vor etwa 2,5 Millionen Jahren mit dem Auftreten der ersten Menschengattung (homo) und endete mit dem Ende der letzten Eiszeit vor ca. 10.000 Jahren. Menschen lebten in der Steinzeit als Jäger und Sammler. Genetische Veränderungen, die sich durch evolutionäre Anpassung über viele Generationen durchsetzen, sind sehr langsame Prozesse, sodass wir davon ausgehen können, dass unser Genom noch fast genauso ist wie damals.20

Allerdings hat sich unsere Ernährung seit der Steinzeit stark verändert. Vor gut 10.000 Jahren wurde der Mensch sesshaft und begann, Ackerbau zu betreiben. Damit veränderte sich auch seine Ernährungsweise erheblich. Milch- und Getreideprodukte fanden Einzug in den Speiseplan. Die Ernährung wurde einseitiger und bestand immer häufiger aus wenigen Grundnahrungsmitteln wie Weizen und Mais. Mit der industriellen Revolution vor rund 200 Jahren veränderte sich unsere Ernährung nochmals in nie dagewesenem Ausmaß – vor allem durch das Aufkommen der Lebensmittelindustrie. Durch neue Technologien konnten völlig neuartige Lebensmittel hergestellt werden. Produkte wie Frühstückscerealien, Softdrinks und Tiefkühlkost wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts immer populärer. Industriell hergestellte Lebensmittel mit viel Zucker, Salz, Transfetten (sie entstehen bei der chemischen Härtung von Fett) und künstlichen Zusatzstoffen veränderten unsere Ernährung grundlegend. Evolutionär angepasst an all das sind wir nicht. Die Paleo-Bewegung behauptet daher – Paleo steht für englisch paleolithic, also für die Altsteinzeit (Paläolithikum) –, dass uns die modernen Lebensmittel krank machen und für die Zunahme von Zivilisationskrankheiten wie Allergien, Diabetes und Krebs verantwortlich sind.21,22 Und die davon abgeleitete Empfehlung lautet, wer gesund bleiben will, sollte sich „artgerecht“ wie unsere Vorfahren ernähren.

Aber was haben die genau gegessen? Vermutlich bestand ihre Ernährung aus Blättern, Wurzeln, Früchten, Beeren, Nüssen, Samen, Wildfleisch, Eiern und Fisch sowie geringen Mengen Honig. Der Speiseplan war reich an Ballaststoffen (► Seite 74ff.), Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen (► Seite 79).23 Außerdem hatte er eine geringe glykämische Last, das heißt, er beinhaltete vorwiegend Lebensmittel, die den Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen lassen. Getreide, Milchprodukte, Hülsenfrüchte, Speiseöle, Salz, zugesetzte Zucker und alkoholhaltige Getränke standen gar nicht oder nur in sehr geringen Mengen auf dem Speiseplan.21

Viel wird darüber debattiert, wie hoch der Fleischanteil in der steinzeitlichen Ernährung war. Einiges deutet daraufhin (Gebiss, Darmlänge, wenig Magensäure), dass der Mensch immer ein Allesfresser (Omnivore) war und sich weder rein vegetarisch noch als reiner Fleischfresser ernährt hat.21 Bis zur letzten Jahrtausendwende vermutete man, dass die Steinzeiternährung überwiegend pflanzlich und fettarm war.24

Heute geht man eher davon aus, dass die Steinzeitkost vergleichsweise fettreich war (bis zu 40 Prozent Fett) und einen hohen Fleisch- und Fischanteil (etwa die Hälfte der Nahrungsmenge) hatte.23,21 Wer aber daraus schließt, dass er große Steaks von sojagefütterten Rindern als gesunde Paleo-Diät in sich hineinstopfen könne, hat sich viel zu oberflächlich mit der Steinzeitkost befasst und setzt sich einem erheblichen Gesundheitsrisiko aus. Paleo-Jünger sollten nicht vergessen, dass es in der Steinzeit nur das magere Fleisch von Wildtieren gab, von denen auch die Innereien und das Knochenmark verzehrt wurden. Außerdem war die oft stundenlange Jagd nach diesen Tieren mit viel Bewegung verbunden.

Zudem enthielt die Steinzeitkost sehr viele Ballaststoffe. Früchte, Knollen und Blätter hatten viel härtere Schalen und Fasern. Diese wurden aus heutigen Lebensmitteln über die letzten Jahrzehnte mehr und mehr weggezüchtet (► Seite 74ff.).

Artgerechte Ernährung

An Industrienahrung ist der Mensch evolutionär nicht angepasst. Die längste Zeit seiner Entwicklungsgeschichte hat sich der Menschen von „echten“ Lebensmitteln (Naturnahrung) ernährt. Mit der Sesshaftwerdung vor ca. 10.000 Jahren nahm der Mensch Milchprodukte, Getreide und Hülsenfrüchte verstärkt in seinen Speiseplan auf. Industrienahrung mit hoch verarbeiteten Produkten gibt es erst seit 200 Jahren. Entwicklungsgeschichtlich ein Wimpernschlag.

Es gibt nicht die eine Paleo-Diät

Umstritten ist, ab wann der Mensch Feuer selbst entzünden konnte. Wahrscheinlich schon seit mehr als einer Million Jahre durch das Aneinanderreiben von Steinen. Eine reine Rohkosternährung in der Steinzeit ist daher unwahrscheinlich. Durch das Erhitzen von Nahrung wie von Fleisch und stärkereichen Wurzelknollen konnte der Mensch deren Energie viel effizienter aufnehmen. Das kam dem Wachstum des menschlichen Gehirns zugute und verhalf Menschen zu mehr Zeit für Aktivitäten, die nicht der Nahrungssuche dienten.21

Fest steht auch, dass unsere Vorfahren regelmäßig gefastet haben oder fasten mussten. Manchmal war die Jagd nicht erfolgreich, eine Dürre ließ fast alle Pflanzen vertrocknen oder es war schlicht Winter. Unser Körper ist daher an Fasten sehr gut angepasst und kommt damit bestens zurecht. Er scheint sogar längere Phasen des Nichtessens regelrecht zu brauchen, um sich zu regenerieren und gesund zu bleiben (► Seite 206ff.).

Wer sich nun fragt, wie die Zusammensetzung der Steinzeitkost genau war, stößt schnell an Grenzen. Alles, was uns aus dieser Zeit bleibt, sind ein paar Knochen und Steinwerkzeuge. Moderne chemisch-physikalische Analysetechniken wie das Isotopenverfahren erlauben zwar, aus Knochen und Zähnen Rückschlüsse auf die Ernährung anzustellen. Allerdings bleibt es äußerst schwierig, die einzelnen Lebensmittel und ihre Zusammensetzung genau zu rekonstruieren.

Die Ergebnisse sind bestenfalls grobe Annährungen. Als Modell der steinzeitlichen Ernährung dienen daher oft die Ernährungsweisen von sogenannten Naturvölkern, die heute noch als Jäger und Sammler leben. Diese zeichnen sich aber durch eine große Heterogenität aus. Inwieweit sie tatsächlich mit der Steinzeitkost vor Hundertausenden von Jahren übereinstimmen, bleibt unklar.

Wir müssen uns damit begnügen, dass wir heute vor allem eines wissen: Es gibt nicht die eine Paleo-Diät. Es gab viele verschiedene Ernährungsweisen in der Steinzeit, die von Zeitraum, Region und Klima abhingen.21 Manche Gruppen ernährten sich pflanzenbasiert, andereeher fleischlastig. Die Steinzeit umfasst einen Zeitraum von rund 2,5 Millionen Jahren, in denen sich die Menschheit weiterentwickelte, große klimatische Veränderungen stattfanden und sich die Lebensräume mehrmals drastisch veränderten. An jede dieser Veränderungen wurde die Ernährung angepasst. Interessanterweise scheint es vor allem die große Flexibilität zu sein, auf die der evolutionäre Erfolg der Spezies Mensch beruht.21 Es entbehrt daher jeder wissenschaftlichen Grundlage, wenn Gurus, Autoren, Blogger oder Verkäufer die Steinzeit-Diät zu einem simplen Ernährungsgrundsatz machen.

Wie empfehlenswert ist die moderne Paleo-Kost?

Bringt es uns gesundheitliche Vorteile, wenn wir uns an der Steinzeitkost orientieren? Dazu müssen wir uns zunächst klarmachen, dass wir uns – selbst wenn wir wüssten, wie die Steinzeit-Diät wirklich aussah – heute nicht mehr entsprechend ernähren könnten. Viele der wilden Pflanzen und Tierarten von damals gibt es schlicht nicht mehr. Heutiges Fleisch, insbesondere Industriefleisch, ist in seiner Zusammensetzung ganz anders als mageres Wildfleisch. Auch Gemüse und Obst haben sich durch Züchtungen stark verändert. Zum Beispiel gab es in der Steinzeit keinen Brokkoli. Genau wie Blumenkohl, Kohlrabi, Weißkohl und Rosenkohl ist auch der Brokkoli aus einer einzigen Art, Brassica oleracea, der Wildform des Gemüsekohls, gezüchtet worden. Außerdem hatte „Steinzeitgemüse“ viel mehr Bitterstoffe und schwer verdauliche Schalen, die weggezüchtet wurden. Die Professorin Christina Warinner vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena ist Expertin für alte Ernährungsweisen. In ihrem sehr sehenswerten TED Talk „Debunking the paleo diet“ entlarvt sie viele Mythen rund um die altsteinzeitliche Kost.

Ernährungswissenschaftler sind sich weitgehend darin einig, dass eine moderne, vielfältige Paleo-Ernährung gesund ist, die Gemüse, Salate, Pilze, Nüsse, Obst, Fisch und mageres Fleisch aus artgerechter Hal-tung enthält und Zucker sowie alle hoch verarbeiteten Lebensmitteln meidet. Mit einem Aber: Lebensmittel wie Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte, die in der Paleo-Ernährung gemieden werden, haben eine wissenschaftlich nachgewiesene gesundheitsfördernde Wirkung. Neben der Ernährung spielen ohne Zweifel auch die anderen Aspekte des Lebensstils der Steinzeitmenschen eine wichtige Rolle für deren Gesundheit: Dazu gehören viel Bewegung, ausreichend Schlaf, enge soziale Bindungen mit wenig psychosozialem Stress, Licht- und UV-Exposition und keine Zigaretten.21,23

Eine abschließende Bewertung der modernen Paleo-Kost steht aber noch aus, da es einfach zu wenig wissenschaftliche Studien gibt und die bisherigen Ergebnisse uneinheitlich sind. Zwar existieren erste Hinweise, dass eine Paleo-Ernährung beim Abnehmen helfen kann, deutliche Vorteile gegenüber anderen Ernährungsweisen, die auch auf wenig Zucker setzen, aber Hülsenfrüchte, gesunde pflanzliche Öle, Milch- und Vollkornprodukte beinhalten, ließen sich dagegen nicht nachweisen.21 Verglichen mit einer Junkfood-Ernährung schneidet die Paleo-Kost gut ab, was wenig überraschend ist.

►►► AUF EINEN BLICK PALEO

Es gibt nicht die eine Paleo-Ernährungsweise, die als Modell für eine „artgerechte“ Ernährung für den heutigen Menschen dienen könnte. Ein Ernährungsdogma, wie es manche Paleo-Anhänger propagieren, lässt sich aus dem aktuellen Stand des Wissens nicht seriös ableiten. Der Mensch zeichnet sich vor allem durch eine hohe metabolische Anpassungsfähigkeit und Flexibilität aus.

Trotzdem können folgende Prinzipien aus der Paleo-Ernährung auch für eine moderne Lebensweise und gesunde Ernährung angewendet werden:

►Essen Sie viel Gemüse, Salate, Pilze, Nüsse, Obst, Fisch und mageres Fleisch.

►Essen Sie möglichst frische und saisonale Lebensmittel.

►Konsumieren Sie wenig Zucker, kaum Alkohol und möglichst wenig verarbeitete Lebensmittel.

►Fasten Sie regelmäßig, zum Beispiel mit Intervallfasten (► Seite 214).

►Achten Sie auf viel Bewegung, ausreichend Schlaf und pflegen Sie enge soziale Bindungen.

►Bedenken Sie, dass auch Lebensmittel, die nicht in die typische Paleo-Diät gehören, wie Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, pflanzliche Öle und fermentierte Milchprodukte, nach aktuellem wissenschaftlichem Stand einen gesundheitsfördernden Effekt haben.

Woraus bestehen unsere Lebensmittel?

Lebensmittel setzen sich aus verschiedenen Nährstoffen zusammen, die in Makro- und Mikronährstoffe unterteilt werden.In diesem Kapitel lernen Sie die Funktion und den Gesundheitswertvon Kohlenhydraten, Fetten, Eiweißen und Ballaststoffen kennen und erfahren, wie essenziell Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und sekundäre Pflanzenstoffe für uns sind.

Kohlenhydrate

Was sind Kohlenhydrate? Welche Lebensmittel sind reich an Kohlenhydraten? Machen Kohlenhydrate dick? Was sind „schnelle“ Zucker? Wie viel Kohlenhydrate sollte man essen? Darf man Kohlenhydrate abends essen?

Kohlenhydrate gehören neben Fetten und Eiweißen zu den drei Hauptnährstoffen (auch Makronährstoffe) unserer Ernährung und sind wichtige Energielieferanten. Der menschliche Körper benötigt ständig Energie – auch im Schlaf. Der größte Teil fließt in den sogenannten Grundumsatz, der Funktionen wie Atmung, Herzschlag, Stoffwechsel und Körpertemperatur reguliert. Darüber hinaus brauchen wir Energie für jegliche körperliche Aktivität und auch unser Gehirn ist ständig darauf angewiesen. Viele wichtige Grundnahrungsmittel wie Weizen, Hafer, Reis, Kartoffeln, Bohnen und Linsen haben einen hohen Kohlenhydratgehalt. Bei den meisten Menschen machen Kohlenhydrate den größten Nährstoffanteil in der Ernährung aus.

Es gibt verschiedene Arten von Kohlenhydraten. Chemisch gesehen sind sie Zucker (auch Saccharide), weil sie aus Zuckermolekülen aufgebaut sind. Das führt oft zu Verwirrung, denn umgangssprachlich nennen wir nur die weiße, grobkörnige Substanz, die wir im Supermarkt zum Backen und Süßen kaufen, „Zucker“. Der sogenannte Haushaltszucker ist aber nur eine Zuckervariante unter vielen anderen. Kohlenhydrate werden nach der Anzahl der verknüpften Zuckerbausteine in drei Gruppen unterteilt:

►Einfachzucker (chem. Monosaccharide) bestehen nur aus einem Zuckerbaustein. Zu den Einfachzuckern gehören Traubenzucker (chem. Glukose), Fruchtzucker (chem. Fruktose) und Schleimzucker (chem. Galaktose). Glukose ist der am häufigsten vorkommende und biologisch wichtigste Einfachzucker, der in fast allen kohlenhydratreichen Lebensmitteln enthalten ist. Fruktose kommt vor allem in Obst und Honig vor und Schleimzucker in Milch.

►Zweifachzucker (chem. Disaccharide) bestehen aus zwei aneinandergekoppelten Zuckermolekülen. Haushaltszucker (chem. Saccharose) ist ein typischer Vertreter dieser Gruppe (► Seite 160ff.). Er ist aus je einem Glukose- und einem Fruktosemolekül aufgebaut und wird vor allem aus Zuckerrüben und Zuckerrohr gewonnen. Milchzucker (chem. Laktose) ist ebenfalls ein Zweifachzucker, der aus den beiden Molekülen Galaktose und Glukose zusammengesetzt ist.

►Mehrfachzucker (chem. Polysaccharide) bestehen aus langen Ketten von Zuckermolekülen. Der häufigste Mehrfachzucker ist Stärke – sie besteht aus Tausenden von aneinandergekoppelten Glukosemolekülen. Stärkereiche Lebensmittel sind zum Beispiel Getreideprodukte, Kartoffeln oder Hülsenfrüchte. Mehrfachzucker werden auch als komplexe Kohlenhydrate bezeichnet, wenn sie in unverarbeiteten Lebensmitteln im Verbund mit Ballaststoffen in den intakten Strukturen des Lebensmittels vorliegen.

Da die Darmschleimhaut nur Einfachzucker aufnehmen kann, müssen Kohlenhydrate im Verlauf der Verdauung in ihre Grundbausteine zerlegt werden – also beispielsweise die Zweifach- und Mehrfachzucker aus Obst, Gemüse und Getreide in ihre Einfachzucker Glukose und Fruktose. Das dauert unterschiedlich lange, je nachdem, in welchen Strukturen die Kohlenhydrate vorliegen. Die so zerlegten Glukose- und Fruktosemoleküle werden dann wiederum im Körper auf unterschiedliche Weise aufgenommen, transportiert und gespeichert.

Glukose, der häufigste Zucker

Glukose ist der mit Abstand häufigste Zuckerbaustein in unserer Ernährung. Sie ist ein wichtiger, schnell verfügbarer Energielieferant für Blut, Gehirn und Muskeln. Ein bestimmter Glukose-gehalt im Blut, auch Blutzuckerkonzentration genannt, ist für uns lebenswichtig und darf nicht unterschritten werden. Sobald Glukose ins Blut gelangt, wird das Hormon Insulin ausgeschüttet. Dieses wichtige Hormon kennt inzwischen jeder, weil es bei einer der häufigsten Krankheiten unserer Zeit, dem Diabetes, eine zentrale Rolle spielt. Das 1921 entdeckte Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse produziert. Wir können uns das Hormon wie eine Art Schlüssel vorstellen, der die Zellmembran der energiebenötigenden Körperzellen aufschließt. Insulin bindet an Rezeptoren auf der Zellmembran und daraufhin kann die Glukose in die Körperzelle gelangen. Dort wird die Glukose entweder direkt als Energie verbraucht oder in Leber- und Muskelzellen in Glykogen umgewandelt und gespeichert. Dieses kann bei Bedarf, zum Beispiel in Hungerphasen, wieder in Glukose umgewandelt und dem Körper als Energie zur Verfügung gestellt werden. Da die Speicherkapazität für Glykogen begrenzt ist, wird überschüssige Glukose in Blutfette, also Triglyzeride und Cholesterin, umgebaut (► Seite 60).47

Vielen ist der Sachverhalt unbekannt, dass Kohlenhydrate im Körper in Fett umgewandelt werden können und dann in die Fettdepots eingelagert werden. Außerdem verhindert ein hoher Insulinspiegel, dass Körperfett als Energie verbrannt wird. Denn reichlich Insulin im Blut signalisiert unserem Körper, dass wir gerade gegessen haben, also ausreichend mit Energie versorgt sind, und die Fettreserven daher besser für magere Zeiten aufheben sollten.

Für diesen Prozess ist vor allem auch entscheidend, wie die Zucker in den Lebensmitteln verbaut sind. „Leicht verdauliche“ Kohlenhydrate aus Weißmehl und Softdrinks rauschen direkt ins Blut und verursachen eine schnelle und starke Insulinausschüttung (► Seite 42). „Langsame“ Kohlenhydrate hingegen, die in komplexen Strukturen verbaut sind und mit Ballaststoffen und Eiweißen in Lebensmitteln wie zum Beispiel Hülsenfrüchten vorkommen, gelangen nach und nach ins Blut. Die leicht verdaulichen Zucker aus Weißmehl und Softdrinks führen nachweislich zu Übergewicht,48,49 während Hülsenfrüchte beim Abnehmen helfen können (► Seite 125ff.). „Kalorie ist eben nicht gleich Kalorie“, weil die verschiedenen Nähr-stoffe, je nachdem in welcher Zusammensetzung sie vorliegen, sehr unterschiedlich auf unseren Stoffwechsel wirken.

Aufnahme, Transport und Speicherung von Glukose

AUFNAHME Im Dünndarm werden Kohlenhydrate zerlegt. Der Einfachzucker Glukose gelangt durch die Darmwand ins Blut. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel und die Bauchspeicheldrüse schüttet Insulin aus. TRANSPORT Insulin schließt die Körperzellen für den Zucker auf, vor allem die der Muskeln, der Leber und des Fettgewebes. SPEICHERUNG Zucker, der nicht sofort als Energie verbraucht wird, wird in Leber- und Muskelzellen in Glykogen umgewandelt und gespeichert. Da die Speicher nicht unendlich viel Glykogen aufnehmen können, wird überschüssige Glukose in Fett umgewandelt und gespeichert.

Fruktose – ist sie gefährlich?

Ein weiterer wichtiger Einfachzucker in unserer Ernährung ist die Fruktose, auch Fruchtzucker genannt. Für viele klingt der Name gesund und wird mit Obst und Vitaminen assoziiert. Andererseits hören wir seit Jahren immer öfter, dass gerade Fruktose zu Fettleber und Übergewicht führt. In den USA gilt sie inzwischen als Dickmacher Nummer eins. Auch wenn Frucht- und Traubenzucker die gleiche Kalorienmenge haben (etwa 4 Kilokalorien pro Gramm), ist Fruchtzucker doppelt so süß wie Glukose und kommt mit einem Anteil von 1 bis 7 Prozent vor allem in Früchten vor, zum Beispiel in Äpfeln, Birnen, Beeren oder Trauben.47 Fruktose lässt sich aber auch in nahezu allen Gemüsesorten, Zwiebeln und Kräutern nachweisen. Allerdings mit wesentlich geringeren Anteilen.

Viele sind überrascht, wenn sie hören, dass der normale Haushaltszucker zur Hälfte aus Fruktose besteht, und auch Honig hat mit 40 Prozent einen hohen Anteil. Auch der berüchtigte High Fructose Corn Syrup (deutsch: Fruktosesirup), der sehr preisgünstig aus Mais produziert werden kann, enthält 55 Prozent Fruktose und wird von der Nahrungsmittelindustrie seit Jahrzehnten zahlreichen Produkten zugesetzt. Besonders viel enthalten Softdrinks, Müsliriegel und hoch prozessierte Fertigprodukte. Der Fruktosekonsum ist vor allem seit den 1980er-Jahren drastisch angestiegen.50

FRUKTOSEGEHALT VERSCHIEDENER LEBENSMITTEL

Lebensmittel

Fruktosegehalt in g/100 g

Honig

39

Rosinen

33

Trauben

7

Apfel

6

Banane

3

Blaubeeren

3

Möhren

1

Paprika

1

Die Aufnahme von Fruktose in den Körper verläuft anders als bei Glukose und führt immer über die Leber. Bei der Fruktoseaufnahme wird kein Insulin ausgeschüttet. In der Schleimhaut des Dünndarms befinden sich kleine Transporteiweiße (GLUT-5), die den Fruchtzucker ins Blut bringen. Von dort gelangt er über die Pfortader in die Leber(► Abbildung Seite 40). Wird mehr Fruktose aufgenommen, als die Leber verarbeiten kann, wandelt diese den überschüssigen Fruchtzucker in Fett um. Ein Teil des Fettes wird direkt in der Leber gespeichert, ein weiterer Teil ins Fettgewebe transportiert. Es existiert kein Regulationsmechanismus, der die Leber vor zu viel Fruktose schützen würde. Sie speichert einfach immer mehr Fett, bis sie krankhaft verfettet ist, genau wie bei zu viel Alkohol. Das betrifft erschreckend viele Menschen. Von einer sogenannten nichtalkoholischen Fettleber (NAFL) sind in Deutschland inzwischen 23 Prozent der Erwachsenen betroffen.51

Die Leber ist das zentrale Stoffwechselorgan des Menschen und wird oft in ihrer Bedeutung für unsere Gesundheit unterschätzt. Ist sie durch Verfettung in ihrer Funktion eingeschränkt, können in der Folge zahlreiche Stoffwechselprobleme auftreten, zum Beispiel Störungen in der Insulinproduktion. Fatalerweise galt Fruktose jahrelang als idealer „Diabetikerzucker“. Man dachte, da Fruktose ohne Insulinbeteiligung in den Körper aufgenommen wird, könnten Zuckerkranke ohne Probleme fruktosegesüßte Produkte essen. Erst später stellte man fest, dass Fruktose negativ auf den Insulinstoffwechsel wirkt und die Symptomatik von Zuckerkranken damit verstärkt. Seit 2010 gibt es solche speziellen Diabetikerprodukte nicht mehr.

Fruktose hemmt außerdem das Hormon Leptin, das für unser Sättigungsgefühls zuständig ist. Das Hormon befindet sich im Blut und signalisiert dem Gehirn, dass der Körper keine weitere Nahrung benötigt. Die Hemmung von Leptin löst einen fatalen Teufelskreis aus, der dazu führt, dass wir immer mehr von den ungesunden zuckerhaltigen Lebensmitteln essen wollen und dabei nie lange satt sind.

Wenn Fruktose Beschwerden macht

Viele Menschen berichten, dass sie Fruktose nicht vertragen. Vermutlich ist einer von drei Erwachsenen betroffen; bei Kleinkindern sollen es sogar zwei von dreien sein.52 Die Menge der Transporteiweiße (GLUT-5) für Fruktose ist begrenzt, sodass jeder Mensch nur eine bestimmte Menge an Fruchtzucker verträgt. Die Kapazitätsgrenze ist individuell sehr unterschiedlich. Können Menschen nur sehr wenig Fruktose aufnehmen, spricht man von einer Fruktoseintoleranz (auch Fruktose-Malabsorption oder intestinale Fruktoseintoleranz).

Aufnahme, Transport und Speicherung von Fruktose

AUFNAHME Im Dünndarm werden die Kohlenhydrate in ihre Grundbausteine zerlegt. TRANSPORT Ein Transportmolekül (GLUT-5) dockt an Fruktose an und transportiert sie in die Blutbahn. SPEICHERUNG Überschüssige Fruktose wird in der Leber in Fett umgewandelt.

Menschen mit einer Fruktose-Malabsorption können Fruchtzucker nicht richtig im Dünndarm aufnehmen. So gelangt er in den Dickdarm, wo er von Bakterien zersetzt wird. Die dabei entstehenden Gase verursachen Beschwerden wie Blähungen, Übelkeit, Bauchschmerzen und Verstopfung, aber auch unspezifische Symptome wie Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Es gibt zudem eine angeborene Form der Fruktoseintoleranz (hereditäre Fruktoseintoleranz), die aber selten ist. Dabei handelt es sich um eine Enzymstörung. Schon kleinste Mengen Fruktose können dann für den Betroffenen bereits gefährlich werden.

Die Symptome der Fruktose-Malabsorption treten meist 30 bis 90 Minuten nach dem Verzehr von fruktosehaltigen Lebensmitteln auf. Die Therapie besteht vor allem in einer Ernährungsumstellung. Betroffene müssen meist nicht völlig auf Obst verzichten, kleine Mengen werden normalerweise vertragen. Vielen Betroffenen geht es dann schnell besser. Getestet wird auf Fruktose-Malabsorption mit einem speziellen Wasserstoff-Atemtest (H2-Atemtest).

Kohlenhydrate und Gesundheit

Zucker hat also über verschiedene Mechanismen einen erheblichen Einfluss auf unseren Stoffwechsel. Ein hoher Zuckerkonsum, wie wir ihn heute oft haben, wird in Zusammenhang mit vielen Stoffwechselproblemen und chronischen Krankheiten gebracht. Dazu zählen vor allem Übergewicht, Fettleber und Diabetes, aber auch erhöhte Blutfettwerte und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie vorzeitige Alterung.

Im Zusammenhang mit Zucker ist auch oft von Insulinresistenz die Rede. Doch was ist damit eigentlich genau gemeint? Dadurch, dass unsere heutige Ernährung einen hohen Anteil an leicht verdaulichen Kohlenhydraten hat, muss unsere Bauchspeicheldrüse fortwährend Insulin produzieren, um den Zucker abzutransportieren und den Blutzuckerspiegel konstant zu halten. Irgendwann sind die Rezeptoren der Körperzellen, an die das Insulin andocken will, überlastet. Wenn wir uns Insulin, wie beschrieben, als eine Art Schlüssel vorstellen, so bedeutet das: Das „Schloss“ ist irgendwann defekt. Der Zucker kann nicht mehr in die Zellen gelangen. Dann spricht man von einer Insulinresistenz. Die Folge: Immer mehr Zucker befindet sich im Blut. Die Bauchspeicheldrüse reagiert darauf, indem sie die Insulinproduktion ankurbelt, um das Mehr an Zucker zu absorbieren. Doch das Insulin kann nicht an die insulinresistent gewordenen Rezeptoren der Zellen andocken. Besteht dieser Zustand dauerhaft, ist die Bauchspeicheldrüse irgendwann erschöpft und produziert immer weniger Insulin. Ein Typ-2-Diabetes hat sich entwickelt.