Geständnis in Brighton Valley - Judy Duarte - E-Book

Geständnis in Brighton Valley E-Book

Judy Duarte

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Beschreibung

Mallory ist wieder da! Ricks Leben steht Kopf, als seine Jugendliebe nach Brighton Valley zurückkehrt. Denn sie beichtet ihm: Er ist der Vater ihres Sohnes! Doch auch wenn er sich nach ihr verzehrt und alles geben würde für eine zweite Chance, ist sie bereits fest vergeben. Was nun?

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Seitenzahl: 188

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IMPRESSUM

Geständnis in Brighton Valley erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2014 by Judy Duarte Originaltitel: „The Daddy Secret“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRABand 55 - 2018 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Renate Moreira

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2023.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751522526

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Mallory Dickinson hatte sich schon vor Jahren geschworen, nie mehr nach Brighton Valley zurückzukehren. Doch jetzt war sie wieder hier, zurück in der Stadt, in der sie nie mehr hatte leben wollen. Sie stand am Fenster ihres neu angemieteten Hauses und sah dabei zu, wie der nun leere Umzugswagen die baumgesäumte Straße hinunterfuhr. Es war eine angenehme, ruhige Gegend, und sie hatte außerdem den Vorteil, dass sie sich ganz in der Nähe des Brighton Valley Medical Centers befand, in dem gerade ihr Großvater, ein erst kürzlich pensionierter Pfarrer, lag.

Alice Reilly, die als Teilzeitkraft für die Kirchengemeinde arbeitete, wohnte auf der anderen Straßenseite. Es war einzig und allein der Aufmerksamkeit dieser gutherzigen Frau zu verdanken, dass, nachdem ihr Großvater bewusstlos aufgefunden worden war, sofort ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Sie war es auch gewesen, die Mallory angerufen und sie über den schlechten Gesundheitszustand ihres Großvaters informiert hatte. Und anschließend hatte sie ihr noch ein Haus in der Nachbarschaft vermittelt, damit Mallory hierherziehen und ihren Großvater unterstützen konnte.

Während sie sich im Wohnzimmer umschaute und daran dachte, wie viel sie noch auszupacken hatte, hörte sie plötzlich ein lautes Bellen, gefolgt von einigen dumpfen Geräuschen und Gepolter.

Sie wandte sich der Eingangstür zu, die die Umzugsleute offenbar nicht richtig geschlossen hatten und sah, wie ein großer Hund mit schmutzigen Pfoten in ihr Haus rannte, dabei ins Rutschen geriet und schließlich schlitternd vor ihr zum Stehen kam.

„Hey!“, rief sie. „Du gehörst gar nicht hierher.“

Die Promenadenmischung schaute sie allerdings so freundlich an, dass sie den Mut fand, nach seinem blauen Halsband zu greifen, bevor er ihre schönen Holzdielen noch mehr beschmutzte. Doch bevor sie ihn richtig packen konnte, wich der Hund aus, stieß gegen einen Beistelltisch, und die Kristallvase ihrer Großmutter, in der die gelben Rosen standen, die Alice ihr vor einer Stunde als Einzugsgeschenk gebracht hatte, fiel zu Boden.

Mallory zuckte erschrocken zusammen, als die Vase zu Bruch ging und sich das Wasser samt der Rosen über den Boden ergoss.

Die Vase war, zusammen mit anderen wertvollen und zerbrechlichen Dingen, in einem Umzugskarton mit der Aufschrift Priority verpackt gewesen. Sie hatte ihn sofort geöffnet, als der Umzugswagen angekommen war, um sicherzugehen, dass nichts darin beschädigt worden war.

Glücklicherweise hatte sie aber alles in gutem Zustand vorgefunden und als Alice die Blumen vorbeibrachte …

Sie schob den Grund, warum sie etwas so Wertvolles so früh aufgestellt hatte, rasch zur Seite und wandte sich wieder dem Hund zu, der jetzt zur Treppe lief.

Bevor sie protestieren oder über den nachlässigen Hundehalter fluchen konnte, der den Hund einfach unbeaufsichtigt herumlaufen ließ, rannte der Vierbeiner auch schon nach oben und hinterließ dabei Schmutzspuren auf dem neuen beigen Teppich.

„Nein!“, schrie sie aufgebracht. „Was machst du denn da? Komm sofort zurück.“

Doch bevor sie diesem verdammten Hund hinterherlaufen konnte, hörte sie plötzlich die Stimme eines Mannes hinter sich. „Entschuldigen Sie bitte, aber ist hier gerade ein Hund hineingelaufen?“

Mallory wirbelte empört herum, bereit, dem Hundebesitzer eine deftige Lektion zu erteilen und ihm zu erklären, dass er die Kosten für die Reinigung des Teppichs zu tragen hatte, als sie vollkommen unerwartet in ein bekanntes Gesicht blickte.

Rick Martinez?

Ihr stockte der Atem, und ihr Mund klappte auf. Sie war sich nicht sicher, was sie mehr überraschte … die Tatsache, dass der berüchtigte Bad Boy aus der Brighton Valley Highschool, jetzt eine sündhaft attraktive Erwachsenenversion, in ihrem Türrahmen stand … oder dass sie immer noch die gleiche atemlose Reaktion wie früher auf die umwerfend blauen Augen zeigte, die sie nie mehr zu sehen erwartet hatte.

„Mallory?“, fragte er und war eindeutig ebenso überrascht wie sie.

Sie schloss den Mund wieder und wollte etwas erwidern, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken.

Schließlich gelang es ihr wenigstens zu nicken.

Sein Blick fiel nun auf die zerbrochene Vase und die schmutzigen Pfotenabdrücke auf dem Boden. „Oh, nein. War das etwa Buddy? Das tut mir sehr leid. Ich werde natürlich für den Schaden aufkommen. Wo ist er denn hingelaufen?“

Sie wies nach oben.

Rick pfiff und rief dann laut: „Buddy!“

Ein Bellen ertönte, und der Hund kam mit heraushängender Zunge die Treppe heruntergesaust und lief freudig auf sein Herrchen zu.

Als er sich vor ihn setzte, wedelte sein Schwanz wie ein dreckiger Staubwedel über den Holzboden, und Rick griff schnell nach dem Halsband des Hundes und befestigte die Leine daran. Anschließend richtete er sich auf und schaute sich im Wohnzimmer um, das immer noch voller Umzugskartons stand. „Ziehst du hier gerade ein?“

Bei dieser Frage gelang es ihr endlich, das Wort zu sagen, das bereits ihr Nicken angekündigt hatte. „Ja.“

„Na so eine Überraschung!“

Ja, das war es tatsächlich.

Denn sie hatte Rick einst von ganzem Herzen geliebt. Aber die Dinge hatten sich geändert.

Er hatte sich verändert.

Sie hatte sich verändert.

Für einen kurzen Moment blieben sie wie gefangen in einer seltsamen Zeitschleife, in der nichts einen Sinn zu ergeben schien, stehen. Die Luft war so aufgeladen, dass es schwer wurde zu atmen.

Rick schien sich als Erster wieder gefangen zu haben, denn er schaute erneut auf das Desaster, das sein Hund angerichtet hatte. „Es tut mir wirklich sehr leid, Mallory. Buddy hat das Herz eines Welpen und muss deshalb noch viel lernen. Er ist wohl über den Zaun gesprungen, um die Nachbarschaft zu erforschen. Ich werde ihn wieder nach Hause bringen und dann noch einmal zurückkommen, um dir beim Aufräumen zu helfen.“

Nach Hause? Bedeutete das etwa, dass Rick Martinez einer ihrer Nachbarn war?

Wenn sie das gewusst hätte, wäre sie niemals in diese Gegend gezogen. Sie hatte angenommen, dass er bereits vor Jahren die Stadt verlassen hatte und sich irgendwo auf der Welt herumtrieb.

Nun, offensichtlich war ihre Annahme falsch gewesen.

Aber sie würde seine Hilfe bestimmt nicht akzeptieren. Auf keinen Fall.

„Das ist nicht nötig“, meinte Mallory deshalb. „Ich kümmere mich schon alleine darum.“

„Aber ich kann dich doch mit diesem Tohuwabohu nicht allein lassen.“

Warum konnte er das denn nicht? Sie hatten in jüngeren Jahren auch ein – weitaus schwerwiegenderes – Tohuwabohu angerichtet, und sie hatte es damals auch allein aufräumen müssen. Oder etwa nicht?

„Du bist also wieder in der Stadt“, sagte er erneut, als ob er Schwierigkeiten damit hätte, es zu glauben. Aber warum sollte er auch nicht überrascht sein? Sie hatte schließlich selbst nicht vorgehabt, jemals wieder hierher zurückzukehren.

„Mein Großvater ist schwer erkrankt“, erklärte sie. „Und ich möchte deshalb in seiner Nähe sein.“

Mallorys Großeltern hatten sie aufgezogen, nachdem ihre Eltern gestorben waren. Ihre Großmutter hatte bereits das Zeitliche gesegnet, und ihr Grandpa war nun alles, was ihr noch von ihrer Familie geblieben war.

Grandpa und Lucas.

Oh, nein. Lucas.

Bitte lass ihn noch eine Weile bei Alice bleiben! Ich brauche erst noch ein wenig Zeit, um über alles nachdenken und entscheiden zu können, was ich sage und zu wem.

Die Dinge waren kompliziert. Und es wäre mehr als schwer, irgendjemandem die letzten Jahre erklären zu müssen. Besonders, da sie es selbst kaum glauben konnte, wie schicksalhaft alles gelaufen war.

„Nun“, meinte Rick. „Ich bringe dann jetzt wohl besser mal Buddy nach Hause. Aber es war mein Ernst, als ich sagte, dass ich dir gerne aufräumen helfen will. Und ich werde natürlich für den Schaden aufkommen, den der Hund angerichtet hat. Wie die zerbrochene Vase und die Teppichreinigung.“

„Vergiss es einfach“, erwiderte Mallory, die es kaum erwarten konnte, endlich hier aufzuräumen und ihr neues Zuhause und ihr Leben wieder in Ordnung zu bringen. Wie so oft in ihrem früheren Leben hatte Rick sie auch dieses Mal wieder vollkommen aus der Balance geworfen.

Als Rick mit dem Hund nach draußen gegangen war, folgte ihm Mallory bis auf die Veranda und wartete dann, bis er die Straße betreten hatte. Erst danach ging sie wieder ins Haus, schloss die Tür hinter sich und seufzte erleichtert auf.

Natürlich war sie nicht so naiv zu glauben, dass die Erleichterung lange anhalten würde. Denn da Rick offenbar in der Nähe lebte, würden sie sich zwangsläufig wieder begegnen. Und eines Tages würde ihm dann auch ganz sicher Lucas über den Weg laufen.

Sie hatte keine Ahnung, wie Rick reagieren würde, wenn sie ihm von der erstaunlichen Verkettung von Ereignissen erzählte, die stattgefunden hatten, seit sie Brighton Valley verlassen hatte.

Falls sie überhaupt etwas zu ihm sagen würde, denn sie war jetzt vielleicht älter und lebenserfahrener, aber zum zweiten Mal in ihrem Leben hatte Mallory Angst vor dem, was die Zukunft bringen könnte.

Es geschah nicht jeden Tag, dass ein Mann plötzlich und unerwartet in eine Frau lief, die einst seine große Liebe gewesen war und ihm dann als Teenager das Herz gebrochen hatte. Es war also kein Wunder, dass Rick es fast nicht glauben konnte, Mallory Dickinson tatsächlich begegnet zu sein und dass diese jetzt sogar in Brighton Valley lebte und noch dazu in seiner Straße.

Ihm war praktisch die Luft weggeblieben, als er ihr – so plötzlich, als wäre sie vom Himmel gefallen – gegenübergestanden hatte. Ihr schulterlanges blondes Haar war noch genauso glänzend wie er es in Erinnerung hatte und ihre großen grünen Augen noch ausdrucksstärker als früher. Sie war immer noch sehr schlank, aber ihre Figur hatte sich an den richtigen Stellen gerundet und war jetzt noch aufregender geworden.

Als Teenager war er besonders verletzlich und reizbar gewesen – vor allem, weil er so oft die Schule hatte wechseln müssen. Am Ende seines Juniorjahres war er schließlich auf der Brighton Valley Highschool gelandet und kurz davor gewesen, die Schule abzubrechen, als er Mallory in der Cafeteria der Highschool sah. Vom ersten Augenblick an hatte er sich in sie verliebt. In das Mädchen mit den guten Noten, die zur Kirche ging, obwohl es gar nicht Sonntag war und die – das war das Unglaublichste für ihn – seine Gefühle sogar erwiderte.

Die bildhübsche Blonde und ein ordentlicher Schub jugendlicher Hormone hatten letztendlich erreicht, was Lehrer, einschließlich Vertrauenslehrer und Psychologen nicht geschafft hatten – er setzte sich hin und lernte. Und auf einmal machte er seine Hausaufgaben, schrieb gute Tests und musste auch nicht mehr nachsitzen. Seit Mallory in sein Leben getreten war, hatte er das Gefühl, dass endlich jemand an seinem Leben und an seiner Zukunft interessiert war.

Aber die Dinge waren oft nicht so, wie sie schienen. Was immer er für Mallory empfunden hatte, hatte sich letztendlich als Schlag ins Gesicht verwandelt und ihn über alle Maßen verletzt. Wieder einmal war er von einem Menschen, von dem er gedacht hatte, er würde ihn lieben, im Stich gelassen worden.

Buddy zog an der Leine und Rick schaute zu seinem Hund hinunter. „Was soll ich nur mit dir machen, Junge? Du musst endlich aufhören, über den Zaun zu springen oder dich aus dem Garten zu buddeln.“

Nachdem er mit dem Hund die Straße überquert hatte, kam ein dunkelhaariger Junge aus Alice Reillys Haus und sprang die Verandatreppe hinunter. Rick hatte ihn noch nie zuvor in der Nachbarschaft gesehen. Aber Alice nahm gerne immer mal wieder irgendwelche vernachlässigten Herumtreiber auf – so wie Rick es auch tat, nur dass ihre zwei Beine statt vier hatten.

„Hey“, rief der Junge ihm zu. „Das ist aber ein hübscher Hund. Wie heißt er?“

„Buddy.“

„Kann ich ihn mal streicheln?“

„Klar.“ Rick hielt den Hund fest, während der Junge durch das Gartentor zu ihm gelaufen kam.

Buddy war eines der Tiere, die Rick gerettet hatte. Er war von einigen Collegestudenten, die ihn am Straßenrand gefunden hatten, zur Tierarztpraxis gebracht worden. Buddy war unterernährt und dehydriert, verletzt und mehr tot als lebendig gewesen, als die jungen Leute ihn dort hingebracht hatten.

Rick hatte den Hund in dem Wissen aufgenommen, dass er niemals Geld für seine Behandlung sehen würde. Die Jugendlichen waren danach auch tatsächlich nicht mehr vorbeigekommen.

Buddy hatte sich dank Antibiotika und guter Behandlung wieder vollständig erholt und Rick hätte ihm gerne einen schönen Platz in einem neuen liebevollen Zuhause gesucht, aber ihm war rasch klar geworden, dass der Hund erst etwas Gehorsam lernen musste, bevor er ihn vermitteln konnte. Denn ansonsten würden ihn seine neuen Besitzer wegen seiner ungestümen Art schnell wieder in ein Tierheim stecken.

Als der Junge den Kopf des Hundes streichelte, schleckte der Vierbeiner dessen Wange ab, was das Kind sofort zum Lachen brachte. „Er mag mich!“

„Das kann ich sehen.“

„Ich wünschte, ich hätte auch einen Hund“, gestand ihm der Junge.

„Wirklich? Buddy sucht nämlich gerade nach einem Zuhause.“

„Tatsächlich?“ Das Kind sah ihn mit großen blauen Augen an. Augen, die denen seines jüngeren Bruders sehr ähnelten. „Du meinst, Buddy lebt gar nicht bei dir?“

„Doch, aber nur so lange, bis ich einen Platz in einer liebevollen Familie für ihn gefunden habe.“

„Wow. Es wäre so cool, wenn ich einen eigenen Hund hätte! Ich habe mir immer einen gewünscht, aber als wir in der Stadt gewohnt haben, hat mein Dad gemeint, es wäre nicht fair einem Tier gegenüber, es den ganzen Tag in der Wohnung einzusperren. Aber jetzt wohne ich ja in einem Haus mit einem Garten.“

Eine Fliegengittertür öffnete sich quietschend und Alice Reilly trat hinaus auf die Veranda. „Oh, Lucas, wie ich sehe, hast du Dr. Martinez schon kennengelernt.“

Der Junge, der nun über die Schulter zu Alice schaute, wandte sich jetzt wieder Rick zu. „Sie sind ein Doktor?“

„Ja. Ich bin Tierarzt.“

„Cool. Genau wie Dr. Doolittle? Buddy hat echt Glück, dass er Sie hat.“

Rick lachte. „Buddy scheint das aber anders zu sehen. Offenbar hält er nämlich immer noch Ausschau nach einem besseren Platz, ansonsten würde er in meinem Garten bleiben und nicht andauernd so an der Leine ziehen.“

„Wenn man es mir erlaubt, würde ich ihn gern nehmen“, erwiderte Lucas. „Wir müssten aber bestimmt auch einen höheren Zaun haben.“

Rick betrachtete das Kind aufmerksam und bemerkte, dass es dunkelbraune Haare und eine Stirnlocke hatte, die fast wie seine eigene wuchs. Seine blauen Augen standen wie bei ihm ganz im Gegensatz zu seiner dunkler getönten Haut. Aber Rick hatte schließlich auch mexikanisches Blut und blaue Augen. Das gab es öfter. Seine olivfarbene Haut hatte er von seinem Vater und die blauen Augen von seiner norwegischen Mutter geerbt.

Rick hatte es nie verstanden, warum seine Eltern geheiratet hatten und so lange zusammengeblieben waren, bis sie schließlich irgendwann jeden um sich herum unglücklich gemacht hatten.

Er hatte Genetik immer sehr interessant gefunden, Psychologie war hingegen nie sein Lieblingsfach gewesen. Vielleicht weil seine Familie so asozial und gestört gewesen war, dass selbst die motiviertesten Therapeuten irgendwann aufgegeben hätten.

Rick schaute hinüber zu dem Haus, in dem Mallory gerade eingezogen war und dann wieder zu dem Jungen, namens Lucas.

Nein, das konnte nicht sein! Mallory war einer der ehrlichsten Menschen, die er je gekannt hatte. Sie hätte ihn niemals so sehr hintergehen können. Außerdem hatte dieser Lucas einen Dad und Eltern erwähnt, und Mallory war so, wie es aussah, nicht verheiratet. Zumindest hatte er keinen Ring an ihrem Finger gesehen, als Rick auf ihre Hand geschaut hatte.

Trotzdem würde er in den nächsten Tagen mal mit ihr reden müssen. Es gab nämlich einige Dinge, die er sie gern gefragt hätte. Vor allem, warum sie damals nicht nach Brighton Valley zurückgekehrt war, obwohl sie es ihm fest versprochen hatte und warum sie danach nie mehr auf seine Anrufe und Nachrichten reagiert hatte. Immerhin waren sie jetzt Nachbarn und würden sich deshalb zwangsläufig öfter über den Weg laufen, da sollte die Vergangenheit schon geklärt sein.

„Ich muss mich jetzt leider wieder auf den Weg machen“, erklärte er Lucas und Alice. „Ich muss nämlich dringend meinen Zoo füttern.“

„Du hast einen eigenen Zoo?“, fragte der Junge fasziniert und seine Augen wurden noch größer.

Rick lachte laut. „Es fühlt sich zwar manchmal so an, aber nein, es ist kein richtiger Zoo. Bei mir leben allerdings einige Tiere, die ich gesund gepflegt habe. Sie haben noch keine neuen Besitzer oder können aufgrund ihres Zustandes noch nicht wieder in die Natur entlassen werden. Vielleicht willst du mich ja mal mit Alice besuchen kommen.“

„Wäre das möglich, Mrs. Reilly?“, fragte Lucas die ältere Frau hoffnungsvoll.

„Es würde mir sogar große Freude machen“, meinte Alice. „Natürlich nur solange wie wir Dr. Martinez nicht stören.“

Nachdem Rick sich von den beiden verabschiedet hatte, warf er noch einmal einen Blick auf das Haus und den Garten von Mallorys neuem Zuhause.

Während er mit Buddy weiterlief, wanderten seine Gedanken unwillkürlich zu dem Baby, dass er und Mallory gezeugt und das sie dann zur Adoption freigegeben hatten. Er wusste nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen gewesen war, aber er dachte noch viel an dieses Kind und ganz besonders jetzt, als er mit einem Jungen geredet hatte, der in einem Alter war, in dem ihr Kind jetzt auch sein müsste.

Er hoffte sehr, dass sein Kind in eine liebevolle und gute Familie gekommen war. Die Angst, dass er dem armen Kind vielleicht nichts Besseres hätte geben können als seine Eltern ihm und seinem kleinen Bruder Joey, war letzten Endes der einzige Grund gewesen, warum er die Adoptionspapiere überhaupt unterschrieben und damit jedes Band zu seinem Sohn oder seiner Tochter zerschnitten hatte.

Das und die Tatsache, dass Mallory und ihre Großeltern ihm eigentlich keine andere Wahl gelassen hatten.

Nachdem sie an diesem Abend Essen gemacht und dann Lucas gebadet hatte, ging Mallory unter die Dusche. Anschließend zog sie sich ein Nachthemd und einen dünnen Morgenmantel an, ging mit einem Buch ins Wohnzimmer und machte es sich auf der Couch bequem.

Sie hatte erst wenige Seiten gelesen, als es auf einmal an der Haustür klopfte.

Wer konnte das um diese Uhrzeit sein?

Vielleicht einer der Nachbarn, der sie in Brighton Valley willkommen heißen wollte? Aber es war schon fast zwanzig Uhr und damit für solche Art von Besuchen eigentlich schon etwas spät. Sie legte den Roman zur Seite, stand auf und ging zur Tür.

„Ja, bitte?“, fragte sie, bevor sie die Hand auf den Knauf legte.

„Mallory, ich bin es, Rick Martinez.“

Beim vertrauten Klang seiner Stimme machte ihr Herz unwillkürlich einen Satz.

Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie bewegungslos dastand und sich fragte, was sie jetzt tun sollte.

„Bist du noch da?“

Nun, sie würde wahrscheinlich sowieso nicht darum herumkommen, also atmete sie einmal tief durch, bevor sie den Sicherheitsriegel aufschob und die Tür öffnete.

Draußen dämmerte es bereits und als er jetzt im Licht der Veranda in verwaschenen Jeans und einem schwarzen T-Shirt vor ihr stand, wirkte er längst nicht mehr so erwachsen, wie er es zuvor getan hatte, sondern erinnerte sie viel mehr an den rebellischen Teenager, den sie einst gekannt hatte.

„Ich hoffe, ich störe dich nicht.“ Sein Blick glitt von ihren Augen über ihre Lippen, zu ihrem Hals und dann noch tiefer hinunter, bis er schließlich wieder zu ihrem Gesicht hinaufwanderte.

Sie war so damit beschäftigt gewesen, dass er immer noch wie der Rebell aussah, der er einst gewesen war, dass sie ganz vergessen hatte, dass sie momentan nur einen dünnen Morgenmantel und ein noch dünneres Nachthemd trug.

„Ich … uh …“ Sie sah rasch an sich hinunter und hoffte, dass man durch den dünnen, weichen Stoff nicht ihre Brustwarzen sehen konnte.

„Es gibt ein paar Dinge, über die ich gern mit dir reden würde“, erklärte er. „Ich denke, dass eine Aussprache unser Leben als Nachbarn bestimmt erleichtern würde.“

Sie verschränkte daraufhin die Arme vor der Brust. „Ja, ich weiß. Und du hast wahrscheinlich recht. Aber im Moment ist es keine gute Zeit dafür.“

„Warum denn nicht?“

Dafür gab es viele Gründe. Einer davon war, dass sie unglaublich lange gebraucht hatte, bis sie den Schmerz über ihre Trennung überwunden hatte. Also warum sollte sie jetzt noch einmal alles aufrühren?

Außerdem war Lucas in seinem Zimmer, obwohl es oben so leise war, dass er vielleicht auch schon eingeschlafen war.

Aber vor allem wollte sie nicht mit Rick reden, während sie in diesem Nachthemd und dem dünnen Morgenmantel vor ihm stand. Genau so wie früher fühlte sie sich in seiner Nähe unsicher und aufgeregt. Offensichtlich hatte sich nichts daran geändert.

Alles andere in ihrem Leben allerdings schon. Denn sie hatte sich bereits vor Jahren von ihrer gefährlichen Rick-Martinez-Sucht befreit.

Es gab mittlerweile sogar einen neuen Mann in ihrem Leben, einen Börsenmakler, der genug für sie empfand, um sich von seiner Investmentfirma in ihre Nähe versetzen zu lassen.

Brian Winslow rief zwar nicht diese Leidenschaft in ihr hervor, die sie bei Rick gefühlt hatte, aber sie waren ja auch erwachsene Menschen. Sie hatten gemeinsame Interessen und Ziele – Dinge, die für eine dauerhafte Beziehung unerlässlich waren.

Ricks Blick glitt erneut über ihren Hals und ihre Brüste und ihr Herz begann, noch schneller zu schlagen. Sie versuchte, die Macht, die er anscheinend immer noch über sie besaß, zu ignorieren und hoffte, dass diese Gefühle sich nach ihrer Aussprache für immer in Luft auflösen würden. Am besten wäre es, wenn Rick gleich mitverschwinden würde.

Aber sie würde ihn auf keinen Fall im Nachthemd ins Haus bitten und alles noch peinlicher machen, als es sowieso schon war.

Sie hätte nie im Leben geglaubt, dass Rick in Brighton Valley bleiben würde, besonders weil sie wusste, wie gedemütigt er gewesen war, als sein Onkel ins Gefängnis kam, weil er seine Tante krankenhausreif geschlagen hatte.

„Ich … Heute Abend ist einfach kein guter Zeitpunkt“, erklärte sie. „Wenn du morgen wiederkommen möchtest, wäre das für mich in Ordnung.“

Er machte allerdings keinerlei Anstalten zu gehen und erneut breitete sich ein unangenehmes Schweigen zwischen ihnen beiden aus.

Erinnerungen kehrten schlagartig zurück und mit ihnen auch die erotische Spannung, die wie Leuchtkäfer um sie herumschwirrten.

Was sie jetzt unbedingt brauchte, war eine Ablenkung.

Aber die, die sie bekam, war nicht die, die sie wollte.