Was verschweigst du, Geliebte? - Judy Duarte - E-Book

Was verschweigst du, Geliebte? E-Book

Judy Duarte

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Beschreibung

Er darf nie von ihrer Vergangenheit erfahren! Auch wenn Rowan alles ist, was sich Louanne je erträumt hat – in ihr Herz darf sie ihn nicht lassen. Das würde nicht nur ihr Leben in Gefahr bringen. Auch das Wohlergehen ihres kleinen Sohnes steht auf dem Spiel …

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IMPRESSUM

Was verschweigst du, Geliebte? erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2004 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „The Rich Man’s Son“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA, Band 1518 Übersetzung: Patrick Hansen

Umschlagsmotive: Getty Images / AlexVolot, ELIZABETH POLIASHENKO

Veröffentlicht im ePub Format in 1/2022

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751513456

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?“

Rowan Parks nahm den Blick von seiner Bierflasche und schaute in das lächelnde Gesicht eines Cowgirls mit blond gefärbten Haaren. Die junge Frau trug eine rote, tief ausgeschnittene Bluse, von der vermutlich ein Knopf abplatzen würde, wenn sie zu tief einatmete.

„Nicht unbedingt.“ Er winkte der Kellnerin und signalisierte ihr, dass sie ihm die Rechnung bringen sollte. Damit er weiterfahren konnte. Ohne konkretes Ziel.

Trotz seiner nicht gerade einladenden Antwort setzte die Blondine sich zu ihm, stützte die Arme auf den Tisch und beugte sich vor. „Mein Name ist Charlene.“

Rowan schwieg. In Bars sprachen ihn oft Frauen an, die sein Bett wärmen wollten. Aber Sex war das Letzte, woran er an diesem Abend dachte. Genau wie Gesellschaft.

„Wie heißen Sie?“, fragte sie.

Seit Tagen schmorte Rowan in seinem Zorn und der Trauer und war nicht bereit, sich aufheitern zu lassen. Dazu fühlte das Elend sich einfach zu gut an. Vor allem in einer schäbigen kleinen Bar wie dieser.

Brenda Wheeler, die Haushälterin seines Vaters, die ihn und seine Geschwister aufgezogen hatte, hatte immer großen Wert darauf gelegt, dass sie höflich waren.

Er sah sich in dem getäfelten Raum um, während ihm der Geruch von kaltem Zigarettenrauch und schalem Bier in die Nase stieg und aus einer verchromten Jukebox ein alter Countrysong dröhnte – Hank Williams in Bestform.

„Mein Name ist Hank“, sagte Rowan.

Ihre blauen Augen leuchteten auf, und als sie strahlte, kam ein abgebrochener Schneidezahn zum Vorschein. „Hank? Im Ernst? Genau wie der Sänger?“

Er nickte und wünschte, die Kellnerin würde sich beeilen. Die Bar war fast leer gewesen, als er seine Harley davor abgestellt hatte und hineingegangen war, um seinen Durst zu löschen und sich den Staub aus der Kehle zu spülen. Aber je mehr Einheimische hereinkamen und den Raum mit ihrem Gelächter und den nasalen Südstaatenstimmen beherrschten, desto trüber wurde seine Stimmung.

Die Blondine namens Charlene betrachtete den Diamantstecker an seinem Ohr, die Rolex aus Platin am Handgelenk und dann sein Gesicht – mit wesentlich mehr Interesse, als er erregen wollte.

„Sie sind nicht von hier, was?“

Da hatte sie recht.

Rowan war in dieser Kaschemme mitten in Texas ebenso deplatziert, wie er es immer in der Villa seines Vaters in San Francisco gewesen war. Aber er war nicht auf Geplauder aus. Und er sah keinen Grund, jemandem zu verraten, warum er seinen Frieden in der Anonymität suchte.

Als die Kellnerin die Rechnung brachte, holte er ein Bündel Banknoten aus der Tasche seiner Jeans, zupfte einen Zwanzigdollarschein heraus und legte ihn auf die Tischplatte aus braunem Kunststoff.

„Freitagabends geht hier richtig was ab“, sagte Charlene und lächelte aufmunternd. „Und die Band legt bald los.“

Rowan hatte keine Lust auf Twostepp, und die einzige Musik, die er im Moment hören wollte, war Blues. Aber er bezweifelte, dass er hier in der tiefsten Provinz einen Jazz-Klub finden würde.

„Die Band ist echt gut. Die sind sogar schon in Austin aufgetreten. Das weiß ich, weil mein Bruder an der Gitarre steht.“ Sie versuchte, ihm ein Lächeln zu entlocken, hatte jedoch keinen Erfolg. „Sie wollen doch nicht etwa aufstehen und einfach weggehen, oder?“

Genau das hatte er vor. Und genau das hatte er vor zwei Tagen getan – er war für immer weggegangen. Jetzt wollte er nur noch in Ruhe gelassen werden.

„Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie Antonio Banderas ähnlich sehen?“ Sie gab nicht auf. Offenbar war sie es nicht gewöhnt, ignoriert zu werden.

Mit schwarzem Haar, Grübchen an den Wangen und blauen Augen war Rowan der Einzige in seiner Familie, der das auffallend gute Aussehen seiner Mutter geerbt hatte.

„Es gefällt mir, wenn ein Mann unrasiert ist“, fuhr Charlene fort. „Dann wirkt er irgendwie gefährlich und sexy.“

Und rebellisch, vermutete Rowan. Seine Weigerung, sich täglich zu rasieren, hatte seinen Vater in Rage gebracht. Genau wie die Tatsache, dass er sich immer wieder Ärger eingehandelt hatte. Aber wenigstens hatte seine Rebellion den alten Herrn endlich zu einer Reaktion provoziert.

Du undankbarer Kerl. Warum kannst du nicht mehr wie dein Bruder Cade sein?

Und weniger wie deine Mutter, hatte Rowan immer stumm hinzugefügt.

Hatte sein Dad ihn deswegen verachtet? Weil er aussah wie die Frau, die sein Vater in ein Schweizer Sanatorium verbannt hatte?

Oder hatte er den Ansprüchen des Edelsteinbarons nicht genügt?

Was immer der Grund gewesen war, als schwarzes Schaf der Familie hatte Rowan alles getan, um gegen den Mann zu rebellieren, der seine Rücksichtslosigkeit ein Mal zu oft unter Beweis gestellt hatte.

Und jetzt war Rowan dabei, seine Wurzeln zu kappen und ein neues Leben zu beginnen. Ohne Vergangenheit. Das Problem war nur, dass er seinen Schmerz und seine Träume so lange geheim gehalten hatte, dass er nicht mehr genau wusste, wer er eigentlich war.

„Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?“, fragte Charlene.

„Ich bin nur auf der Durchreise. Und so hübsch Sie auch sind, Charlene, ich bin nicht in der richtigen Stimmung.“ Sein Lächeln reichte nicht bis zu den Augen. „Danke für den Versuch.“

Dann verließ er die Bar mit seinem Helm unter dem Arm. Aber anstatt ihn aufzusetzen, schnallte er ihn an die Seite des Motorrads, bevor er aufstieg und davonraste, um sich den Wind durchs Haar wehen zu lassen. Und hoffentlich auch durch den Kopf. Das Herz. Und die Seele.

Die Harley wirbelte Staub auf, als Rowan über eine Landstraße fuhr. Er hatte keine Ahnung, wohin er wollte. Er wusste nur, dass er das Imperium von Walter Parks möglichst weit hinter sich lassen musste. Und den Mann, der seine Familie und jeden anderen zu beherrschen versuchte.

Rowan hatte nur zum Übernachten angehalten, war die Rastlosigkeit leid und beschloss, sich dieses Mal etwas Besseres als ein heruntergekommenes Motel mit flackernder Neonreklame zu suchen. Wo zum Teufel war der Interstate Highway?

Als er Gas gab, um Austin anzusteuern, huschte ein Kaninchen über den Asphalt, auf der Flucht vor einem Kojoten, der ihm dicht auf den Fersen war. Rowan wich dem zottigen Räuber aus, und die Harley rutschte in einen Graben, der neben einem alten Zaun aus Stacheldraht verlief.

Das Motorrad bäumte sich auf wie ein mechanischer Stier und beförderte Rowan in die Luft.

Er rechnete mit dem Schmerz, den der Aufprall auf Steine, Erde und Zaun mit sich brachte. Selbst dass ihm die Luft wegblieb, überraschte ihn nicht.

Aber er hatte nicht erwartet, dass ihm schwarz vor Augen wurde.

Louanne Brown hasste die Lazy-B-Ranch – das hatte sie immer getan und würde es immer tun. Doch wie das Schicksal es wollte, war aus dem Ort, für den sie sich stets geschämt hatte, ausgerechnet dann ein Wunder geworden, als sie es am nötigsten brauchte.

Trotzdem, die nie endende Arbeit begann vor dem Morgengrauen und dauerte ununterbrochen bis nach dem Abendessen. Und wenn sie schließlich zwischen die sauberen, aber zerschlissenen Laken im hundert Jahre alten Bett schlüpfte, das einst ihren Eltern gehört hatte, fiel sie in einen erschöpften Schlaf.

Doch trotz der Schwielen, Kratzer und geröteten Knöchel an den schmerzenden Händen flüsterte sie jedes Mal ein Dankgebet dafür, dass ihre Schwester und sie die Ranch nach dem Tod der Eltern nicht verkauft hatten. Und dass Pete und Aggie Robertson auch noch in ihrem Rentenalter hiergeblieben waren.

Die beiden lebten auf der Ranch, solange Louanne sich erinnern konnte, und waren weit mehr als nur der Vorarbeiter und seine Ehefrau. Für ihren Sohn waren sie wie Großeltern und für sie die besten Freunde, die sie sich wünschen konnte. Freunde, die durchaus gemerkt hatten, dass sie sich hier von der Welt abgekapselt hatte, aber keine neugierigen Fragen stellten.

Als der klapprige Pick-up über die Landstraße holperte, die die Ranch umgab, blinzelte sie in die Vormittagssonne. Sie war seit Stunden auf, hatte sich ein herzhaftes Frühstück gemacht und Noah die Flasche gegeben, bevor sie ihn zu Aggie gebracht hatte.

„Das ist der Abschnitt des Zauns, der repariert werden muss“, sagte Pete, der am Steuer saß. „Eigentlich sollten wir das ganze verdammte Ding erneuern.“

Jedes Mal, wenn Louanne sich umdrehte, gab es ein neues Problem, dessen Beseitigung Geld kostete. „Es ist ein dauernder Kampf, was?“

Pete schnalzte mit der Zunge. „Sieht ganz so aus.“

Louanne schwieg. Geld war immer knapp gewesen, jetzt mehr denn je. Und etwas so Teures konnten sie sich einfach nicht leisten, so sinnvoll es auch wäre.

„Also ich werd nicht mehr“, entfuhr es Pete, während er nach Nordwesten zeigte. „Sieh mal.“

Louannes Blick folgte seiner Hand und erfasste einen dunkelhaarigen Mann, der mit unsicheren Schritten die Straße entlangging. „Er ist verletzt, Pete. Halt an.“

Als der Pick-up ausrollte, sprang sie ins Freie. Doch bevor einer von ihnen den Fremden erreichte, brach er zusammen.

Sein Haar war blutverkrustet, vermutlich von der Schnittwunde an der Schläfe. Das schmutzige weiße T-Shirt war voll rötlicher Flecken, die verblichenen Jeans an einem Knie zerfetzt.

Ein Diamantstecker im Ohr und die Bartstoppeln ließen ihn wie einen Rockmusiker oder Künstler aussehen – genau der Typ Mann, mit dem ihre Schwester Lula ausgehen würde.

„Mister? Sind Sie okay?“, fragte Louanne.

Er antwortete nicht.

War er bewusstlos?

Sie kniete sich hin und tastete nach seinem Puls. Er schlug kräftig und gleichmäßig.

Pete stand daneben und warf seinen Schatten auf den Mann. „Vielleicht sollten wir ihn zur Ranch bringen und einen Krankenwagen rufen.“

Der Fremde öffnete die Augen, die so blau wie der Sommerhimmel waren, und schüttelte mühsam den Kopf. „Kein Krankenwagen … kein Krankenhaus. Ich bin … in Ordnung.“

Louanne glaubte ihm nicht. Er war verletzt. Warum wollte er keinen Arzt?

War er auf der Flucht? Wollte er sich verstecken?

Wie sie?

Sie entschied sich, seinen Wunsch zu respektieren – wenn möglich.

„Können Sie auf die Ladefläche klettern?“, fragte Pete.

Der Mann nickte und stand langsam auf. Als die Knie nachzugeben drohten, nahmen Pete und Louanne ihn in die Mitte, um ihn notfalls zu stützen.

Vermutlich sollte sie vorsichtig sein, aber aus irgendeinem Grund hatte sie keine Angst davor, einen verletzten wildfremden Mann mit nach Hause zu nehmen. Vielleicht lag es daran, dass er jemand war, der perfekt in den Roman passen würde, an dem sie geschrieben hatte.

Ein attraktiver, aber ruppiger Fremder.

Gefährlich und verletzlich zugleich.

Ein Raubein mit Engelsaugen.

Selbst was er am Körper trug, passte nicht zusammen – die teure Rolex aus Platin, die verblichenen, zerrissenen und staubigen Jeans, die Lederstiefel, die auch nicht gerade billig aussahen.

Natürlich konnten Äußerlichkeiten täuschen. Das hatte Louanne auf schmerzhafte Weise gelernt. Dennoch konnte sie den verletzten Fremden nicht einfach liegen lassen.

„Vorsichtig“, sagte sie zu Pete, während sie dem Mann auf die Ladefläche halfen. Nachdem er sich auf dem schmutzigen Metall ausgestreckt hatte, kletterte sie hinterher.

Auf der unsanften Fahrt zum Haus schlug er erneut die Augen auf und sah ihr ins Gesicht. „Was ist passiert?“

„Das wollte ich Sie gerade fragen.“ Sie rang sich ein Lächeln ab und versuchte, sich nicht in seinem forschenden Blick zu verlieren. Sie hatte das Gefühl, dass es vielen Frauen schwerfiel, ihn nicht anzustarren, wenn er sauber und frisch rasiert war. Auch sie hatte Mühe, sich von dem kantigen Kinn und den stoppeligen Wangen abzuwenden. Und von den so dichten und schwarzen Wimpern, wie sie sie bisher nur in Werbespots für Mascara gesehen hatte.

„Wo bin ich?“, fragte er.

„Auf einer Ranch in Pebble Creek.“

Er verzog das Gesicht. Seine Brauen waren fast perfekt, abgesehen von einer alten Narbe an der linken. Jetzt würde er eine zweite Narbe bekommen. Höher. In der Nähe der Schläfe. „Pebble Creek? Wo zum Teufel ist das?“

„Etwa eine Stunde oder zwei von Austin entfernt.“

„Texas?“

Sie nickte.

Er griff nach ihrem Handgelenk. „Ich bin froh, dass Sie mich gefunden haben.“

Die Berührung löste in ihr etwas aus, das sie seit fast zwei Jahren nicht mehr gefühlt hatte. „Ich auch. Auf der Straße ist kaum Verkehr, also hätten Sie vielleicht lange warten müssen.“

Er musterte sie. „Es tut mir leid, aber ich habe Ihren Namen vergessen.“

Sie wollte Lanay Landers sagen. Das war der Name, den sie sich als Teenager ausgedacht und auf dem College getragen hatte, aber er war gestorben, zusammen mit ihren Träumen. „Louanne Brown.“

Er nickte, als würde er finden, dass der Name zu ihr passte.

Es versetzte ihr einen Stich. Ihre Schwester hatte sich einen Künstlernamen zugelegt. Tallulah Brown. Und es hatte geholfen. Jetzt war sie dabei, in Hollywood eine rasante Karriere zu machen.

Zu Louanne war das Schicksal nicht so freundlich gewesen. Und der Name, hinter dem sie sich hatte verstecken wollen, lag jetzt in einer dunklen Schrankecke, zusammen mit dem unfertigen Manuskript, das nie wieder das Tageslicht erblicken würde.

„Sie kommen mir bekannt vor“, sagte der verletzte Mann. „Als wären wir uns schon mal begegnet.“

Sie wünschte, es wäre so. Aber der Fremde sah niemandem ähnlich, den sie kannte. Niemandem, dem sie in Pebble Creek, mitten im texanischen Nirgendwo, jemals über den Weg laufen würde.

An der Ostküste, wo sie Englisch studiert hatte, war sie oft mit ihrer Schwester verglichen worden. Aber mit jeder Stufe, die Tallulah Brown als Schauspielerin nach oben stieg, schien Louanne eine nach unten zu rutschen.

Ihre einst so vielversprechende literarische Karriere war vorbei, noch bevor sie richtig begonnen hatte.

Der rätselhafte Fremde schloss die Augen, bevor sie ihn nach seinem Namen fragen konnte.

Pete hielt am Haus, stieg aus und betrachtete den Verletzten. „Wir sollten ihn in die Stadt bringen“, sagte er nach einem Moment.

Louanne hatte Austin gemieden, weil Richard sie vor allem dort suchen würde. Deshalb blieb sie auf der Ranch und fuhr nicht mal zum Einkaufen nach Pebble Creek, sondern überließ es Aggie, das Notwendigste zu besorgen.

Vielleicht litt sie unter Verfolgungswahn, aber sie war nicht versessen darauf, Aufmerksamkeit zu erregen, indem sie einen Krankenwagen rief oder den Vorfall der Polizei meldete.

„Warum lassen wir nicht Doc Haines herkommen?“, schlug sie vor.

Der Vorarbeiter nickte. „Gute Idee.“

Der Landarzt, der trotz seines fortgeschrittenen Alters noch Hausbesuche machte, hatte sie von Noah entbunden und untersuchte ihn regelmäßig.

Bevor Louanne und Pete überlegen konnten, wie sie den Bewusstlosen ins Haus schaffen sollten, bewegte er sich. „Wo bin ich?“

„Auf der Lazy-B-Ranch.“

„Wo ist die?“

„Texas“, wiederholte sie.

Hatte er es schon vergessen? War das die Folge einer Gehirnerschütterung?

Kopfverletzungen konnten sehr ernst sein. Vielleicht sollte sie Pete bitten, ihn ins Krankenhaus zu fahren. „Wir können Sie nach Austin bringen.“

Der Mann schüttelte den Kopf. „Kein Krankenhaus. Ich muss mich nur ein wenig ausruhen, dann bin ich wieder okay.“

„Können Sie ins Haus gehen?“

Er kletterte von der Ladefläche. Louanne und Pete halfen ihm hinein. Als sie das Gästezimmer erreichten, schwankte er.

„Ich weiß nicht, Louanne.“ Pete kratzte sich den Kopf. „Vielleicht sollten wir doch Doc Haines rufen.“

Vermutlich hatte er recht. Was sollte sie mit einem Fremden im Haus anfangen?

Der Unbekannte warf einen Blick auf die weiße, mit Häkelspitze besetzte Tagesdecke auf dem Bett, in dem Lula einst geschlafen hatte, und seufzte. „Ich werde es schmutzig machen.“

Louanne schlug sie zurück. „Setzen Sie sich, damit wir Ihnen die Stiefel ausziehen können.“

„Wir sollten besser mehr als nur die ausziehen“, meinte Pete mit einem Blick auf das blutige Hemd und die schmutzigen Jeans.

Ihn ausziehen? In Louanne regten sich Empfindungen, die sie hatte vergessen wollen – nachdem der Vater ihres Babys ihr Todesangst gemacht hatte.

„Ich brauche eine Dusche“, sagte der Mann.

Mit seinem lädierten Knie würde Pete ihm dabei nicht helfen können.

„Vielleicht sollten wir damit warten, bis der Doktor hier ist“, erwiderte sie.

Aber aus irgendeinem verrückten Grund fiel es ihr ein wenig schwer, die Aufgabe einem anderen zu überlassen.

Sein Kopf schmerzte höllisch. Und jedes Mal, wenn er die Augen öffnete, wurde es schlimmer. Aber er beklagte sich nicht, während die Frau – Louanne – ihm das Hemd auszog. Ihre Hände waren rau von der Arbeit, aber sanft.

Sie sah so vertraut aus, als sollte er sie kennen. Vielleicht lag es an den goldbraunen Augen, die ihm in die Seele zu schauen schienen. Aber er wusste beim besten Willen nicht, wer sie war.

Als sie sein Gesicht säuberte, kratzte das feuchte, warme Tuch über die Bartstoppeln, und er wünschte, er hätte sich heute Morgen rasiert.

Ihr Duft war blumig – einer, den er noch nie wahrgenommen hatte. Ein äußerst angenehmer.

Unwillkürlich öffnete er die Augen wieder. Vielleicht fiel ihm ja doch noch ein, wo er sie gesehen hatte. Wenn er es hatte.

Ihre zart geschwungenen Brauen zogen sich zusammen, während sie ihm behutsam das Blut abtupfte. Als sie den Blick hob und sah, dass er sie betrachtete, zuckte sie zusammen. „Tue ich Ihnen weh?“

„Nein.“

„Gut.“ Ihre Blicke trafen sich ein wenig länger als nötig, bevor sie den Waschlappen in warmes Wasser tauchte und ihn auswrang. „Können Sie sich aufsetzen? Ich möchte Ihnen das T-Shirt ausziehen.“

Er beugte sich vor, tastete nach dem Saum und war nicht sicher, ob es ihm ohne ihre Hilfe gelungen wäre, es über den Kopf zu ziehen.

„Sie sind eine großartige Krankenschwester“, sagte er, um die Stimmung ein wenig aufzulockern.

„Danke.“ Sie wusch ihn, und er ertappte sich dabei, es mehr zu genießen, als er sollte.

Sie war auf natürliche, ungekünstelte Weise attraktiv.

„Wie ist Ihr Name?“, fragte sie.

Sein Name?

Sie erwartete eine Antwort, und er wollte ihr eine geben. Aber sein Verstand verweigerte den Gehorsam.

Sie hielt inne. „Sie erinnern sich doch an Ihren Namen, nicht wahr?“

Er fragte sich, ob er so entgeistert aussah, wie er sich fühlte.

Vermutlich, denn sie starrte ihn nur an.

Sie wartete auf eine Antwort, aber er konnte ihr keine geben.

Denn er hatte tatsächlich nicht die leiseste Ahnung, wer zum Teufel er war.

2. KAPITEL

Wo bleibt er nur?

Louanne hatte vor über einer Stunde angerufen, und es war nicht Doc Haines’ Art, sich Zeit zu lassen.

Die Nachmittagssonne schien durch das Erkerfenster, reichte jedoch nicht aus, um das walnussgetäfelte Wohnzimmer aufzuhellen. Und obwohl eine sanfte Brise durch die offene Tür hereinwehte, wurde Louanne daran erinnert, wie dunkel und muffig das Haus geworden war.

Aber angesichts ihrer finanziellen Lage war sie nicht sicher, wann sie sich einen Eimer Farbe leisten können würde. Geschweige denn eine Renovierung.

Unruhig ging sie auf dem erbsengrünen Teppichboden hin und her. Vielleicht hätte sie doch den Rettungswagen rufen sollen, auch wenn niemand wissen durfte, dass sie wieder hier war. Aber der Landarzt war erfahren.

Die Leute behaupteten, dass es keinen besseren Diagnostiker als Dr. Archibald Haines gab. Auch Louannes Eltern waren davon überzeugt gewesen, und Aggie und Pete vertrauten dem großväterlichen Arzt seit vielen Jahren.

Der Doc war ein großer Mann mit weißem Haar, breiten Schultern und fast immer lächelndem Gesicht. Verwitwet, Anfang achtzig, wirkte er fit und lebensfroh und führte eine kleine Privatpraxis. Er sprach zwar dauernd davon, in den Ruhestand zu gehen, aber mehr als ein gelegentliches Wochenende zum Angeln gönnten ihm die Bürger von Pebble Creek nicht.

Als draußen das Brummen eines Dieselmotors näher kam, eilte Louanne ans Fenster, dem man ansah, dass es seit etwa einem Jahr nicht mehr geputzt worden war. Es war Doc Haines, Gott sei Dank. Aber was tat er in einem nagelneuen Wohnmobil?

Egal, dachte sie. Hauptsache, er war da.

Sie ging ihm entgegen. „Danke, dass Sie gekommen sind.“

„Ich war gerade auf dem Weg nach Norman, Oklahoma, zu einem Familientreffen, und wenn Sie dreißig Minuten später angerufen hätten, wäre ich nicht mehr umgekehrt.“

„Dann habe ich ja Glück gehabt.“ Louanne führte ihn ins Gästezimmer, wo der Verletzte ohne T-Shirt und Stiefel auf dem Bett lag. Er trug noch die staubigen, zerfetzten Jeans, war jedoch sauberer als vorhin auf der Landstraße.

Als er sie ansah, löste sein Blick bei ihr nicht nur Mitgefühl aus, sondern machte ihr auch bewusst, dass sie eine Frau war.

Doc Haines stellte sich vor und begann mit einer gründlichen Untersuchung. Aus irgendeinem Grund blieb Louanne in der Tür stehen – so, als hätte sie jedes Recht dazu.

Nachdem er die Wunde an der Schläfe inspiziert hatte, setzte der weißhaarige Landarzt sich auf die Bettkante. „Was ist mit Ihnen passiert, mein Sohn?“

„Ich weiß es nicht.“

„Haben Sie eine Ahnung, was für ein Tag heute ist?“

Der Mann seufzte und schüttelte den Kopf.

„Haben Sie einen Namen?“

Der Fremde runzelte die Stirn, griff in die rechte Hosentasche und holte von einem roten Gummiband zusammengehaltene Banknoten hervor.

Anders als manche Männer, die mit großen Scheinen in einem goldenen Clip angaben, hatte dieser Hundertdollarnoten um eine silberne Kreditkarte und einen Führerschein gewickelt.

Louanne schätzte, dass er fast tausend Dollar bei sich hatte. Vielleicht mehr.

Daher nahm sie an, dass seine Verletzungen nicht von einem Überfall herrührten. Es sei denn, er selbst hatte ihn begangen. Aber ihr Instinkt sagte ihr, dass er kein Räuber war.

Er warf einen Blick auf den Führerschein. „Ich schätze, mein Name ist Rowan Parks. Aus Kalifornien.“

Doc Haines nickte bedächtig, verschränkte die Arme und legte sie auf dem imposanten Bauch ab. „Weckt das irgendwelche anderen Erinnerungen?“

Langsam schüttelte der Mann – Rowan – den Kopf. „Leider nicht. Und das Foto im Führerschein kommt mir auch nicht bekannt vor.“

„Na ja, machen wir uns darüber noch keine Sorgen. Ich denke, wenn Sie sich erst ein wenig ausgeruht und erholt haben, wird Ihnen schon etwas einfallen.“ Doc Haines nahm eine Lampe aus der alten Arzttasche, die schon seinem Vater gehört hatte, und leuchtete in Rowans Augen.

„Wird er wieder gesund?“, platzte Louanne heraus.

„Ich kann nichts Ernstes finden.“ Doc Haines schaltete die Lampe aus, nahm im Sessel neben dem Bett Platz und wandte sich ihr zu. „Er könnte eine leichte Gehirnerschütterung haben, und die Wunde muss genäht werden. Der Rest sind Abschürfungen und Blutergüsse. Ich muss ein paar Sachen aus dem Wohnmobil holen, damit ich die Wunde auswaschen kann.“

Louanne folgte ihm zur Tür. „Was glauben Sie, was mit ihm passiert ist?“

„Wer weiß? Ein Autounfall vielleicht. Oder eine Prügelei in einer Bar. Aber er hat keine inneren Verletzungen oder Brüche. Der Kopf macht mir Sorgen, aber die Pupillen reagieren, und ich sehe keine Anzeichen für eine Schädelfraktur. Ich glaube, er kommt wieder auf die Beine.“

Dreißig Minuten später hatte der Doc die Wunde desinfiziert und genäht. Er zog die Latexhandschuhe aus und bat Louanne, ihn auf den Flur zu begleiten.

„Er ist jung, gesund und kräftig, also müsste er in ein paar Tagen wieder sein Kampfgewicht haben“, sagte er.

„Meinen Sie, er muss ins Krankenhaus?“

„Nur wenn die Wunde sich entzündet. Aber ich lasse Ihnen ein Antibiotikum da.“

„Und was ist mit seinem Gedächtnis?“

„Ich vermute, wenn er seinem Verstand ein wenig Ruhe gönnt, wird sein Gedächtnis langsam wieder zu funktionieren beginnen. Das Gehirn mag es nicht, wenn es durchgeschüttelt wird. Vielleicht hat das dazu beigetragen.“

„Und was, wenn das Gedächtnis nicht zurückkehrt?“

„Dann bringen Sie ihn in eins der medizinischen Zentren in Austin.“ Väterlich legte der Doc ihr eine Hand auf die Schulter. „Es sei denn, Sie würden ihn lieber loswerden.“

Ihn loswerden?

Das wäre wahrscheinlich vernünftig. Aber so verrückt es auch erschien, Louanne war froh über die Abwechslung, zumal sie die Ranch seit fast anderthalb Jahren nicht mehr verlassen hatte. „Es macht mir nichts aus, wenn er einen oder zwei Tage bleibt.“

„Gut. Ich würde ihn lieber nicht verlegen. Ich werde ihm ein mildes Beruhigungsmittel geben, damit er schlafen kann.“

„Und was soll ich machen, wenn er aufwacht?“, fragte Louanne. Sie hatte noch viel zu tun, außerdem musste sie sich um ein Baby kümmern.