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Während der letzten Tage der Menschheitsgeschichte übernimmt der Tod die Aufgabe des Chronisten. Er hat Recherchen anzustellen, wie es zu der Situation hatte kommen können. So sucht er die letzten Menschen auf, um sie zu befragen; mithin trifft er am Ende seiner Reise auch auf Gott und den Teufel. Schließlich soll er einem Ausschuss seinen Bericht vorlegen, der über das Fortbestehen der Menschheit zu entscheiden hat. Dieser legt größten Wert auf die Objektivität seiner Darstellungen. Dies wiederum fällt dem Chronisten nicht schwer, da im toten Zustand die Fakten und Dinge keiner "lebendigen" Veränderung mehr unterliegen. Allein hat der Chronist die Rechnung ohne die Wirtin gemacht. Mutter Erde bringt sich vor dem Ende seines Reiseberichts ins Spiel und wirbelt alles kräftig noch einmal durcheinander. Nach einer der Aufführungen empfahl uns ein Mitarbeiter eines Hospizes, der unter den Zuschauern war, dieses Stück unbedingt einmal in einem Hospiz aufzuführen; eine Zuschauerin sagte mir, die "Gespräche mit dem Tod seien sehr lebendig; schön seien die ruhigen Bilder, die zu einem vertieften Zuhören der vorgetragenen Texte einladen, kommentierte eine andere Zuschauerin. Dies nur einige von den vielen Stimmen nach den Aufführungen. Ich denke, die Machart "Szenische Lesung" bietet sich sehr für Theaterprojekte an Schulen an. So könnten junge Menschen – vielleicht auch während anschließender Diskussionen mit Zuschauern – mit den (auch heute leider noch sehr aktuellen) Themen, die das Stück anrührt, Kontakt aufnehmen; Themen der Ökologie, der Philosphie, der Theologie und politisch-soziale Themen. Natürlich könnte das Stück auch als Theaterstück, oder als Hörspiel – oder gar als Film inszeniert werden. Auch für den Deutschunterrrrricht eignet es sich gewiss – z.B. für die Suche nach sprachlogischen und grammatikalischen Schnitzern, die der Autor als persönliche Noten hinterließ ;-) Aber dies nur als ein paar wenige Anregungen am Rande.
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Seitenzahl: 62
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Szenische Lesung in 10 Bildern
mit Rahmen in zwei Teilen
für 10 Vorleser und Darsteller
Stefan Frings
Szenische Lesung in 10 Bildern
Mein Dank gilt dem Veranstalter
der Tuchfühlung in Langenberg,
dem Kunstverein Langenberg,
und dem IGEL e.V. in Duisburg.
Sie ermöglichten uns die
Aufführungen des Stücks
In Freundschaft und tiefer Dankbarkeit
für Heike, Kerstin, Regina, Ursula,
Christoph, Frank, Gerd,
Jürgen, Karl, Michael
und Norbert
Euer kreatives Engagement für die szenische Lesung
vermochte es gar noch, Gesprächen mit dem Tod
Leben einzuhauchen!
Stefan Frings
Gespräche mit dem Tod
Szenische Lesung
in zehn Bildern
mit Rahmen
in zwei Teilen
für
10 Vorleser und Darsteller
Vorbemerkung
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Manuskript der für szenische Lesungen veränderten Fassung des gleichnamigen Theaterstücks.
Seine Entstehung als Theaterstück (Dez. 1997) verdankt „Gespräche mit dem Tod“ den zahllosen Diskussionen des Autors mit Karl Erb um dessen Dissertationsthema: „Adornos Konzeption von Nichtidentität, oder der objektiv-reale Schein von Vernunft“. Auch für die Entstehung des zweiten Teils (März 2000) zeichnet das Leben des Karl Erb - auf andere Weise - nicht ganz und gar unverantwortlich.
Die Umsetzung des Stücks in die Form der szenischen Lesung sowie deren konkrete Gestalt (Sept. 1998) ist das Ergebnis der freundschaftlich-kreativen Zusammenarbeit mit den im Anhang genannten DarstellerInnen und VorleserInnen bzw. SprecherInnen.
Erstmals wurde Teil I des Stücks am 06.11.98 in der Factory in Duisburg aufgeführt, danach im Bahnhof-Langenberg während der „Tuchfühlung“ und in der Säule in Duisburg. In Kombination mit Teil II hatte es seine Uraufführung in zweiter „Tuchfühlung“ mit Langenberg am 16.06.2000 in der Kunst- bzw. Eventkirche.
Inhaltsverzeichnis
Gespräche mit dem Tod
Widmung
Titelblatt
Inhaltsverzeichnis
Teil I - Der Rahmen
Einleitende Worte des Chronisten an den Ausschuß zur Vorlage seines Abschlußberichts
1. Bild - Das Interview
Frau eines Wissenschaftlers und Interviewer
2. Bild - Treffen im Park
Der Maschinist und der Andere
3. Bild - Die Beichte
Ein Geistlicher und ein Besucher
4. Bild - Das Leben
Das Kind und der Tod
5. Bild - Die Leere
Lehrerin und ehemaliger Schüler
6. Bild - In der Klinik
Sie und Er
7. Bild - Über den Wolken
Gott und Jemand
8. Bild - In der Sauna
Der Teufel und Ödipus
9. Bild - Im Labor
Chronos, Chronist u. Publikum
Teil II - Ein Bild
Auf der Bühne - Mutter Materia
Anhang
Rollen, DarstellerInnen und SprecherInnen
Wahrheit
Impressum
Rückentext
Teil I
Der Rahmen
Einleitende Worte des Chronisten an
das Publikum als an den Ausschuß
für zukünftige Fragen anläßlich der
Vorlage seines Abschlußberichts
1. Bild – Das Interview
Frau eines Wissenschaftlers und Interviewer
2. Bild – Treffen im Park
Der Maschinist und der Andere
3. Bild – Die Beichte
Ein Geistlicher und ein Besucher
4. Bild – Das Leben
Das Kind und der Tod
5. Bild – Die Leere
Lehrerin und ehemaliger Schüler
6. Bild – In der Klinik
Sie und Er
7. Bild – Über den Wolken
Gott und Jemand
8. Bild – In der Sauna
Der Teufel und Ödipus
9. Bild – Im Labor
Chronos, Chronist und Publikum
Teil II
Ein Bild – Mutter Materia
Anhang
Rollen, DarstellerInnen und SprecherInnen und
Photocollage - von Proben und Aufführungen
Liedtext: Wahrheit
Impressum
Rückentext
Regie: Zunächst wird auf der Bühne ein Lied vorgetragen (Gesang, Gitarren, Bongos; s. Anh.). Der Chronist hockt (zunächst in der Gestalt des Chronos, d.h. in seinen Umhang gehüllt) auf dem Boden. Nach dem Lied steht er auf (nimmt die Gestalt des Chronisten an, indem er den Umhang abstreift und liegen läßt) und hält die Eröffnungsrede an das Publikum. Danach nimmt er seinen Umhang vom Boden auf und geht hinter das Laken (wo er „ohne Licht“ den Umhang wieder überzieht).
Chronist: Meine Damen und Herren, seit dem Tage, an dem ich mit meinen Aufzeichnungen begann, ist viel Zeit vergangen.
Sehen sie mir bitte meine veraltete Ausdrucksweise nach; ich bin darauf verwiesen, die zuletzt gebräuchliche Sprache zu verwenden. Und wir wissen alle, sie ist temporal infiziert; denn sie hat sich nicht entwickeln können; denn sie lebt - wie wir wissen - von ihrem Gebrauch zwischen den Menschen. Außerdem - meine Damen und Herren - obliegt es ihrer Entscheidung - nach Kenntnisnahme meines Berichts -, inwieweit eine endgültige Desinfizierung der Begriffe anberaumt werden sollte. -
Aber zurück zum Thema:
Damals hatte ich die Aufgabe übernommen, diesen Bericht anzufertigen... Nach seiner Fertigstellung habe ich den Antrag gestellt, ihn heute ihnen, dem Ausschuß für zukünftige Fragen, vorzulegen. Ich kann ihnen versichern, er entbehrt aus den uns allen bekannten Gründen nicht der notwendigen Objektivität und genügt allen bekannten wissenschaftlichen Kategorien.
Wollen wir uns kurz die Gründe für diese seine in der Geschichte der Menschheit so außerordentliche Objektivität in Erinnerung rufen: Im wissenschaftlich-technischen Zeitalter war der Menschheit die totale Erkenntnis der Welt gelungen; das heißt, eine Utopie war verwirklicht worden: die Herstellung der absoluten Übereinstimmung der Erkenntnis mit ihrem Gegenstand war erreicht. Über diesen Erfolg vergaßen die Menschen jedoch, was dieser Erfolg für sie und die Welt bedeutete: daß fortan im Spiele ihrer Begriffe die Welt ins Spiel gesetzt war. Es folgte das Zeitalter der Postmoderne. So nannten es zeitgenössische Theoretiker. Dieser Zeitgeist dokumentiert die Verdrängungsleistung und das Vergessen der Unfähigkeit der Menschen, ihre Errungenschaften zu verantworten. Hieraus erwuchs die Situation, in der wir nun gefangen sind. Über das Ja oder Nein der Fortentwicklung dieses unseres Zustandes haben sie - sehr verehrte Damen und Herren des Ausschußes -, auf der Grundlage meines Berichts, in nächster Zeit eine Entscheidung zu treffen. Das ist eine Aufgabe, um die sie gewiß nicht zu beneiden sind.
Mein Bericht stellt anhand ausgewählter repräsentativer Beispiele die Situation in der Welt dar, nachdem jene Entscheidung der Menschen getroffen und gleichsam in die Tat umgesetzt war, die uns heute zusammenführt. Die Kapitel meines Berichts folgen der Chronologie der von mir protokollierten Beobachtungen und dokumentieren die letzten Worte der Menschheit und ihrer... ja, wie soll ich sagen? - ihrer im Laufe ihrer Geschichte erzeugten und manifest gewordenen Projektionsleistungen - zu denen - schließlich und endlich - auch wir gehören.
Die erste in meinem Protokoll skizzierte Beobachtung ist mein Besuch als Interviewer bei der Frau eines Wissenschaftlers. Ich lese aus meinem Protokoll:
Regie: Der erste Teil des Interviews ist wie ein Eingangsmonolog gehalten: langsam, überlegt, gleichmäßig betont vorgetragen; die Frau spricht wie zu sich selbst. Ihre Augen schauen nicht hinaus; sie wirkt in sich gekehrt. Die Sprecherin liest die ersten Wörter „(Wissen sie)“ nicht; der Chronist liest sie allein. Die unterstrichenen Wörter lesen sie gemeinsam, dann ließt sie allein weiter. Der Chronist nimmt seinen Umhang und geht hinter das Laken.
Bild: Seitlich gegenüber dem Laken sitzt die Frau auf einem Stuhl; in der Mitte ein Tisch, darauf ein Kassettenrekorder.
Während des Eingangsmonologs starrt die Darstellerin in Richtung Laken. In dem Moment, wo der Schatten durch eine Lichtquelle hinter dem Laken sichtbar wird (auf dem Schatten eines Stuhls der Schatten des Mannes, d.i. der Interviewer), schaut sie zum Publikum.
Chronist: Ein Interviewer -I- trifft sich mit der Frau eines Wissenschaftlers -F- und stellt ihr Fragen. Die Frau sagt: „Wissen sie - es gibt Dinge“
F: (Wissen sie) - es gibt Dinge, die man nicht vergessen kann.
Pause - geht in sich
Ja - ich glaube fast, nichts kann man eigentlich vergessen. Das Sterben ist nichts als ein Ansammeln von Ereignissen, - bis wir zerplatzen - oder auseinandergehen;