Gesammelte Gedichte in einem Band (310 Titel) - Conrad Ferdinand Meyer - E-Book

Gesammelte Gedichte in einem Band (310 Titel) E-Book

Conrad Ferdinand Meyer

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Beschreibung

Dieses eBook: "Gesammelte Gedichte in einem Band (310 Titel)" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898) war ein Schweizer Dichter des Realismus, der (insbesondere historische) Novellen, Romane und lyrische Gedichte geschaffen hat. Er gehört mit Gottfried Keller und Jeremias Gotthelf zu den bedeutendsten deutschsprachigen Schweizer Dichtern des 19. Jahrhunderts. Huttens letzte Tage ist ein literarisch bedeutsames Gedicht von Conrad Ferdinand Meyer. Vor dem Hintergrund der deutschen Reichsgründung 1871 gelang ihm damit der Durchbruch. Es handelt vom sterbenskranken Ritter und Humanisten Ulrich von Hutten, der auf die Insel Ufenau kommt und sich einrichtet, um dort seine letzten Tage zu verleben. Ungebeugt rechtfertigt er seinen Kampf für die Reformation und wider das Papsttum. Huttens letzte Tage Engelberg Vorsaal Fülle Das heilige Feuer Schillers Bestattung Liederseelen Schwarzschattende Kastanie Nachtgeräusche Die toten Freunde Der schöne Tag Über einem Grabe Der Marmorknabe Liebesflämmchen Brautgeleit Hochzeitslied Die Jungfrau Die Fei Die Dryas Ein Lied Chastelards Die kleine Blanche Die gelöschten Kerzen Fingerhütchen Traumbesitz Die gefesselten Musen Stunde Morgenlied Eppich Das tote Kind Lenz Wanderer, Mörder, Triumphator Maientag Was treibst du, Wind? Lenzfahrt Lenz, wer kann dir widerstehn? Der Lieblingsbaum Der verwundete Baum Das bittere Trünklein Abendrot im Walde Jetzt rede du! Die Lautenstimmer Sonntags Schwüle In Harmesnächten Votivtafel Eingelegte Ruder Ein bißchen Freude Im Spätboot... In den Bergen Schutzgeister Der Reisebecher Nach der ersten Bergfahrt Das weiße Spitzchen Firnelicht Himmelsnähe Allerbarmen Göttermahl Das Seelchen Das Glöcklein Spiel Ich würd es hören Die Bank des Alten Die alte Brücke Der Kaiser und das Fräulein

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Conrad Ferdinand Meyer

Gesammelte Gedichte in einem Band (310 Titel)

Huttens letzte Tage + Engelberg + Vorsaal + Stunde + In den Bergen + Reise + Liebe + Götter + Frech und fromm + Genie + Männer

e-artnow, 2015
ISBN 978-80-268-3302-4

Inhaltsverzeichnis

Vorsaal
Fülle
Das heilige Feuer
Schillers Bestattung
Liederseelen
Schwarzschattende Kastanie
Nachtgeräusche
Die toten Freunde
Der schöne Tag
Über einem Grabe
Der Marmorknabe
Liebesflämmchen
Brautgeleit
Hochzeitslied
Die Jungfrau
Die Fei
Die Dryas
Ein Lied Chastelards
Die kleine Blanche
Die gelöschten Kerzen
Fingerhütchen
Die gefesselten Musen
Stunde
Morgenlied
Eppich
Das tote Kind
Lenz Wanderer, Mörder, Triumphator
Maientag
Was treibst du, Wind?
Lenzfahrt
Lenz, wer kann dir widerstehn?
Der Lieblingsbaum
Der verwundete Baum
Das bittere Trünklein
Abendrot im Walde
Jetzt rede du!
Die Lautenstimmer
Sonntags
Schwüle
In Harmesnächten
Votivtafel
Eingelegte Ruder
Ein bißchen Freude
Im Spätboot
Vor der Ernte
Erntegewitter
Schnitterlied
Auf Goldgrund
Requiem
Abendwolke
Mein Stern
Mein Jahr
Wanderfüße
Die Veltlinertraube
Weinsegen
Säerspruch
Einem Tagelöhner
Ewig jung ist nur die Sonne
Novembersonne
Aus der Höhe
Die Schlittschuhe
Begegnung
Neujahrsglocken
Das Heute
Unter den Sternen
In den Bergen
Schutzgeister
Der Reisebecher
Nach der ersten Bergfahrt
Das weiße Spitzchen
Firnelicht
Himmelsnähe
Allerbarmen
Göttermahl
Das Seelchen
Das Glöcklein
Spiel
Ich würd es hören
Die Bank des Alten
Die alte Brücke
Der Kaiser und das Fräulein
Reisephantasie
Der Rheinborn
Die Felswand
Hohe Station
Vision
Der Hengert
Die zwei Reigen
Bacchus in Bünden
Fiebernacht
Noch einmal
Burg ‘Fragmirnichtnach’
Gespenster
Alte Schrift
Das Gemälde
Die Rehe
Die Zwingburg
Reise
»Tag, schein herein und, Leben, flieh hinaus!«
La Röse
Die Schlacht der Bäume
Der Triumphbogen
Venedigs erster Tag
Venedig
Auf dem Canale Grande
Die Narde
Nach einem Niederländer
Ja
Die Kapelle der unschuldigen Kindlein
Die Kartäuser
Der römische Brunnen
Tarpeja
Die gegeißelte Psyche
Der tote Achill
Der Musensaal
Alte Schweizer
Abschied von Korsika
Napoleon im Kreml
Die Korsin
Der Gesang des Meeres
Das Strandkloster
Nicola Pesce
Zwiegespräch
Flut und Ebbe
Möwenflug
Das Ende des Festes
Liebe
Alles war ein Spiel
Zwei Segel
Hesperos
Das begrabene Herz
Ohne Datum
Die Ampel
Unruhige Nacht
Der Kamerad
Spielzeug
Weihgeschenk
Der Blutstropfen
Stapfen
Wetterleuchten
Lethe
Einer Toten
Ihr Heim
Liebesjahr
Weihnacht in Ajaccio
Schneewittchen
Hirtenfeuer
Laß scharren deiner Rosse Huf!
Dämmergang
Die tote Liebe
Mit einem Jugendbildnis
Götter
Die Schule des Silen
Pentheus
Vor einer Büste
Die sterbende Meduse
Nächtliche Fahrt
Der Stromgott
Thespesius
Der trunkene Gott
Der Botenlauf
Der Gesang der Parze
Der Ritt in den Tod
Das Joch am Leman
Das Geisterroß
Das verlorene Schwert
Das Heiligtum
Die wunderbare Rede
In einer Sturmnacht
Alle
Frech und fromm
Friede auf Erden
König Etzels Schwert
Galaswinte
Bettlerballade
Die Söhne Haruns
Der Berg der Seligkeiten
Die Gaukler
Thibaut von Champagne
Der Pilger und die Sarazenin
Am Himmelstor
Mit zwei Worten
Das kaiserliche Schreiben
Kaiser Friedrich der Zweite
Konradins Knappe
Die gezeichnete Stirne
Der Tod und Frau Laura
Die Gedanken des Königs René
Der Mars von Florenz
Die Ketzerin
Der Mönch von Bonifazio
Jung Tirel
La Blanche Nef
Der schwarze Prinz
Der gleitende Purpur
Das Goldtuch
Frau Agnes und ihre Nonnen
Kaiser Sigmunds Ende
Die drei gemalten Ritter
Einsiedel
Das Münster
Die Krypte
Genie
Camoëns
Michelangelo und seine Statuen
Il Pensieroso
Conquistadores
Don Fadrique
Die Schweizer des Herrn von Tremouille
Die Seitenwunde
Cäsar Borjas Ohnmacht
Papst Julius
In der Sistina
Der Schreckliche
Pergoleses Ständchen
Auf Ponte Sisto
Chor der Toten
Männer
Lutherlied
Hussens Kerker
Der Landgraf
Der Rappe des Komturs
Die spanischen Brüder
Das Auge des Blinden
Die verstummte Laute
Das Weib des Admirals
Hugenottenlied
Die Karyatide
Mourir ou parvenir!
Das Reiterlein
Die Füße im Feuer
Die Rose von Newport
Der sterbende Cromwell
Miltons Rache
Der Daxelhofen
Ein Pilgrim
Epilog
Huttens letzte Tage
Die Ufenau
Die Landung
Die erste Nacht
Huttens Hausrat
“Ritter, Tod und Teufel”
Consultation
Das Buch der Vergangenheit
Das Geflüster
Gloriola
Der Stoff
Epistolae obscurorum virorum
Der Vetter Hans
Der Ritter ohne Furcht und Tadel
Romfahrt
Die Ablaßbude
Lügengeister
Das Hütlein
Das Kindlein in Mainz
Die Mainzerspieße
Die Gebärde
Mißverständnis
Jacta est alea
Der Edelstein
Der Comtur
Die Einsamkeit
Die Flut
Was die Glocken sagen
Astrologie
Homo sum
Ariost
Bin ich ein Dichter?
Der letzte Humpen
Der Uli
Die deutsche Bibel
Luther
Die Vorrede
Erasmus
Das Huttenlied
Deutsche Libertät
Der Schmied
Huttens Gast
Der Pilger
Die Mahlzeit
Das Gebet
Fiebernacht
Menschen
Die Bilderstürmer
Der Trunk
Der Schaffner
Der kleine Ferge
Schweizer und Landsknechte
Vermächtnis
Abendstimmung
Nachtgespräch
Mythos
Der Pfarrer
Das Todesurteil
Paracelsus
Die Beichte
Göttermord
Das fallende Laub
Reife
Dämonen
Der wilde Hutten
Herzog Ulrich
Sturm und Schilf
Die Menschheit
Das Sterben
Feldmann
“Der arme Heinrich”
Anzeige
Der letzte Brief
Die Traube
Das Kreuz
Ein christlich Sprüchlein
Ein heidnisches Sprüchlein
Der Strom des Lebens
Scheiden im Licht
Abfahrt
Engelberg

Vorsaal

Inhaltsverzeichnis

Zur neuen Auflage

Mit dem Stifte les ich diese Dinge, Auf der Rasenbank im Freien sitzend, Plötzlich zuckt mir einer Vogelschwinge Schatten durch die Lettern freudig blitzend.

Was da steht, ich hab es tief empfunden Und es bleibt ein Stück von meinem Leben - Meine Seele flattert ungebunden

Fülle

Inhaltsverzeichnis

Genug ist nicht genug! Gepriesen werde Der Herbst! Kein Ast, der seiner Frucht entbehrte! Tief beugt sich mancher allzureich beschwerte, Der Apfel fällt mit dumpfem Laut zur Erde.

Genug ist nicht genug! Es lacht im Laube! Die saftge Pfirsche winkt dem durstgen Munde! Die trunknen Wespen summen in die Runde: “Genug ist nicht genug!” um eine Traube.

Genug ist nicht genug! Mit vollen Zügen Schlürft Dichtergeist am Borne des Genusses, Das Herz, auch es bedarf des Überflusses, Genug kann nie und nimmermehr genügen!

Das heilige Feuer

Inhaltsverzeichnis

Auf das Feuer mit dem goldnen Strahle Heftet sich in tiefer Mitternacht Schlummerlos das Auge der Vestale, Die der Göttin ewig Licht bewacht.

Wenn sie schlummerte, wenn sie entschliefe, Wenn erstürbe die versäumte Glut, Eingesargt in Gruft und Grabestiefe Würde sie, wo Staub und Moder ruht.

Eine Flamme zittert mir im Busen, Lodert warm zu jeder Zeit und Frist, Die entzündet durch den Hauch der Musen Ihnen ein beständig Opfer ist.

Und ich hüte sie mit heilger Scheue, Daß sie brenne rein und ungekränkt; Denn ich weiß, es wird der ungetreue Wächter lebend in die Gruft versenkt.

Schillers Bestattung

Inhaltsverzeichnis

Ein ärmlich düster brennend Fackelpaar, das Sturm Und Regen jeden Augenblick zu löschen droht. Ein flatternd Bahrtuch. Ein gemeiner Tannensarg Mit keinem Kranz, dem kargsten nicht, und kein Geleit! Als brächte eilig einen Frevel man zu Grab. Die Träger hasteten. Ein Unbekannter nur, Von eines weiten Mantels kühnem Schwung umgeht, Schritt dieser Bahre nach. Der Menschheit Genius war’s.

Liederseelen

Inhaltsverzeichnis

In der Nacht, die die Bäume mit Blüten deckt, Ward ich von süßen Gespenstern erschreckt, Ein Reigen schwang im Garten sich, Den ich mit leisem Fuß beschlich; Wie zarter Elfen Chor im Ring Ein weißer lebendiger Schimmer ging. Die Schemen hab ich keck befragt: Wer seid ihr, luftige Wesen? Sagt!

“Ich bin ein Wölkchen, gespiegelt im See.” “Ich bin eine Reihe von Stapfen im Schnee.” “Ich bin ein Seufzer gen Himmel empor!” “Ich bin ein Geheimnis, geflüstert ins Ohr!” “Ich bin ein frommes, gestorbenes Kind.” “Ich bin ein üppiges Blumengewind -“ “Und die du wählst, und der’s beschied Die Gunst der Stunde, die wird ein Lied.”

Schwarzschattende Kastanie

Inhaltsverzeichnis

Schwarzschattende Kastanie, Mein windgeregtes Sommerzelt, Du senkst zur Flut dein weit Geäst, Dein Laub, es durstet und es trinkt, Schwarzschattende Kastanie! Im Porte badet junge Brut Mit Hader oder Lustgeschrei, Und Kinder schwimmen leuchtend weiß Im Gitter deines Blätterwerks, Schwarzschattende Kastanie! Und dämmern See und Ufer ein Und rauscht vorbei das Abendboot, So zuckt aus roter Schiffslatern Ein Blitz und wandert auf dem Schwung Der Flut, gebrochnen Lettern gleich, Bis unter deinem Laub erlischt Die rätselhafte Flammenschrift, Schwarzschattende Kastanie!

Nachtgeräusche

Inhaltsverzeichnis

Melde mir die Nachtgeräusche, Muse, Die ans Ohr des Schlummerlosen fluten! Erst das traute Wachtgebell der Hunde, Dann der abgezählte Schlag der Stunde, Dann ein Fischer-Zwiegespräch am Ufer, Dann? Nichts weiter als der ungewisse Geisterlaut der ungebrochnen Stille, Wie das Atmen eines jungen Busens, Wie das Murmeln eines tiefen Brunnens, Wie das Schlagen eines dumpfen Ruders, Dann der ungehörte Tritt des Schlummers.

Die toten Freunde

Inhaltsverzeichnis

Das Boot stößt ab von den Leuchten des Gestads. Durch rollende Wellen dreht sich der Schwung des Rads. Schwarz qualmt des Rohres Rauch … Heut hab ich schlecht, Das heißt mit lauter jungem Volk gezecht -

Du, der gestürzt ist mit zerschossener Stirn, Und du, verschwunden auf einer Gletscherfirn, Und du, verlodert wie schwüler Blitzesschein, Meine toten Freunde, saget, gedenkt ihr mein?

Wogen zischen um Boot und Räderschlag, Dazwischen jubelt ein dumpfes Zechgelag, In den Fluten braust ein sturmgedämpfter Chor, Becher läuten aus tiefer Nacht empor.

Der schöne Tag

Inhaltsverzeichnis

In kühler Tiefe spiegelt sich Des Juli-Himmels warmes Blau, Libellen tanzen auf der Flut, Die nicht der kleinste Hauch bewegt.

Zwei Knaben und ein ledig Boot - Sie sprangen jauchzend in das Bad, Der eine taucht gekühlt empor, Der andre steigt nicht wieder auf.

Ein wilder Schrei: “Der Bruder sank!” Von Booten wimmelt’s schon. Man fischt. Den einen rudern sie ans Land, Der fahl wie ein Verbrecher sitzt.

Der andre Knabe sinkt und sinkt Gemach hinab, ein Schlummernder, Geschmiegt das sanfte Lockenhaupt An einer Nymphe weiße Brust.

Über einem Grabe

Inhaltsverzeichnis

Blüten schweben über deinem Grabe. Schnell umarmte dich der Tod, o Knabe, Den wir alle liebten, die dich kannten, Dessen Augen wie zwei Sonnen brannten, Dessen Blicke Seelen unterjochten, Dessen Pulse stark und feurig pochten, Dessen Worte schon die Herzen lenkten, Den wir weinend gestern hier versenkten.

Maiennacht. Der Sterne mildes Schweigen… Dort! ich seh es aus der Erde steigen! Unterm Rasen quillt hervor es leise, Flatterflammen drehen sich im Kreise, Ungelebtes Leben zuckt und lodert Aus der Körperkraft, die hier vermodert, Abgemähter Jugend letztes Walten, Letzte Glut verraucht in Wunschgestalten, Eine blasse Jagd:

Voran ein Zecher, In der Faust den überfüllten Becher! Wehnde Locken will der Buhle fassen, Die entflatternd nicht sich haschen lassen, Lustgestachelt rast er hinter jenen, Ein verhülltes Mädchen folgt in Tränen. Durch die Brandung mit verstürmten Haaren Seh ich einen kühnen Schiffer fahren. Einen jungen Krieger seh ich toben, Helmbedeckt, das lichte Schwert erhoben. Einer stürzt sich auf die Rednerbühne, Weites Volksgetos beherrscht der Kühne. Ein Gedräng, ein Kämpfen, Ringen, Streben! Arme strecken sich und Kränze schweben -

Kränze, wenn du lebtest, dir beschieden, Nicht erreichte! Knabe, schlaf in Frieden!

Der Marmorknabe

Inhaltsverzeichnis

In der Capuletti Vigna graben Gärtner, finden einen Marmorknaben, Meister Simon holen sie herbei, Der entscheide, welcher Gott es sei.

Wie den Fund man dem Gelehrten zeigte, Der die graue Wimper forschend neigte, Kniet’ ein Kind daneben: Julia, Die den Marmorknaben finden sah.

“Welches ist dein süßer Name, Knabe? Steig ans Tageslicht aus deinem Grabe! Eine Fackel trägst du? Bist beschwingt? Amor bist du, der die Herzen zwingt?”

Meister Simon, streng das Bild betrachtend, Eines Kindes Worte nicht beachtend, Spricht: “Er löscht die Fackel. Sie verloht, Dieser schöne Jüngling ist der Tod.”

Liebesflämmchen

Inhaltsverzeichnis

Die Mutter mahnt mich abends: “Trag Sorg zur Ampel, Kind! Jüngst träumte mir von Feuer - Auch weht ein wilder Wind.”

Das Flämmchen auf der Ampel, Ich lösch es mit Bedacht, Das Licht in meinem Herzen Brennt durch die ganze Nacht.

Die Mutter ruft mich morgens: “Kind, hebe dich! ‘s ist Tag!” Sie pocht an meiner Türe Dreimal mit starkem Schlag

Und meint, sie habe grausam Mich aus dem Schlaf geschreckt - Das Licht in meinem Herzen Hat längst mich aufgeweckt.

Brautgeleit

Inhaltsverzeichnis

Ich sehe dich, den Kranz im Haar, Die zur Vermählung schreitet, Von einer jungen Genienschar Umjubelt und begleitet.

Ein kleines Heer, ein feines Heer, Sind alles deine Schwestern. Du bist sie und bist sie nicht mehr Und warest sie noch gestern.

Wer gibt Geleit mit Lustgetön Dem stillen Hochzeitspaare? Das sind, bekränzt mit Rosen schön, All deine raschen Jahre.

Voran ein Kindlein weint und lacht, Vom Mutterarm getragen, Das zweite setzt die Füßchen sacht Und schreitet noch mit Zagen.

Es folgen Stufen mannigfalt Des jungen Menschenbildes, Mit einem scheuen Kinde wallt Ein Mägdlein schon, ein wildes.

Dann ist ein frisches, minniges Lenzangesicht zu schauen, Und dann ein blasses, inniges Antlitz mit ernsten Brauen.

Nun eines noch, versunken ganz, In still verklärten Zügen, Erfüllung in des Blickes Glanz Und seliges Genügen.

Jetzt trittst du durch das Kirchentor, Dich ewig zu verbinden, Die Mädchen bleiben all davor, Vergehen und verschwinden.

Hochzeitslied

Inhaltsverzeichnis

Aus der Eltern Macht und Haus Tritt die züchtge Braut heraus An des Lebens Scheide - Geh und lieb und leide!

Freigesprochen, unterjocht, Wie der junge Busen pocht Im Gewand von Seide - Geh und lieb und leide!

Frommer Augen helle Lust Überstrahlt an voller Brust Blitzendes Geschmeide - Geh und lieb und leide!

Merke dir’s, du blondes Haar: Schmerz und Lust Geschwisterpaar, Unzertrennlich beide - Geh und lieb und leide!

Die Jungfrau

Inhaltsverzeichnis

Wo sah ich, Mädchen, deine Züge, Die drohnden Augen lieblich wild, Noch rein von Eitelkeit und Lüge? Auf Buonarrotis großem Bild:

Der Schöpfer senkt sich sachten Fluges Zum Menschen, welcher schlummernd liegt, Im Schoße seines Mantelbuges Ruht himmlisches Gesind geschmiegt:

Voran ein Wesen, nicht zu nennen, Von Gottes Mantel keusch umwallt, Des Weibes Züge, zu erkennen In einer schlanken Traumgestalt.

Sie lauscht, das Haupt hervorgewendet, Mit Augen schaut sie, tief erschreckt, Wie Adam Er den Funken spendet Und seine Rechte mahnend reckt.

Sie sieht den Schlummrer sich erheben, Der das bewußte Sein empfängt, Auch sie sehnt dunkel sich zu leben, An Gottes Schulter still gedrängt -

So harrst du vor des Lebens Schranke, Noch ungefesselt vom Geschick, Ein unentweihter Gottgedanke, Und öffnest staunend deinen Blick.

Die Fei

Inhaltsverzeichnis

Mondnacht und Flut. Sie hängt am Kiel, Umklammert mit den Armen ihn, Sie treibt ein grausam lüstern Spiel, Den Nachen in den Grund zu ziehn.

Der Ferge stöhnt: “In Seegesträuch Reißt nieder uns der blanke Leib! Rasch, Herr! Von Sünde reinigt Euch, Begehrt Ihr heim zu Kind und Weib!”

Der Ritter hält den Schwertesgriff Sich als das heilge Zeichen vor - Aus dunkeln Haaren lauscht am Schiff Ein schmerzlich bleiches Haupt empor.

“Herr Christ! ich beichte Rittertat, Streit, Flammenschein und strömend Blut, Doch nichts von Frevel noch Verrat, Denn Treu und Glauben hielt ich gut.”

Er küßt das Kreuz. Grell schreit die Fee! Auflangen sieht er eine Hand Am Steuer, blendend weiß wie Schnee, Und starrt darauf, von Graun gebannt.

“Herr Christ! ich beichte Missetat! Ich brach den Glauben und die Treu, Ich übt’ an meinem Lieb Verrat. Es starb. Ich tue Leid und Reu!”

Sie löst die Arme. Sie versinkt. Das Ruder schlägt. Der Nachen fliegt. Vom Strand das Licht des Erkers winkt, Wo Weib und Kind ihm schlummernd liegt.

Die Dryas

Inhaltsverzeichnis

O Liebe, wie schnell verrinnest du,Du flüchtige, schöne Stunde,Mit einer Wunde beginnest duUnd endest mit einer Wunde.

Ein Jüngling irrt im Waldesraum, Umspielt von goldnen Schimmern, Und späht nach einem schönen Baum, Sich draus ein Boot zu zimmern.

“Jungeiche mit dem stolzen Wuchs, Du bist mir gleich die rechte, Dich zeichn’ ich mit dem Beile flugs, Dann ruf ich meine Knechte.”

Er führt den Streich. Ein schmerzlich Ach Macht jählings ihn erbleichen. “Ich sterbe!” stöhnt’s im Stamme schwach, “Die jüngste dieser Eichen!”

Ein Tröpfchen Blutes oder zwei Sieht er am Beile hangen Und schleudert’s weg mit einem Schrei, Als hätt’ er Mord begangen.

Schnell flüstert’s aus dem Baume jetzt: “Der Mord ist nicht vollendet! Ich bin nur leicht am Arm verletzt. Ich hatt’ mich umgewendet.”

“Komm, Göttin”, fleht er, “Waldeskind, Daß ich Vergebung finde!” Die Schultern schmiegend schlüpft geschwind Die Dryas aus der Rinde.

Ein Dämmer lag auf Stirn und Haar, Ein Brüten und ein Weben, Von grünem Blätterschatten war Der schlanke Wuchs umgeben.

Er fing den Arm zu küssen an, Die Stelle mit dem Hiebe, Und der er viel zu Leid getan, Die tat ihm viel zu liebe.

“In meinem Baum - ist lauter Traum”… Sie schlüpft zurück behende Und lispelt in den Waldesraum: “Ich weiß, wen ich dir sende!”

Der Botin Biene Dienst ist schwer, Sie muß sich redlich plagen, Honig und Wermut hin und her, Waldaus, waldein zu tragen.

Einmal kam Bienchen wild gebrummt. “Dryas, mich kann’s entrüsten!” Es setzt sich an den Stamm und summt: “Ich sah’s, wie sie sich küßten!

Sie ist ein blühend Nachbarkind, Muß ihn beständig necken - Dich läßt er nun bei Wetter und Wind In deinem Baume stecken!”

Ein schmerzlich Ach, als wände sich Ein schlanker Leib und stürbe! Das Laub vergilbt, die Krone blich, Die Rinde bröckelt mürbe.

Ein Lied Chastelards

Inhaltsverzeichnis

Sehnsucht ist Qual! Der Herrin wag ich’s nicht zu sagen, Ich will’s den dunkeln Eichen klagen Im grünen Tal: Sehnsucht ist Qual.

Mein Leib vergeht Wie schmelzend Eis in bleichen Farben, Sie sieht mich dursten, lechzen, darben, Bleibt unerfleht - Mein Leib vergeht.

Doch mag es sein, Daß sie an ihrer Macht sich weide! Ergetzt sie grausam sich an meinem Leide, So denkt sie mein - Drum mag es sein.

Sehnsucht ist Qual! Dem Kühnsten macht die Folter bange, Ein Grab, darin ich nichts verlange, Gib mir, o Tal! Sehnsucht ist Qual.

Die kleine Blanche

Inhaltsverzeichnis

An dem kleinen Hofe von Navarra War das Leben eine lose Fabel, Eine drohnde oder heitre Maske, Eine überraschende Novelle, Ein phantastisch wahrheitloses Schauspiel. - Der am Hofe war auf kurzen Urlaub, Hauptmann Duplessis saß vor der Bühne, Drauf ein Mädchen an verratner Liebe Starb. Im letzten Akte lag sie marmorn Auf dem Grabmal als ihr eigen Bildnis, Schluchzend rang die Hände der Verräter, Sieh! da hob sie sachte sich und lebte. Andern Tages wandelte der Hauptmann In des Schlosses irrsam dunkeln Gärten, An die zarte kleine Blanche denkend, Die er schnell geküßt und schnell verraten - Etwas sieht er schimmern durch Zypressen: Auf dem Grabmal liegt die kleine Blanche Marmorn. An dem Sockel ist zu lesen: “Blanche schlummert nach verratner Liebe.” “Heb dich, kleine Blanche!” ruft der Hauptmann. “Wickle dich aus deinen weißen Tüchern! Spiel nicht mit dem Tode, kleine Blanche!” Doch der Marmor fühlte nichts. Es fühlte Nichts, die drunter schläft. Sie starb im Ernste.

Die gelöschten Kerzen

Inhaltsverzeichnis

Ein gewaltger Herd mit glühnden Kohlen Und zwei hellen Kerzen auf dem Simse, Dran ein plaudernd Paar: ein narbger Feldherr In der Majestät des Greisenalters Und ein unbefangnes Kind der Neuzeit, Ein geliebter und verzogner Neffe. Würdevoll erzählt der Greis von weiland, Von Verschollnem und halb Verschollnem. “Damals warst du noch ein Ungeborner, Neffe”, sagt er, “oder in den Windeln” … Auf dem Herde zuckt ein blaues Flämmchen, Ein vergeßnes Flämmchen aus der Asche, Und die beiden sehn den Irrwisch tanzen, Und der Irrwisch, unversehens springt er Auf des Jünglings blühend kecke Lippen: “Ohm, wie war es denn mit der Camargo?” Der Benarbte lächelt. “Wissen willst du Das mit der Camargo?” - Eine Kerze Haucht er aus und auch die andre Kerze. “Du erlaubst? Nur daß ich nicht erröte! Also …” Durch das Dunkel glühn die Kohlen. Und der Jüngling streicht ein Holz, die eine Kerze flammt er an und dann die andre: “Ohm, wie war’s denn mit dem Sturm auf Düppel?”

Fingerhütchen

Inhaltsverzeichnis

Liebe Kinder, wißt ihr, wo Fingerhut zu Hause? Tief im Tal von Acherloo Hat er Herd und Klause; Aber schon in jungen Tagen Muß er einen Höcker tragen, Geht er, wunderlicher nie Wallte man auf Erden! Sitzt er, staunen Kinn und Knie, Daß sie Nachbarn werden.

Körbe flicht aus Binsen er, Früh und spät sich regend, Trägt sie zum Verkauf umher In der ganzen Gegend, Und er gäbe sich zufrieden, Wär er nicht im Volk gemieden; Denn man zischelt mancherlei: Daß ein Hexenmeister, Daß er kräuterkundig sei Und im Bund der Geister.

Solches ist die Wahrheit nicht, Ist ein leeres Meinen, Doch das Volk im Dämmerlicht Schaudert vor dem Kleinen. So die Jungen wie die Alten Weichen aus dem Ungestalten - Doch vorüber wohlgemut Auf des Schusters Räppchen Trabt er. Blauer Fingerhut Nickt von seinem Käppchen.

Einmal geht er heim bei Nacht Nach des Tages Lasten, Hat den halben Weg gemacht, Darf ein bißchen rasten, Setzt sich und den Korb daneben, Schimmernd hebt der Mond sich eben: Fingerhut ist gar nicht bang, Ihm ist gar nicht schaurig, Nur daß noch der Weg so lang, Macht den Kleinen traurig.

Etwas hört er klingen fein - Nicht mit rechten Dingen, Mitten aus dem grünen Rain Ein melodisch Singen: “Silberfähre, gleitest leise” - Schon verstummt die kurze Weise. Fingerhütchen spähet scharf Und kann nichts entdecken, Aber was er hören darf, Ist nicht zum Erschrecken.

Wieder hebt das Liedchen an Unter Busch und Hecken, Doch es bleibt der Reimgespan Stets im Hügel stecken. “Silberfähre, gleitest leise” - Wiederum verstummt die Weise. Lieblich ist, doch einerlei Der Gesang der Elfen, Fingerhütchen fällt es bei, Ihnen einzuhelfen.

Fingerhütchen lauert still Auf der Töne Leiter, Wie das Liedchen enden will, Führt er leicht es weiter: “Silberfähre, gleitest leise”- “Ohne Ruder, ohne Gleise.” Aus dem Hügel ruft’s empor: “Das ist dir gelungen!” Unterm Boden kommt hervor Kleines Volk gesprungen.

“Fingerhütchen, Fingerhut”, Lärmt die tolle Runde, “Faß dir einen frischen Mut! Günstig ist die Stunde! Silberfähre, gleitest leise Ohne Ruder, ohne Gleise! Dieses hast du brav gemacht, Lernet es, ihr Sänger! Wie du es zustand gebracht, Hübscher ist’s und länger!

Zeig dich einmal, schöner Mann! Laß dich einmal sehen! Vorn zuerst und hinten dann! Laß dich einmal drehen! Weh! Was müssen wir erblicken! Fingerhütchen, welch ein Rücken! Auf der Schulter, liebe Zeit, Trägst du eine grause Bürde! Ohne hübsche Leiblichkeit Was ist Geisteswürde?

Eine ganze Stirne voll Glücklicher Gedanken, Unter einem Höcker soll Länger nicht sie schwanken! Strecket euch, verkrümmte Glieder! Garstger Buckel, purzle nieder! Fingerhut, nun bist du grad, Deines Fehls genesen! Heil zum schlanken Rückengrat! Heil zum neuen Wesen!”

Plötzlich steckt der Elfenchor Wieder tief im Raine, Aus dem Hügelrund empor Tönt’s im Mondenscheine: “Silberfähre, gleitest leise Ohne Ruder, ohne Gleise.” Fingerhütchen wird es satt, Wäre gern daheime, Er entschlummert laß und matt An dem eignen Reime.

Schlummert eine ganze Nacht Auf derselben Stelle, Wie er endlich auferwacht, Scheint die Sonne helle:

Stunde

Inhaltsverzeichnis

Morgenlied

Inhaltsverzeichnis

Mit edeln Purpurröten Und hellem Amselschlag, Mit Rosen und mit Flöten Stolziert der junge Tag. Der Wanderschritt des Lebens Ist noch ein leichter Tanz, Ich gehe wie im Reigen Mit einem frischen Kranz.

Ihr taubenetzten Kränze Der neuen Morgenkraft, Geworfen aus den Lüften Und spielend aufgerafft - Wohl manchen ließ ich welken Noch vor der Mittagsglut; Zerrissen hab ich manchen Aus reinem Übermut!

Mit edeln Purpurröten Und hellem Amselschlag, Mit Rosen und mit Flöten Stolziert der junge Tag - Hinweg, du dunkle Klage, Aus all dem Licht und Glanz! Den Schmerz verlorner Tage Bedeckt ein frischer Kranz.

Eppich

Inhaltsverzeichnis

Eppich, mein alter Hausgesell, Du bist von jungen Blättern hell, Dein Wintergrün, so still und streng, Verträgt sich’s mit dem Lenzgedräng?

“Warum denn nicht? Wie meines hat Dein Leben alt und junges Blatt Eins streng und dunkel, eines licht Von Lenz und Lust! Warum denn nicht?”

Das tote Kind

Inhaltsverzeichnis

Es hat den Garten sich zum Freund gemacht, Dann welkten es und er im Herbste sacht, Die Sonne ging, und es und er entschlief, Gehüllt in eine Decke weiß und tief.

Jetzt ist der Garten unversehns erwacht, Die Kleine schlummert fest in ihrer Nacht. “Wo steckst du?” summt es dort und summt es hier. Der ganze Garten frägt nach ihr, nach ihr.

Die blaue Winde klettert schlank empor Und blickt ins Haus: “Komm hinterm Schrank hervor! Wo birgst du dich? Du tust dir’s selbst zu leid! Was hast du für ein neues Sommerkleid?”

Lenz Wanderer, Mörder, Triumphator

Inhaltsverzeichnis

I

Ich lag an einem Raine Mit meinem dürren Stab. Was lauf ich? Meine Beine Erlaufen nur das Grab …

Ein Wandrer zog derenden, War noch ein Knabe fast, Der hielt als Stab in Händen Den blütenreichsten Ast.

“Grüß’ Gott dich, schöner Wandrer! Bist du es, Knabe Lenz?” Er rief: “Ich bin kein andrer Und komme von Florenz!”

Das mußte mich erwecken. “Kind Lenz, ich wandre mit!” Wir hoben unsre Stecken In einem Schritt und Tritt.

Die beiden Stäbe hoben Kind Lenz und ich zugleich; Auch meiner ward von oben Bis unten blütenreich.

II

Nieder trägt der warme Föhn Der Lauine fern Getön, Hinter jenen hohen Föhren Kann den dumpfen Schlag ich hören.

In des Lenzes blauen Schein Aus der Scholle dunkelm Schrein Drängt und drückt das neue Leben, Lüftet Kleid und Decken eben -

Von derselben Kraft und Lust Wächst das Herz mir in der Brust, Heute kann es noch sich dehnen Mit den Liedern, mit den Tränen!

Aber blauen wird ein Tag, Da sich’s nicht mehr dehnen mag - Mit den Veilchen, mit den Flöten Kommt mich dann der Lenz zu töten.

III

Frühling, der die Welt umblaut, Frühling mit der Vöglein Laut, Deine blühnden Siegespforten Allerenden, allerorten Hast du niedrig aufgebaut!

Ungebändigt, kreuz und quer, Über alle Pfade her Schießen blütenschwere Zweige, Daß dir jedes Haupt sich neige, Und die Demut ist nicht schwer.

Maientag

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Englein singen aus dem blauen Tag, Mägdlein singen hinterm Blütenhag, Jubelnd mit dem ganzen Lenzgesind Singt mir in vernarbter Brust - ein Kind.

Was treibst du, Wind?

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Was treibst du, Wind, Du himmlisches Kind? Du flügelst und flügelst umsonst in der Luft! “Nicht Wanderscherz! Ich nähre das Herz Mit Erdgeruch und Waldesduft!”

Was bringst du, Wind, Du himmlisches Kind? “Einen Morgengruß, einen Schrei der Lust!” Aus Vogelkehle nur? Aus Lerchenseele nur? “Nein, nein! Aus voller Menschenbrust!”

Was trägst du, Wind, Du himmlisches Kind? “Seeüber ein wallend, ein hallend Geläut!” Senken sie ein Den Totenschrein? “Nein, nein! Sie halten Hochzeit heut!”

Lenzfahrt

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Am Himmel wächst der Sonne Glut, Aufquillt der See, das Eis zersprang, Das erste Segel teilt die Flut, Mir schwillt das Herz wie Segeldrang.

Zu wandern ist das Herz verdammt, Das seinen Jugendtag versäumt, Sobald die Lenzessonne flammt, Sobald die Welle wieder schäumt.

Verscherzte Jugend ist ein Schmerz Und einer ewgen Sehnsucht Hort, Nach seinem Lenze sucht das Herz In einem fort, in einem fort!

Und ob die Locke mir ergraut Und bald das Herz wird stille stehn, Noch muß es, wann die Welle blaut, Nach seinem Lenze wandern gehn.

Lenz, wer kann dir widerstehn?

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Jedem, außer an die Toten, Sendet Frühling einen Boten, Ein Gezwitscher aus den Lüften, Eines Wölkchens helles Wehn, Einer roten Knospe Springen, Irgendein verstohlnes Düften, Oder ein verlornes Singen - Lenz, wer kann dir widerstehn?

Durch das Wiesengrün, das linde, Wandr’ ich mit dem eignen Kinde Und es kann an Murmelbächen Nicht mit stummen Lippen gehn - Wann die Knospen alle brechen, Wollen Lippen sich entfalten, Auf den jungen, auf den alten Will ein kleines Lied entstehn.

Lieb und Lust und Leben saugen Will ich aus den Kinderaugen, In dem Blicke meiner Kleinen Will ich nach dem Himmel spähn, Ja, es ist das gleiche Scheinen Hier im Blauen, dort im Blauen, Und das selbige Vertrauen - Lenz, wer kann dir widerstehn?

Kuckuck ruft! Willst du erfahren Deine Jahre, gläubge Seele? Kuckuck ruft im Walde, zähle! Neun und zehn und mehr als zehn … Ei, das will ja gar nicht enden, Frühling schenkt aus vollen Händen - Soll auf diesen blonden Haaren Noch den Myrtenkranz ich sehn? …

Der Lieblingsbaum

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Den ich pflanzte, junger Baum, Dessen Wuchs mich freute, Zähl ich deine Lenze, kaum Sind es zwanzig heute.

Oft im Geist ergötzt es mich, Über mir im Blauen, Schlankes Astgebilde, dich Mächtig auszubauen.

Lichtdurchwirkten Schatten nur Legst du auf die Matten, Eh du dunkel deckst die Flur, Bin ich selbst ein Schatten.

Aber haschen soll mich nicht Stygisches Gesinde, Weichen werd ich aus dem Licht Unter deine Rinde.

Frische Säfte rieseln laut, Rieseln durch die Stille, Um mich, in mir webt und baut Ewger Lebenswille.

Halb bewußt und halb im Traum Über mir im Lichten Werd ich, mein geliebter Baum, Dich zu Ende dichten.

Der verwundete Baum

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Sie haben mit dem Beile dich zerschnitten, Die Frevler - hast du viel dabei gelitten? Ich selber habe sorglich dich verbunden Und traue: Junger Baum, du wirst gesunden! Auch ich erlitt zu schier derselben Stunde Von schärferm Messer eine tiefre Wunde. Zu untersuchen komm ich deine täglich Und meine fühl ich brennen unerträglich. Du saugest gierig ein die Kraft der Erde, Mir ist als ob auch ich durchrieselt werde! Der frische Saft quillt aus zerschnittner Rinde Heilsam. Mir ist, als ob auch ich’s empfinde! Indem ich deine sich erfrischen fühle, Ist mir, als ob sich meine Wunde kühle! Natur beginnt zu wirken und zu weben, Ich traue: Beiden geht es nicht ans Leben! Wie viele, so verwundet, welkten, starben! Wir beide prahlen noch mit unsern Narben!

Das bittere Trünklein

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Ein betrogen Mägdlein irrt im Walde, Flieht den harten Tag und sucht das Dunkel, Wirft auf eine Felsenbank sich nieder Und beginnt zu weinen unersättlich.

In den wettermürben Stein des Felsens Ist gegraben eine kleine Schale - Da das Mägdlein sich erhebt zu wandern, Bleibt die Schale voller bittrer Zähren.

Abends kommt ein Vöglein hergeflattert, Aus gewohntem Becherlein zu trinken, Wo sich ihm das Himmelswasser sammelt, Schluckt und schüttelt sich und fliegt von hinnen.

Abendrot im Walde

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In den Wald bin ich geflüchtet, Ein zu Tod gehetztes Wild, Da die letzte Glut der Sonne Längs den glatten Stämmen quillt.

Keuchend lieg ich. Mir zu Seiten Blutet, siehe, Moos und Stein - Strömt das Blut aus meinen Wunden? Oder ist’s der Abendschein?

Jetzt rede du!

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Du warest mir ein täglich Wanderziel, Viellieber Wald, in dumpfen Jugendtagen, Ich hatte dir geträumten Glücks so viel Anzuvertraun, so wahren Schmerz zu klagen.

Und wieder such ich dich, du dunkler Hort, Und deines Wipfelmeers gewaltig Rauschen - Jetzt rede du! Ich lasse dir das Wort! Verstummt ist Klag und Jubel. Ich will lauschen.

Die Lautenstimmer

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Schlummernd jüngst in Waldesraum Hatt’ ich einen hübschen Traum: Etwas regt sich in der Hecke, Etwas klimpert im Verstecke.

Das Gesträuch mit leiser Hand Teilt’ ich, bis das Nest ich fand: Kinder, rings im Grase sitzend, Mit den hellen Augen blitzend!

Rutschend auf dem nackten Knie, Stimmten eine Laute sie - “Sagt, was lagert ihr imRunde? Sprecht, was schaffet ihr im Bunde?”

Auf das zarte Werk erpicht, Hörten sie die Frage nicht. “Seht, wie ist sie zugerichtet! Wundgerissen! Fast vernichtet!”

Emsig ward geklopft, gespäht, An den Saiten flink gedreht, Ließen eine tiefer klingen, Ließen eine hohe springen -

Endlich klang die Laute rein Und die Kinder spielten fein, Bis ich aus dem Traum erwachte Und mir seinen Sinn bedachte:

Dumpf entschlummert, jetzo hell, Ganz ein anderer Gesell! Was die Kinder ohne Fehle Stimmten, es war meine Seele!

Sonntags

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Ich liebe, Nymphe, deine keusche Flut, Die kühl im allertiefsten Walde ruht. Du spiegelst weder Stadt noch Firneschnee, Den Himmel schimmerst du, mein kleiner See! Dein Antlitz sagt mir alles, rasch erregt, Was dir das kindliche Gemüt bewegt, Und leicht erhellt, verdunkelt ohne Grund, Macht es mir alle deine Launen kund.

Der Kahn, verborgen tief im Schilfe dort, Gefesselt ist er durch ein Zauberwort. Nie hat gelöst ihn eine trunkne Schar, Nie hat sich eine Dirn im Flatterhaar, Von rohen Buhlen durch den Wald gehetzt, Vor deinen Spiegel keuchend hingesetzt. Nie hat ein unstet zuckend Fackelrot Dir über deine kühle Stirn geloht!

Horch! Stimmen durch den Wald! Ein Lustgeschrei! Gekreisch! Gewieher! Freches Volk, vorbei! Den Gassenhauer, liederlich gejohlt - Schäme dich, Echo! - hast du wiederholt! Verhülle, Nymphe, deiner Augen Schein, Verbirg dich tiefer in den Wald hinein! Und zürnend gegen den Tumult gewandt: “Hinweg!” gebot ich mit erhobner Hand.

“Nicht näher!” Und im Walde ward es Ruh. Der Jubel zog sich einer Schenke zu. Du bliebst in deinem blauen Kleide rein, In deinem grünen Waldesdämmerschein - Indessen hat die Sonne sich geneigt, Wie süß in jedem Blatt die Stille schweigt! In Tannenduft und unter Himmelsruh, Bewacht von meinem Blick, entschlummerst du!

Schwüle

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Trüb verglomm der schwüle Sommertag, Dumpf und traurig tönt mein Ruderschlag - Sterne, Sterne - Abend ist es ja - Sterne, warum seid ihr noch nicht da ?

Bleich das Leben! Bleich der Felsenhang! Schilf, was flüsterst du so frech und bang? Fern der Himmel und die Tiefe nah - Sterne, warum seid ihr noch nicht da?

Eine liebe, liebe Stimme ruft Mich beständig aus der Wassergruft - Weg, Gespenst, das oft ich winken sah! Sterne, Sterne, seid ihr nicht mehr da?

Endlich, endlich durch das Dunkel bricht - Es war Zeit! - ein schwaches Flimmerlicht - Denn ich wußte nicht wie mir geschah. Sterne, Sterne, bleibt mir immer nah!

In Harmesnächten

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Die Rechte streckt’ ich schmerzlich oft In Harmesnächten Und fühlt’ gedrückt sie unverhofft Von einer Rechten -

Was Gott ist, wird in Ewigkeit Kein Mensch ergründen, Doch will er treu sich allezeit Mit uns verbünden.

Votivtafel

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Mit kümmernden Gedanken schlief Ich ein auf meinem Krankenbett, Da kam sie, da erschien sie mir In einem wunderklaren Traum.

Sie war ein Mädchen groß und schlank Mit feurig blauem Augenlicht, Sie kam und nahm mich bei der Hand Und sagte freundlich: “Wirb um mich!

Vertraue! Habe Zuversicht! Halt an und überleg es nicht! Halt an und überlaß es mir! Erbitte mich! Erbitte mich!” -

Da wacht’ ich auf im Morgenlicht Und hob die Hände hoch empor: Gebt sie, versaget sie mir nicht, Ihr Götter, sonst bin ich dahin.

Die Göttlichen erhörten mich, Und wieder atm’ ich leichter schon, Denn siehe die Genesung war’s, Die mir erschien im Morgentraum.

Eingelegte Ruder

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Meine eingelegten Ruder triefen, Tropfen fallen langsam in die Tiefen.

Nichts das mich verdroß! Nichts das mich freute! Niederrinnt ein schmerzenloses Heute!

Unter mir - ach, aus dem Licht verschwunden - Träumen schon die schönern meiner Stunden.

Aus der blauen Tiefe ruft das Gestern: Sind im Licht noch manche meiner Schwestern?

Ein bißchen Freude

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Wie heilt sich ein verlassen Herz, Der dunkeln Schwermut Beute? Mit Becher-Rundgeläute? Mit bitterm Spott? Mit frevlem Scherz? Nein. Mit ein bißchen Freude!

Wie flicht sich ein zerrißner Kranz, Den jach der Sturm zerstreute? Wie knüpft sich der erneute? Mit welchem Endchen bunten Bands? Mit nur ein bißchen Freude!

Wie sühnt sich die verjährte Schuld, Die bitterlich bereute? Mit einem strengen Heute? Mit Büßerhast und Ungeduld? Nein. Mit ein bißchen Freude!

Im Spätboot

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Aus der Schiffsbank mach ich meinen Pfühl, Endlich wird die heiße Stirne kühl! O wie süß erkaltet mir das Herz! O wie weich verstummen Lust und Schmerz! Über mir des Rohres schwarzer Rauch Wiegt und biegt sich in des Windes Hauch. Hüben hier und wieder drüben dort Hält das Boot an manchem kleinen Port: Bei der Schiffslaterne kargem Schein Steigt ein Schatten aus und niemand ein. Nur der Steurer noch, der wacht und steht! Nur der Wind, der mir im Haare weht! Schmerz und Lust erleiden sanften Tod: Einen Schlummrer trägt das dunkle Boot.

Vor der Ernte

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An wolkenreinem Himmel geht Die blanke Sichel schön, Im Korne drunter wogt und weht Und rauscht und wühlt der Föhn.

Sie wandert voller Melodie Hochüber durch das Land, Früh morgen schwingt die Schnittrin sie Mit sonnenbrauner Hand.

Erntegewitter

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Ein jäher Blitz. Der Erntewagen schwankt. Aus seinen Garben fahren Dirnen auf Und springen schreiend in die Nacht hinab. Ein Blitz. Auf einer goldnen Garbe thront Noch unvertrieben eine frevle Maid, Der das gelöste Haar den Nacken peitscht. Sie hebt das volle Glas mit nacktem Arm, Als brächte sie’s der Glut, die sie umflammt, Und leert’s auf einen Zug. Ins Dunkel wirft Sie’s weit und gleitet ihrem Becher nach. Ein Blitz. Zwei schwarze Rosse bäumen sich. Die Peitsche knallt. Sie ziehen an. Vorbei.

Schnitterlied

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Wir schnitten die Saaten, wir Buben und Dirnen, Mit nackenden Armen und triefenden Stirnen, Von donnernden dunkeln Gewittern bedroht - Gerettet das Korn! Und nicht einer, der darbe! Von Garbe zu Garbe Ist Raum für den Tod - Wie schwellen die Lippen des Lebens so rot!

Hoch thronet ihr Schönen auf güldenen Sitzen, In strotzenden Garben umflimmert von Blitzen - Nicht eine, die darbe! Wir bringen das Brot! Zum Reigen! Zum Tanze! Zur tosenden Runde! Von Munde zu Munde Ist Raum für den Tod - Wie schwellen die Lippen des Lebens so rot!

Auf Goldgrund

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Ins Museum bin zu später Stunde heut ich noch gegangen, Wo die Heilgen, wo die Beter Auf den goldnen Gründen prangen.

Dann durchs Feld bin ich geschritten Heißer Abendglut entgegen, Sah, die heut das Korn geschnitten, Garben auf die Wagen legen.

Um die Lasten in den Armen, Um den Schnitter und die Garbe Floß der Abendglut, der warmen, Wunderbare Goldesfarbe.

Auch des Tages letzte Bürde, Auch der Fleiß der Feierstunde War umflammt von heilger Würde, Stand auf schimmernd goldnem Grunde.

Requiem