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Das Praktische Handbuch als Wissensvermittler für neue wie auch für langjährige Mitglieder des VVDSt (KV) ist ungebrochen. Es beinhaltet alle wesentlichen Informationen zur Verbandsgesichte, zur Historie der einzelnen Bünde, zur Organisation und Struktur des Verbandes mit Satzungen, programmatischen Erklärungen und Abkommen. Hinzu kommen praktische Hinweise bzw. Leitfaden für Tagungsleiter, Chargierte und Altherrenbünde. Der hier vorgelegte Sonderdruck aus dem Manuskript der 8. Auflage beschäftigt sich mit der Geschichte der Vereine Deutscher Studenten.
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Seitenzahl: 649
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Vorwort
Geschichte des VVDSt (KV) und seiner Bünde
A. Marc Zirlewagen: Zur Geschichte des VVDSt (KV)
B. Marc Zirlewagen: Literatur zur Geschichte des VVDSt (KV)
C. Marc Zirlewagen: Chronik des VVDSt (KV)
D. Marc Zirlewagen: Anhang zur Verbandschronik
E. Chroniken der Vereine Deutscher Studenten
Die Bedeutung des Praktischen Handbuchs als Wissensvermittler für neue wie auch für langjährige Mitglieder des VVDSt (KV) ist ungebrochen. Es beinhaltet alle wesentlichen Informationen zur Verbandsgesichte, zur Historie der einzelnen Bünde, zur Organisation und Struktur des Verbandes mit Satzungen, programmatischen Erklärungen und Abkommen. Hinzu kommen praktische Hinweise bzw. Leitfaden für Tagungsleiter, Chargierte und Altherrenbünde. Daneben vermittelt das Handbuch die richtigen Formen und Fachausdrücke des korporativen Lebens. Der Blick ins Handbuch lohnt sich stets, es ist in seiner Informationsfülle zum ehemaligen und gegenwärtigen Verbandsleben unersetzlich.
Die aktuell in den Bünden genutzte 7. Auflage des Praktischen Handbuchs der Vereine Deutscher Studenten ist 2012 erschienen. Sie ist damit in Teilen nicht mehr aktuell und sein Bestand ist zur Neige gegangen. Aus diesem Grund leitete ich Anfang 2021 im Einverständnis mit den zuständigen Vertretern des VVDSt (KV) die Herausgabe der 8. Auflage in die Wege. Hierfür wurden die Bünde über die Neuherausgabe informiert und zur Ergänzung bzw. Überarbeitung ihrer Vereinschroniken aufgerufen. Dies führten fast alle Bünde bis September 2021 aus. Während ich die Überarbeitung bzw. Ergänzung des Parts „Geschichte des VVDSt (KV) uns seiner Bünde“ übernahm, sollte der übrige Teil von Verbandsoffiziellen überarbeitet werden. Nachdem ich diesen meinen überarbeiteten und druckfertigen Teil als Manuskript Anfang Oktober 2021 weitergeleitet hatte, wurde mir im Mai 2022 mitgeteilt, dass das Handbuch im Juni 2022 in den Druck gehen sollte. Dies geschah nicht und ich bat mehrfach vergeblich um Informationen über das weitere Vorgehen. Um die Aktualisierung auf dem Stand von 2021 zu sichern, erscheint der historische Part nun als Sonderdruck.
Pfaffenwiesbach, im Juni 2024
Marc Zirlewagen
Die Entstehungsgeschichte des 1881 gegründeten Kyffhäuser-Verbandes der Vereine Deutscher Studenten hängt eng mit dem „Berliner Antisemitismusstreit“ zusammen, der Ende der 1870er Jahre entstanden war. Ausgangspunkt dieses Streits war die „Gründerkrise“ des Reichs, die durch überzogene Erwartungen bei der Reichsgründung 1871 ausgelöst worden war. Wirtschaftliche Depression und verschiedene innenpolitische Streitpunkte veranlassten namhafte Personen des öffentlichen Lebens des Deutschen Reichs wie den Historiker und politischen Publizisten Heinrich v. Treitschke und den Berliner Hof- und Domprediger Adolf Stoecker2 dazu, nach Schuldigen zu suchen. Sie sahen die Krise als eine Folge der misslungenen inneren Reichsgründung an, an der ihrer Ansicht nach die Juden schuld waren. Ihnen gegenüber standen bedeutende Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, deren bekanntester Repräsentant der Historiker Theodor Mommsen war. Sie lehnten diese Schuldzuweisung als „Fanatismus des Mittelalters“ ab.
Der Streit erreichte im Oktober 1880 seinen Höhepunkt, als eine Petition an Reichskanzler Bismarck in Umlauf gebracht wurde, die sich gegen den vermeintlich unangemessen großen Einfluss der Juden wandte. Die zentralen Forderungen dieser sogenannten „Antisemitenpetition“ waren die Verhinderung beziehungsweise Einschränkung der Einwanderung ausländischer Juden, der Ausschluss der Juden aus allen obrigkeitlichen Stellungen und die alleinige Verwendung christlicher Lehrer im Volksschuldienst.
Um für die Petition zu werben, gründeten sich an mehreren Universitäten „Komitees zur Verbreitung der Petition unter der Studentenschaft“. Mitglieder des Berliner Komitees an der Friedrich-Wilhelm-Universität beschlossen am 9. Dezember 1880 die Gründung des „Vereins Deutscher Studenten“, um alle „wahrhaft deutschen“ Studenten Berlins dauernd zu einen. Mit dieser Gründung wollten sich die Studenten gegen die Lethargie gegenüber dem politischen Zeitgeschehen wenden, in der sich die deutsche Studentenschaft in den Jahren nach der Reichsgründung ihrer Meinung nach befand. Die Studienzeit galt es zu nutzen, um einen Überblick über die anstehenden politischen Fragen zu gewinnen und so der Stellung als „geistige Führer des Volkes“ gewachsen zu sein. Die Leitidee des Vereins war die „nationale Besinnung“, also die Klärung und Kräftigung des deutschen Nationalbewusstseins, das Bekenntnis zum Reich und zu Bismarck.3
Auch in Halle, Leipzig, Breslau, Kiel, Greifswald und an der Technischen Hochschule Berlins bildeten sich bis zum Sommer 1881 Vereine mit gleicher Zielsetzung, wenn auch zum Teil unter anderen Namen, welche ebenfalls aus den oben genannten Komitees hervorgingen.
Am 17. Juli 1881 erließen die Vereine aus Halle, Leipzig und Berlin (Friedrich-Wilhelm-Universität) einen Aufruf an alle deutschen Studenten, demzufolge das äußerlich geeinte Deutsche Reich im Innern zu festigen und gegenüber Zersetzungserscheinungen wie Egoismus, Internationalismus und Atheismus zu schützen sei. Die Vereine luden zu einem Fest, das am 6. August 1881 auf dem Kyffhäuser stattfinden sollte. 600 bis 800 Personen folgten dem Aufruf. Zahlreiche Reden thematisierten die Ziele der Vereine auf dem
Kyffhäuserfest. Neben den Genannten waren dies der Einsatz für Deutschtum, Monarchie und Christentum sowie die Unterstützung Bismarcks im Kampf gegen die Sozialdemokratie. Einer der profiliertesten Teilnehmer des Festes war der Leipziger Vorsitzende Diederich Hahn, der der geistige Vater des Kyffhäuserfestes war. Als solcher er leitete er dieses und hielt die Festansprache, mit der heutigen Verbandsfahne in der Hand. Anlässlich des Kyffhäuserfests führten Vertreter der Vereine aus Leipzig, Halle, Kiel, Greifswald und der beiden Berliner Vereine am 8. August 1881 einen Zusammenschluss zu einem Kartell herbei, das den Namen „Kyffhäuser-Verband der Vereine Deutscher Studenten“ annahm.4
Die 1882 erarbeitete Satzung sah als Verbandsziel die „Pflege des Deutschtums auf der Grundlage des Christentums“ vor. Der Verband wollte „durch Einwirkung auf Intellekt und Willen deutsche Männer auf ihren Beruf als Staatsbürger“ vorbereiten. Die Mitgliedschaft erstreckte sich auf „immatrikulierte Studenten christlichen Glaubens und deutscher Staatsangehörigkeit“. 1884 wurde die Satzung geändert. Die Vereine setzten sich demnach „die Förderung des Verständnisses für nationale Fragen und Aufgaben unter ihren Mitgliedern, sowie Klärung und Kräftigung des Nationalbewußtseins in der gesamten deutschen Studentenschaft“ zum Ziel: „Die Mitglieder müssen Christen“ und „deutscher Nationalität“ sein. Mitgliedern nichtdeutscher Staatsangehörigkeit wurde es untersagt, politische Streitigkeiten ihrer Heimatländer in die Vereine hineinzutragen.
Da zu den Zielen, die in den Reden des Kyffhäuserfests propagiert wurden, auch die Lösung der sozialen Frage gehörte, nahmen die Vereine am 17. November 1881 die soziale Botschaft Kaiser Wilhelms I. begeistert auf, dessen vor dem Reichstag verkündete Forderung nach Fürsorge für die deutsche Arbeiterschaft den Grundstein für die deutsche Sozialpolitik legte und die VDS- ter dazu antrieb, sich verstärkt mit dieser Frage zu beschäftigen. Ende der 1880er Jahre war es den VDStern gelungen, innerhalb der Studentenschaft die Aufmerksamkeit auf dieses Problem zu lenken. Nahm der soziale Gedanke zu dieser Zeit in weiten Kreisen des KV die erste Stelle der praktischen Arbeit (Teilnahme an Krankenpflegekursen) und theoretischen Arbeit (interne und öffentliche Vorträge, Besuch von Fabriken) ein, so wurde er Mitte der 1890er Jahre in den Hintergrund gedrängt. 1908 empfahl die VT den Vereinen, sich mit studentischen Unterrichtskursen für Arbeiter zu befassen.
Der Tod Wilhelms I. (1888) und die Annahme des Rücktritts des vom KV wegen seines Mitwirkens bei der Reichsgründung verehrten Reichskanzlers Bismarck durch Kaiser Wilhelm II. (1890) regten die VVDSt zu einem grundlegenden Nachdenken über den monarchischen Gedanken an. Hatte sich der KV zur Zeit Wilhelms I. als „Leibgarde der Hohenzollern“ gefühlt, so galt er unter Wilhelm II. als „Seiner Majestät allerloyalste, aber sehr entschiedene Opposition“. Der monarchische Gedanke wurde somit entpersonalisiert, aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
Äußeres Zeichen des sozialen Engagements war die Errichtung des sogenann- ten „Botschaftsgedenksteins“. Ein Aufruf zu seiner Errichtung erging am 29. Januar 1890. Die Grundsteinlegung auf dem Kyffhäuser am Fuße der Reichsburg Kyffhausen erfolgte am 6. August 1891 im Rahmen des 2. Kyffhäuserfests. Mit dem Botschaftsgedenkstein weihte der Kyffhäuser-Verband am 8. August 1896 ein in seiner Aussage einzigartiges Denkmal ein. Dieses zeigte einen Teil des Textes der Kaiserlichen Botschaft auf einer Bronzetafel, die von einem romanischen Bogen umgeben war.
„Wir halten es für unsere kaiserliche Pflicht, dem Reichstag die positive Förderung des Wohles der Arbeiter von neuem ans Herz zu legen und dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften seines inneren Friedens und den Hilfsbedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen. Für die Fürsorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine schwierige, aber auch eine der höchsten Aufgaben jedes Gemeinwesens, welches auf den sittlichen Fundamenten eines christlichen Volkslebens steht. Der engere Anschluß an die realen Kräfte dieses Volkslebens wird, wie wir hoffen, die Lösung auch von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in gleichem Umfange nicht gewachsen sein würde. Wilhelm.“5
Während sich der nationale Gedanke bei der Gründung des KV auf die Herbeiführung der inneren Reichseinheit beschränkte, unterschieden die VVDSt 1884 erstmals zwischen Staat und Nation. Die Folge war, dass fortan auch deutsche Volkszugehörige anderer Staaten Mitglieder im KV werden konnten. Großdeutsche Bestrebungen wies der KV 1888 zwar noch zurück. So listete der Verband im selben Jahr als seine Ziele „ein starkes monarchisches Regiment“; „weder Partikularismus, noch Pangermanismus“, sondern „ein einiges deutsches Reich“; „eine kräftige Sozialreform“ und „um jeden Preis ein christliches Volk“ auf. Zu Beginn der 1890er Jahre hielt ein radikaler Nationalismus seinen Einzug, der 1897 eine Kontaktaufnahme des KV mit dem Alldeutschen Verband zur Folge hatte. Das „völkische Gemeinschaftsbewusstsein“ führte in diesen Jahren zu einer Annäherung des KV an die deutsch-nationale Studentenschaft Österreichs.
In weiten Kreisen des KV setzte sich die Ansicht durch, dass das Bismarckreich nicht Endpunkt, sondern Ausgangspunkt deutscher Staatsbildung gewesen sei. Einzelne VDSter erarbeiteten verschiedene Modelle, die von einem deutsch geführten Mitteleuropa bis zu einem geistigen und längerfristig auch politischen Zusammenschluss aller Deutschen reichten.
Hand in Hand mit dem radikalen Nationalismus ging eine verstärkte Beschäftigung mit der „Judenfrage“. In der Frühphase des KV waren Juden nicht als Angehörige einer fremden Rasse, sondern als vermeintliche Vertreter einer „materialistischen“ und „nihilistischen“ Geisteshaltung bekämpft worden. Zu Beginn der 1890er Jahre wandelte sich diese Einstellung in eine rassische Ablehnung der Juden, in deren Folge der KV 1896 beschloss, dass keine Personen in den Verband aufgenommen werden durften, deren Eltern getaufte oder ungetaufte Juden seien. Auslöser dieser Entwicklung waren unter anderem die rassentheoretischen Schriften von Gobineau und Chamberlain, die im KV zur Lektüre empfohlen wurden. Den im KV vorhandenen Antisemitismus propagierten VDSter auch in der Studentenschaft, wodurch der KV, laut Kampe, zur „Speerspitze des gesellschaftlichen Antisemitismus“ wurde.
Seit Mitte der 1890er Jahre beschäftigte sich der KV verstärkt mit dem Gedanken des Weltmachtstrebens des Deutschen Reichs. Daher trat er 1897 der Deutschen Kolonialgesellschaft bei. Dass die radikal-nationalistischen Einstellungen im KV nicht auf alle Mitglieder übertragen werden können, zeigt der Streit um Friedrich Naumann 1906/07. Naumann, ein VDSter der ersten Stunde, hatte versucht, im KV Verständnis für linksliberale und sozialdemokratische Meinungen zu wecken. Durch die radikal-nationalistischen Kreise gedrängt, trat er zwar 1906 aus dem KV aus, um eine Spaltung des Verbandes zu verhindern, doch zeigt die Diskussion um seine Person, dass es im KV viele Mitglieder gab, die nicht länger bereit waren, antisemitische und völkische Anschauungen als Dogma nationalen Bekenntnisses anzuerkennen. Die radikal-nationalistische Vorherrschaft im KV – namentlich des Berliner VDSt – endete, und der KV begann sich verstärkt sozialen Problemen zu widmen. Auch in der Jugendpflege war der KV aktiv.
Zur eigenen nationalen Agitation, welche die Vereine Deutscher Studenten seit ihrer Gründung betrieben, gesellte sich ein Engagement in bzw. ein Zusammengehen mit verschiedenen Institutionen des organisierten Nationalismus. So empfahl die VT 1887 den Vereinen den Beitritt zur Gesellschaft für deutsche Kolonisation. 1896 beschloss die VT, dass jeder VDSt einem „nationalen Schutzverein“ angehören solle. 1897 trat der Kyffhäuser-Verband dem Alldeutschen Verband, dem Ostmarkenverein, dem Deutschen Verein für das nördliche Schleswig und der Deutschen Kolonialgesellschaft bei. Darüber hinaus empfahl der KV seinen Mitgliedsvereinen 1898 den Beitritt bzw. die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Flottenverein sowie dem Deutschen Schulverein – bereits 1886 hatte der Verband seinen Mitgliedern empfohlen, die akademischen Ortsgruppen des Schulvereins im „nationalen Sinn“ zu gestalten, und 1887 beschlossen, die Bestrebungen des Schulvereins nach besten Kräften zu fördern. Besonders intensiv arbeiteten die VDSter im Alldeutschen Verband mit. Dieser sah den KV gar als „Paten“ seiner eigenen Gründung an. 1912 trat der Verband dem Deutschen Wehrverein. 1913 trat er dem Jungdeutschlandbund bei und bekräftigte die Mitgliedschaft in der Gobineau-Ver- einigung, der er schon einige Jahre zuvor beigetreten war.
Die Gründer der ersten Vereine Deutscher Studenten wollten keine weitere Korporation neben den bestehenden bilden. In Form und Inhalt „von den alten Gepflogenheiten des studentischen Vereinslebens“ abweichend, wollte der KV „nicht ein Verein in der Studentenschaft, sondern die Deutsche Studentenschaft selbst“ sein. Einen Unterschied zu den bestehenden Korporationen sahen die Gründer besonders in der Aufnahme von korporierten und nicht kor- porierten Studenten sowie im Verzicht auf die Pflege weiter Teile der korpo- rativen Elemente des studentischen Brauchtums. So lehnte der KV das Tragen von Band und Mütze ab, entschied sich also für das „schwarze Prinzip“. Da diesem das Führen von Farben in Wappen und auf Fahnen nicht widersprach, wählte der KV in Anlehnung an die Farben des Deutschen Reiches Schwarz- Weiß-Rot als alleinige Farben der einzelnen Vereine und des Dachverbandes.
Im Mittelpunkt des Vereinslebens stand, wie oben deutlich gemacht, der Schutz des Christentums, der Monarchie und des Deutschtums. Daher wählten zahlreiche Vereine – dem Beispiel des VDSt Leipzig folgend – den Wahlspruch „Mit Gott für Kaiser und Reich“, den die VT 1886 als Wahlspruch des Verbandes annahm.
Um ihre Ziele zu erreichen, förderten die VVDSt die politische Bildung ihrer Mitglieder und forderten von ihnen eine Einflussnahme auf die übrige Studentenschaft. Dies versuchten die VDSter besonders über die Erlangung führender Positionen in den Gremien der studentischen Selbstverwaltung zu erreichen: in den Ausschüssen und in den Lesehallen. Hinzu kam die Organisation „nationaler Feiern“ wie der „Reichsgründungskommerse“.
Der lockere interkorporative Zusammenschluss, den die Vereine bei ihrer Gründung darstellten, wandelte sich wenige Jahre nach der Gründung des KV. Sie wurden zu studentischen Verbindungen, wobei der korporative Charakter in kleineren und mittleren Universitäts- und Hochschulstädten stärker betont wurde als in den Großstadtuniversitäten. Die Entwicklung hin zu einer studentischen Korporation war durch den Beschluss zur Gründung von Altherrenbünden auf den Verbandstagungen von 1887 und 1894 abgeschlossen worden. Damit war eines der wichtigsten Elemente studentischer Korporationen – der Lebensbund zwischen aktiven Studenten und examinierten „Alten Herren“ – vom KV übernommen worden. Gegen Ende der Weimarer Republik war die Zahl der Alten Herren derart angewachsen, dass es an fast 100 Orten regionale AH-Zusammenschlüsse gab.
Die korporative Entwicklung verlief nicht ohne Auseinandersetzungen im Verband, wie besonders die Frage der Satisfaktion belegt. War es den einzelnen Vereinen seit der VT 1883 erlaubt, ihren Mitgliedern volle Freiheit in der Mensurfrage zu gewähren, so konnten die Vereine ihre Mitglieder seit der VT 1902 auf die unbedingte Genugtuung verpflichten. Unbedingte Genugtuung setzte die Bereitwilligkeit voraus, Genugtuung in Ehrenfragen zu leisten und sich dem Spruch eines Ehrengerichts zu unterwerfen.
Oberstes Beschlussorgan des KV war seit 1882 die Verbandstagung (VT), die bis zur Auflösung des Verbandes 1938 meist am Kyffhäuser stattfand und in der Regel einmal jährlich tagte. Auf ihr berieten die bevollmächtigten Vertreter der einzelnen Vereine die verbandsinternen Angelegenheiten.
Ein aktiver Verein übernahm jährlich als „Vorort“ die Geschäftsführung und Leitung des aktiven Verbandes. Er sollte über die Einhaltung der Verbandssatzung und die Durchführung der VT-Beschlüsse wachen. Den Altherrenverband, zu dem sich die einzelnen AH-Bünde 1912 zusammenschlossen, leitete der „Vorsitzende des AH-Verbandes“. Ihm oblag die Vertretung der Belange der AH-schaft gegenüber der Aktivitas, den einzelnen AH-Bünden und der Öffentlichkeit.
Die „Akademischen Blätter“ (Ak. Bl.) wurden 1886 gegründet, nachdem die dem Kyffhäuser-Verband nahestehende „Kyffhäuser-Zeitung“ (Erscheinen: 2. November 1881 bis 1. Juli 1885) in Widerspruch zu weiten Kreisen des Verbandes geraten war. Die 5. VT 1885 beschloss daraufhin die Schaffung eines eigenen Verbandsorgans. Am 27. Januar 1886 wurde ein formeller Beschluss zur Gründung der Ak. Bl. gefasst und als Erscheinungsdatum für die erste Ausgabe der 1. April 1886 festgelegt. Die Entwicklung der Ak. Bl. verlief günstig, 1910 betrug die Auflage 4.200 und der Leserkreis war groß. Nicht nur Mitglieder und Alte Herren der Vereine Deutscher Studenten bezogen die Ak. Bl., sondern sie wirkten auch über diesen Kreis hinaus und wurden von Interessierten aller politischen Lager gelesen. So waren die Ak. Bl. nicht nur in den akademischen Lesehallen und später in den Universitätsbibliotheken zu finden, sondern zu Beginn auch in größeren Speise- und Kaffeehäusern.
Die Besonderheit der Ak. Bl. bestand darin, dass es das erste und für längere Zeit einzige Korporationsorgan war, das seinen Schwerpunkt in der politischen Berichterstattung aus Hochschule und Gesellschaft sah, während andere studentische Organe fast nur über verbandsinterne Vorgänge berichteten. Ga- ranten für das hohe Niveau der politischen und akademischen Diskussionen, die in den Ak. Bl. geführt oder angeregt wurden, waren neben den Redakteuren der traditionell politisch orientierten und engagierten VDSter besonders die Schriftleiter der Ak. Bl. Zu ihnen gehörten bekannte Journalisten, Politiker und Historiker. Hier sind nur zu nennen: der Historiker Herman v. Petersdorff, der Politiker Paul Baecker, der Historiker Otto Hoetzsch, der Politiker und Historiker Ludwig Bergsträsser sowie der Publizist Hans Fritzsche. Viele VDSter nutzten die Ak. Bl. als Möglichkeit, ihr politisches und journalistisches Talent zu erproben, und nahmen aus der Redaktion der Ak. Bl. heraus führende Positionen in der deutschen Presselandschaft ein.
Sinn der Ak. Bl. war und ist es, neben der Wiedergabe der Auffassungen des Verbandes auch für die gegenseitige Vermittlung von Wissen und für einen Wettstreit der Meinungen zu sorgen. Daher fand das Ringen jeder Generation mit den geistig-wissenschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Problemen ihrer Zeit in den Ak. Bl. seinen Ausdruck. So finden sich in den Ak. Bl. neben verbandsoffiziellen Mitteilungen und Mehrheitsmeinungen auch zahlreiche Einzelmeinungen. Dies macht die Ak. Bl. zu einer wichtigen Quelle für die Geschichte des KV und der Entwicklung der deutschen Studentenschaft allgemein.
Die Ak. Bl. erschienen 1886–1929 halbmonatlich und 1929–1939 monatlich. Nach Auflösung des Verbandes 1938 endete mit dem 53. Jahrgang auch das Erscheinen der Ak. Bl. Nach der Wiedergründung als Verband der Vereine Deutscher Studenten 1951 erschienen die Ak. Bl. ab 1952 wieder. Sie kamen 1952 bis Ende der 1960er Jahre monatlich und bis 1985 alle zwei Monate heraus. Seit 1986 erscheinen die Ak. Bl. vierteljährlich. Seit 2005 verfügt die VVDSt-Verbandszeitschrift über ein eigenes Internetportal (http://akademische-blaetter.de). Daneben dient der Redaktion auch https://mein.vvdst.org als Portal für interne Nachrichten.6
Nach dem Tod des ehemaligen Reichskanzlers Otto v. Bismarck am 30. Juli 1898 beschloss der Ausschuss der Universität Leipzig am 2. August 1898, sämtliche Hochschulen des Deutschen Reichs zu einer geschlossenen Beteiligung an Bismarcks Beisetzungsfeiern in Friedrichsruh aufzufordern. Dieser Vorschlag wurde begeistert aufgegriffen und vom Ausschuss der Bonner Studentenschaft dahingehend erweitert, dass man Bismarck eine Ehrung „von dauernder Bedeutung“ zuteilwerden lassen sollte. Der daraus folgende Aufruf der Deutschen Studentenschaft zum Bau von Bismarcksäulen wurde auch außerhalb der Hochschulen enthusiastisch aufgenommen. Besonders bei den Mitgliedern des Kyffhäuser-Verbandes, die stets zu den Bewunderern Bismarcks gehörten, fand dieser Aufruf Zuspruch. „In steter Erinnerung an ihn, der uns der gottgesandte, gewaltige Einer der Nation gewesen ist – zum dankbaren Zeugnis dafür, daß er vor allem der akademischen Jugend den prometheischen Funken der nationalen Idee in die Seele geworfen hat – zum Zeichen endlich, daß wir als Kyffhäuser-Verband, wie in die Zeitgeschichte, so auch in das Bild der Landschaft unseren Namen einzeichnen wollen“, beschloss der KV auf der 19. VT 1899 in Kelbra die Errichtung einer Bismarcksäule. Die 23. VT beschloss im August 1903 in Bad Frankenhausen die Gründung des rechtsfähigen Vereins „Bismarcksäule des Kyffhäuser-Verbandes“. Ziel des Vereins war die Sammlung und Verwaltung der für den Bau notwendigen Gelder sowie die Errichtung der Gedenksäule. Ende 1904 stellte Fürst Günther v. Schwarzburg-Rudolstadt die sogenannte „Aussichtsterrasse“ der Rothenburg sowie einen in der Nähe gelegenen Steinbruch unentgeltlich zur Verfügung. Mit diesem Standort freundete sich der Verband rasch an, da sich der KV im Verlauf des ersten Kyffhäuserfests am 8. August 1881 auf der Rothenburg gegründet hatte. Die 25. VT im August 1905 in Kelbra entschied sich für einen Entwurf von Prof. Wilhelm Kreis aus Dresden.
Der Schriftführer des Bismarcksäulenvereins, Walther Hofstaetter, beschrieb die geplante Säule folgendermaßen: „Vor uns tritt aus dem Unterbau der Säule eine Kanzel für die Redner und die Chargierten heraus, die von innen aus zugänglich ist, darüber führt ein Umgang herum um die Säule, die bei einer Höhe von 21 Metern unten einen Durchmesser von 12 Metern hat und den höchsten Punkt der Ruine um etwa 5 Meter überragen wird. Ihre Gliederung findet sie durch 11 gewaltige Pfeiler, jeder 1 Meter breit, die von ehernen Adlern gekränzt werden. In etwa Zweidrittel ihrer Höhe verjüngt sie sich zu dem Aufbau für das Feuerbecken [...] Dann treten wir durch eine eichene Tür in einen schmalen Gang an der Rückseite der Säule, von dem 14 Stufen hinabführen in die eigentliche Halle, einen über 12 Meter hohen Rundbau, von einer Kuppel überwölbt und wieder durch 11 Pfeiler gegliedert, das Heiligtum des K.V.“ Der Bau der Säule begann im Juni 1906 und war zu Beginn des Fests, das zu ihrer Einweihung ausgerichtet wurde, noch nicht fertiggestellt. Dennoch wurde die Säule anlässlich des 25jährigen Bestehens des KV am 5. August 1906 während des 3. Kyffhäuserfests eingeweiht. Die Bauarbeiten endeten im Oktober 1906. Nach der Fertigstellung fanden im Innern der Säule Fahnen und Wappen der einzelnen Bünde Aufnahme. Die Bismarcksäule erhielt folgende Inschrift: „Dem Andenken Bismarcks geweiht am 5. August 1906 der Kyffhäuser-Verband der Vereine Deutscher Studenten 1881–1906“. Nach der Auflösung des Verbandes 1938 ging die Säule in den Besitz der Hitlerjugend und anschließend in die Hände des Kyffhäuserbundes über.7
Innerhalb des Kyffhäuser-Verbandes bestanden in den Jahren vor 1914 kaum Zweifel daran, dass ein Krieg bevorstand. Dieser sollte als „reinigendes Gewitter“ die außenpolitischen Konfliktherde lösen und die „unsittlichen“ gesellschaftlichen Folgen der Moderne beseitigen. Daher und weil die VDSter den Krieg als von den Feinden aufgenötigt empfanden, meldeten sie sich in großer Zahl sofort nach Kriegsausbruch freiwillig zu den Waffen – im Oktober 1914 dienten 1.700 VDSter bei Heer und Marine. Es schien ihnen, als könnten sie endlich ihr stets beteuertes nationales Bekenntnis an der Front unter Beweis stellen und Abenteuer in einem kurzen Waffengang erleben. Nach ersten Erfolgen und begeisterten Kriegsbriefen machten die immer länger werdenden Verlustlisten deutlich, dass die erhoffte Weltgeltung und gesellschaftliche Erneuerung nicht ohne große Opfer zu erringen waren. An der Heimatfront rückte nach der Propagierung der „gerechten Sache“ daher bald die Heroisierung des Opfertodes in den Vordergrund. Nachdem sich der Krieg festgefahren hatte und von einer längeren Kriegsdauer auszugehen war, schwand die ursprüngliche Begeisterung für den Krieg. Es folgten Ernüchterung und Durchhalteparolen. Ungebrochen war bis in den Sommer 1918 die Siegeszuversicht.
Nach Suspendierung der meisten aktiven Vereine hielten besonders die Ak. Bl. den Kontakt innerhalb des Verbandes aufrecht. In ihnen, aber auch in ihren Gemeinden, nahmen die Theologen im Kyffhäuser-Verband eine besondere Stellung bei der Stärkung der Kriegsmoral ein. Sie beteiligten sich am „Bund von Christentum und Patriotismus“, schürten Kriegsbegeisterung und Opferfreudigkeit, indem sie den Krieg rechtfertigten. Sie stellten den Gottesglauben als Siegesvoraussetzung dar und versprachen eine Wiedergeburt des Volkes durch eine sittlich-religiöse Erneuerung. Auch dank dieser Unterstützung fand sich die Mehrheit der VDSter im Lager der Annexionisten. Wie in den Vorkriegsjahren, hielten es die VDSter auch während des Kriegs mit den Vorstellungen des Alldeutschen Verbandes. Dementsprechend banden sie sich ab Ende 1917 personell, organisatorisch und agitatorisch an die Deutsche Vaterlandspartei. Zu den von den VDStern geforderten Grenzkorrekturen gesellten sich nach innen Gedanken zu einer Umformung von Staat und Gesellschaft. Den Wilhelminismus sahen sie als beendet an. Die Losung von der „zweiten Reichsgründung“ wurde ausgegeben. Die Zukunft des „erneuerten“ Deutschlands sollten besonders nationale Erziehung und eine großdeutsche Volksgemeinschaft bilden. Den Monarchismus hielten die VDSter bis Mitte 1918 hoch, er wich aber gegen Kriegsende dem Gedanken vom Führertum. Die Betrachtung der innen- und außenpolitischen Haltung der VDSter im Ersten Weltkrieg deutet somit den während der Weimarer Republik vertretenen völkischen Radikalismus in Teilen an und zeigt Kontinuitäten der völkischenHaltung vor 1914.
Als die ersten VDSter im Ersten Weltkrieg fielen, begannen Alte Herren Geld für ein Denkmal für die gefallenen Bundesbrüder auf dem Kyffhäuser zu sammeln. Die Zahl der Gefallenen wuchs derart an, dass nur eine gemeinsame Stiftung geeignet erschien, die Ehrung vorzunehmen. Die Verbandsmitglieder sahen es als ihre „heilige Pflicht“ an, der als Helden verehrten Toten zu gedenken. Der Ausschuss für die Ehrung der Gefallenen erließ daher bereits während des Kriegs und in dessen Anschluss immer wieder Aufrufe zu Sammlungen und prüfte verschiedene Möglichkeiten vom Ausbau der Halle im Innern der Bismarcksäule des Kyffhäuser-Verbandes auf der Rothenburg bis zu anderen Ehrungen in deren Nähe. Ausschussvorsitzender war der Germanist Walther Hofstaetter. Dieser war schon an der Errichtung der Bismarcksäule beteiligt. 1921 nahm die 36. VT einen Entwurf für ein Denkmal für die 800 Gefallenen an und billigte den Ausbau des Innern der Bismarcksäule zu einer Gedenkhalle. Das Denkmal wurde 1922 fertiggestellt. Im selben Jahr erschien das Gedenkbuch „Unseren Gefallenen“.
Eingeweiht wurde die vom Dresdner Architekten Martin Pietsch ausgebaute Gedenkhalle auf der 39. VT im August 1924, nachdem die Verbandstagungen 1922 mangels Räumen und 1923 aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht am Kyffhäuser stattfanden. Hofstaetter beschrieb das Gefallenendenkmal wie folgt: „In dieser ganz schlichten runden Halle, die durch leichte Pfeiler gegliedert ist, erhebt sich der Eingangstreppe gegenüber aus rotem Kyffhäuserstein der schwere Sockel für das eigentliche Denkmal. Dieses ist eine überlebensgroße vorwärtsschreitende Jünglingsfigur aus Bronze, die linke Hand streckt sie segnend nach unten, aber in Hand und Arm drückt sich zugleich der leidenschaftliche Wunsch aus, die Verbindung mit den Toten nie zu verlieren. Diese leidenschaftliche Bewegung setzt sich über den ergreifenden Kopf fort in den hocherhobenen rechten Arm und die schwörende und beschwörende rechte Hand. Da der Jüngling im Vorwärtsschreiten ist, wird die leidenschaftliche Bewegung auch dadurch noch verstärkt. Das Ganze ein Symbol der deutschen Jugend, die vorwärts drängt, um der Gefallenen würdig zu sein.“ Seinen Ausdruck fand diese Haltung in einer Inschrift, die am Sockel, der vom Dresdner Bildhauer Arthur Zweiniger gestalteten Figur angebracht wurde:
„Ruht in Frieden, teure Brüder, die ihr für die Heimat starbet, eurem Schwur Erfüllung warbet, Nicht verstummt, wenn ihr auch schweigt. Aus der Weltverstreuten Stille eurer Gräber lohend steigt in uns euer Heil‛ger Wille; Tod und Leben tönt im Bunde euer Schwur aus unserm Munde: Deutschland!“9
Die Jahreswende 1918/19 wirkte als Markstein in der Geschichte der deutschen Studentenschaft. Die „nationale Schmach“ der Niederlage im Ersten Weltkrieg, das Ende der Monarchie und die Revolutionswirren im Deutschen Reich ließen vieles von dem zusammenbrechen, wofür die Mitglieder des Kyffhäuser-Verbandes eingetreten waren. In dieser Umbruchssituation fand im Verband eine breite Diskussion über die zu erstrebende Staatsform statt, die keine einheitliche Haltung bei den Alten Herren zur Republik erkennen lässt. Feststellbar sind sowohl Aufrufe zur Unterstützung der Republik als auch zur Ablehnung der Demokratie. In der Debatte um den Wahlspruch des KV zeigt es sich außerdem, dass ein Teil der VDSter weiterhin der Monarchie anhing, womit diese zusammen mit den Corps eine Sonderstellung innerhalb der Studentenschaft einnahmen.
Die Diskussion um die Stellung des KV zur Republik fand nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrages ihr Ende. Einmütig lehnten die VDSter den „Schmachfrieden“ ab und nahmen in der Folgezeit eine überwiegend ablehnende Haltung gegenüber der Republik ein. Dies dokumentiert sich in der Erklärung der VT 1919, die beschloss, den Wahlspruch „Mit Gott für Kaiser und Reich“ beizubehalten. Das darin abgelegte Bekenntnis zur Monarchie diente der Mehrheit des KV lediglich dazu, in ihm die Forderung nach einem politischen Führertum symbolisch zum Ausdruck zu bringen. Dieses wurde bei der als aufgenötigt empfundenen Demokratie der Weimarer Republik vermisst. Nur eine Minderheit des KV wollte zurück zu den innenpolitischen Verhältnissen der wilhelminischen Ära.
Weitgehende Einigkeit herrschte unter den Alten Herren bei der Ablehnung der Revolution. Während bei den Aktiven von einer Ablehnung der Revolution ausgegangen werden kann, muss die Frage ungeklärt bleiben, welche Haltung die aktiven VDSter vor der VT 1919 gegenüber der Republik einnahmen. Da die aktiven VDSter die Erklärung der VT 1919 mittrugen, lässt sich die sich darin widerspiegelnde antirepublikanische Haltung spätestens ab diesem Zeitpunkt auf die Aktiven übertragen.
Trotz der mehrheitlichen Ablehnung der Republik fanden sich viele aktive VDSter und Alte Herren, die bereit waren, die Republik durch ihren Dienst in Freiwilligeneinheiten zu verteidigen. Dieser Einsatz entsprang nicht der Überzeugung zur republikanischen Staatsform, sondern richtete sich gegen linksrevolutionäre Tendenzen und gegen drohende territoriale Verluste des Reichs. Außerdem sollten Ruhe und Ordnung erhalten beziehungsweise wiederhergestellt werden. Ein markantes Beispiel für eine diesbezügliche Einstellung des KV ist die Beteiligung des Marburger VDSt am Studentenkorps Marburg. Dieses stellte sich zunächst auf die Seite der Putschisten um Kapp und v. Lüttwitz und griff nach deren Misserfolg für die Republik zu den Waffen, um gegen „Links“ zu kämpfen.
Der ablehnenden Haltung gegenüber der Republik stand ein hoher Einsatz der Frontkämpfergeneration des KV in völkischen Verbänden, Jugend- und Hochschulorganisationen, Verbänden für Sozialpolitik, Bildungseinrichtungen und Kirchen gegenüber, zu der die Verbandstagungen von 1919 und 1920 die aktiven VDSter verpflichteten. Zusätzlich zum Engagement der einzelnen VDSter gab es eine korporative Zusammenarbeit des KV beziehungsweise einzelner Vereine Deutscher Studenten mit Verbänden und Vereinen gleicher Zielsetzung. Zusammenarbeit pflegten sie in den ersten Jahren der Republik beispielsweise mit dem Deutschen Schutzbund, dem Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund, der Arbeitsgemeinschaft völkischer Akademikerverbände und dem Verein für das Deutschtum im Ausland. Später gab es unter anderem Kontakte zum Jungdeutschen Orden, zum Stahlhelm und zum Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB). Durch diese Mitarbeit nahm der KV zunächst einen gewissen Einfluss auf die Hinwendung der Studenten zum völkischen Gedanken. Dies dokumentiert sich besonders in der breiten Mitarbeit an der Gründung der Hochschulringe Deutscher Art.
Mit seiner völkischen Haltung reihte sich der KV in die vielschichtige völkische Studentenbewegung ein, die er seit seiner Gründung mitgeprägt hatte. Das völkische Denken des KV basierte unter Zugrundelegung der Ablehnung der Republik auf folgenden Grundanschauungen: dem Gedanken der Volksgemeinschaft, dem Rassengedanken, dem Antisemitismus, dem Ruf nach dem Führer und dem großdeutschen Gedanken. Die in einer Volksgemeinschaft geeinte deutsche Nation sollte alle deutschbesiedelten Gebiete Mitteleuropas umfassen und frei von „rassefremder“ und besonders jüdischer „Zersetzung“ sein. Das von einem Führer regierte großdeutsche „Dritte Reich“ sollte das „Rumpfdeutschland“ der Republik ersetzen und wieder zu einer in der Republik vermissten Weltgeltung gelangen, unter welcher der KV nationale Einheit und Unabhängigkeit von anderen Staaten verstand. Um die Verwirklichung seiner Ziele in den eigenen Reihen sicherzustellen, gab der KV 1926 ein völkisches Handbuch heraus, das der einheitlichen politischen Bildung der Neumitglieder diente. Die vom „Ausschuss für hochschulpolitische und innere Verbandsarbeit“ organisierten Schulungstagungen erweiterten außerdem die im Kaiserreich entstandene Vortragsarbeit.
Als Wege zu diesen Zielen diente dem KV die Rassenhygiene, deren Aufgabe es war, die „Reinerhaltung“ des deutschen Volkes vor „rassefremden Einflüssen“ und vor „Verschlechterungen der Erbmasse des Volkes“ sicherzustellen. Zum „Schutz des Deutschtums“ innerhalb des Deutschen Reichs setzte sich der KV außerdem für die innere Kolonisation ein, die einerseits ein Zurückdrängen des „polnischen Elements“ im Osten des Reichs und andererseits eine Stärkung des deutschen Binnenmarkts bewirken sollte. Des Weiteren engagierte sich der KV in der Volkshochschulenbewegung, die einen Bildungsausgleich von Arbeitern, Landbevölkerung und Akademikern zum Ziel hatte. Dieser galt als eine Grundbedingung der Entstehung der Volksgemeinschaft. Als weitere Wege zu ihren Zielen sahen die VDSter die Bewahrung der deutschen Kultur vor fremden Einflüssen und eine Besinnung auf die eigene Kraft des deutschen Volkes zur Wiedererlangung deutscher Weltgeltung an. Hierfür galt es auch die Grenz- und Auslanddeutschen mittels der Volkstumsarbeit zu gewinnen. So engagierten sich die Vereine Deutscher Studenten darin, das Bestreben der Grenz- und Auslanddeutschen nach der Beibehaltung ihrer deutschen kulturellen Identität zu fördern. Ein Mittel hierfür war besonders die Grenzlandstiftung der Vereine Deutscher Studenten.
Ein Leitgedanke des Kyffhäuser-Verbandes war der nationale Gedanke. Zunächst beschränkte er sich auf die Herbeiführung der inneren Reichseinheit. Großdeutsche Bestrebungen wurden zwar zurückgewiesen, doch hielt zu Beginn der 1890er Jahre ein radikaler Nationalismus seinen Einzug, der 1897 eine Kontaktaufnahme des KV mit dem Alldeutschen Verband zur Folge hatte. Das „völkische Gemeinschaftsbewusstsein“ führte in diesen Jahren zu einer Annäherung des KV an die deutsch-nationale Studentenschaft Österreichs. Einzelne VDSter erarbeiteten verschiedene Modelle, die von einem deutsch geführten Mitteleuropa bis zu einem geistigen und längerfristig auch politischen Zusammenschluss aller Deutschen reichten. Im Zuge dessen beschäftigte sich der KV mit den Fragen des Grenz- und Auslanddeutschtums und leistete Volkstumsarbeit zur Förderung des Einheitsgedankens. Besonderen Einfluss auf die Volkstumsarbeit nahm die Entwicklung der politischen Verhältnisse in Österreich, insbesondere in Böhmen. So richtete der KV 1898 die Prager Hilfskasse zur Unterstützung der deutschen Sprache und Kultur in Prag ein. Die Prager Hilfskasse wurde 1901 in die Nationale Hilfskasse für alle deutsch-österreichischen Hochschulen umgewandelt und 1910 in Nationale Hilfskasse umbenannt. Ziel war es, die persönlichen Beziehungen des KV zu den deutsch-nationalen österreichischen Studentenverbindungen zu stärken und einen Reservefonds für „nationale Aufgaben“ zu schaffen.
Nach dem Ersten Weltkrieg kümmerten sich die VDSter unter dem Eindruck der Abtretungen ehemals deutscher Gebiete auch um die Betreuung von „Schutzorten“ im Grenzland. Die Volkstumsarbeit rückte immer mehr in den Vordergrund der Verbandsarbeit. Ab 1920 wurde sie von der Grenzlandstiftung organisiert. Diese ersetzte die nationale Hilfskasse und hatte es zur Aufgabe, in und außerhalb des Verbandes für den großdeutschen Gedanken einzutreten. Die Finanzierung sicherten freiwillige Spenden und Pflichtbeiträge der einzelnen Vereine. Sie sollte „aufklärend und belehrend für die Schaffung der Grundlagen jeder großdeutschen Arbeit, für die Vertiefung des Wissens über die Fragen des gesamten Grenz- und Auslanddeutschtums“ durch die Einführung der Angehörigen des KV in die „praktische Grenzlandarbeit“ wirken. Dieser Aufgabe lag folgende Arbeitsweise zugrunde: Briefwechsel zwischen den getrennten Teilen des „deutschen Volksgebietes“ und der deutschen Sprachinseln sowie Austausch von politischem Schrifttum; Anfertigung von Merkblättern, Postkarten, Grenzland(brief)marken und Landkarten zur Werbung für den großdeutschen Gedanken; finanzielle Unterstützung des Besuchs der grenz- und auslanddeutschen Hochschulen durch die „Binnendeutschen“, der „reichsdeutschen“ Hochschulen durch die Grenz- und Auslanddeutschen; Organisation von Vortragsabenden, Schulungswochen, Tagungen, Wanderungen und Fahrten in das Grenz- und Ausland; Kontakthaltung zu Verbänden mit gleicher Zielsetzung.
Die Tätigkeit der Grenzlandstiftung lässt sich in der Zeit der Weimarer Republik in drei Phasen unterteilen: 1920–1924 stand der großdeutsche Ausbau des KV durch die Aufnahme neugegründeter beziehungsweise bestehender Vereine in Österreich und der Tschechoslowakei im Vordergrund. Ab 1924 widmete sich die Grenzlandstiftung hauptsächlich der Aufgabe, Kontakte zu auslanddeutschen Studenten aufzubauen, um „Brücken vom Binnendeutschtum zu den akademischen Außenposten unseres Volkstums“ zu bauen. Ab 1928 wandte sie sich der verstärkten Werbung „im Binnenlande für die Forderungen Großdeutschlands und des Auslanddeutschtums“ zu. Ihr gelang es, im KV und über dessen Grenzen hinaus Verständnis für die Sorgen und Nöte der Grenz- und Auslanddeutschen zu verbreiten und den Boden für das angestrebte „Großdeutsche Reich“ mit vorzubereiten.
Die Möglichkeiten der „praktischen Grenzlandarbeit“ lagen bei den Aktiven bei der Teilnahme an Grenzlandfahrten, um die „geistige Not“ der Grenz- und Auslanddeutschen zu verstehen und diesen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit mit ihrem „Mutterland“ zu geben. Diese Verbundenheit galt es nach der Fahrt beispielsweise durch Einladungen zu Besuchen in das Deutsche Reich aufrechtzuerhalten. Durch Veröffentlichungen in Zeitungen und Zeitschriften und durch Erzählungen im eigenen Bekanntenkreis sollten die Aktiven für die Grenzlandarbeit werben. Darüber hinaus hatten die Aktiven auch die Aufgabe, den Gedanken des Anschlusses Österreichs zu propagieren. Durch den Besuch von Schulungswochen sollten Neumitglieder in die Grenzlandarbeit eingewiesen werden, verschiedene Vereine ihre Erfahrungen austauschen und der Kontakt zur AH-schaft aufrechterhalten werden. „Schutzorte“ waren zu betreuen, Heimat- oder Grenzlandabende in den Vereinen abzuhalten und öffentliche Ausstellungen zu organisieren. Die Alten Herren hatten darauf zu achten, den Kontakt zu den Aktiven auch über Mitarbeit in der Grenzlandstiftung zu halten, an den Grenzlandfahrten teilzunehmen, das Grenz- und Auslanddeutschtum im Berufsleben mit einfließen und ihre Söhne an einer grenz- oder auslanddeutschen Hochschule studieren zu lassen.11
Die VDSter zeigten beim Einsatz für ihre Ziele einen stellenweise hohen Aktivismus, den besonders die studentischen Kriegsteilnehmer trugen. Als diese die Universitäten 1922/23 verließen und eine neue Generation das aktive Vereinsleben gestaltete, rückte bei vielen VDStern eine Überhöhung korporativer Formen und eine Gleichgültigkeit gegenüber der Beschäftigung mit nationalen und sozialen Fragen in den Vordergrund. Neben den Anhängern der korporativen Richtung gab es unter den aktiven VDStern auch eine Gruppe, die einen völkischen Aktivismus an den Tag legte. Bei der Altherrenschaft überwog eine traditionelle Einstellung, nach der an der Sonderstellung des KV durch die Ablehnung der Überhöhung korporativer Formen und durch die Beschäftigung mit nationalen und sozialen Fragen festgehalten werden sollte. Es lässt sich auch in der Mitte des Bestehens der Republik keine einheitliche Haltung im KV feststellen.
Dem von sechs Vereinen gegründeten KV traten bis 1914 weitere 24 Vereine bei. In den 1920er Jahren schlossen sich nochmals 14 Vereine an, wobei der KV erstmals 1919 über die Grenzen des Deutschen Reichs hinausging. Aufnahme fanden die Vereine in Prag, Tetschen-Liebwerd und Brünn in der Tschechoslowakei sowie die Vereine in Graz, Innsbruck, Wien und Leoben in Österreich. Aufgrund des Verlusts des Elsass an Frankreich schloss sich der VDSt Straßburg dem neu gegründeten VDSt Hamburg an. Um gegenseitige Konkurrenz zu vermeiden, durfte es an jeder Hochschule nur einen VDSt geben.
Nach dem Ersten Weltkrieg beschäftigte sich die Kriegsteilnehmergeneration zunächst nicht mit der Frage der Satisfaktion. Erst die nachgerückte Nachkriegsgeneration griff das Thema auf der VT 1921 wieder auf und diskutierte es über mehrere Verbandstagungen hinweg kontrovers. Die VT 1926 brachte die endgültige Regelung, welche die unbedingte Genugtuung einführte und sie für alle neu eintretenden Mitglieder verbindlich machte.
Einen weiteren Ausbau der korporativen Elemente brachte die VT 1920. Sie beschloss die Annahme des bundesbrüderlichen „Du“ unter den Aktiven und die Ersetzung der bis dahin gültigen Bezeichnung „Vereinsbruder“ durch „Bundesbruder“. Außerdem genehmigte die VT 1921 das Tragen von Bier-, Wein- und Sektzipfeln unter Bekräftigung des Verbots, Band und Mütze zu tragen. Daneben empfahl sie den Mitgliedern die Einführung einer Erkennungsnadel.
Zur Intensivierung der politischen Bildung der eigenen Mitglieder, der zuvor besonders das interne Vortragswesen der einzelnen Vereine gedient hatte, beschloss die VT 1924 den Aufbau eines „Ausschusses für hochschulpolitische Fragen“. Diesen benannte die VT 1925 in „Ausschuss für hochschulpolitische und innere Verbandsarbeit“ (HPA) um. Aufgabe des HPA war es, durch Anregung und Abhaltung von Schulungswochen und Förderung des Verbandsschrifttums „das Leben innerhalb des Verbandes zu befruchten“. Diese Schulungswochen waren seit 1922 abgehalten worden und dienten der Vertiefung politischer Fragen sowie zur Charakterbildung der Teilnehmer. Bis 1932 organisierte der KV 50 Schulungstagungen, die als eine der Säulen der politischen Bildung des KV galten.
Wie die Haltung des KV von außen betrachtet wurde, offenbart sich im Verbot der rheinischen VVDSt (Aachen, Bonn und Köln) durch die Interalliierte Rheinland-Kommission 1924–1926 beziehungsweise 1924–1929. Die VVDSt bezeichnete die Begründung des Verbots als ultranational, revanchistisch, monarchistisch und völkisch.
Eine in der Studentenschaft einsetzende, antidemokratische Radikalisierung in der Mitte des Bestehens der Weimarer Republik fand auch im KV ihren Widerhall. Eine teilweise Radikalisierung lässt sich ab 1925 durch den Ausschluss Ferdinand Friedensburgs12 – dieser wurde als Anhänger der Republik angesehen – sowie durch die Stellung zum Fall Lessing und in der Diskussion um den preußischen Verfassungskonflikt belegen. Vorbote dieser Radikalisierung war eine sich besonders 1924 offenbarende Kritik des KV am Parlamentarismus und den politischen Parteien, die sich in der Forderung nach einer „Entparlamentarisierung“ des KV widerspiegelte.
Die studentische Radikalisierung fand 1929/30 ihren Höhepunkt infolge der Diskussion um den neuen Zahlungsplan für Reparationen (Young-Plan) und die Kriegsschuldfrage sowie im Zuge der Weltwirtschaftskrise. In diesem Zeitraum begannen sich die aktiven VDSter dem Nationalsozialismus verstärkt zuzuwenden, dessen Gedankengut im KV zwar spätestens seit 1923 vorhanden war, aber bis 1929/30 nur eine untergeordnete Rolle spielte. Die Aktiven trafen mit ihrer Hinwendung zum Nationalsozialismus zwar auf Zuspruch eines Teiles der AH-schaft, doch wandte sich die Mehrheit der Alten Herren gegen den Nationalsozialismus. Unterschiedlicher Meinung waren viele Alte Herren und viele Aktive auch in der Stellung zur Freimaurerfrage. Das auf der VT 1922 erstmals diskutierte Freimaurertum beschäftigte den KV während des gesamten Bestehens der Weimarer Republik, ohne dass die Frage endgültig geklärt wurde. Die unterschiedlichen Meinungen der Aktiven und der Alten Herren zur korporativen Ausrichtung, zum Engagement für nationale und soziale Fragen, zum Nationalsozialismus und zum Freimaurertum führten zu einem spätestens seit 1924 greifbaren Generationenkonflikt innerhalb des KV.
Einigendes Band der VDSter war die völkische Grundanschauung, die sie sowohl bei der internen Schulung als auch bei öffentlichen Vorträgen propagierten. Durch diese Grundanschauung besaß der KV Gemeinsamkeiten mit dem Nationalsozialismus und ebnete diesem zusammen mit der Mehrheit der deutschen Studentenschaft zunächst indirekt den Weg. Nach der Hinwendung der aktiven VDSter und der Mehrheit der deutschen Studenten zum Nationalsozialismus nach 1929/30 war der KV auch direkt an der Erlangung der Mehrheit des NSDStB an den deutschen Hochschulen beteiligt.
Die Vorreiterrolle, welche der KV im Kaiserreich an den deutschen Hochschulen in Bezug auf seine radikal-nationalistische Einstellung innehatte, war in der Weimarer Republik kaum mehr gegeben. Die politische Haltung der Mehrheit der Studentenschaft beeinflusste weniger der KV, als vielmehr die politischen Gegebenheiten zwischen 1918 und 1933. Das Weltkriegs- und Revolutionserlebnis, die Unterzeichnung des Versailler Vertrags, die relative Stabilisierung der Republik, Dawes- und Young-Plan sowie die Weltwirtschaftskrise waren Stationen einer Radikalisierung der Studentenschaft, welche die VDSter gleichermaßen berührte wie ihre Kommilitonen. Unterschiede zur übrigen Studentenschaft ergaben sich durch die Beibehaltung des monarchischen Gedankens zu Beginn der Republik durch einen Teil der Mitglieder des KV und durch die frühe Hinwendung des KV zum völkischen Gedanken. Durch die breite Mitbeteiligung des KV an der Gründung der Hochschulringe Deutscher Art 1919/20 und durch die Aberkennung der Satisfaktionsfähigkeit von Juden 1920 lassen sich letzte größere Einwirkungen auf die politische Haltung der Studentenschaft feststellen.
Nahm der KV im Korporationsspektrum durch seine interne politische Bildungsarbeit zwar eine weitgehende Sonderrolle ein, so kann bei den aktiven VDStern besonders in Bezug auf die Hinwendung zum Nationalsozialismus keine Sonderrolle innerhalb der Studentenschaft festgestellt werden. Zwar lassen sich die ersten Bekenntnisse zum Nationalsozialismus schon 1923 (Teilnahme von VDStern am Novemberputsch) belegen, doch blieben diese bis 1929/30 in der Minderheit, als sich die Aktiven zusammen mit ihren Kommilitonen dem Nationalsozialismus zuwandten. Ihnen gegenüber stand die mehrheitliche Ablehnung des Nationalsozialismus durch die Alten Herren des KV.
Dieser Gegensatz verschärfte sich nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten. Die von Michael Grüttner festgestellte Welle der Selbstgleichschaltung, die in den Korporationen nach den Märzwahlen von 1933 einsetzte, überschwemmte nach Beginn des SS 1933 auch den KV. Was in einigen Bünden mit Fackelzügen zur Ehrung der neuen Regierung am 30. Januar 1933, der Teilnahme an Verbrennungen der Bücher und Schriften von „Juden und Volksbetrügern“ und mit der – nicht verwirklichten – Entscheidung der Bünde Gießen und Halle-Wittenberg, Adolf Hitler die Ehrenmitgliedschaft anzutragen, begonnen hatte, setzte sich mit einer Umgestaltung der aktiven Bünde fort. Den Enthusiasmus der Aktiven schürte der Greifswalder Vorort. Der Vorortsvorsitzende Heinrich Lohoff rief die Jungen im KV dazu auf, „daß die nationale Revolution uns in vorderster Front findet.“ Die Macht im Staat sei errungen, „nun beginnt der Neubau des Reiches.“ Der „Neubau des Reiches“ sollte sein Spiegelbild im KV finden. Damit traf er die Stimmung der Aktiven, und so folgte im SS 1933 eine Art innere „Machtergreifung“ durch studentische Aktivisten. Sie interpretierten den Triumph des Nationalsozialismus als Sieg der jungen Generation und versuchten, den Einfluss der Alten Herren zurückzudrängen. Sie glaubten, dass die Nationalsozialisten das in die Praxis umsetzten, was sie selbst schon immer angestrebt hatten. Neubau bedeutete auch Umgestaltung des Bundeslebens. Das Führerprinzip mit Ausschaltung der Mehrheitsbeschlüsse bildete dafür die Grundlage. Es folgte die schrittweise Umgestaltung der Bundeshäuser in Kameradschaftsheime.
Jugendlicher Enthusiasmus vermischte sich im KV mit Opportunismus und der Furcht, den Anschluss an die allgemeine Entwicklung zu verpassen, der Boden für eine neue Form der Verbandsführung war bereitet. Doch noch bestand die alte Führungsstruktur des KV weiter: Den Aktiven-Verband vertrat als Vorort der VDSt Greifswald. Den Altherren-Verband vertraten als 1. Vorsitzender Gerhard Menz, als 2. Vorsitzender Nis Johansen und als 3. Vorsitzender Ernst Ahlgrimm. Im Zuge des ersten Versuchs einer „Machtergreifung“ auf Verbandsebene erklärte am 21. Mai ein „freiwillig gebildeter“, das heißt nicht legitimierter „Führerring“ die Übernahme der Verbandsführung. Ihn bildeten die Alten Herren Gerhard Menz, Johannes Wotschke, Hans v. Helms, August Gridl und der Greifswalder Vorortsvorsitzende Heinrich Lohoff. Damit hatte sich die von der VT legitimierte Verbandsführung aufgespalten. Ziel war es, der im KV entstandenen Unruhe (gemeint ist wohl die „innere Machtergreifung“ von NS-Aktivisten in den Bünden) zu begegnen „und die Grundlage für erfolgreiche Fortarbeit im neuen Reich schaffen zu helfen.“ Eine schematische „Gleichschaltung“ lehnte der Führerring, trotz eines Bekenntnisses zur NS-Revolution, ab. Eine „Neuformung und Vertiefung“ des Bundeslebens musste nach Ansicht des Führerrings schnell erfolgen. In einer Verlautbarung kündigte er daher an: „Der Führerring übernimmt mit dem heutigen Tage die einheitliche Führung des Gesamtverbandes und die Verantwortung für alle notwendigen Entscheidungen.“ Der Führerring „flog“ – so Wotschke – nach acht Tagen auf. Begründung hierfür war, dass in diesem mehrköpfigen Gremium das Führerprinzip nicht klar zum Ausdruck komme und ein schnelles Zusammenarbeiten der an mehreren Orten wohnenden Mitglieder des Führerrings erschwert sei. Kurt Albrecht verhandelte daraufhin mit dem Gauleiter Kurmark der NSDAP Wilhelm Kube über dessen Wiedereintritt – die Wege Kubes und des Verbandes hatten sich Mitte der 1920er Jahre getrennt – und die Übernahme der Verbandsführung. Diesem Vorgehen schlossen sich Erwin Anders und Benno Kettner vom Berliner AH-Bundsvorstand an. Gleichzeitig kam ein Anstoß zur Umgestaltung von außen. Der NSDStB erließ Anfang Juni 1933 „Richtlinien über den Neuaufbau der studentischen Verbände“. Er forderte Wotschke auf, nach diesen vorzugehen. Die Richtlinien sahen unter anderem die Einführung des Führerprinzips und die Besetzung der Führerstellen mit erprobten Nationalsozialisten vor. Kube schien der geeignete Kandidat zu sein, um die Stellung des Verbandes endgültig zu klären und zu sichern. Wotschke, der am 31. Mai von der NSDAP die Vollmacht zur Neugestaltung des KV erhalten hatte, nahm den Berliner Vorstoß auf, machte ihn zu seinem eigenen und bot Kube mit Zustimmung von Menz und Lohoff am 16. Juni 1933 den Wiedereintritt in den KV und die Übernahme der Verbandsführung an. Kube erklärte daraufhin, „daß der K.V. infolge seiner Eigenart und seiner jahrelangen Vorkämpferschaft in nationaler und völkischer Beziehung in seiner alten Form erhalten bleiben müsse und nicht gleichgeschaltet werden dürfe.“ Kube verstand sich hierfür als „Schirmherr“. Er ernannte Wotschke zu seinem Geschäftsführenden Stellvertreter. Wie schon der erste „Führerring“ keine Akzeptanz im Altherren-Verband gefunden hatte, war auch die Verbandsführung Kubes zunächst in der Schwebe. Eine Klärung brachte die VT vom 26. bis 30. Juli 1933 in Kelbra, auf deren AH-VT Menz die Satzungsrechte des AH-Verbandes und der einzelnen AH-Bünde mit Wirkung vom
16. Juni nachträglich auf Kube übertrug. Dem stimmte die Aktiven-VT zu. Die „Machtergreifung“ der Jungen verdeutlichte Menz während der AH-VT. Er zog einen Schlussstrich unter die Auseinandersetzungen zwischen denen, die für, und denen, die gegen den Nationalsozialismus eingetreten waren. Ein weiteres Ergebnis der VT 1933 war die Einsetzung eines „Führerrates“ durch Verbandsführer Kube, dem neben seinem Geschäftsführenden Stellvertreter Wotschke der „Vorortsführer“ Reinhard Breder, der AH-Führer Gerhard Menz sowie der Gau-Führer Hans Weber angehörten.
Mit den Entscheidungen der VT 1933 genügte der KV zunächst formal den Richtlinien des NSDStB. Er hatte sich in die „Kampffront Adolf Hitlers“ eingefügt, doch waren die alten Ziele des Verbandes, der korporative Charakter und das Verbandsgefüge erhalten geblieben. Die Forderungen der Verbandsführung in der Oktobernummer der Ak. Bl. von 1933 zeigen, dass die Vereine Deutscher Studenten in allen Belangen neue Wege gehen mussten. Während Wotschke bei der Forderung nach einem NS-Aktivismus stehenblieb und Lange mehr Opfer für die Grenzlandarbeit forderte, machte sich Vorortsführer Breder für die Entwicklung von der Korporation zum politischen Bund stark. Er sah das Kameradschaftshaus als künftigen Kern der Bünde an und forderte dazu auf, dafür Sorge zu tragen, dass die bisher unbehelligten Inaktiven zum Einsatz in SA, SS oder den kulturellen Organisationen der „Bewegung“ und in der Studentenschaft anzuhalten seien. Als Voraussetzung hierfür sah er eine straffe Bundesführung, bestehend aus dem Bundesführer mit dem ihm zur Seite stehenden Ältestenrat, den Chargen sowie dem Burschenrat an. Abschließend stellte die Oktobernummer Aufgabe und Form des Kameradschaftshauses vor. Dieses sollte äußerer Ausdruck neuen studentischen Lebens und Wollens sein. Die Praxis war eine andere, wie unter anderem der VDSt Heidelberg berichtet: „Im WS 1933/34 nahm unser Bund endgültig die äußere Form einer Kameradschaft ein. Noch fühlte man sich als VDSt‛er, noch betrachtete man sich als Bundesbruder, noch verstand man sich als Korporation. Man war bereit, an der Neugestaltung studentischen Lebens an der Universität mitzuarbeiten, und hoffte, gleichzeitig den Bund als selbständige Einheit innerhalb des Systems zu erhalten. Unter erheblichen Opfern und mit innerem Widerstreben baute der AH-Bund die Parterre-Räume auf der linken Seite des Hauses aus und stellte die neuen Zimmer als ‚Kameradschaftsheim‛ den jungen Bundesbrüdern zur Verfügung. Die gesamte Aktivitas bezog die neue Unterkunft, die in ihrer äußeren Aufmachung annähernd dem Wohnstil einer Jugendherberge glich. Schnell fand man zu einem disziplinierten Zusammenleben und würzte das Ganze mit Humor und jugendlicher Fröhlichkeit. Ein harter, fast spartanischer Zuschnitt der Lebensführung entsprach dem Geist der Zeit und wurde von der Jugend weitgehend akzeptiert. Verzicht auf Bequemlichkeit, Einordnung in die Gemeinschaft, Bereitschaft zum Dienst wurden mit einem Appell an den Idealismus wirkungsvoll propagiert. Ein staatsfreier Bereich des Individuums war nicht mehr zugelassen, die akademische Freiheit weitgehend eingeschränkt. Unser Vortragswesen, einst unabhängig und kritisch, verengte sich auf Verarbeitung des NS-Gedankengutes [...] Trotz schwindender Mitgliederzahl, weil der Nachwuchs ausblieb, lebte der verbleibende Rest des VDSt Heidelberg mit ungebrochenem Selbstbewußtsein fort. Wir sind und bleiben eine Korporation, verstehen uns als Lebensbund und lassen uns von niemandem in unserer Treue zu Volk und Vaterland übertreffen. In althergebrachter Weise wurden regelmäßig Kneipen abgehalten, gemeinsam Sport getrieben und auch noch gefochten, sogar das Stiftungsfest im kleineren Rahmen gefeiert [...] Ein reduziertes Bundesleben, doch wir hielten zusammen.“ Auch beim VDSt Marburg vergaß man im WS 1933/34 nicht, was auch in Zukunft eine studentische Korporation ausmachen sollte: „Wir haben deshalb Formen abgelehnt, die aus der wertvollen Gestalt unseres Bundeslebens einen wertlosen Rummel machen wollen, mit Landsknechtsmanieren, die dann irgendwie mit Sozialismus und Volksgemeinschaft begründet werden. In der Abschaffung unserer Umgangsformen können wir keine soziale Tat sehen, das gewollte unäußerlich sein stößt das gesunde Empfinden des einfachen Mannes genauso vor den Kopf wie das Schäbigkeitsprinzip einzelner Corps. Wir wollen solchen Auffassungen im Verband entgegen weiter einer straffen korporativen Haltung das Wort reden.“ Dementsprechend feierten die Marburger VDSter in diesem Semester fröhliche Kneipen. Auch Heimabende, Exbummel, Damenfeste, Kommerse fanden statt. Sie fochten weiter und hielten Burschenprüfungen ab. Dennoch baute der VDSt Marburg im Herbst 1933 sein Haus zum Kameradschaftsheim um. Zumindest was diese äußere Form und Verlautbarungen nach außen anging, galten straffe Bundesführung und Kameradschaftserziehung als Garant für die Zukunft.
Der vom Führerrat in die Wege geleitete Umbau des KV ging also keineswegs so glatt vonstatten, wie die Verbandsführung dies geplant hatte. Der organisatorische Umbau wurde zwar hingenommen, doch setzte sich die straffe Führung nicht so rasch durch. Dies zeigt beispielsweise die Verwirrung um den Wahlspruch. Der alte Wahlspruch des Verbandes „Mit Gott für Kaiser und Reich“ sollte auf der VT 1933 ersetzt werden. Kube versuchte zunächst den Wahlspruch „Mit Gott für Adolf Hitler und den deutschen nationalen Sozialismus“ einzuführen. Einen anderen Wahlspruch brachte die VT 1934, die „Mit Gott für Adolf Hitler und ein nationalsozialistisches Deutschland“ einführte. Dennoch sah Wotschke die Wahlspruchfrage als ungeklärt an. Er legte daher der VT 1935 den Wahlspruch „Mit Gott für Führer und Volk“ vor. Dieser setzte sich schließlich durch. Widerspruch im Verband machte auch der Schriftleiter der Ak. Bl. Hans Fritzsche aus. Der Generationengegensatz im KV war demnach immer noch vorhanden. Die „Empfindung, von einer jüngeren Generation überrannt worden zu sein“ und das Gefühl einer „‚Überheblichkeit‛ dieser jungen Generation“ war laut Fritzsche bei den älteren VDStern vorhanden. Die mehrheitliche Ablehnung des Nationalsozialismus durch die Alten Herren gestand Wotschke auf der Tagung der AH-Bundsvertreter am 14. Januar 1934 in Berlin ein: Es sei schwierig, Bundesbrüder an die Partei zu bringen. Für den Führerrat machte er deutlich, dass eine NSDAP-Zugehörigkeit innerhalb des Verbandes und für den bundesbrüderlichen Zusammenhalt nicht zähle: „Auf das Parteibuch kommt es nicht an, es bezeichnet keinen Wertmesser für einen V.D.St.er.“
Neben der Ablehnung des neuen Kurses durch weite Teile der Alten Herren wehte den Aktiven von ganz unvermuteter Seite der Wind ins Gesicht. Zunächst führten die zahlreichen Pflichtveranstaltungen verschiedener NS-Gliederungen im SS 1933 bei den Studenten zu einer zeitlichen Überlastung. Für jeden Aktiven bedeutete dieser Dienst eine Einschränkung der akademischen Ausbildung, für jeden Bund einen kaum zu bewältigenden Spagat zwischen korporativem Leben, praktischer VDSter-Arbeit und Einsatz für die „Bewegung“. So klagte beispielsweise der VDSt Hannover I: „Durch den Beitritt des Bundes zur S.A. wird zwar die Zeit der Bbr.Bbr. sehr stark in Anspruch genommen, trotzdem können wir aber sagen, daß das Bundesleben nach wie vor sehr lebhaft ist. Leider hat durch den S.A.-Dienst und die Ausmärsche der Hochschule das Vortragswesen in diesem Semester eine große Einschränkung erfahren. Obgleich fast in jeder Woche ein Vortrags- bzw. Ausspracheabend angesetzt war, konnte doch nur ein einziger stattfinden.“ Nach solchen Erfahrungen im SS 1933 sowie im folgenden WS 1933/34 zog Vorortsführer Breder den Schluss, dass die alte VDSter-Pflicht, das Gewissen der Studentenschaft zu sein, nun vom Staat übernommen worden sei: „Damit sind wir in das zweite Glied zurückgetreten und wandten uns mit aller Kraft unserer inneren Aufgabe zu, nationalsozialistische Erziehungsgemeinschaft junger Studenten zu sein.“ Er begrüßte dies, denn „wir haben kein besonderes politisches Verbandsinteresse, sondern unsere Interessen sind einzig und allein die Bewegung und die für diese arbeitende Deutsche Studentenschaft.“ Entsprach dies zwar den Wünschen Breders und schieden die Ak. Bl. als kritische Quelle Mitte/Ende 1933 aus, so ging Breder doch fehl, was die Autonomiewünsche im VDSt anging.
Der Enthusiasmus für den Einsatz im Sinn der NS-Bewegung ließ in dem Maße nach, wie die NS-Gliederungen versuchten, die Studenten zeitlich und organisatorisch ganz einzunehmen. Seit dem Frühjahr 1934 setzten Angriffe gegen die Korporationen ein. Deren Existenzrecht stellten zunächst nur einzelne NS-Aktivisten und einzelne NS-Gliederungen in Frage. Der Druck auf den KV nahm immer mehr zu. Auf der VT 1934 wäre es beinahe zum Bruch von Aktiven- und Altherrenverband gekommen. Während für die Alten Herren die Selbstauflösung nicht in Betracht kam, strebten die Aktiven einen geschlossenen Eintritt als Arbeitskreis in den Reichsbund Volkstum und Heimat an. Dieser war Mitte 1933 gegründet worden und stand unter der Leitung des VDSters Werner Georg Haverbeck, der auch den KV in dessen Reihen aufnehmen wollte. Im Lauf der VT rückten die Aktiven von ihrem Plan ab. Wie gut diese Entscheidung war, zeigte die Auflösung des Reichsbundes, der internen NS-Machtkämpfen Ende 1934 zum Opfer fiel. Um dieses Zusammenstehen zu untermauern, führte die VT 1934 auf Vorschlag von Menz das allgemeine bundesbrüderliche „Du“ im Verband ein. Um für die innere Geschlossenheit ein Zeichen zu setzen, erließ der Führerrat am 4. August 1934 einen Aufruf, in dem er auf dem Lebensrecht des KV bestand. Eine Auflösung des Verbandes kam nicht in Frage. Dieser gelösten Krise folgte bald die nächste. Am 20. September 1934 veröffentlichte der Reichsschaftsführer der Studierenden und Reichsführer der Deutschen Studentenschaft Andreas Feickert einen Erlass, der einen massiven Eingriff in das Eigenleben der Korporationen vorsah. Unter anderem sollten die Bundes- und Verbandsführer der Kameradschaften und Korporationen von der Deutschen Studentenschaft ernannt werden. Die Führerratsbesprechung am 13. Oktober wies die Forderungen Feickerts zurück. Möglich machte dies eine Entscheidung Adolf Hitlers, der sich am 11. November 1934 gegen den Feickert-Erlass aussprach. Dennoch waren die korporationsfeindlichen Kräfte noch nicht zurückgedrängt. Zündstoff lieferten diesen die Spannungen im Allgemeinen Deutschen Waffenring (ADW), da es Corps und Landsmannschaften abgelehnt hatten die „Arierbestimmungen“ des ADW anzunehmen. Zahlreiche Korporationsverbände traten daraufhin aus dem ADW aus, um den Auflösungsdruck auf die Korporationen zu mindern und um NS-Gesinnungstreue zu demonstrieren. Der KV vollzog diesen Schritt am 11. November, auch, um damit seine Eigenständigkeit zu unterstreichen. Er wollte – unter Bekennung zum NS-Gedanken – seinen eigenen Weg gehen. Als Gegenbewegung zum ADW gründeten die Deutsche Sängerschaft und die Deutsche Burschenschaft mit anderen Verbänden am 14. Dezember den Völkischen Waffenring (VWR). Der KV verweigerte bei der Gründung zwar zunächst den Beitritt, um sich nicht von anderen Verbänden dominieren zu lassen. Kurz darauf beugte er sich jedoch dem Gesinnungsdruck und trat dem VWR bei.
Die Vereine Deutscher Studenten in Österreich ließ die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Deutschen Reich nicht unbeeinflusst. Der Nationalsozialismus hatte die österreichische „nationale“ Studentenschaft vor der reichsdeutschen erfasst. Die Nationalsozialisten beherrschten die Korporationen erst ab 1929/30 zusehends. Hier wirkte sich besonders der Zuzug aus dem Deutschen Reich aus. HJ- und SA-Angehörige sorgten in den konservativen bis „reaktionären“ Korporationen für Wirbel, und Mitte 1933 waren die nationalen Korporationen größtenteils dem NSDStB angeschlossen. Michael Gehler spricht hier von einem „Sog des Nationalsozialismus.“ Auch im KV ist dieser feststellbar. Der Sog überlebte das Verbot der NSDAP in Österreich im Juni 1933: Die nationalen Korporationsstudenten blieben auch im Untergrund aktive Nationalsozialisten. Entsprechend dem illegalen Engagement ihrer Mitglieder wurden drei der vier österreichischen VDSt aufgelöst. Der VDSt Graz wurde im Juli 1934 verboten, ging aber in der Ortsgruppe „Ostmark“ des Vereins Südmark auf und führte so seine Arbeit fort. Nachdem auch dieser Verein verboten worden war, ging der VDSt Graz bis 1938 in die Illegalität. Der VDSt Leoben war ab 1934 verboten. Der VDSt Wien wurde 1934 verboten und tauchte unter dem Decknamen „Rosenbursa“ unter. Zwei seiner Mitglieder waren am 25. Juli 1934 am Überfall auf das Bundeskanzleramt beteiligt. Trotz dieser Verbote blühte das Bundesleben, und auch von Nachwuchsschwierigkeiten wusste Wotschke bei einem Besuch der österreichischen Bünde Ende 1936 nichts zu berichten. Die Schließungen und Restriktionen führten zu erheblichen Behinderungen im Verkehr der VDSter in Österreich und im Deutschen Reich. Das Bundeskanzleramt in Wien verstärkte dies noch durch das Verbot der Verbreitung der Ak. Bl. in Österreich am 22. Oktober 1935. Dieses wurde erst nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 aufgehoben.
Kube hatte die Verbandsführung 1933 nach Ansicht Wotschkes nur übernommen, um seine Stellung in der NSDAP und gegen den Jugendführer des Deutschen Reiches Baldur v. Schirach zu stärken. Da Kube kaum Zeit hatte, sich um den KV zu kümmern, ließ er Wotschke bei der Geschäftsführung freie Hand. Aufgrund der Arbeitsbelastung durch Ämterhäufung und der zunehmenden Auseinandersetzungen um die Auflösung des KV gab Kube die Verbandsführung am 7. Januar 1935 an Wotschke ab. Dieser bekräftigte auf der ao VT in Wittenberg (17. bis 21. Januar 1935) den Alleingang des KV: „Der Unbeständigkeit und Wandelbarkeit gewisser hochschulpolitischer Entwicklungen setzen wir das leidenschaftliche Bekenntnis zu unserem Verbande und den von ihm übernommenen volkspolitischen Pflichten entgegen.“ Der KV wollte sich damit als innerlich geschlossener Verband erhalten und gegen die korporationsfeindlichen Kräfte in der NSDAP und im NSDStB Eigenständigkeit beweisen: Die Zeit des Experimentierens in der Hochschulpolitik sei vorbei. Am 12. März 1935 gaben sich die Korporationsgegner mit einer Erklärung zunächst geschlagen, da sich auch die meisten übrigen Korporationsverbände gegen eine vorbehaltlose Anpassung an den Nationalsozialismus aussprachen: „Die Partei und der NSDStB haben nicht die Absicht, sich mit denjenigen inneren Angelegenheiten der Korporationen und Verbände zu befassen, die außerhalb der staatlichen Interessen und außerhalb der nationalsozialistischen Weltanschauung stehen.“ Der Weg für den Wiedereintritt in den ADW war frei, der KV vollzog diesen Schritt am 16. März. Der KV begrüßte „die Zusicherung unbedingter Fernhaltung von politischen Fragen“ seitens des ADW. Zu Recht traute der KV dem neuen Frieden nicht. Und so weigerte er sich, der Gemeinschaft studentischer Verbände beizutreten, die im Januar 1935 als Gegenbewegung zum VWR gegründet worden war und die Gesamtvertretung aller studentischen Verbände für sich in Anspruch nahm. Ohne grundsätzliche Entscheidungen maßgeblicher NS-Stellen wollte Wotschke keine „Blankounterschrift“ zur Unterwerfung des KV ausstellen.
Im Zuge dieser Auseinandersetzungen erkennt Michael Grüttner im KV seit 1935 einen politischen Differenzierungsprozess. Während Verbandsangehörige wie Reinhard Breder, Werner Haverbeck oder Gustav Adolf Scheel eine rasche Karriere in der Partei, anderen NS-Organisationen oder im öffentlichen Dienst machten, setzte bei einer Reihe von Verbandsangehörigen ein Prozess der Desillusionierung ein. Dieser entsprang einerseits dem Kampf gegen die Korporationen, der zu Bestürzung und Ernüchterung führte. Auch gab es eine Reihe von Verbandsangehörigen, welche die Welle der NS-Bewegung aus Amt und Würden spülte. Hier sind beispielsweise Hans Egidi, Wilhelm Heile oder Rudolf Nadolny zu nennen. Der Differenzierungsprozess lässt sich besonders an Wotschke festmachen. Als überzeugter Nationalsozialist und VDS- ter schlugen zwei Herzen in seiner Brust. Von seiner christlichen Einstellung wird noch zu sprechen sein. Seinen Ausdruck fand dieser Differenzierungsprozess in der nochmaligen Bekräftigung der Eigenständigkeit des KV auf der VT 1935. Das „hochschulpolitische Durcheinander“ 1934/35 ließ das Bekenntnis zur Tradition des KV fester werden: „Die VT brachte wieder einmal die Einigkeit unseres Verbandes zum Ausdruck; alle Gliederungen stehen