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Kann Liebe in der Zeit einfach stehen bleiben? Ralf und Anna lieben sich bereits ihr ganzes Leben. Bis Ralf mit achtzehn auf einer Party abstürzt. Mit Folgen. Ralf will das Richtige tun und heiratet Esther. Verletzt flieht Anna und baut sich ein neues Leben auf. Doch achtzehn Jahre später laufen sie einander erneut über den Weg. Die Gefühle sind dieselben, doch Ralf und Anna sind es nicht mehr.
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Seitenzahl: 274
Prolog: Anna
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Kapitel: Ralf
Kapitel: Anna
Epilog: Ralf
Neugierig geworden?
Lieb mich lieber morgen - Sommertrilogie Band 2
Prolog: Ariane
Kapitel: Ariane
Kapitel: Max
Sein Zug kommt zu spät. Wie jedes Jahr oder, weil er immer einen Zug später nimmt. So genau weiß ich das nicht. Es hat mich auch nie interessiert. Jedes Jahr treffen wir uns hier, an diesem Ort irgendwo in Nord-Rhein Westfalen. Er kommt aus Hamburg und ich komme aus München. Also so ziemlich in der Mitte und irgendwie auch, weil wir beide von hier stammen. Einmal im Jahr treffen wir uns hier. Einmal im Jahr tischen wir unseren Ehepartnern und unseren Kindern eine Lüge auf. Ich sage, dass ich zu einer Lehrerfortbildung fahre und er, dass er geschäftlich wegmuss. Meiner Tochter sage ich, dass ich zu einer Freundin nach Wiesbaden fahre, die ich noch aus dem Studium kenne und die auch tatsächlich dort lebt. Wir telefonieren manchmal, mehr aber auch nicht. Meine Tochter würde mir das mit der Lehrerfortbildung nie abkaufen. Schon, weil sie auf dieselbe Schule geht wie ich. Zum Glück reden sie und ihr Vater nur das Nötigste miteinander. Vielleicht ahnt sie auch etwas, aber sie hat sich bis jetzt nie etwas anmerken lassen. Sie ist 12 und normalerweise sehr kritisch. Plötzlich steht Ralf vor mir.
„Hallo Anna. Schön dich, zu sehen“, sagt er und küsst mich zärtlich. Diese Wochenenden gehören uns, uns allein. Sie zeigen uns, was wir hätten haben können.
Ich seufze leise vor mich hin.
Das Wochenende mit Ralf war schön. Wie immer.
Denn, einmal im Jahr sehen wir uns für ein Wochenende.
Das hat vor ein paar Jahren angefangen als wir uns zufällig in der Bahn getroffen haben, hier in München. Ohne Vorwarnung saß Ralf dort. Wir haben uns begrüßt wie Fremde, aber mein Herz hat geklopft wie damals.
Ich kenne Ralf bereits seit dem Kindergarten.
Wir sind im selben Stadtteil aufgewachsen, unsere Eltern haben sich gekannt, waren aber nicht befreundet. Meine Mutter hat mir mal erzählt, dass ich immer nur mit Ralf habe spielen wollen. Da Ralf ein Jahr älter ist als ich, musste ich das letzte Kindergartenjahr allerdings ohne ihn verbringen. Deshalb haben wir während der Grundschulzeit eigentlich sehr wenig miteinander zu tun gehabt, aber nur im Nachhinein betrachtet.
Denn eigentlich, wenn ich meine Kindheit denke, ist Ralf immer da gewesen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es das einzig Gute an meiner Kindheit war.
Im letzten Kindergartenjahr hatte ich mich mit Antje angefreundet und noch zwei anderen Mädchen. Wir haben ständig zusammen rumgehangen.
Stimmt, das war auch nicht so schlecht. Mit Antje bin ich auch aufs selbe Gymnasium gegangen. Ralf war zwar auch auf demselben Gymnasium, allerdings ein Jahrgang über mir. Während der Grundschulzeit haben wir keine Jungs mehr zu unseren Geburtstagen eingeladen, daher habe ich Ralf wirklich erst wiedergesehen, als ich bereits ein halbes Jahr auf der neuen Schule war.
Jan und Uta, die jeweils in unseren Jahrgängen waren, waren Geschwister und hatten tatsächlich am selben Tag Geburtstag. Deshalb hatte ihre Mutter entschieden, dass einfach eine große Party gefeiert wird.
Ich glaube so wirklich toll hat Jan das nicht gefunden, dass er mit seiner kleinen Schwester zusammen Geburtstag feiern muss, aber als Elfjähriger kann man da erst Mal nichts machen.
Das Wohnzimmer war riesig, wie der Rest des ganzen Hauses. Die Größeren konnten quatschen und wir „Kleineren“ sind irgendwie rumgeflitzt.
Aber so richtig erinnern kann ich mich eigentlich nur noch an das Flaschendrehen. Die Älteren kamen natürlich auf die Idee und luden uns ein, um sich über uns lustig zu machen. Und als die Jüngeren, die wir nun mal waren, haben wir uns auch noch geschmeichelt gefühlt, dass die Älteren mit uns spielen wollten.
Nach den albernen Aufgaben waren wir sehr schnell beim Küssen und mir wurde mulmig zumute.
Ralf war übrigens auch dabei. Ich hatte keine Ahnung, wieso er mitgemacht hat. Eigentlich entsprach ihm so ein Spiel gar nicht.
Als er dran war, sollte er diejenige küssen, auf die die Flasche zeigt. Die Mädchen kicherten sich alle an, ich aber blickte zu Boden und hoffte einfach, dass die Flasche auf jemand anderen zeigen würde.
Doch ich hatte kein Glück.
Die Flasche zeigte ganz geradlinig auf mich. Natürlich wurde ich sofort rot. Ralf stand auf und kam auf mich zu.
Ich werde diesen peinlichen Moment nie in meinem Leben vergessen, weil er so unglaublich schön war!
Er hat mir fest in die Augen geblickt, die anderen haben die Luft angehalten und dann hat er mich geküsst. Mir war das Ganze so peinlich damals, ich glaube ich habe nichts außer der Peinlichkeit gespürt.
Wir haben den ganzen Abend nicht miteinander geredet. Doch als ich abends schlafen gegangen bin und an den Kuss gedacht habe, habe ich ein warmes Gefühl im Bauch gehabt.
Am nächsten Tag nach der Schule kam Ralf plötzlich zu mir. „Hi“, sagte er nur. „Hi“, sagte ich und lief los. Ralf schloss sich mir einfach an und schweigend liefen wir nebeneinander nach Hause. Wir sprachen nichts dabei, aber das Ganze gefiel mir irgendwie. Als wir vor meinem Haus standen, sagte Ralf nur: „Tschüss. Bis morgen Anna“.
Ich habe wohl auch so etwas Ähnliches gestammelt und schon war Ralf weg.
Am nächsten Morgen war er tatsächlich wieder da und wartete bereits auf mich.
„Guten Morgen Anna“, lächelte er ohne eine Spur von Schüchternheit.
„Guten Morgen Ralf“, meinte ich und konnte meine warmen Wangen spüren. Wieder liefen wir schweigend nebeneinander her bis Ralf plötzlich fragte:
„Welches Thema habt ihr eigentlich gerade in Mathe?“.
Und plötzlich waren wir wieder befreundet. Jeden Morgen und jeden Nachmittag sind wir gemeinsam gegangen. Irgendwann hat Ralf begonnen, meine Hand zu halten und ich fand es ganz angenehm.
Und irgendwann haben wir uns wieder geküsst, vielleicht zwei Monate später.
Wir haben einfach alles zusammen gemacht.
Wir sind überall zusammen aufgetaucht und man hat uns auch immer zusammen eingeladen.
Diese Jahre sind mir im Gedächtnis geblieben wie eigentlich sonst nichts aus meiner Jugendzeit. Vielleicht habe ich deshalb auch immer das Gefühl, dass Ralf mein ganzes Leben bei mir war, zumindest bis ich achtzehn war.
Ich seufze erneut. So viele Jahre hatten wir uns nicht gesehen und trotzdem habe ich sofort dasselbe Herzklopfen gehabt, als ich ihn damals in der Bahn gesehen habe.
Nach diesem eher kurzen Aufeinandertreffen vor ein paar Jahren, hat Ralf mich nur wenige Wochen später angerufen. Irgendwie hatte er wohl meine Handynummer herausgefunden, keine Ahnung wie er das angestellt hat.
Und dann haben wir uns verabredet.
Ich habe nie vorgehabt, meinen Mann zu betrügen, nein wirklich nicht!
Aber als Ralf gefragt hat, ob wir uns treffen wollen, habe ich einfach ja gesagt. Ohne nachzudenken, was mir gar nicht ähnlich sieht, aber ich habe es einfach gemacht.
Seitdem treffen wir uns jedes Jahr einmal.
Anfangs habe ich große Schuldgefühle gehabt, aber irgendwie haben sie sich verbraucht, so abgedroschen das auch klingen mag, denn meine Ehe ist leider nicht sehr liebevoll.
„Hallo Mama, träumst du?“, fragt Ariane und schaut mich an. Ich fahre aus meinen Gedanken und blicke auf meine Hände, die mit nichts beschäftigt sind.
Was hatte ich doch gerade tun wollen?
„Hallo Ariane“, sage ich und umarme meine Tochter. Sie lässt es geschehen, aber es ist ihr sichtlich unangenehm.
„ER ist auch da“, sagt sie genervt.
„Er ist dein Vater“, sage ich leicht tadelnd.
Aber ich kann ihr nicht wirklich böse sein. Harald ist ein durch und durch rationaler Mensch. Für ein Kind kann das mitunter sehr nervenaufreibend sein. Besonders, wenn man erst fünf ist und sich sprachlich noch nicht durchsetzen kann. Ich kann das leider auch nicht, obwohl ich in wenigen Jahren bereits 40 werde.
Ich habe Harald, Arianes Vater, auf einer Party kennen gelernt. Ich habe mich später immer gefragt wieso er überhaupt dagewesen ist. Schließlich ist er absolut kein Partymensch. Ich könnte auch gar nicht mehr sagen worüber wir uns unterhalten haben, der übliche Smalltalk eben.
Meine beste Freundin Meli hatte ihn eingeladen, aber bestimmt nicht und das betont sie bei jeder Gelegenheit, um mich mit ihm zu verkuppeln. Sie mag Harald nicht besonders, aber ihr damaliger Freund und heutiger Ehemann und er kennen sich noch vom Jurastudium.
Harald ist Staatsanwalt und vertritt die Ansicht, dass man an seiner Situation immer selbst schuld ist, egal wie die Umstände aussehen. Wenn ein fünf jähriges Mädchen sein Eis fallen lässt, weil der Zoo voll ist und sie jemand anrempelt, dann ist das ihre Schuld. Sie hätte ja besser aufpassen können.
Ich schaue in Haralds Arbeitszimmer. Natürlich sitzt er dort und arbeitet.
„Hallo Harald!“, rufe ich vorsichtig, um ihn nicht zu erschrecken.
„Hallo Annabelle“, erwidert er abwesend.
„Wie war deine Fortbildung?“
„Ach, das Übliche“, sage ich abwinkend. „Was hast du gemacht?“
„Ich musste noch ein paar Fälle aufarbeiten“, sagt er und zeigt auf einen Berg Akten.
Es ist nicht erstaunlich, dass Ariane und Harald nicht gut miteinander auskommen, denn er ist kein besonders einfühlsamer Mensch.
Wahrscheinlich, weil er, wie gesagt, so rational ist. Für seinen Beruf ist das sicherlich gut, aber für uns ist das sehr anstrengend. Deshalb hat meine Tochter irgendwann aufgehört, mit meinem Mann zu sprechen. So ungefähr mit acht, weil sie einfach nur permanent genervt von ihm war.
Ich lasse Harald weiterarbeiten und gehe erst Mal Wäsche waschen, denn natürlich liegt ein Haufen Schmutzwäsche rum. Danach muss ich noch Klassenarbeiten korrigieren. Wer behauptet, dass Lehrer nach Unterrichtsschluss grundsätzlich frei haben, hat nie als Lehrer gearbeitet.
Und als Englisch- und Deutschlehrerin habe ich jede Woche einen Stapel Hefte zu Hause liegen.
„Was machst du da. Das gehört mir!“, schreit meine Tochter plötzlich.
Ich rase nach oben zu ihrem Zimmer.
Mein Mann steht Wut entbrannt in ihrem Zimmer und hält irgendwas hoch. Ich erstarre als die kleine viereckige Packung erkenne. Ist das etwa die Pille?
„Was ist denn los?“, frage ich und versuche ruhig zu bleiben.
„Das habe ich in der Schublade deiner Tochter gefunden“, regt sich Harald auf.
„Was hat das hier zu suchen?“, schreit er Ariane an.
„Was suchst du denn in meinen Schubladen rum!“, schreit meine Tochter empört.
„Nicht in diesem Ton Ariane“, sage ich scharf.
„Harald, bitte leg die Schachtel wieder dahin wo sie lag und dann komm` mit mir mit“.
Harald steckt die Packung in seine Hosentasche und wutentbrannt marschiert aus dem Zimmer.
„Das ist meins!“, kreischt meine Tochter.
„Uff“, sage ich genervt. „Ariane, beruhige dich bitte jetzt und dann komm nach unten, Abendbrot essen“.
Seufzend gehe ich aus Arianes Zimmer. Wahrscheinlich wird sie nicht kommen, stur wie sie ist. Verflixt, wann hat sie sich die Pille verschreiben lassen und wieso überhaupt? Ich wusste gar nicht, dass sie einen Freund hat!
Schnell bereite ich das Abendbrot vor. Schweigend essen Harald und ich.
Natürlich allein, denn Ariane bleibt den Rest des Abends in ihrem Zimmer.
Ich steige Hamburg Hauptbahnhof aus und nehme mir ein Taxi.
Ich weiß gar nicht wieso ich mit dem Zug gefahren bin.
Und ich weiß auch nicht wieso ich meine Frau nicht verlasse.
Wahrscheinlich wegen der Kinder. Max ist achtzehn und Katja ist fünf.
Allerdings muss sich Esther die meiste Zeit ohnehin allein um die beiden kümmern, weil ich als Projektmanager ständig unterwegs bin.
Sehnsüchtig denke ich an Anna und wie schön das gemeinsame Wochenende wieder mit ihr war.
Ich habe sie angerufen, nachdem wir uns zufällig in der Straßenbahn in München begegnen sind. Ich war damals geschäftlich in München und gerade aus London von einem anderen Meeting nach München geflogen, um ein Projekt dort durchzusprechen. Statt mir ein Taxi zu rufen, habe ich aus einer Laune heraus einfach die Straßenbahn genommen. Ich habe bis heute keine Ahnung wieso ich das gemacht habe.
Und dann stand da Anna in der Bahn und mein Herz hat für einen Augenblick ausgesetzt.
„Hallo Anna“, sagte ich erstaunt.
„Hallo Ralf“, antwortete sie und stieg aus.
Obwohl meine Gedanken für den Rest meiner Reise Achterbahn gefahren sind, habe ich nichts unternommen, sondern bin zum Hauptbahnhof gefahren und habe den nächsten Zug nach Hamburg genommen.
Denn dort lebe ich mit meiner Familie.
Aber irgendwie konnte ich das Ganze nicht auf sich beruhen lassen. Ich habe verschiedene Internetseiten gewälzt, doch leider befand sich Anna auf keiner einzigen Social Media Seite.
Nur wenige Tage später musste ich geschäftlich nach Essen fahren und habe meine Mutter in Hattingen besucht. Wir, Anna und ich, sind beide in Hattingen geboren und aufgewachsen, quasi Tür an Tür.
Im Supermarkt habe ich ganz zufällig alte Bekannte aus der Schule getroffen und einer hatte tatsächlich eine Handynummer von Anna.
„Habt ihr euch etwa aus den Augen verloren?“, fragte er erstaunt.
Natürlich habe ich seinen Namen gleich wieder vergessen.
„Ja, ach ja. Das Übliche halt“, hatte ich mich schnell rausgeredet.
Denn ich konnte ihm ja schlecht erzählen, dass es meine Schuld gewesen ist. Dass es meine Dummheit war, die uns damals auseinandergebracht hat.
Ein paar Tage habe ich noch gezögert, doch dann habe ich sie angerufen.
Sie ging nur nach einem Klingelzeichen dran, obwohl sie die Nummer nicht kannte.
„Annabelle Mangold“, sagte sie.
„Äh, hallo“, sagte ich und musste mich direkt räuspern. „Hier ist Ralf, Ralf Sommer“, meinte ich überflüssigerweise. Obwohl, vielleicht kennt sie ja doch mehr als einen Ralf.
„Ralf?“, fragte sie erstaunt.
„Ich musste irgendwie andauernd an dich denken“, sagte ich und biss mir sofort auf die Zunge, weil das so peinlich rüberkam.
„Ich auch“, sagte sie leise und ich musste schlucken.
Und dann sagte ich etwas was ich eigentlich niemals von mir erwartet hätte: „Können wir uns vielleicht sehen? Irgendwo?“ „Ja“, sagte sie sofort, ohne zu zögern und mein Herz machte einen Sprung.
Weiter haben wir nicht geredet, aber nur zwei Wochen später haben wir uns getroffen. Es war die schönste Nacht, die ich jemals gehabt habe.
Unser erstes Mal war zwar aufregend, wir waren dann aber doch sehr unbeholfen und schüchtern.
An diesem Wochenende waren wir jedoch nicht schüchtern und auch nicht sonderlich zärtlich. Ich hatte das Gefühl, dass wir es beide gebraucht haben. Davor und danach waren wir ausschließlich mit uns beschäftigt.
Ich bekomme immer noch ein warmes Gefühl, wenn ich an unsere Gespräche denke. Und ein schmerzhaftes Ziehen in der Lendengegend, wenn ich an das Dazwischen denke.
Meiner Familie fällt es nicht weiter auf, wenn ich nicht da bin. Allerdings weiß ich nicht, was Anna ihrer Familie erzählt, wenn sie das Wochenende mit mir verbringt.
Es ist mir ehrlich gestanden völlig egal.
Als Anna und ich uns wiedergesehen haben, war es, als ob keine Zeit vergangen wäre. Wir sind spazieren gegangen und sie hat mir von ihrem Leben in München erzählt. Über meine Familie haben wir damals nicht gesprochen. Und dann sind wir ins Hotel gegangen. Wie selbstverständlich sind wir gemeinsam auf mein Zimmer gegangen. Und dann haben wir uns geküsst. Es war ein bisschen wie damals bei unserem ersten Kuss beim Flaschendrehen. Ich hatte das Gefühl, dass kleine Blitze an meiner Lippe Blasen werfen.
Wahrscheinlich liebe ich Anna seitdem Flaschendrehen oder vielleicht auch schon seit dem Kindergarten.
Nach dem Kuss nach dem Flaschendrehen war mir auf alle Fälle klar, dass wir beide zusammengehören. Für immer. Eigentlich.
Dennoch hat das damalige Wochenende vor ein paar Jahren, nicht zu einer plötzlichen Änderung bei uns beiden geführt. Wir haben nicht alles stehen und liegen lassen.
Anna hat eine zwölfjährige Tochter, was hätte sie ihr erzählen sollen?
Nein. Am nächsten Tag sind wir auseinandergegangen und haben uns nicht weiter gesprochen.
Aber ich habe einfach nicht aufhören können, an Anna zu denken.
Deswegen habe ich sie genau ein Jahr später erneut angerufen. Wir haben uns wieder getroffen. Auch das Wochenende war wunderbar.
Wir haben das dann einfach so laufen lassen, ohne großartig darüber zu sprechen, denn wahrscheinlich denkt Anna gar nicht weiter darüber nach.
Das glaube ich zumindest, aber eigentlich sähe das Anna nicht ähnlich.
Mir sieht das Ganze auch nicht ähnlich, trotzdem nehme ich es hin und koste jede Sekunde mit Anna aus bis ich nach Hause zurückkehren muss oder direkt zur nächsten Dienstreise starte.
Zuhause, da warten nur eine Frau, die mich nicht liebt und eine Tochter, die mich nicht kennt und ein Sohn, der nach meiner Aufmerksamkeit hungert, das aber hinter Schweigen versteckt.
Seufzend steige ich aus dem Auto. An der Tür steht bereits Esther.
„Hallo Esther!“, sage ich freundlich.
„Hallo Ralf“, sagt Esther und umarmt mich herzlich. Schnell drücke ich ihr einen Kuss auf die Wange.
„Wo sind die Kinder?“, frage ich.
„Max ist bei einem Freund, glaube ich. Vielleicht aber auch bei einem Mädchen“, kichert sie und wird sofort rot. Sie ist so prüde, stöhne ich innerlich.
„Und Katja?“, frage ich.
„Katja hat eine Freundin da und spielt in ihrem Zimmer mit Barby“.
Ich stöhne innerlich auf. Diese Barbyspielerei hat sie von ihrer Mutter. Sie hat einfach permanent alles, was auch nur irgendwie in Richtung Jungs Spielzeug geht, versteckt. Mit drei hat Katja ständig mit Max Spielsachen gespielt. Mit seinen Autos und seiner Carrera Bahn. Bis Esthers Mutter gesagt hat, dass sich das für ein Mädchen nicht schickt. Dann wurden eine Menge Puppen gekauft und Kleidchen und eine Puppenküche. Katja hat sich über die neuen Sachen gefreut und dann halt damit gespielt. Was hätte sie auch sonst tun sollen. Und ich habe meine Frau machen lassen, denn die Kinder sind ihr Ressort. Ich bin beruflich einfach viel unterwegs.
Das Wochenende mit Anna fällt dabei, wie gesagt, gar nicht auf und lässt mich jedes Mal etwas schwermütig zurück. Wir hatten uns tatsächlich die ganzen Jahre über nicht gesehen, bis zu dem zufälligen Treffen in der Bahn. Meine Mutter kennt zwar ihre Mutter, wir haben ja nicht weit voneinander gewohnt, aber meine Mutter kann Annas Mutter nicht leiden.
Allerdings kann sie Esther auch nicht leiden. Ich habe da ja so einen Verdacht, dass für sie einfach keine Frau gut genug für mich ist. Anna und Esther sind sehr verschieden. Beide sind zwar ruhig und zurückhaltend, da hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf.
Ich habe Esther mit achtzehn auf einer Party kennengelernt. Esther war siebzehn, genau so alt wie Anna.
Anna hatte keine Lust auf die Party damals gehabt, deswegen bin ich allein gegangen und habe mich volllaufen lassen. Ich bin völlig abgestürzt und kann mich immer noch nur schemenhaft an diese Nacht erinnern. Ein paar Monate später kam Esther zu mir und sagte, dass sie schwanger sei.
Wir haben noch vor Max Geburt geheiratet und daraufhin bei meiner Mutter gelebt, damit ich mein Studium beginnen konnte.
Als Max zwei war, hat Esther eine Ausbildung als Sprechstundenhilfe bei unserem Hausarzt gemacht. Ich hatte das Glück, bereits während meines Studiums für ein Unternehmen zu arbeiten. So kam etwas Geld rein und als ich dann übernommen wurde, konnten wir endlich ausziehen. Die Stelle war allerdings in Hamburg. Irgendwie war ich froh, dass ich Anna nicht mehr zu sehen brauchte. Nachdem ich ihr gesagt hatte, dass ich Esther heiraten würde, haben wir kein einziges Wort mehr miteinander geredet.
Meine Mutter war natürlich traurig, dass wir nach Hamburg gezogen sind. Sie war uns auch wirklich eine große Hilfe. Sie hat mich erst mit vierzig bekommen und war daher froh, dass sie bereits mit achtundfünfzig Oma wurde. Eigentlich hatte sie sich immer eine große Familie gewünscht. Mein Vater war Baustellenleiter und daher viel im Ausland. Und meine Mutter hat ihn begleitet und jedes Mal eine neue Sprache gelernt. Meine Mutter hätte vieles in ihrem Leben erreichen können, da bin ich mir sicher. Mein Vater ist vor zwei Jahren gestorben.
Umgekippt, mitten auf einer Baustelle in Den Haag. Meine Mutter war völlig hilflos. Als sie wieder in Hattingen war, ist Esther mit Katja zu ihr gefahren und ich war mit Max eine Woche allein. Ich war froh, dass Esther so hilfsbereit war. Hilfsbereit und fürsorglich ist sie, ja. Ich gehe schnell rüber zu Katjas Zimmer.
„Hallo Papa“, quietscht sie, dass es bestimmt noch die Fledermäuse unter dem Dach hören können.
„Hallo Katja. Ich bin wieder zu Hause“, sage ich zu ihr, aber sie ist wieder ganz ins Spiel mit ihrer Freundin vertieft und blickt nicht auf.
Ich bin halt zu viel unterwegs. Als Katja ein Jahr alt war, hat man mir die Stelle des Projektmanagers angeboten. Die konnte ich nicht ablehnen, auch wenn ich wusste, dass ich dadurch kaum noch zu Hause sein würde. Max hat das zum Glück nicht interessiert, zumindest tut er so und Katja ist entweder im Kindergarten oder bei Esthers Mutter. Esthers Mutter ist vor zwei Jahren nach Hamburg in ein betreutes Wohnen gezogen und das war nicht gerade förderlich für unser Eheleben.
Aber ich mische mich nicht ein, denn ich bin ja eh nie da.
Noch lange sitze ich an den Aufsätzen. Die Klasse soll keinen Nachteil dadurch haben, dass ich das ganze Wochenende weg war. Es ist schon nach zwölf Uhr, als ich endlich im Bett liege. Harald schläft bereits. Das ganze Haus ist ruhig und dunkel. Zum Glück bin ich so müde, dass ich nicht mehr an den Nachmittag und auch das Wochenende mit Ralf denke.
Morgens beim Frühstück sehe ich immer noch nichts von Ariane. Ich gehe rauf in ihr Zimmer, aber es ist leer. Na gut, denke ich. Hoffentlich ist sie einfach bereits zur Schule gegangen, denke ich und fahre allein los.
Tatsächlich steht sie bereits mit einigen Freundinnen auf dem Schulhof.
Andere Kinder wären vielleicht weggelaufen, aber ihre Freunde sind alle hier. Deshalb kann sie genauso gut zur Schule gehen.
„Guten Morgen Ariane!“, sage ich freundlich.
Aber ich ernte nur Schweigen. Vier Mädchen schauen mich ernst und schweigend an. Dann drehen sich alle um und stecken die Köpfe zusammen.
Na gut, denke ich. Vielleicht war das gestern alles etwas übertrieben. Was hätte ich gemacht? Nun, mir nicht einfach die Pille verschreiben lassen, das ist schon Mal klar. Ich habe bis gestern eigentlich gedacht, dass ich ein gutes Verhältnis zu meiner Tochter habe. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher.
„Guten Morgen Anna“, sagt Melissa zu mir. Ihre Mutter stand unheimlich auf „Unsere kleine Farm“. Na ja, es könnte schlimmer sein.
„Hallo Meli“, sage ich.
Umarmen tun wir uns hier natürlich nicht, was sollen die Schüler denken.
Zusammen gehen wir ins Schulgebäude. Obwohl sie meine beste Freundin ist, wenn man so was bei Erwachsenen überhaupt noch sagen kann, habe ich ihr nie von Ralf erzählt. Ich weiß, dass sie mich nicht verraten würde.
Trotzdem sind ihr Mann und Harald Freunde und da ist es nicht ratsam, zu offen zu sein.
„Was machst du heute Nachmittag?“, fragt mich Meli.
Ich seufze: „Weiter korrigieren. Manche schreiben tatsächlich zwanzig Seiten. Und das im Grundkurs. Vielleicht sollten sie Bücher schreiben, dann müssen Lektoren das Ganze lesen“.
Meli nickt. „Zum Glück ist das in Französisch nicht so tragisch und Mathe ist weniger ausschweifend. Du hättest auch so was machen sollen“.
„Ich und Mathe?“, sage ich entsetzt. „Nicht dein Ernst“, sage ich ernst.
„Die Schüler müssten mir das Ganze erst Mal beibringen“.
„Ach was“, sagt Meli kurz. „Deine Zeugnisse waren spitze.
Du musst ein halber Einstein sein“.
„Nee, aber die Lehrer mochten mich“, sage ich unbedacht.
„So, so“, sagt Meli und hebt die Brauen.
„Hey, doch nicht so“, sage ich entrüstet und bin froh, dass es bereits zum zweiten Mal schellt.
Meli grinst mich nur anzüglich an.
„Wie lange hast du heute Unterricht? Kaffee um drei?“, schlägt sie vor.
„Gerne. Bis später!“, sage ich und marschiere schnell in den Klassenraum.
„Was war denn am Wochenende bei euch los?“, fragt mich Meli ohne Umschweife, obwohl ich noch nicht mal sitze.
„Was meinst du?“, frage ich erstaunt.
„Na die eiskalte Schulter der vier Grazien war ja filmreif. Was hat ER mal wieder angestellt?“
Mit ER meint sie natürlich Harald.
Ich seufze. „Ach es war eigentlich nichts“, versuche ich das Ganze mit einem Achselzucken abzutun.
Die ganze Sache ist viel zu peinlich, um darüber zu reden.
„Ich brauche mehr Details“, fordert Meli sofort und ich seufze.
War ja klar. Ich schaue mich hektisch um. Unsere familiären Streitereien muss ja niemand mitbekommen.
„Harald hat etwas gefunden, mmh, du weißt schon“, druckse ich rum.
„Nö ich weiß nicht schon“, sagt Meli ungeduldig.
„Was hat er denn gefunden?“
„Die Pille“, flüstere ich hektisch.
Meli lacht nur.
„Und wo ist jetzt das Problem?“, fragt sie erstaunt.
Ich schaue sie entsetzt an.
„Sie hat vorher nicht um Erlaubnis gefragt“, sage ich empört.
Meli sieht mich entgeistert an.
„Habe ich das richtig verstanden?“, legt sie los.
Oh je, jetzt kommt es wieder. Ihre berühmten Vorträge, die grundsätzlich mit „Habe ich das richtig verstanden?“ anfangen. Sie ist einfach schon viel zu lange mit einem Anwalt verheiratet.
„Habe ich das richtig verstanden“, wiederholt sie.
„Du bist nicht erleichtert, dass deine zwölfjährige Tochter so viel Verantwortungsbewusstsein besitzt, sich die Pille verschreiben zu lassen“, fährt sie fort. „Du bist sauer, weil sie dich nicht vorher gefragt hat“. Sie holt Luft und schaut mich dabei prüfend an. Dieser Blick ist allseits gefürchtet und mir wird sofort mulmig zumute. Ich sollte das wirklich mal abstellen, dass mich jeder immer so schnell runtermacht.
„Ariane ist zwölf, da denkt man noch nicht an so was“, sage ich vorwurfsvoll.
Meli unterbricht mich.
„Da denkt man ständig an so was. An was hast du denn gedacht als du zwölf warst?“
„An Ralf“, sage ich ohne Nachzudenken.
Ich schlucke und plötzlich kullern mir die Tränen runter. Wie peinlich!
Meli schaut mich vorsichtig an.
„Und du weißt schon, dass ihr immer noch zusammen wäret, wenn damals jemand die Pille genommen hätte?“
Dann wird ihr Blick weicher und sie drückt mich. Hektisch schaue ich mich wieder um. Nicht, dass mich jemand hier heulen sieht.
„Es tut mir leid, dass ich so ruppig war. Aber eine Frage habe ich noch.
Wo genau hat Harald denn die Schachtel gefunden? Ari hat doch nicht so was heimlich gemacht, um sie dann auf dem Couchtisch liegen zu lassen“.
Ich schlucke unter ihrem durchdringenden Blick.
„Äh nein. Da lag sie glaube ich nicht. Sie lag in einer Schublade“.
„In welcher Schublade?“, bohrt Meli weiter und ich gebe auf.
„In Arianes Schublade“, gebe ich endlich zu.
„Das dachte ich mir schon“, sagt sie ärgerlich.
„Wieso macht Harald sowas?“
„Wenn man nichts zu verbergen hat, spielt das doch keine Rolle“, sage ich, allerdings etwas kleinlaut, weil mich Meli so streng anschaut.
„Das hast du ja schön nachgeplappert“, tadelt mich Meli.
„Von Privatsphäre haltet ihr wohl beide nichts“.
„Sie ist zwölf. Da braucht man so was noch nicht“.
Meli unterbricht mich wieder.
„So was braucht man in jedem Alter. Harald respektiert deine Tochter nicht und du schaust schweigend zu!“
„Ich habe ja gar nicht geschwiegen. Ich habe das Abendbrot gemacht“, sage ich entrüstet.
„Und hast du mit Ari mal darüber gesprochen?“, fragt Meli weiter.
„Ich habe gewartet, dass sie zum Abendbrot runterkommt. Und dann wollte ich ihr einfach ein bisschen Zeit geben. Ich wusste auch gar nicht so recht, worüber ich mit ihr sprechen soll“, meine ich zerknirscht.
„Na ja, dass Harald mal wieder zu weit gegangen ist? Zum Beispiel?“, zählt Meli auf.
Ich seufze.
„Ich glaube ich muss jetzt einkaufen gehen. Harald kommt bald nach Hause und ich muss das Essen kochen, die restliche Wäsche machen und die Aufsätze weiter korrigieren. Habt ihr Lust am Samstag zum Essen zu kommen?“
Meli grinst versöhnt.
„Na klar gerne. Die Männer können sich dann mal wieder über ihre letzten Fälle auslassen. Bis Samstag! Wir bringen den Wein mit“.
Ich lache. Melis Mann hat einen Wein Faible und trinkt grundsätzlich nur das, was er mitgebracht hat. Was natürlich günstiger kommt, wenn man sich die Mengen so anschaut, die die beiden Männer an einem Abend trinken.
Und schon wieder packe ich meine Sachen. Wie meistens in den letzten Jahren.
Ich hasse diesen Job, aber nur deswegen können wir uns ein Haus mitten in Hamburg leisten und die Kinder können Klavierunterricht bekommen.
Um den sie allerdings nie gebeten haben. Esther ist einfach der Meinung, dass die Kinder Klavier lernen sollen und ich habe ihr nicht widersprochen.
Ich hatte so was damals nicht, obwohl meine Eltern das Geld gehabt hätten. Zumindest glaube ich das. Aber wegen der unsicheren Jobsituation meines Vaters sollten die Fixkosten eben niedrig gehalten werden. Das Haus haben sie auch erst gekauft als ich geboren wurde. Davor hatten sie als Postadresse die Adresse meiner Großeltern angegeben und waren ständig unterwegs.
Wie lange werde ich weg sein? Zuerst muss ich nach Wien und danach wieder Mal nach München. Natürlich war ich schon öfter in München, seitdem das mit Anna begonnen hat. Und wir sind uns nicht wieder dort begegnet, zum Glück.
Sie ist mit einem Staatsanwalt verheiratet! Besser, wir begegnen uns nie wieder, denke ich wohl zum hundertsten Mal, seitdem wir begonnen haben, uns zu treffen.
Plötzlich geht mein Handy.
„Ralf. Es haben sich ein paar Änderungen ergeben. Komm sofort in die Firma. So schnell wie möglich“, bellt mein Chef in den Hörer und legt wieder auf. Ich lasse den Koffer stehen und rase zu meinem Firmenwagen, natürlich ein Mercedes.
„Setz dich Ralf. Gut, dass du noch nicht unterwegs warst“.
Mein Chef. Er hasst Geschwafel, sondern kommt immer sehr schnell auf den Punkt.
„Mastew wurde gefeuert. Seine Bilanzen stimmten nicht und dadurch ist er aufgeflogen. Er ist sofort entlassen worden und jetzt ist seine Stelle frei.
In München. Wann kannst du anfangen?“
Wie gesagt. Sehr schnell auf den Punkt. Ohne jegliche Vorwarnung.
„Wie schnell“, fange ich an, aber mein Chef unterbricht mich.
„Sofort Ralf. Das Münchener Büro ist unbesetzt und unsere Kunden bekommen bereits Wind davon. Wir brauchen jemanden, der schnell diesen Bereich übernehmen kann und außerdem diplomatisch mit der Staatsanwaltschaft kooperieren kann. Die Sache muss ganz schnell vom Tisch“.
Ich nicke, auch wenn sich meine Zustimmung in Grenzen hält
„Ja. Natürlich mache ich das. Kein Problem“, sage ich schnell.
„Gut. Platzeck fährt nach Wien und übernimmt dort deine Projekte. Du fährst auf dem schnellsten Weg nach München. Mastews Sekretärin wird sich mit deiner Frau in Verbindung setzen, bis dahin wohnst du eben im Hotel. Sieh zu, dass deine Frau das schnell über die Bühne bringt. Hotels in München sind teuer!“
Und das wars auch schon. Schweigend verlasse ich das Büro. Ich mache, dass ich nach Hause komme. Ich schnappe mir meinen gepackten Koffer und fahre los. Nach München.
Im Auto atme ich tief durch. Schon wieder eine Beförderung, obwohl das irgendwie zu positiv klingt. Müllmann trifft wohl eher zu, denn im Grunde genommen soll ich nur Scherben zusammenräumen und weitere verhindern. Was ihnen danach wohl einfallen wird. Eigentlich hat das Ganze auch sein Gutes. Ich werde öfter bei meiner Familie sein. Als Geschäftsführer des Münchener Standortes werde ich wohl eher Kunden empfangen als herumzureisen.
Als ich bereits auf der Autobahn bin, bekomme ich plötzlich mein übliches Stechen im Magen. Dieses Stechen hat ungefähr angefangen, als Anna und ich uns getrennt haben.
Anna lebt in München.
Zukünftig werde ich in derselben Stadt wie Anna wohnen!
„Hallo ihr beiden“, rufe ich und umarme Meli. Dann schüttele ich ihrem Mann die Hand. Ansgar lacht und umarmt mich. Irgendwie machen wir das immer so. Ich denke halt immer, dass er das nicht mag. Harald würde niemals jemanden umarmen außer vielleicht seine Mutter. Und seine Mutter ist seit vielen Jahren tot. Sie ist gestorben als Ariane noch ein Baby war.
„Hallo Harald“, ruft Meli und schüttelt ihm die Hand.
„Hallo Ansgar“, antwortet Harald. „Lass uns in mein Arbeitszimmer gehen“. Und weg sind die beiden.
„Hallo Tante Meli“, ruft Ariane und stürmt an mir vorbei in die Arme ihrer Patentante.
„Hallo Ari. Was muss ich da hören?“, fragt Meli tadelnd, aber mit einem hörbaren Grinsen in der Stimme.
„Das war doch nur eine blöde Wette“, sagt Ari trocken und zieht Meli ins Wohnzimmer. Ich erstarre.
„Das wusste ich ja gar nicht Ariane!“, rufe ich den beiden hinterher.
„Du hast mich auch nicht gefragt“, sagt Ari kurz angebunden. Meli nimmt Ari in die Arme.
„Worum ging es denn eigentlich?“
Ari wird rot: „Ach wir haben gewettet, dass ein Junge aus der zehnten Klasse Lara anspricht und ich habe dagegen gewettet. Ich verstehe gar nicht was die an uns finden sollen. Wir sind doch nur Babys für die“.
Meli schmunzelt: „Aber der Zehntklässler findet das anscheinend nicht?“
„Er hat sie ganz schön angegraben“, sagt Ariane angeekelt. „Bestimmt, weil sie schon so einen riesen Busen hat. Jungen stehen ja auf sowas“, sagt Ariane und verdreht die Augen.