Bianca Extra Band 132 - Judy Duarte - E-Book
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Judy Duarte

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Beschreibung

NUR EINER KANN DEIN HERZ GEWINNEN von JUDY DUARTE Wenn Sofias Unternehmensberatung den renommierten Lone Star Award erhält, haben sich alle Opfer für ihre Karriere gelohnt! Doch ausgerechnet der erfolgreiche Beau Fortune ist ihr Rivale – und so sexy, dass sie einen heißen Kuss lang glatt vergisst: Nur einer kann gewinnen! WARUM SCHWEIGST DU, GELIEBTER? von CHRISTINE RIMMER Ein inniger Moment: Rancher Miles hilft seiner schönen Nachbarin Josie, ihr Baby zur Welt zu bringen. Auch danach ist er wie ein Daddy für den kleinen Davy – ist es da nicht vernünftig zu heiraten? Aber als Josie ihm gesteht, dass sie sich in ihn verliebt hat, schweigt Miles … DIESE NACHT VERÄNDERT ALLES von HELEN LACEY Seit Kindertagen ist Grant ihr bester Freund. Logisch, dass Winona ihn bittet, ihr Trauzeuge in Las Vegas zu sein. Doch der Bräutigam versetzt sie, Grant tröstet sie – und am nächsten Morgen erwacht Winona neben ihm! Die süßen Folgen dieser Nacht werden alles zwischen ihnen verändern … AMOR AUF VIER PFÖTCHEN von CATHERINE MANN Mitternachtsrunden mit der hübschen Lucy und ihrem süßen Hund, die funkelnden Sterne über ihnen und das Gefühl, endlich frei für die Liebe zu sein – Cowboy Riley ist glücklich! Bis plötzlich ein dunkler Schatten der Vergangenheit auf seine neue Liebe fällt …

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Judy Duarte, Christine Rimmer, Helen Lacey, Catherine Mann

BIANCA EXTRA BAND 132

IMPRESSUM

BIANCA EXTRA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© Deutsche Erstausgabe 2024 in der Reihe BIANCA EXTRA, Band 132

© 2022 by Harlequin Enterprises ULC Originaltitel: „Anyone But a Fortune“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Rainer Nolden

© 2022 by Christine Rimmer Originaltitel: „First Comes Baby…“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Anke Laumann

© 2021 by Helen Lacey Originaltitel: „The Night That Changed Everything“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Andrea Cieslak

© 2021 by Catherine Mann Originaltitel: „The Cowboy’s Christmas Retreat“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Anke Laumann

Abbildungen: Wavebreakmedia / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751523455

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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Nur einer kann dein Herz gewinnen

1. KAPITEL

Eine leichte Brise raschelte durch das Laub in den Bäumen, als Beau Fortune mit seinem Australian Shepherd zum Hundepark in Rambling Rose schlenderte. Noch lieber wäre er neben dem Radweg entlang gejoggt, aber zumindest konnte er seinen Bizeps trainieren, denn der neun Monate alte Rettungshund seines Nachbarn zerrte mit aller Kraft an seiner Leine.

Beau liebte Tiere, aber in seinem Leben war für einen Hund bisher noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen. Deshalb kümmerte er sich gern um M.P., Dan Gallaghers jungen, dennoch bereits ziemlich großen Hund. Dans Frau war vor sechs Monaten gestorben. Tagsüber hatte er zwar viel zu tun, aber die Abende waren öde und einsam. Deshalb hatte Beau ihm geraten, sich ein Tier anzuschaffen. Dan hatte den Vorschlag sofort in die Tat umgesetzt und in Erinnerung an seine Armeezeit den Hund M.P. genannt. Im Nachhinein keine gute Idee. Denn der Hund benahm sich überhaupt nicht wie jemand von der Military Police; er folgte keinem Befehl, sondern nur seinem eigenen Kopf. Trotzdem musste man ihn einfach gernhaben.

M.P. schnupperte an einem Busch und bellte einem Vogel hinterher, der erschreckt aufflatterte. Im selben Moment klingelte Beaus Handy.

Das war vermutlich sein Bruder Draper, der auch sein Geschäftspartner und Mitbewohner war. Wahrscheinlich wollte er ihm über die Videokonferenz mit seinem Vater berichten, an der er am Nachmittag teilgenommen hatte.

Als Beau sein Handy aus der Tasche fischte, machte M.P. einen Sprung nach vorn. Sowohl die Leine als auch das Telefon fielen ihm aus der Hand; letzteres mit dem Display in den Staub.

„Mist.“ Beau bückte sich, bekam die Leine aber nicht mehr zu fassen, denn sofort stürzte M.P. mit lautem Gebell vorwärts. Er rannte quer durch den Park auf eine Frau zu, neben der ein weißer Hund mit flauschigem Fell und einem roten Halsband trottete. Die Frau warf eine blaue Plastikscheibe in die Luft, und ihr gehorsames Haustier rannte hinterher, um es zu apportieren. Mit der Scheibe zwischen den Zähnen lief er zu seiner Besitzerin zurück.

Offenbar wollte M.P. mitspielen. Beau stieß einen Fluch aus und ignorierte den Anruf.

„Bei Fuß!“, rief er, doch M.P. beachtete ihn gar nicht, sondern rannte schwanzwedelnd weiter. „Blöder Köter.“

Rasch nahm die Frau ihren viel kleineren Hund auf den Arm, um ihn zu beschützen. Natürlich konnte sie nicht wissen, dass M.P. nur spielen wollte.

„Keine Sorge“, rief er der attraktiven dunkelhaarigen Frau zu, die eine schwarze Yogahose und ein rotes Top trug. „M.P. beißt nicht. Weder Ihren Hund noch Sie.“

Er kam näher. Doch als er in ihre braunen Augen schaute, blieb er wie angewurzelt stehen.

Das war sie. Die atemberaubende Brünette, die er vergangenen Monat am Valentinstag im Hotel Fortune getroffen hatte. Sie hatte ein rotes Kleid getragen, das ausgesprochen sexy war, und er war sofort von ihr fasziniert gewesen. Anders als sein Bruder Draper, der kein Problem damit hatte, eine attraktive Frau anzusprechen, war Beau viel zurückhaltender. An diesem Abend jedoch ausnahmsweise nicht. Er hatte sein Glas mit dem Merlot geleert und war quer über die Tanzfläche auf sie zugesteuert in der Absicht, sich ihr vorzustellen.

Doch kaum hatte er sie begrüßt, war ein groß gewachsener, schlanker Mann zu ihnen getreten und hatte Beau mit einem kühlen, bedrohlichen Blick bedacht. Daraufhin hatte er sofort einen Rückzieher gemacht. Nicht, dass er eingeschüchtert gewesen wäre. Er wollte bloß kein Aufsehen erregen.

Nun erhielt er dank einem glücklichen Zufall und M.P.s Kontaktfreude eine zweite Chance.

„Tut mir leid.“ Er hob die Leine vom Rasen auf und zog den Hund zu sich. Dann richtete er sich wieder auf. „Sie erinnern sich vermutlich nicht, aber wir haben uns schon mal getroffen. Jedenfalls irgendwie.“

Ihre pinkfarbenen Lippen verzogen sich zu einem amüsierten Lächeln. „Und ob ich mich erinnere.“

Ehe ihm eine schlagfertige Antwort einfiel, verzog sie das Gesicht und errötete, als habe sie etwas Unangemessenes gesagt. Doch der Ausdruck verschwand im Nu, und sie strahlte ihn an, sodass ihm ganz warm ums Herz wurde.

„Am Valentinstag. Im Hotel Fortune.“ Sie betrachtete M.P. ein paar Sekunden und kam zu dem Schluss, dass er tatsächlich für niemanden eine Gefahr darstellte. Ihr kleiner Hund musste ähnlich empfinden, denn er wand sich in ihren Armen und wollte zurück auf die Wiese.

Beau räusperte sich. „Ich entschuldige mich für M.P.’s Benehmen. Er meint es nur gut, aber er ist ein Rettungshund und muss noch lernen zu gehorchen.“

Sie warf einen Blick auf den flauschigen Hund auf ihrem Arm. „Das ist Pepe. Er ist auch ein Rettungshund.“ Schmunzelnd setzte sie ihn zu Boden, und sofort begannen die beiden Hunde, sich zu beschnüffeln und Freundschaft zu schließen.

„Der Name Impy passt zu ihm“, meinte sie. „Ich glaube, er hat den Schalk im Nacken.“

„Da haben Sie wohl recht, aber eigentlich ist es die Abkürzung für Military Police. Sein Besitzer war bei der Armee.“ Beau betrachtete M.P. „Er gehört mir nicht. Ich passe nur auf ihn auf.“ Mit einer Kopfbewegung deutete er zu Pepe, der offensichtlich einen Cockerspaniel in seinem Stammbaum hatte. „Kommen Sie beide öfter hierher?“

„Ich versuche es. Meine Arbeitszeiten sind ziemlich unregelmäßig. Deshalb verbringe ich so viel Freizeit wie möglich mit Pepe. Ich habe auch einen Hundesitter, zwei sogar. Meine Mom und meine Großmutter.“ Mit einer Kopfbewegung deutete sie zu einer Reihe von Häusern, die im spanischen Stil errichtet waren. „Sie wohnen da drüben und passen auf ihn auf, wenn ich bei der Arbeit oder unterwegs bin.“

„Klingt wie ein perfektes Arrangement.“

„Es passt für uns.“

Inzwischen hatten sie schon länger miteinander geredet als auf der Party. Dennoch wusste er mehr über ihren Hund und über ihre Familie als über sie selbst. „Wir haben uns neulich nicht einmal vorstellen können. Ich heiße Beau. Und Sie …?“

Sie überlegte eine Weile, als sei sie nicht sicher, ob sie ihm ein Pseudonym oder ihren richtigen Namen nennen sollte. „Sofia.“

Es musste ihr richtiger Name sein, denn er passte zu ihr. Sie sah ein wenig exotisch aus mit ihrem olivfarbenen Teint, den hohen Wangenknochen, der schmalen Nase und den vollen Lippen, die wie fürs Küssen gemacht waren.

Auch ihre Figur war perfekt geformt. Sie war verdammt attraktiv. Zu schade, dass sie bereits vergeben war.

Oder etwa doch nicht?

„Ich … ähm …“ Er räusperte sich. „Ich wollte Ihren Freund auf der Party nicht verärgern.“

„Sie haben nichts Falsches gemacht. Er hat voreilige Schlüsse gezogen, und ich habe die Dinge richtiggestellt.“

Aus ihrem Mund klang das so einfach, aber da musste mehr vorgefallen sein. Den ganzen Abend hatte Beau sie nicht aus den Augen lassen können. Ihre Anspannung und ihr ernster Gesichtsausdruck waren ihm nicht entgangen. Sie hatte nicht glücklich ausgesehen, und ihr Freund war über irgendetwas ziemlich sauer gewesen.

Beau hoffte inständig, nicht der Grund dafür gewesen zu sein. Vielleicht sollte er das Thema gar nicht mehr zur Sprache bringen. Aber es ließ ihm irgendwie keine Ruhe. „Trotzdem tut es mir leid, wenn ich Ihnen irgendwelche Probleme bereitet haben sollte.“

Sie schob sich eine Strähne ihres langen braunen Haars hinters Ohr. Ein kleiner Diamantstecker blitzte an ihrem Ohr. Sie hatte einen wunderschönen Hals. „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Eigentlich haben Sie mir sogar einen Gefallen getan.“

Beaus Neugier war geweckt. „Wirklich? Wieso?“

Sie schwieg eine Weile. „Sagen wir einfach, dass Beziehungen ziemlich kompliziert sind. Und einige sind nicht dazu bestimmt, länger zu dauern.“

Oh. Also hatten sie wohl Schluss gemacht.

Ehe Beau etwas erwidern konnte, klingelte sein Handy erneut. Wahrscheinlich war es wieder Draper. Und da der Anruf wichtig sein konnte, sollte er ihn besser entgegennehmen. „Tut mir leid, Sofia. Ich möchte nicht unhöflich sein, aber da muss ich rangehen.“ Er griff in seine Tasche.

„Kein Problem. Ich muss sowieso gehen“, entgegnete sie.

Sein Handy klingelte weiter. Aber auf diese Weise konnte und wollte er sie nicht gehen lassen. „Warten Sie eine Minute.“

Sie drehte sich zu ihm um und schaute ihm in die Augen. „Ja?“

„Kommen Sie öfter hierher?“

„Fast täglich.“

„Um dieselbe Zeit?“

Sie nickte und deutete auf das klingelnde Telefon in seiner Hand. „Sie verpassen Ihren Anruf.“

Er lächelte. „Dann sehe ich Sie vielleicht morgen.“

Sie erwiderte sein Lächeln. „Vielleicht tun Sie das.“

Er hoffte es inständig. Wenigstens wusste er jetzt, wo er sie finden konnte.

„Komm, Pepe.“ Sie schnippte mit den Fingern und trat den Rückweg ab. Gehorsam lief der Hund neben ihr her. Er folgte ihr sogar ohne Leine.

Beau wischte mit dem Finger übers Display und hielt das Handy ans Ohr. „Tut mir leid, dass ich nicht sofort rangegangen bin, Bruderherz. Wie ist das Treffen gelaufen? Nur der übliche monatliche Lagebericht?“

„Ja. Aber es gibt ein Problem. Die Website ist zusammengebrochen.“

„Oje. Sind wir gehackt worden?“

„Danach sieht es nicht aus. Eher nach einem Programmfehler. Die Techniker arbeiten daran. Sie hoffen, es bald wieder hinzukriegen.“

„Gut.“ Beau schaute über seine Schulter. Sofia und ihr Hund hatten den Fußweg fast erreicht.

M.P. jaulte. Offenbar bedauerte er es, dass sein neuer Freund fortging. Beau konnte es ihm nachempfinden. Er fühlte sich genauso …

„Aber ich habe auch gute Neuigkeiten“, fuhr Draper fort. „Ich habe gerade erfahren, dass Fortune Investment für den Lone Star Best Award nominiert wurde.“

Die Neuigkeit sorgte dafür, dass Beau sich wieder auf das Telefongespräch konzentrierte. „Echt jetzt?“ Der renommierte Preis wurde auch an Unternehmen der Industrie und nicht nur in der Finanzbranche verliehen. „Das sind ja wirklich gute Nachrichten.“

„Nicht wahr? Die Leute fangen allmählich an, uns zur Kenntnis zu nehmen.“ Draper klang so aufgeregt wie ein Tennisspieler, der zu Beginn seiner Karriere bereits das Grand-Slam-Turnier gewonnen hatte. „Wir sind am Freitag zu einem Mittagessen für die Nominierten in Austin eingeladen. In der nächsten Runde geht es um eine Art Kommunikationswettbewerb. Und bei diesem Essen bekommen wir weitere Infos.“

„In der nächsten Runde?“, fragte Beau verständnislos.

„So, wie ich es verstanden habe, war die Nominierung die erste Runde. Ein Expertengremium hat über die möglichen Preisträger entschieden. Wir gehören dazu. Und jetzt müssen wir sehen, dass wir den Preis gewinnen, indem wir alle anderen hinter uns lassen. Hast du am Freitag Zeit?“

„Klar. Selbst wenn ich ein paar Termine verschieben muss. Was ist mit dir?“

„Leider nicht“, antwortete Draper. „Belle hat mich um einen freien Tag gebeten, und ich habe ihr bereits zugesagt.“

„Hat sie gesagt, warum sie freihaben wollte?“, erkundigte Beau sich. Belle, ihre Schwester, arbeitete als Büroleiterin bei Fortune Investment.

„Irgendein Termin, bei dem sie Jack begleiten möchte – oder muss. Also, wenn du als Vertreter von Fortune Investment teilnehmen könntest, halte ich hier derweil die Stellung.“

„Wir sollten beide hinfahren. Wie wär’s, wenn wir eine Aushilfskraft für den Telefondienst engagieren?“

„Du weißt, dass Belle viel mehr macht als nur Telefondienst. Abgesehen davon ist zurzeit viel los im Büro. Ich springe für Belle ein. Außerdem wollte ich am Wochenende nach Las Vegas fliegen. Da möchte ich nicht in Austin sitzen und möglicherweise meinen Flug verpassen.“

Beau grinste. Wie immer wusste Draper sich elegant aus der Affäre zu ziehen. „Sieht ganz so aus, als hätte ich mal wieder den Kürzeren gezogen.“

„Sieh es doch mal so: Die Nominierung ist eine Ehre. Und du wirst unser Unternehmen im besten Licht erstrahlen lassen.“

Draper hatte recht. Die Hauptgeschäftsstelle von Fortune Investment war in New Orleans; erst vor Kurzem hatten die Brüder in Rambling Rose eine Filiale eröffnet. Der Preis würde ihnen eine Menge wertvoller Kontakte verschaffen.

„Na gut“, willigte Beau ein. „Dann fahre ich allein. Schick mir die Einzelheiten, damit ich mir den Termin in meinen Kalender eintragen kann.“

Er beendete das Gespräch und schaute hinunter zu M.P., der ihn aus melancholischen Augen betrachtete. Offenbar trauerte er noch immer seinem neuen Freund hinterher.

„Ich verstehe dich, Buddy.“ Er schaute in die Richtung, in die Sofia mit ihrem Hund vor wenigen Minuten verschwunden war. Die beiden waren bereits außer Sicht, aber er war fest entschlossen, sie wiederzutreffen.

Und wenn alles wie geplant lief, dann würden sie sich bereits am folgenden Nachmittag sehen.

Sie erinnern sich vermutlich nicht …

Selbstverständlich hatte Sofia De Leon sich an ihn erinnert. Der große dunkelhaarige Fremde, der ein wenig aussah wie Cary Grant, war mit einem strahlenden Lächeln auf sie zugekommen, und ihr hatte der Atem gestockt. Sie hatte ihn mehr als attraktiv gefunden, aber damals war sie noch mit Patrick zusammen, und sie hätte ihn niemals betrogen.

Offenbar kannte Patrick sie nicht gut genug, um sich darüber im Klaren zu sein, denn er hatte Beau mit einem feindseligen Blick gemustert, sodass er sofort den Rückzug angetreten hatte. Hinterher hatte Patrick ihr vorgeworfen, sie mit einem anderen Mann zu betrügen. Was ihr im Traum nicht eingefallen wäre!

Beau hatte sich nicht einmal vorstellen können, und daher bezweifelte Sofia, dass sie ihn jemals wiedersehen würde. Ihr Treffen im Hundepark war also eine ziemliche Überraschung gewesen. Und sie fand ihn immer noch so attraktiv wie beim ersten Mal. Vielleicht sogar noch attraktiver.

Während sie nach Hause lief, schaute sie noch einmal über die Schulter, um einen letzten Blick auf ihn zu erhaschen. Er trug Jeans und ein schwarzes T-Shirt, unter dem sich breite Schultern, ein wohlgeformter Brustkorb und muskulöse Oberarme abzeichneten.

Und er sah nicht nur blendend aus – er war auch noch ein Tierfreund! Nun ja, vielleicht liebte er sie nicht unbedingt, aber offenbar machte es ihm nichts aus, mit dem Hund eines Nachbarn Gassi zu gehen. Das war doch ein gutes Zeichen und ein Hinweis darauf, dass nicht alle gut aussehenden Männer Hallodris waren, auf die man sich nicht verlassen konnte.

Es hatte sie jede Menge Überredungskunst gekostet, dass der misstrauische Patrick ihr auf der Party keine Szene machte. Als sie am Ende der Feier zu seinem roten Porsche gegangen waren, schien er den Vorfall vergessen zu haben. Ehe er ihr die Wagentür öffnete, holte er ein kleines Kästchen von Tiffany aus der Hosentasche seines Anzugs. „Ein Geschenk zum Valentinstag“, sagte er.

Sie war drauf und dran, ihm sein Verhalten zu vergeben, als ihr Blick auf die Karte – und den Namen darauf fiel. „Wer zum Teufel ist Stephanie?“

Er geriet ins Stottern. „Die müssen sich vertan haben im Geschäft“, stammelte er schließlich.

Ganz bestimmt. „Und du wirfst mir vor, ich würde dich betrügen?“ Sie hatte ihm das Kästchen vor die Füße geworfen und gesagt, dass sie ihn nie wieder sehen wollte.

„Dein Pech“, hatte er nur erwidert.

Sie hatte ihr Handy genommen und ein Taxi bestellt, während er davongefahren war.

Auf dem gesamten Nachhauseweg hatte sie sich unentwegt gefragt, warum sie die Alarmsignale nicht vorher bemerkt hatte. Doch nun war es vorbei. Und sie hatte ihre Lektion gelernt. Vertrauen musste man sich verdienen.

Seufzend schaute sie zu Pepe, der neben ihr hertrottete. „Ich hätte Patrick gleich einen Fußtritt versetzen müssen, als er mir sagte, dass er keine Hunde mag. Himmel! Wie kann man so ein süßes Ding wie dich nicht mögen?“

Pepe wedelte zustimmend mit dem Schwanz.

„Glücklicherweise bin ich Beau noch einmal begegnet“, fuhr sie fort.

Sein singender Südstaatenakzent war ihr auf der Party gar nicht aufgefallen. Nun ja, er hatte ja auch nicht viel geredet. Doch jetzt war er ihr nicht entgangen. Sie fand ihn ausgesprochen charmant.

Kommen Sie beide öfter hierher? Um die gleiche Zeit?

Man musste nicht Gedanken lesen können, um zu verstehen, worauf Beau hinauswollte. Er wollte ihr wieder begegnen – und möglichst bald. Bei dem Gedanken schlug ihr Herz schneller.

Nicht so schnell! Solche Gedanken waren viel zu voreilig und führten zu nichts Gutem.

Beau war gut aussehend und genauso charmant wie Patrick zu Beginn ihrer Freundschaft. Sie sollte also besser vorsichtig sein und sich nicht von einem schönen Gesicht täuschen lassen. Vielleicht wäre es besser, ihm nur hin und wieder im Hundepark zu begegnen.

Sofia bückte sich und leinte Pepe an. Kurz darauf betrat sie die Wohnung im Guadalajara Court Nummer hundertzwanzig, die sie vor einigen Jahren für ihre Mutter und ihre Großmutter erworben hatte. Es war das Mindeste, das sie für die beiden Frauen tun konnte, die sie über alles liebten und die so viele Opfer für sie gebracht hatten.

Nach Papas Tod hatte Maria, Sofias Großmutter oder abuelita, wie sie von den beiden genannt wurde, um ihre Enkelin gekümmert, während ihre Mutter zwei Jobs angenommen hatte, um die Familie zu ernähren.

Schwanzwedelnd stand Pepe vor der Tür zu seinem zweiten Zuhause. Sofia klopfte leise an die Tür, ehe sie sie öffnete und das gemütliche Wohnzimmer betrat. An den weißen Wänden hingen farbenprächtige Bilder mit Szenen aus dem Südwesten.

„Ich bin’s, Mom.“ Sofia löste Pepes Leine.

„Deine Mom ist nicht hier“, rief Abuelita. „Aber sie kommt bald zurück.“

Sofia folgte der Stimme ihrer Großmutter in die Küche. Auf dem Herd köchelte ein Topf Schweinegulasch mit Tomaten und scharfen Gewürzen.

„Hmm“, sagte Sofia. „Das riecht aber gut.“

„Es ist fast fertig, mija.“

Sofia setzte sich an den Küchentisch. „Wo ist Mama denn?“

Maria setzte den Deckel auf den Topf. „Sie ist zu dem kleinen Weinladen an der Ecke gegangen, um eine Flasche Champagner zu holen, damit wir auf deine guten Neuigkeiten anstoßen können.“

Sofia strahlte. Die Neuigkeiten waren mehr als gut. Sie waren sogar großartig. Sie hatte die Nachricht auf ihrem Weg zum Hundepark erhalten und sofort ihre Mutter angerufen, um ihr zu berichten, dass sie, Sofia De Leon, die Eigentümerin und Geschäftsführerin der De Leon-Finanzberatung, für einen Lone Star Best Award nominiert worden war. Sie und die anderen Nominierten waren zu einem Essen eingeladen, das am Freitag in Austin stattfand.

Sie hatte keine Ahnung, was sie dort erwartete, aber was immer es sein würde, sie war bereit dafür. Der Werbeeffekt für ihre Investmentfirma war unbezahlbar. Sie war davon überzeugt, dass ihr der Preis zustand, und sie würde ihn sich von niemandem streitig machen lassen.

Sofia nahm am Esstisch Platz, auf dem ein mexikanisches Essen angerichtet war, während Mama eine Flasche Champagner für dreißig Dollar öffnete und die Flöten füllte. Dann nahm sie ihr Glas, um einen Toast auszubringen. „Auf Sofia, meine brillante, wunderschöne Tochter, das Finanzgenie, das auf jeder U-30-Liste steht.“

„Danke, Mama.“ Sofia stieß mit ihr und Maria an. Die Gläser erklangen, und jede trank einen Schluck.

„Du hast dir einen Wolf gearbeitet, um die De Leon-Finanzberatung zu einem Erfolg zu machen“, fügte Mama hinzu. „Und jetzt beginnst du endlich, die Früchte deiner Arbeit zu ernten und die Anerkennung zu bekommen, die du verdienst.“

„Mija, Schatz, ich bin so stolz auf dich!“ Maria rückte auf ihrem Stuhl zurück. „Ich meine, ich war schon immer stolz auf dich, aber jetzt bin ich besonders stolz. Und am meisten freut mich, dass du bei deiner Arbeit deinen Schwerpunkt auf Frauen setzt.“

Das stimmte. In dieser Hinsicht war ihr Unternehmen einzigartig. Alle Angestellten waren Frauen, und nicht nur weiße. Genau wie ihre Klientel. Eine in jeder Hinsicht diverse Firma.

Mama seufzte leise. „Es ist so schade, dass ich nach Papas Tod niemanden wie dich hatte, der mich beraten konnte.“

„Ich weiß, Mama.“ Sofia war zehn, als ihr Vater, der Straßenbauingenieur war, bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen war – überfahren von einem betrunkenen Fahrer auf dem Highway. Ihre Mutter hatte zwar eine beträchtliche Versicherungssumme erhalten, aber die hatte ein sogenannter Finanzberater falsch angelegt. Ab da hatte ihre Mutter sich selbst um ihr Geld gekümmert – und damit Sofias Interesse für Geld geweckt. Deshalb hatte sie Betriebswirtschaft und Finanzwesen studiert, bei einer Investmentfirma ein Volontariat absolviert und schon bald ihr eigenes Unternehmen gegründet.

„Ich hätte mir keine bessere Tochter wünschen können.“ Ihre Augen füllten sich mit Freudentränen.

Abuelita hob ihr Champagnerglas. „Dein Vater wäre so stolz auf dich, wenn er dich jetzt sehen könnte. Ein Universitätsabschluss und eine erfolgreiche Firma.“

„Vielen Dank, aber ohne eure Unterstützung hätte ich das nie geschafft.“

Erneut stießen sie mit den Gläsern an.

„Ein Masterabschluss.“ Maria lächelte, aber in ihren Augen schimmerte es verdächtig. „Ich wäre auch gern aufs College gegangen, als ich jung war. Ich fühlte mich so nutzlos und unbedeutend, weil ich nur ein paar Jahre die Schule besucht habe.“

Sofia legte eine Hand auf die ihrer Großmutter. „Auch wenn du nur die Grundschule besucht hast, bist du für mich eine der intelligentesten und weisesten Frauen, die ich kenne, Abuelita. Du brauchst keinen Universitätsabschluss, um mir das zu beweisen.“

Die alte Frau blinzelte. „Danke, mija. Danke, dass du mich auf andere Weise davon überzeugt hast.“

„Und danke, dass ihr mir beide euer schwer verdientes Geld anvertraut habt.“

Als Sofia ihre Firma eröffnet hatte, bestand eine ihrer ersten Tätigkeiten darin, sich um das bisschen Geld zu kümmern, das ihrer Mutter und ihrer Großmutter geblieben war. Sie hatte klug investiert, und inzwischen war das Vermögen so weit angewachsen, dass sich keine der beiden um ihre Rente sorgen musste.

„Wir sollten besser essen, solange es noch warm ist“, sagte Mama und begann, die Schüsseln mit Chili verde, Reis, Bohnen und Calabasitas herumzureichen.

Abuelita ließ den Korb mit den warmen, selbst gemachten Tortillas herumgehen.

Ihre Mutter löffelte eine Portion Reis auf Sofias Teller.

„Mama! Nicht so viel. Nachher passe ich in keine Hose mehr.“

Abuelita lachte. „Was für ein Drama, wenn du Größe sechsunddreißig tragen musst!“

„Apropos Kleidung. Was wirst du eigentlich zum Essen in Austin tragen?“, wollte Mama wissen.

„Ich bin mir nicht sicher. Es ist ein Businesstreffen. Wahrscheinlich also einen der Hosenanzüge, die ich auch im Büro trage.“

„Unsinn“, widersprach Mama. „Du brauchst etwas Neues. Und etwas Besonderes. Da ich morgen nicht arbeiten muss, kann ich dich im Büro abholen, und wir gehen shoppen.“

„Das klingt gut, aber … ich glaube ...“ Sofia zuckte mit den Schultern. „Ach, egal. Wenn es sein soll, wird es schon passieren.“

„Wovon redest du?“, fragte Abuelita.

Sofia machte eine abwehrende Geste. „Ihr werdet mich für verrückt halten.“

„Niemals“, beteuerte Mama.

Sofia holte tief Luft und atmete langsam aus. „Erinnert ihr euch noch an den Mann, den ich auf der Party zum Valentinstag kennengelernt und von dem ich euch erzählt habe? Über den Patrick so sauer war?“

Abuelita nickte. „Er hat behauptet, du würdest ihn betrügen. Dabei war es genau andersherum. Und dann hat er die Karten für die Geschenke vertauscht. El tonto!“

„Ja, er hat sich wirklich wie ein Idiot benommen. Ich wollte sowieso mit ihm Schluss machen. Er hatte so etwas Besitzergreifendes und war ungeheuer eifersüchtig. Sein wahres Gesicht hat er gezeigt, als er ausgeflippt ist, nur weil ich mich mit einem anderen Mann auf der Party unterhalten habe.“

„Sí.“ Abuelitas Lächeln wurde breiter. Dabei wurden ihre Gesichtszüge ganz weich. „El estrano guapo.“

Sofia hatte nicht viele Geheimnisse vor ihrer Mutter oder Großmutter. „Ja, der hübsche Fremde.“ Sie trank einen Schluck Champagner und kicherte. „Ob ihr es glaubt oder nicht, wir sind uns heute im Hundepark über den Weg gelaufen.“

Abuelita klatschte erfreut in die Hände.

„Hat el guapo auch einen Namen?“, wollte Mama wissen.

„Er heißt Beau. Ich weiß nicht viel von ihm. Nicht einmal seinen Nachnamen. Aber er war mit dem Hund eines Freundes unterwegs, ein Schäferhundmischling namens M.P. Er hat mich gefragt, ob ich oft im Park unterwegs bin, und ich habe ihm erzählt, dass ich fast täglich hingehe. Ich hoffe, dass ich ihn wiedersehe.“

Abuelita nahm eine Tortilla und füllte sie mit chili verde. „Ich denke, du solltest dir etwas Neues kaufen.“ Ihr zwei Mädels habt einen gemeinsamen Nachmittag verdient. Mach dir keine Sorgen um Pepe. Ich kümmere mich um ihn. Wer weiß – vielleicht gehe ich sogar selber mit ihm in den Hundepark.

„Abuelita!“ Sofia hob den Finger. „Ich kenne diesen Ausdruck in deinen Augen. Mach bloß keine Dummheiten.“

„Ich und Dummheiten?“ Abuelita legte sich eine Hand aufs Herz. „Wann habe ich jemals Dummheiten gemacht?“

Jedes Mal, wenn die Sonne aufgeht, dachte Sofia. „Versprichst du mir das?“

Abuelita hob die Hand zum Schwur. „Großes Pfadfinder-Ehrenwort.“

Das einzige Problem dabei – Abuelita war nie bei den Pfadfinderinnen gewesen.

2. KAPITEL

„Dann wollen wir mal, alter Junge!“ Beau griff zur Leine, während M.P. aufgeregt um ihn herumsprang und freudig bellte.

Auf dem Weg zum Park zog der Hund an der Leine, als könnte er nicht schnell genug sein Ziel erreichen. Beau erging es ähnlich.

Fünf Minuten später betraten sie die Anlage, wo mehrere Hunde und einige Kinder bereits spielten. M.P. hätte sich am liebsten zu ihnen gesellt, aber Beau hielt ihn fest.

„Ganz ruhig, Kumpel. Warten wir auf Sofia und Pepe.“ Beau schaute auf seine Armbanduhr. Gestern war er ihr schon zwanzig Minuten früher über den Weg gelaufen. Vielleicht hatte sie länger zu tun. Hatte sie nicht gesagt, sie habe unregelmäßige Arbeitszeiten?

Leider konnte er den übermütigen Hund nicht länger im Zaum halten. Kaum hatte er ihn von der Leine gelassen, als er auch schon zu einer älteren Frau stürmte, die einen flauschigen Hund mit einem roten Band um den Hals spazieren führte.

„Das darf doch nicht …“ Tatsächlich. Es war Pepe. Und die Frau mit dem olivfarbenen Teint, die ihr ergrauendes Haar zu einem Knoten gebunden hatte, musste Sofias Großmutter sein.

Beau ging zu ihr. Die Leine baumelte in seiner Hand. „Ich entschuldige mich für die schlechten Manieren meines Hundes. Wir haben Pepe gestern hier getroffen, und er wollte unbedingt wieder mit ihm spielen.“

„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen.“ Sie schaute hinunter zu M.P., der um Pepe herumsprang und ihn aufzufordern schien, mit ihm fortzulaufen. „Sie haben einen netten Hund.“

„Danke. Ja, das stimmt. Aber er gehört mir nicht. Sondern meinem Nachbarn.“

Sie nickte, als wüsste sie das bereits. „Sollen wir sie laufen lassen?“

„Ja, natürlich.“

Während die Hunde losgaloppierten, musterte sie ihn aufmerksam. Dann lächelte sie. „Sie müssen Beau sein.“

„Das stimmt.“ Offenbar hatte Sofia ihrer Familie von ihm erzählt. Das war ein gutes Zeichen.

„Ich bin Maria“, stellte sie sich vor. „Sofias Großmutter.“

„Das habe ich mir schon gedacht.“ Er lächelte. „Da ist eine gewisse Ähnlichkeit.“

„Danke. Eigentlich kommt sie eher nach der Familie ihrer Mutter, aber ich bilde mir ein, dass sie mein Lächeln hat.“

„Ich nehme an, Sofia musste lange arbeiten.“

„Nun, tatsächlich ist sie mit ihrer Mutter einkaufen gegangen. Ich passe heute auf Pepe für sie auf.“

„Das ist schön für Sofia“, erwiderte er. „Offenbar stehen sie und ihre Mutter sich sehr nahe.“

„Das stimmt.“ Marias Lächeln verschwand. „Ist das bei Ihnen und Ihrer Mutter nicht so?“

„Doch, aber sie lebt woanders. Ich sehe sie nicht mehr so oft wie früher.“

Maria nickte langsam, als dächte sie über seine Antwort nach. Dann fügte sie hinzu: „Sofia und ich verstehen uns auch sehr gut.“

„Das kann ich mir gut vorstellen. Mit Enkeln und Großeltern ist es oft so.“

„Stimmt.“ Wieder musterte sie ihn. „Geht Ihnen das genauso?“

„Ja, mit meiner Großmutter. Als Kind habe ich mich immer gefreut, wenn ich zu ihr konnte.“ Großmutter Marjorie war eine bodenständige Frau, die in einer einfachen Gegend lebte. Sie hatte ihm und seinen Geschwistern das Angeln beigebracht und wie man Fische zubereitete. Er sollte sie bald mal wieder besuchen. Am Telefon konnte man sich schließlich nicht umarmen.

„Wo kommen Sie her?“, wollte Maria wissen.

„Aus New Orleans. Ich bin dort aufgewachsen.“

Er verschwieg ihr, dass er im Garden District gewohnt hatte – eines der wohlhabendsten Viertel in der Stadt.

„Haben Sie Geschwister?“

„Ja. Drei Brüder und eine Schwester.“

„Aha. Also eine große Familie. Das ist schön zu wissen.“

Wirklich? Was ging hier vor? Hatte Sofia ihre Großmutter vorgeschickt, um Erkundigungen über ihn einzuholen? Na, wenn schon. Er hatte ja nichts zu verbergen.

„Dann sind Ihre Besuche bestimmt etwas Besonderes“, sagte sie jetzt. „Wir sind nur noch zu dritt in unserer Familie.“ Sie schaute hinunter zu den Hunden und dann wieder zu ihm. „Kleine Familien haben aber auch ihr Gutes.“

„Also nur Sofia, ihre Mutter und Sie?“

Ihr Blick verdüsterte sich. „Sofias Papa, mein Sohn Ricardo, starb, als sie ein kleines Mädchen war.“

„Das tut mir leid.“

„Mir auch.“ Sie hob die Hand und bekreuzigte sich. „Dios lo tenga en su gloria.“

Als ihre Blicke sich wieder trafen, fragte sie: „Mögen Sie mexikanisches Essen?“

Er nickte. „Sehr gern sogar.“

„Auch Hausmannskost?“

„Alles Selbstgemachte – wenn ich es nicht selber machen muss. Entweder brennen meinen Quesadillas an, oder ich drehe die Hitze zu niedrig, sodass der Käse nicht schmilzt.“

Maria strahlte. „Sofias Freunde sind auch meine Freunde. Haben Sie Zeit und Lust, am Samstag zu uns zum Essen zu kommen?“

Beau war so verblüfft, dass er nicht wusste, was er darauf erwidern sollte. Diese Einladung kam ein bisschen schnell. Genauso voreilig wäre es gewesen, wenn sie einem Fremden ihre Adresse gegeben hätte. Er hoffte nur, dass es keine Angewohnheit von ihr war.

Als ob Maria Gedanken lesen konnte, fuhr sie fort: „Sie haben ein freundliches Gesicht. Außerdem ist meine Enkelin eine gute Menschenkennerin, und sie hält Sie für anständig.“

Beau musste grinsen. Sofia hatte also tatsächlich mit ihrer Familie über ihn gesprochen.

„Also, haben Sie Zeit?“, hakte Maria nach. „Wir können aber auch einen anderen Tag nehmen, wenn das für Sie besser ist.“

Diese überraschende Begegnung im Park roch ein wenig nach einem geplanten Treffen. Doch er war begierig, Sofia wiederzusehen – und mehr über sie zu erfahren.

„Ich habe tatsächlich am Samstag nichts vor“, antwortete er nun. „Aber wird Sofia nichts dagegen haben? Ich meine, wird sie auch da sein? Und falls ja, macht es ihr nichts aus, wenn ich komme?“

„Nein, überhaupt nicht. Außerdem lade ich Sie ja ein. Da muss ich niemanden um Erlaubnis bitten.“

Dennoch hatte er das Gefühl, mit Sofia darüber sprechen zu müssen. Nur wann? Sie war nicht hier. Und er wusste nicht, wie lange er am nächsten Tag in Austin sein würde. Na wenn schon! „Ich bringe eine Flasche Wein mit. Sagen Sie mir, wo ich hinkommen soll – und um wie viel Uhr.“

Sie gab ihm ihre Adresse, und ihr freundliches Gesicht glühte fast vor Eifer. „Wie wäre es mit vier Uhr?“

Sofia betrat die elegante Lobby des Grand Hotel in Austin. Die Absätze ihrer schwarzen High Heels klackerten über den im spanischen Stil gefliesten Steinfußboden. In der Mitte der geräumigen Halle plätscherte ein Springbrunnen. Ein Schild wies den Weg zum Ballsaal, wo das Mittagessen der nominierten Preisträger stattfand.

Vor lauter Aufregung klopfte ihr das Herz bis zum Hals, als sie über den mit Teppichboden belegten Korridor ging und sich in die Reihe der Teilnehmer stellte, die auf ihre Registrierung warteten.

Ihr Blick schweifte über die elegant gekleideten Wartenden, die sehr geschäftsmäßig wirkten. Waren sie etwa alle nominiert? Oder vielleicht Gäste, die zur Unterstützung mitgekommen waren?

Egal. Auf jeden Fall hatte Mama recht gehabt, als sie auf einer Einkaufstour bestanden hatte. Das schwarze Kleid, das sie ausgewählt hatten, entpuppte sich als ausgezeichnete Wahl.

Ihr Blick blieb an einer Vase mit einem gigantischen Blumenstrauß hängen. Das Arrangement stand auf einem Glastisch, der von zwei Ledersesseln flankiert wurde. Aber es war nicht der farbenprächtige Strauß, der ihr ein Lächeln ins Gesicht zauberte, sondern der Mann, der daneben stand. Sie hatte überhaupt nicht damit gerechnet, ihn bei dieser Veranstaltung zu treffen. Ihr Herz machte einen Satz.

Beau, der einen teuren dunklen Anzug trug, sprach in sein Handy. Seiner Miene nach zu urteilen war es eine angenehme Unterhaltung. Schon lustig – auch bei ihrem ersten Treffen hatte er telefoniert.

Kurz darauf schob er sein Handy in die Tasche, und als er aufschaute und sie entdeckte, strahlte er übers ganze Gesicht. Sofort eilte er zu ihr.

Sie fragte sich, was er hier wohl machte. Andererseits zog das Essen, zu dem der Lone Star Best Award eingeladen hatte, sehr viele Unternehmer an, die neue Kontakte knüpfen wollten.

„Das ist aber eine Überraschung!“, begrüßte er sie, als er sich hinter ihr in die Schlange stellte. „Mit Ihnen habe ich hier überhaupt nicht gerechnet.“

In der Tat. Das war wirklich ein Zufall. „Offenbar laufen wir uns häufiger über den Weg.“

Sie war sich nicht sicher, ob das etwas Gutes zu bedeuten hatte. Zwischen ihnen herrschte zweifellos eine gewisse Chemie, und sie konnte nichts dagegen tun, dass ihr Körper auf diese … interessante Weise darauf reagierte. Abgesehen davon wollte sie nichts überstürzen. Sie wusste ja überhaupt nichts von ihm – abgesehen von der Tatsache, dass er umwerfend aussah und sich um den Hund seines Nachbarn kümmerte.

„Sie melden sich also für das Mittagessen an“, stellte er fest. „Ich habe das bereits getan.“

Also wollte er wohl neben ihr stehen bleiben, während sie darauf wartete, an der Reihe zu sein? Sie würde sich nicht darüber beklagen. Es machte ihr nicht nur Spaß, sich mit ihm zu unterhalten; sie genoss auch seinen verführerischen Duft – eine Kombination aus nach Moschus duftendem Aftershave und einer herben, männlichen Seife.

Ehe sie etwas erwidern konnte, kam Carla Wynters, Vizepräsidentin der Sparkasse von Rambling Rose, auf sie zu. Sofia und auch die De Leon-Finanzberatung hatten mehrere Konten bei der Bank. Im vergangenen Sommer hatten sich die beiden Frauen bei einem Softballwettbewerb angefreundet, als sie im selben Team gespielt hatten. Gewonnen hatten sie zwar nicht, aber die Spenden, die bei dem Spiel und dem anschließenden Abendessen gesammelt werden konnten, waren an diverse lokale Wohltätigkeitsorganisationen gegangen.

Carla stellte sich hinter Sofia an. Ob sie glaubte, sie und Beau seien ein Paar, weil sie nebeneinander standen? Sofia machte es jedenfalls nichts aus, in Gesellschaft eines so gut aussehenden Mannes gesehen zu werden.

„Sofia!“, begrüßte sie die groß gewachsene rothaarige Frau, die etwa Mitte dreißig war. „Dann habe ich mich doch nicht geirrt, als ich dich eben auf dem Parkplatz gesehen habe.“

„Schön, dass du hier bist.“ Sofia erwiderte ihr Lächeln. „Ich war mir nicht sicher, ob ich hier Bekannte treffen würde – so weit weg von zu Hause. Bist du auch für einen Preis nominiert? Oder als Begleitung für jemanden mitgekommen?“

„Weder noch. Meine Schwester hat die letzten fünf Veranstaltungen organisiert, und ich unterstütze sie heute.“ Carla nickte Beau kurz zu, ehe sie sich wieder an Sofia wandte. „Ich wollte dich schon die ganze Zeit anrufen und ein Mittagessen vereinbaren, aber ich hatte wahnsinnig viel zu tun.“

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Mir ging es genauso.“ Ehe Sofia Beau vorstellen konnte – als Freund? Bekannten? –, fuhr Carla fort: „Ich hoffe, dieses Jahr bekommt den Preis jemand, der oder die ihn verdient hat. Es sieht nämlich so aus, als würden immer dieselben Leute ausgezeichnet. Robinson Hi-Tech. Fortune Investment …“

„Was ist falsch daran?“, erkundigte Beau sich.

Carla zuckte mit den Schultern. „Sie wissen schon – das ist so eine eingeschworene Gemeinschaft, die niemanden in ihre Kreise lässt. Diese Leute haben den Preis nicht unbedingt verdient. Altes Geld und großer Einfluss, alles geerbt. Sie glauben, immer schon ganz vorne gestanden zu haben und zu den Besten zu gehören. Aber so ist das wohl im Leben, nehme ich an. Schade, dass nicht alle von uns es so einfach hatten.“

Beau warf Sofia einen Blick zu, die zustimmend nickte.

„Das ist nicht fair“, widersprach er. „Viele Menschen, die aus einer reichen Familie kommen, arbeiten hart und tun eine Menge Gutes für die Welt. Robinson Hi-Tech ist berühmt für seine Innovationen. Und Fortune Investment hat immerhin die Fortune-Stiftung ins Leben gerufen und tut ebenfalls viel Gutes.“

„Das ist wahr“, stimmte Sofia zu, „aber allein der Name Fortune öffnet ihnen sehr viele Türen. Was automatisch weitere Erfolge nach sich zieht.“

Beau runzelte die Stirn und straffte die Schultern, als fühlte er sich persönlich angegriffen. „Nur weil jemand Geld hat, heißt das nicht, sie hätten es nicht verdient.“

Offenbar hatte das Gespräch einen Nerv getroffen, den sie mehr als nur interessant fand. „Sie sprechen wie jemand, der Geld hat.“

„Und Sie haben keins?“, konterte Beau.

Sofia hatte Geld – sogar eine Menge, wie Carla nur zu gut wusste. Aber Sofia war nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden, und sie hatte auch nie das beruhigende Gefühl gehabt, dass Reichtum etwas ganz Selbstverständliches war. „Ich komme zurecht. Aber ich bin keine Fortune.“

Beau verzog das Gesicht und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie sprechen den Namen aus, als sei es etwas Unanständiges.“

Sofia reagierte mit einem Achselzucken. „Nun, ich vermute, die Fortunes haben auch ihre Probleme. Sie müssen zugeben, dass die Familie eine Menge Schicksalsschläge einstecken musste. Entführungen, Sabotage – Dramen aller Art.“

„Als zöge das ganze Geld die Probleme an wie ein Magnet“, ergänzte Carla. „Da sind mir meine bescheidenen Familienverhältnisse lieber als all diese Katastrophen.“

„Wirklich?“ Beau warf einen Blick auf seine Armbanduhr – eine Rolex, wie Sofia feststellte. Dann schaute er auf und lächelte. „Wenn die Damen mich bitte entschuldigen wollen – ich will Ihr Gespräch nicht länger stören. Ich bin sicher, dass wir uns noch sehen werden. Ach übrigens, Sofia, ich habe Ihren Familiennamen nicht mitbekommen.“

„De Leon“, antwortete sie. „Und Ihrer?“

„Fortune.“

Als Beau sich umdrehte und wegging, wurde Sofias Gesicht so heiß, als hätte sie den ganzen Tag in der Sonne gelegen. Das war ja richtig gut gelaufen! Sie hatte Beaus gesamte Familie beleidigt.

„Da bist du aber ganz schön ins Fettnäpfchen getreten“, stellte Carla fest.

„So schnell werden mir die Fortunes ihr Geld wohl nicht anvertrauen“, seufzte Sofia. Und ein Date mit Beau konnte sie wohl auch vergessen.

„Das glaube ich auch nicht.“

Hatte Sofia schon die Begegnung auf der Valentin-Party als ausgesprochen peinlich empfunden, so war das hier noch zehn Mal unangenehmer.

Von dem Augenblick an, als Sofia die Nachricht erhalten hatte, zu den Nominierten für den Lone Star Best Award zu gehören, hatte sie sich auf diesen Tag gefreut. Aber nach diesem schrecklichen Fauxpas war er ihr gründlich verdorben. Das Essen schmeckte ihr nicht, und ihre Vorfreude war ebenfalls wie weggeblasen.

Immerhin war sie eine kompetente Frau in einer Männerwelt. Solche Vorkommnisse sollte sie doch mit links wegstecken. Sie wünschte zwar, sich die Bemerkungen über die privilegierte Fortune-Familie verkniffen zu haben, aber sie hatte bereits beschlossen, den richtigen Zeitpunkt abzupassen, um sich bei Beau zu entschuldigen. Und bis dahin sollte sie die Gespräche mit ihren Tischnachbarn genießen. Einige hatten sie bereits um ihre Visitenkarte gebeten.

Während sie an ihrem Tee nippte, ließ sie den Blick durch den Raum schweifen, um nach Beau Ausschau zu halten. Dort war er ja. Am anderen Ende des Saales unterhielt er sich angeregt mit der blonden Frau an seiner Seite, die an seinen Lippen zu hängen schien und jedes Wort von ihm begierig aufnahm. Dennoch schaute auch er sich suchend um, und ihre Blicke trafen sich.

Ihr Herz schlug ein wenig schneller. Sie versuchte, es zu ignorieren. Beau Fortune mochte ein stattlicher und gut aussehender Mann sein, aber er war überhaupt nicht ihr Typ. Ganz und gar nicht.

„Ma’am?“

Sofia schaute auf. Einer der Kellner hatte begonnen, den Tisch abzuräumen. „Ja?“

Er deutete auf ihren Teller. Sie hatte ihr Essen kaum angerührt. „War etwas nicht in Ordnung mit dem Hühnchen? Soll ich Ihnen etwas Vegetarisches oder Glutenfreies bringen?“

„Nein, danke.“ Auch auf die angebotenen Alternativen hatten sie keinen Appetit. Die Gespräche waren ohnehin besser als die Speisen.

„Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit.“ Die Moderatorin auf dem Podium klopfte auf das Mikrofon und räusperte sich.

Die Gespräche verstummten. „Ich möchte Sie noch einmal alle willkommen heißen und Ihnen für Ihre Unterstützung danken. Ich bin sicher, dass Sie schon sehr gespannt auf die Verkündung der diesjährigen Nominierten warten. Und die werde ich jetzt in alphabetischer Reihenfolge vorlesen.“ Sie warf einen Blick in ihr Manuskript und begann: „De Leon-Finanzberatung, vertreten durch die Eigentümerin Sofia De Leon. Miss De Leon, wenn Sie sich bitte erheben würden?“

Applaus brandete auf, und Sofia erhob sich stolz. Sie nickte in alle Richtungen, ehe sie wieder Platz nahm. Die Moderatorin fuhr fort: „Fortune Investment, vertreten durch Beau und Draper Fortune. Leider war Draper verhindert, aber sein Bruder Beau ist anwesend. Mr. Fortune, würden Sie bitte aufstehen?“

Sofia spürte einen Eisklumpen im Magen. Gut, dass sie sich nicht gezwungen hatte, das Hühnchen zu essen.

Schön, sie hatte sich bereits mit ihm unterhalten. Aber natürlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass er ebenfalls nominiert war. Hinzu kam, dass sie und Beau den gleichen Geschäftsbereich vertraten. Mit anderen Worten: Sie standen in unmittelbarer Konkurrenz. Das ist schon okay, redete sie sich ein. Damit konnte sie klarkommen. Und egal, wie verfahren die Situation zwischen ihnen beiden war – sie hatte sich fest vorgenommen, den Preis mit nach Hause zu nehmen und ihn in der Lobby ihrer Firma zur Schau zu stellen.

Während die nächsten Nominierten genannt wurden, suchte sie den Raum wieder nach Beau ab. Sie hatte weder ihn noch seine Familie beleidigen wollen, obwohl das, was sie gesagt hatte, der Wahrheit entsprach. Es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass der Preis erneut an ein Unternehmen der Fortune-Gruppe gehen könnte. Nach dem Essen würde sie zu ihm hingehen und sich bei ihm entschuldigen, obwohl sie bezweifelte, dass eine einfache Entschuldigung alles wieder ins Lot rückte. Er schien ziemlich dünnhäutig zu sein. Das konnte ihr eigentlich egal sein. Seit sie mit Patrick Schluss gemacht hatte, wollte sie sich nur noch auf ihre Arbeit konzentrieren, bei der sie sich wertgeschätzt fühlte und einige Erfolge vorweisen konnte, anstatt mit Männern auszugehen, die sich als Windhunde entpuppten. Oder in Beaus Fall als ein Mann, in dessen Gesellschaft sie sich auf sehr dünnem Eis bewegte.

„Ma’am“, unterbrach der Kellner erneut ihre Gedanken, „soll ich das Dessert stehen lassen?“

Sofia schaute auf die geradezu dekadente Schokoladen-Mousse. Es wäre eine Schande, sie unangetastet zurückgehen zu lassen. „Bitte, ja. Für Schokolade habe ich immer noch Platz.“

Während der Kellner weiter abräumte, schaute Sofia erneut in Beaus Richtung. Die Blondine, die um die dreißig sein mochte, beugte sich zu ihm, legte die Hand vor den Mund und flüsterte ihm etwas zu, worauf beide lachten.

Wieder spürte Sofia Schmetterlinge in der Magengrube.

Verdammt noch mal, Sofia. Du hast überhaupt keinen Grund, eifersüchtig zu sein. Egal, wie gut einer der Fortune-Brüder aussah – er war der letzte Mann auf der Welt, für den sie irgendetwas empfinden sollte. Sie nahm ihre Gabel und tauchte sie in die Mousse.

„Entschuldigen Sie bitte.“ Erneut meldete sich die Moderatorin zu Wort. „Ich weiß, dass Sie alle damit beschäftigt sind, den Nominierten persönlich zu gratulieren, aber ich würde gerne die Einzelheiten des Wettbewerbs erläutern.“

Sofia konnte es kaum erwarten. Sie wusste ja jetzt, gegen wen sie antrat. Sie nahm einen Bissen von der Mousse. Hmm. Sie schmeckte köstlich. Und viel süßer, als sie erwartet hatte.

„Das Komitee des Lone Star Award hat sich große Mühe beim Zusammensetzen der Teams gegeben“, erklärte die Moderatorin.

Teams? Sofia ließ die Gabel sinken. Wie sollte das funktionieren? Sie würde nicht alleine kämpfen?

„Jedes Team ist einem sozialen oder wohltätigen Projekt an seinem jeweiligen Wohnort zugeteilt. Ihre Arbeit wird von denjenigen, die an dem Projekt teilnehmen, bewertet, und sie können Punkte gewinnen. Unnötig zu sagen, dass der- oder diejenige, der oder die die meisten Punkte bekommt, den Wettbewerb gewinnt.“

Ein älterer Mann, der neben Sofia saß, lachte leise. „Bin ich froh, dass ich dieses Jahr nicht zu den Nominierten gehöre“, sagte er.

Warum? Waren die Regeln geändert worden? Das sah ganz so aus. Aber inwiefern? Doch das spielte für Sofia keine Rolle. Sie würde sich mit ganzem Eifer einbringen – und gewinnen. Egal, welche Aufgaben und Herausforderungen auf sie warteten.

„Ich darf die Nominierten aufs Podium bitten“, sagte die Moderatorin. „Dann erfahren Sie den Namen Ihres Teammitglieds und das Projekt, für das Sie kämpfen sollen.“

Die Nominierten erhoben sich und strömten zum Podium. Beau schien es nicht eilig zu haben. Vermutlich glaubte er, dass er mit seinem Namen und seinen Verbindungen ohnehin ein sicherer Gewinner war. Aber Sofia hatte nicht vor, sich von ihm den Preis vor der Nase wegschnappen zu lassen.

Als sie das Podium erreichte, schaute ein kahlköpfiger Mann auf ihr Namensschild und reichte ihr einen weißen Umschlag. „Miss De Leon. Bitte sehr. Im Umschlag finden Sie alle nötigen Informationen.“

Sofia bedankte sich. Im Umdrehen schaute sie auf die Namen und hätte sich fast verschluckt, als sie sie las. Sofia De Leon und Beau Fortune.

Oh nein. Das würde nicht funktionieren. Sie ging zu dem Mann zurück. „Entschuldigen Sie, Sir, aber das muss ein Irrtum sein. Wie können zwei Mitbewerber mit demselben Geschäftsmodell im selben Team sein?“

„Das ist kein Fehler“, entgegnete er. „Sie sehen, dass die Organisation, für die Sie antreten, die Rambling Rose High School ist. Und da Sie und Mr. Fortune in der Gegend wohnen und arbeiten, ist es absolut sinnvoll, dass Sie beide mit vereinten Kräften antreten.“

Absolut sinnvoll für wen? Bestimmt nicht für Sofia. „Ich glaube nicht, dass Mr. Fortune und ich zusammenarbeiten können.“

„Ich bin sicher, dass Sie ausgezeichnet zurechtkommen werden“, behauptete der Mann. „Schließlich ist es für einen guten Zweck.“

Sie seufzte frustriert und wollte gehen. Da entdeckte sie Beau, der zwei Schritte neben ihr stand. Sein Gesichtsausdruck verriet ihr, dass er ihre Einwände mitbekommen hatte.

Toll. Jetzt hatte ihre vorlaute Bemerkung nicht nur für einen schlechten Start gesorgt. Zu allem Übel waren sie nun auch noch aneinander gebunden. Sie beschloss, den ersten Schritt zu tun. „Tut mir leid, falls ich sie beleidigt haben sollte.“

„Jetzt gerade? Oder eben?“

„Sowohl als auch. Als ich gesehen habe, mit wem ich zusammenarbeiten soll, habe ich befürchtet, dass es Probleme geben könnte.“

„Für Sie? Oder für mich?“

„Für beide. Nach allem, was vorgefallen ist …“

„Auf einer Party kaum ein Wort gewechselt und sich im Hundepark getroffen zu haben kann man ja wohl kaum als ‚Vorfall‘ bezeichnen. Seien Sie ehrlich, Sofia. Bevor Sie wussten, wer meine Familie ist, schienen Sie mich doch gemocht zu haben.“

Das stimmte. Doch jetzt, da sie mehr über ihn erfahren hatte, wuchsen auch ihre Zweifel an ihm. Das verschwieg sie ihm allerdings lieber. Ein Fettnäpfchen pro Tag reichte völlig aus.

„Ob Sie’s glauben oder nicht, ich bin nicht überrascht“, fuhr er fort. „Ich bin es gewohnt, dass die Leute mich manchmal nur aufgrund meines Familiennamens beurteilen. Deshalb sind wir, mein Bruder und ich, in der Öffentlichkeit sehr zurückhaltend.“

Als ob jemand, der so gut aussah und stets so schick gekleidet war, in der Öffentlichkeit nicht auffallen würde! Aber auch darüber würde sie kein Wort verlieren.

„Abgesehen davon“, fuhr Beau fort, „bin ich mir nicht sicher, wie das System mit den Punkten funktionieren soll. Das heißt ja, wir müssen im Team unser Bestes geben, damit am Ende einer von uns den Preis bekommt. Das nenne ich eine Herausforderung! Aber da wir nun mal zusammenarbeiten müssen, hoffe ich, Sie können Ihr Misstrauen und Ihre Animosität mir und meiner Familie gegenüber für eine Weile vergessen, damit wir den Menschen in unserer Gemeinde etwas Gutes tun können.“

Sofia unterdrückte einen Seufzer. „Mir bleibt ja keine Wahl.“

„Natürlich. Sie können Ihre Teilnahme am Wettbewerb zurückziehen, falls das ein unüberwindbares Hindernis für Sie darstellt.“

Was für ein arroganter Idiot! „Vergessen Sie’s.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln und hielt ihm die Hand entgegen. „Wie wäre es mit einem Waffenstillstand? Wenigstens vorübergehend?“

Er runzelte die Stirn. „Nur vorübergehend?“

„Bis unser Projekt beendet ist.“

Er ergriff ihre Hand. Die Berührung seiner Finger jagte einen warmen Schauer durch ihren Körper. „Und danach werden Sie mir und meiner Familie weiterhin misstrauen?“

„Ich misstraue Ihrer Familie nicht. Und auch Ihnen nicht. Ich kenne sie ja gar nicht, und Sie kenne ich auch kaum. Das haben Sie ja selbst gesagt.“

„Gut.“ Er ließ ihre Hand los. „Dann könnten wir ja vielleicht sogar Freunde werden.“

„Da bin ich mir nicht so sicher.“ Ihm war schließlich alles in den Schoß gefallen. Sie dagegen hatte hart für ihren Erfolg kämpfen müssen. Das passte irgendwie nicht zusammen.

„Warum zweifeln Sie?“, wollte er wissen.

Schmunzelnd hielt sie den weißen Briefumschlag in die Luft, als wäre er eine Friedensflagge. „Ich werde mein Bestes tun, um mit Ihnen an diesem Projekt zu arbeiten. Aber ich habe fest vor, den Lone Star Best Award zu gewinnen, Mr. Fortune, und Sie um Längen zu schlagen. Also tun Sie Ihr Bestes. Sie werden es brauchen.“

Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ den Ballsaal. Es fiel ihr schwer, den Kopf nicht zu wenden, um zu sehen, ob er ihr nachschaute.

3. KAPITEL

Im Grunde seines Herzens liebte Beau den Wettstreit und hob den Fehdehandschuh, den Sofia ihm vor die Füße geworfen hatte, nur zu gern auf. Und da er dazu mit Herz und Seele ein Mann war, schaute er ihr nach, als sie den Ballsaal verließ, erfreute sich am Schwung ihrer Hüften und an ihren wohlgeformten Beinen, die umspielt wurden vom Saum ihres schwarzen Kleids.

Diese Frau war verdammt sexy – vor allem, wenn sie wütend war.

Natürlich hatte ihn ihre Kritik an den Fortunes vor den Kopf gestoßen. Aber wie er ihr versichert hatte, war er nicht besonders dünnhäutig und auch nicht rasch beleidigt. Jedenfalls hielt dieses Gefühl nie lange vor.

Außerdem hatte ihn ihre Meinung über seine Familie nicht überrascht. Viele Leute in Rambling Rose dachten ähnlich über die Fortunes. Bereits zu seiner Grundschulzeit in New Orleans war ihm nicht entgangen, welche Wirkung sein Name bei seinen Mitschülern hatte. Und es war ihm auch ein wenig peinlich gewesen, wie seine Freunde auf die luxuriöse Villa der Familie reagierten, wenn er sie zu sich nach Hause einlud. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – hatte er sich geschworen, mit beiden Füßen auf dem Boden zu bleiben. Vor allem, seitdem er sein Elternhaus verlassen hatte und in Texas lebte.

Als er den Ballsaal verließ, betrachtete er den weißen Briefumschlag, den man ihm in die Hand gedrückt hatte. Er nahm an, dass der Inhalt der gleiche war wie in dem, den Sofia mitgenommen hatte.

Kaum saß er in seinem Wagen, öffnete er den Umschlag und überflog den Text. Das war ja interessant! Sie sollten für die Rambling Rose High School einen Finanzplan erstellen und den Schülern und Schülerinnen den Umgang mit Geld vermitteln– eine Aufgabe, bei der sein Bruder Draper wohl sofort das Handtuch geworfen hätte. Aber Beau gefiel die Vorstellung, mit Sofia zusammenzuarbeiten.

Sie würden einige Vorarbeiten leisten müssen. Besprechungen bei einem Kaffee, vielleicht auch ein Treffen zum Mittagessen, um ein Konzept zu erstellen, mit dem sie das Interesse von Teenagern für Finanzfragen wecken konnten. Er fragte sich, was Sofia wohl davon hielt.

Möglicherweise würde er es am nächsten Tag erfahren – bei dem Abendessen, zu dem ihn ihre Großmutter eingeladen hatte.

Vom Hotel aus fuhr Sofia sofort zur Wohnung ihrer Mutter, die ihr mit einem Wischlappen in der Hand die Tür öffnete. Pepe begrüßte sie mit freudigem Gebell. Sofia beugte sich zu ihm hinunter und kraulte seine Ohren. „Hast du mich vermisst?“ Dann schaute sie auf den Wischlappen. „Was machst du da?“, wollte sie von ihrer Mutter wissen. „Kommt die Putzfrau nicht am Montag?“

„Doch. Aber es ist jetzt schon Zeit für einen kleinen Frühjahrsputz. Denn deine Abuelita hat für morgen einen Gast zum Abendessen eingeladen.“

Sofia war froh, dass ihre Mom und Großmutter Freunde in der Nachbarschaft gefunden hatten. Hin und wieder luden sie einige ein, aber sie hatten noch nie solche Umstände gemacht.

„Wie war das Mittagessen?“, erkundigte sich ihre Mutter.

„Ganz okay. Ich erzähle euch alles bei einer Flasche Wein.“

„Mija?“, rief Abuelita aus der Küche. „Bist du das?“

„Ja.“

„Gut.“ Genau rechtzeitig, um mir zu helfen, das gute Geschirr aus der Kiste zu holen. Ich möchte es spülen.

„Wow!“ Sofia lachte. „Ihr Gast muss ja jemand ganz Besonderes sein.“

„Das glaubt sie auch.“ Ihre Mutter lächelte. „Aber sie macht ein großes Geheimnis daraus. Nicht einmal mir hat sie erzählt, wer es ist.“

„Hm. Wer mag es wohl sein? Sag mir bloß nicht, sie hat den älteren Herrn eingeladen, der kürzlich in das Haus auf der anderen Straßenseite eingezogen ist. Ich glaube, sie mag ihn ganz gern.“

„Vielleicht. Und du weißt ja, wie gern sie flirtet. Wer kann ihr schon widerstehen, wenn sie ihren Charme einschaltet?“

Sofia legte ihre Handtasche auf einen Stuhl. „Ich hole das Geschirr für sie. Und sag Bescheid, wenn du eine Pause machen willst.“

Mama runzelte die Stirn und hob eine Hand. „Fensterputzen?“ Dann streckte sie die andere Hand aus, als wären sie zwei Waagschalen. „Oder eine Flasche von meinem Lieblingsmerlot?“ Dann klatschte sie lachend in die Hände. „Mija, die Fenster können warten. Öffnen wir die Flasche.“

Kurz darauf füllte sie drei Gläser und setzte sich an den Tisch.

„Ist es so schlecht gelaufen?“ Besorgt betrachtete Mama ihre nachdenkliche Miene.

„Das würde ich nicht sagen. Die Nominierten fühlten sich alle geehrt. Aber …“ Sofia holte tief Luft. „Es ist nur, dass ich etwas zu jemandem gesagt habe, was ich besser nicht gesagt hätte. Ich hab’s eigentlich gar nicht so gemeint, aber ich habe ihm auf den Schlips getreten. Das wollte ich natürlich nicht.“

„Das klingt gar nicht nach dir.“ Mama hob ihr Glas und nahm einen Schluck. „Erzähl. Was ist passiert?“

Sofia erzählte ihnen, dass sie Beau beim Mittagessen getroffen und bei der Gelegenheit erfahren hatte, dass sein Familienname Fortune war. Leider erst, nachdem sie ein paar abfällige Bemerkungen über seine Familie gemacht hatte.

„Und davor hattest du keine Ahnung, wer seine Familie ist?“ Abuelita schnalzte mit der Zunge. „Die Fortunes sind ziemlich reich. Und einflussreich.“

„Ja, ich weiß. Sie wurden alle mit einem goldenen Löffel im Mund geboren. Und dazu haben einige Zweigstellen ihres Unternehmens bereits einen Lone Star Best Award gewonnen.“

„Befürchtest du, unfair behandelt zu werden?“, fragte Mama.

„Ja. Nein. Vielleicht.“ Sofia hob ihr Glas. Ihre Finger zitterten unmerklich. „Es ist nur so, dass ich mir den Arsch aufgerissen habe, um dort hinzukommen, wo ich heute bin, und ich möchte diese Auszeichnung unbedingt für die De Leon-Finanzberatung. Um jeden Preis.“

Mama strahlte. „So kenne ich mein Mädchen. Eine Kämpferin. Und eine Gewinnerin.“

„Was ist denn nun das Problem?“, wollte Abuelita wissen.

Sofia erklärte die Modalitäten des Wettbewerbs. „Und ratet mal, mit wem ich ein Team für das Projekt an der Schule bilde? Beau Fortune.“

„Oh, wow!“, sagte Mama. „Wie unangenehm.“

„Das kann man wohl sagen.“

Abuelita räusperte sich und murmelte etwas Unverständliches. Sofia sah sie fragend an. „Was meinst du?“

Ihre Großmutter schaute zuerst nach links und dann nach rechts. Doch statt zu antworten, griff sie zu ihrem Glas und trank einen Schluck.

„Mama Maria“, schaltete Sofias Mutter sich ein, „habe ich dich richtig verstanden? Hast du gesagt ‚nicht so unangenehm wie morgen‘?“

Immer noch keine Antwort. Offensichtlich wollte sie nicht mit der Sprache heraus. „Okay“, sagte Sofia, „Abuelita, du erzählst uns besser sofort, was los ist.“

Die ältere Frau setzte ihr Glas ab und schaute Sofia an. Ihre Augen blitzten schelmisch, und um ihre Mundwinkel zuckte es. Dann breitete sie die Hände aus. „Ratet mal, wer zum Essen kommt.“

Sofia konnte nicht glauben, dass ihre Großmutter den Feind zum Abendessen eingeladen hatte. Zugegeben, Beau Fortune war nicht wirklich ihr Feind. Aber er war ihr Konkurrent sowohl beruflich als auch beim Wettstreit um den Lone Star Best Award – ein Preis, den zu gewinnen beide fest entschlossen waren. Das hieß, dass sie unmöglich ihre Freizeit miteinander verbringen sollten. Und jetzt wartete sie in der Wohnung ihrer Mutter auf Beaus Ankunft. Verflixt!

Sie hätte ohne Weiteres eine Ausrede für den Samstagnachmittag finden können. Sie hätte behaupten können, viel zu viel zu tun zu haben, um an einem Abendessen teilnehmen zu können. Aber sie traute sich nicht, Abuelita und Beau unbeaufsichtigt zu lassen. Wer weiß, wie sich diese Unterhaltung entwickeln würde. Oder welche Informationen Beau den beiden Frauen entlocken könnte, die durch die Wohnung wirbelten, als erwarteten sie den König von England zum Essen.

Sowohl Mama als auch Abuelita waren immer schon ausgesprochen gastfreundlich gewesen. Sie hoffte nur inständig, dass die beiden den roten Teppich nicht wegen Beaus Familiennamen ausrollten. Und warum, um alles in der Welt, hatten sie ihn zu solch früher Stunde eingeladen?

„Abuelita, wir essen doch nie vor fünf oder halb sechs. Warum hast du Beau denn schon für vier Uhr hergebeten?“, fragte sie ihre Großmutter.

„Ich dachte, es wäre schön, ein wenig Zeit zu haben, ihn besser kennenzulernen. Aber das war natürlich, bevor ich erfahren habe, dass du ihn und seine Familie nicht leiden kannst.“

„Nicht leiden ist der falsche Ausdruck“, erwiderte Sofia.

Abuelita stellte eine Vase mit Blumen in die Mitte des Tisches. „Was ist denn der richtige Ausdruck?“

„Nun ja, er ist mein Konkurrent – sowohl beruflich als auch für den Preis.“

„Hmm.“ Abuelita legte die Stirn in Falten. „Aber du musst zugeben, dein Mr. Fortune ist muy guapo y simpatico.“

Sofia verschränkte die Arme vor der Brust. „Meinst du, ein schöner und sympathischer Mann ist unbedingt vertrauenswürdig oder loyal? So treten auch Betrüger auf.“

„Schon möglich. Er hat mich nun mal an deinen Großvater erinnert. Mein Carlos war nämlich auch schön und sympathisch.“ Abuelitas Blick wurde melancholisch – ein bisschen zu melancholisch für Sofias Geschmack. „Tut mir leid, dass ich ihn eingeladen habe, mija. Ich dachte, es wäre eine nette Überraschung für dich. Offensichtlich habe mich geirrt. Aber er ist mein Gast, und ich hoffe, dass du nett zu ihm bist, auch wenn du ihn nicht wirklich magst. Immerhin hat er den Hund seines Nachbarn ausgeführt. Spricht das nicht für einen guten Charakter?“

Abuelitas Schwärmerei für Beau war ziemlich irritierend. „Du bist ja richtig vernarrt in ihn. Mich wundert, dass du keine Mariachi-Band engagiert und einen Margarita-Brunnen gemietet hast.“

Abuelita klatschte in die Hände. „Warum bin ich bloß nicht darauf gekommen? Ich liebe Fiesta.“

„Ich auch, aber irgendetwas sagt mir, dass dieser Abend alles andere als ein Fest wird.“

Mama betrat den Raum mit einem Tablett in der Hand, auf dem selbst gemachte Tortillachips und Schalen mit Salsa standen. „Maria, wo soll ich das hinstellen?“

„Auf den Couchtisch im Wohnzimmer. Und sag Alexa, sie soll Mariachi-Musik spielen.“

„Gute Idee“, rief Mama im Hinausgehen.

Sofia wollte gerade widersprechen, als Pepe wie verrückt zu bellen begann, die Musik erklang und die Türglocke läutete.

Nach dem Mittagessen in Austin hatte Beau darüber nachgedacht, die Verabredung mit Sofias Großmutter abzusagen. Da er jedoch nur ihre Adresse, nicht aber ihre Telefonnummer hatte, musste er zu ihrem Haus gehen und ihr persönlich mitteilen, dass ihm leider etwas dazwischengekommen sei. Eine Flasche Merlot hatte er trotzdem mitgenommen – sozusagen als kleine Entschädigung für seine Absage.

Kaum hatte er geklingelt, als er aufgeregtes Hundegebell hörte.

„Callate, Pepe!“, rief eine weibliche Stimme. „Sei still!“

Die Tür öffnete sich, und Beau hörte die Klänge einer Mariachi-Band. Die Frau vor ihm war in ihren Fünfzigern und hatte ihr braunes Haar kurz geschnitten. Sie hielt Pepe am Halsband fest, damit er nicht am Besucher hochsprang.

Kaum hatte Pepe Beau erkannt, verstummte er und wedelte mit dem Schwanz. Die Frau ließ ihn los und richtete sich auf. Lächelnd stellte sie sich vor. „Ich bin Camila De Leon, Sofias Mutter.“

Die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen.

„Und Sie müssen Mr. Fortune sein.“

„Bitte nennen Sie mich Beau.“

Sie trat beiseite, um ihn hereinzulassen, und schloss die Tür hinter ihm. Er reichte ihr die Weinflasche.

„Vielen Dank. Aber das wäre doch nicht nötig gewesen.“

„Ich bin ein Kind des Südens. Meine Mom und meine Großmutter haben mir beigebracht, niemals mit leeren Händen zu kommen. Ich hoffe, Sie mögen Wein.“