Gewalt im Grundschulalter - Eine empirische Analyse mit Konsequenzen für die Erziehungsarbeit - Miriam Englert - E-Book

Gewalt im Grundschulalter - Eine empirische Analyse mit Konsequenzen für die Erziehungsarbeit E-Book

Miriam Englert

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2003
Beschreibung

Examensarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Psychologie, Note: 1, Pädagogische Hochschule Heidelberg (-), Veranstaltung: Wissenschaftliche Hausarbeit / Examensarbeit für das 1.Staatsexamen an GHS, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Wissenschaftliche Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Thema „Gewalt im Grundschulalter“. Gewalt ist ein Phänomen, welches viele Gesichter hat, und noch nicht einheitlich und zufriedenstellend definiert werden konnte. Gewalt wird heute zum größten Teil negativ bewertet. Doch wenn man sich genauer damit beschäftigt, muss man feststellen, dass der Begriff Gewalt eine lange und durchaus nicht immer negative Tradition hat. Im Artikel 20 des Grundgesetzes steht geschrieben : „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ In diesem Fall leitet sich das Wort Gewalt vom althochdeutschen Wort „waltan“ ab, und bedeutet herrschen. Hier wird der Gewaltbegriff nicht negativ betrachtet, d.h. das Volk bestimmt die Zusammensetzung seiner Regierung und kann diese bei nicht Einhaltung ihrer Versprechen, nach einiger Zeit wieder abwählen. Bis ins letzte Jahrhundert hinein wurde Gewalt in Familie und Schule als approbates Mittel zur Disziplinierung der Kinder eingesetzt. Ein tiefgehender Wandel hat sich seit den 70er Jahren vollzogen. Den Kindern wurden Rechte zugeschrieben und diese wurden vom Staat gefestigt und überwacht. Man gründete eine Vielzahl von Beratungsstellen in Erziehungsfragen. Gewalt gegen Kinder wurde verächtet.

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Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
2 THEORETISCHE GRUNDLEGUNGEN
2.1 Terminologische Abgrenzungen
2.2 Formen der Gewalt
2.3 Erklärungsmodelle - Theorien
2.3.1 Triebtheorie nach Sigmund Freud
2.3.2 Ethologisches Instinktkonzept nach Konrad Lorenz
2.3.4 Lernpsychologische Theorien
2.4 Entstehungsmechanismen und Ursachen von Gewalt
2.4.1 Sozialisationsinstanz Familie
2.4.2 Ursachen in der Freizeitgestaltung
2.4.3 Massenmediale Gewaltdarstellungen
2.4.4 Gewaltmonopol Gesellschaft
2.4.5 Konfliktfeld Schule
2.5 Gewalt in der Schule
2.5.1 Gewalt von Schülern gegen Schüler
2.5.2 Gewalt von Schülern gegen Sachen
2.5.3 Gewalt von Schülern gegen Lehrer
2.5.4 Gewalt von Lehrern gegen Schüler
4 METHODISCHER ZUGANG
4.1 Durchführung der Untersuchung
4.3 Statistische Darstellungen
5 ERGEBNISSE DER UNTERSUCHUNG

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5.2 Hintergrundbedingungen der Gewaltbereitschaft 66

5.3 Selbsteinschätzung und Gewaltbereitschaft 69

5.4 Reflexion über das Thema Gewalt 74

6 VERALLGEMEINERUNG DER ERGEBNISSE UND

AUSBLICK 76

6.1 Bewährung der Hypothesen 76

6.2 Diskussion der Hauptergebnisse 80

6.3 Schlussfolgerungen 83

7 KONSEQUENZEN UND PRÄVENTIONSMAßNAHMEN FÜR

DIE SCHULPRAXIS 84

7.1 Anforderungen an die Schule und an die Lehrkräfte 84

7.2 Präventionsmodelle 88

7.2.1

7.2.2

7.2.3

8 LITERATURVERZEICHNIS 98

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1 Einleitung

Diese Wissenschaftliche Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Thema „Gewalt im Grundschulalter“.

Gewalt ist ein Phänomen, welches viele Gesichter hat, und noch nicht einheitlich und zufriedenstellend definiert werden konnte.

Gewalt wird heute zum größten Teil negativ bewertet. Doch wenn man sich genauer damit beschäftigt, muss man feststellen, dass der Begriff Gewalt eine lange und durchaus nicht immer negative Tradition hat. Im Artikel 20 des Grundgesetzes steht geschrieben : „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ In diesem Fall leitet sich das Wort Gewalt vom althochdeutschen Wort „waltan“ ab, und bedeutet herrschen.

Hier wird der Gewaltbegriff nicht negativ betrachtet, d.h. das Volk bestimmt die Zusammensetzung seiner Regierung und kann diese bei nicht Einhaltung ihrer Versprechen, nach einiger Zeit wieder abwählen.

Bis ins letzte Jahrhundert hinein wurde Gewalt in Familie und Schule als approbates Mittel zur Disziplinierung der Kinder eingesetzt. Ein tiefgehender Wandel hat sich seit den 70er Jahren vollzogen. Den Kindern wurden Rechte zugeschrieben und diese wurden vom Staat gefestigt und überwacht. Man gründete eine Vielzahl von Beratungsstellen in Erziehungsfragen. Gewalt gegen Kinder wurde verächtet.

Die Kinderschutzbewegung der 70er Jahre hat zum Thema Gewalt gegen Kinder folgendes artikuliert : „Die Misshandlung von Kindern umfasst die Gesamtheit der Lebensbedingungen, der Handlungen und Unterlassungen, die dazu führen, dass das Recht der Kinder auf Leben, Erziehung und wirkliche Förderung beschnitten wird. Das Defizit zwischen diesen Rechten und ihrer tatsächlichen Lebenssituation macht die Gesamtheit der Kindesmisshandlung aus.“ (SOMMERFELD 1996, 48)

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Jedes Individuum definiert Gewalt je nach persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen.

Auch wenn es um die Kindererziehung geht, kann man auf unterschiedliche Ansichten treffen. Manche sehen in einem „Klaps“ ein legitimiertes Mittel der Disziplinierung bei der Überschreitung bestimmter Grenzen an, wo hingegen Andere dies als gewalttätige Handlung verurteilen.

Deshalb ist es schwierig, eine einheitlich für jeden vertretbare Definition des Gewaltbegriffes zu finden.

Das Phänomen Gewalt ist nichts Neues. Die Gewalttätigkeit unter Kindern und Jugendlichen hat, wie sooft behauptet meiner Meinung nach im Laufe der Jahre nicht wirklich bedenklich zugenommen. Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der die Menschen und vor allem die Medien sensibler auf Gewaltakte Jugendlicher und Kinder, reagieren. „Die kulturelle Sensibilität hat sich gegenüber allen Formen von Gewalt erhöht.“ (BRÜDEL / HURRELMANN 1997, 30)

Diese Tatsache ist nicht nur als negativ zu bewerten, ganz im Gegenteil, sie trägt dazu bei, dass die Pädagogen, Lehrerinnen1und Lehrer sich mit diesem Problem auseinander setzen, und wenn nötig an ihren Schulen Präventionsarbeit leisten können.

Dennoch sollten wir nicht vergessen, dass die Behauptung, dass Kinder und Jugendliche heute aggressiver und gewalttätiger sind als früher, schlichtweg nicht belegbar ist.

„Gewalt an Schulen ist zweifellos ein sehr altes Phänomen. Die Tatsache, dass einige Kinder häufig und systematisch von anderen Kindern gemobbt und angegriffen werden, wurde in Werken der Literatur beschrieben, und viele Erwachsene haben damit Erfahrung aus ihrer eigenen Schulzeit.“ OLWEUS behauptet jedoch, dass dieses Problem in den letzten Jahren an Schärfe deutlich zugenommen hätte. (OLWEUS 1995; Buchrückseite)

1Im weiteren Textverlauf verzichte ich aus Gründen der Übersichtlichkeit auf „weibliche“ Endungen. Die Schülerinnen und Lehrerinnen sind stets mit gemeint.

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Es lassen sich Vermutungen anstellen, dass zwar nicht die körperliche Gewalt, dennoch aber die psychische Gewalt zugenommen hat. Diese Form der Gewalt ist nicht zu unterschätzen. „Die Gewalt , die wir bereits bei Kindern leibhaftig vor uns sehen, ist immer nur ein Ausschnitt aus einem sozialen und geschichtlichen Zusammenhang. Diesen gilt es aufzuspüren, wenn man nicht an den Symptomen herumkurieren möchte.“(VALTIN / PORTMANN 1995, 39)

Bei der hier vorliegenden Wissenschaftlichen Hausarbeit handelt es sich um eine empirische Arbeit. Sie ist demnach in einen theoretischen und einen praktischen Teil gegliedert. Ich habe mich in meiner Arbeit vor allem den Schulen im Primarbereich gewidmet. Aber nicht alle von mir genutzten Quellen beziehen sich direkt auf den Grundschulbereich.

Im ersten Teil werde ich auf die verschiedenen Formen von Gewalt eingehen und diese näher erläutern. Im zweiten Teil meiner Arbeit werde ich auf verschiedene Umfragen, die ich an einer Grundschule im ländlichen Bereich durchgeführt habe, eingehen.

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2 Theoretische Grundlegungen

2.1 Terminologische Abgrenzungen

Wie ich in der Einleitung schon angedeutet habe, ist Gewalt ein vielschichtiger Begriff, der sich nur schwer und nicht eindeutig definieren lässt.

Im Deutschen wird dem Gewaltbegriff zwei verschiedene Bedeutungen zugeschrieben. Es kann sowohl eine Art von Machtausübung beschreiben, oder aber eine gewaltsame Zerstörung bedeuten. In Frankreich und England gibt es für den gleichen Begriff zwei unterschiedliche Bezeichnungen. Zum einen den Begriffpotestas( power, pouvoir), welcher eine legitime Amtsgewalt beschreibt, und zum anderen den Begriffviolenca(violence), der die triebhafte und rohe Gewalttätigkeit beschreibt. Leider haben wir in Deutschland für beide Bedeutungsebenen nur ein Wort. Für die meisten Deutschen ist der Begriff Gewalt negativ besetzt. (VALTIN / PORTMANN 1995, 40)

Geht man von Herrn Galtung aus, so muss der Gewaltbegriff um ein weiteres erweitert werden. Er spricht hierbei von der sogenannten Strukturellen Gewalt. Damit geht er auf die in der Gesellschaft herrschende soziale Ungleichheit der Menschen ein.

„Gewalt nennen wir die Art und Weise einer Handlung, die andere Menschen physisch oder psychisch beeinträchtigt, wobei diese Handlung oft mit einem Zwang verbunden wird, etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen. Auch Freiheitsentzug ist Gewalt.“ ( VALTIN / PORTMANN 1995, 39) Gewalt in der Schule kann wie folgt beschrieben werden : Wenn man von BRÜDEL /HURRELMANN (1995, 19) ausgeht, dann lässt sich sagen, dass Gewalt in der Schule als “das gesamte Spektrum von Tätigkeiten und Handlungen, die physische und psychische Schmerzen oder Verletzungen bei den im Bereich der Schule handelnden Personen zur Folge haben oder die auf

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die Beschädigung von Gegenständen im schulischen Raum gerichtet sind,“ bezeichnet werden kann.

Folgende Definition von Gewalt ist meiner Ansicht nach im Hinblick auf das Thema der Wissenschaftlichen Hausarbeit, treffend : «Unter Gewalt versteht man sowohl körperliche als auch psychische Gewalt, also Treten, Prügeln, Schlagen, Drohen, Erpressen, aber auch Entziehen von Liebe und Zuwendung, Nichtbeachten, Ausgrenzen sowie ironische, sarkastische und zynische Bemerkungen. Gewalt kann gegen Personen und gegen Sachen angewendet werden. Gewalt zeigt sich in Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen, in hierarchischen Strukturen und in schulischen Maßnahmen wie Notengebung, Versetzung und Ordnungsmaßnahmen. Sie wird als strukturelle Gewalt bezeichnet» (BRÜNDEL/HURRELMANN 1994, 232)

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Der Terminus Aggression im Zusammenhang mit dem Gewaltbegriff

Die beiden Begriffe Aggression und Gewalt meist zusammen auftreten, oder sogar in manchen Fällen gleichgesetzt werden, muss man ebenfalls den Terminus Aggression kurz beleuchten.

„Nach einem geläufigen Sprachgebrauch werden nur schwerere, insbesondere körperliche Formen der Aggression als Gewalt bezeichnet, andere hingegen nicht (z.B. Schimpfen, böse Blicke).“ (NOLTING 2001, 25/26)

Nach NOLTING ist Gewalt ein durchaus eng gefasster Begriff, der sich allerdings an einigen Stellen mit dem Aggressionsbegriff überschneidet. Auch beim Terminus Aggression gibt es wie bei dem Begriff Gewalt unterschiedliche Interpretations - und Definitionsansätze, wobei keiner dieser Ansätze einen Absolutheitsanspruch für sich behaupten kann.

Hierzu ein „Schema zum Verhältnis der Begriffe Aggression und Gewalt.“

ABBILDUNG AUS NOLTING 2001, 26

Laut GATZEMANN (2000, 41) werden die Begriffe Gewalt und Aggression „in der wissenschaftlichen Forschung zumeist als begriffliche Einheit verstanden.“

Aggression stammt von dem lateinischen Wort „aggredi“ ab und bedeutet herangehen. Hier verliert der Aggressionsbegriff seine typische Bedeutung und wird mit dem Begriff der Aktivität gleichgesetzt. (NOLTING 2001, 24)

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Nach Deutschland kam der Begriff im 19.Jahrhundert von Frankreich. Er hatte eine negative Konnotation, hervorgerufen durch die Feindschaft zwischen Frankreich und Deutschland und die daraus resultierenden kriegerischen Auseinandersetzungen. (GATZEMANN 2000, 41)

Da die beiden Begriffe Gewalt und Aggression häufig gleichgesetzt werden, spreche ich, a ngelehnt an GATZEMANN, in meiner Arbeit des öfteren von beiden Termini.

Abschließend lässt sich zu diesem Punkt sagen, dass Gewalt in unserer Gesellschaft häufig sowohl im positiven Sinne, z.B. Gewaltenteilung, als auch im negativen Sinne, z.B. durch gewalttätige Übergriffe, aber auch durch Demütigungen oder Beleidigungen auftreten kann. Gewalt ist allgegenwärtig und jeder Mensch wird tagtäglich damit konfrontiert, u.a. auch durch die Medien.

Da sich meine Wissenschaftliche Hausarbeit mit dem Gewaltthema im Grundschulalter beschäftigt, werde ich vor allem auf die Gewaltakte, die schon unter Kindern herrschen eingehen. Ich werde mich mit den Formen der Gewalt, mit den verschiedenen Ursachen von Gewalt und mit möglichen Präventionsmaßnahmen beschäftigen, diese aufzeigen und kommentieren.

2.2 Formen der Gewalt

Es gibt verschiedene Formen derPersonalen Gewalt.

a.)Diephysische,oder auchkörperliche Gewalt:

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Der Begriff der physischen Gewalt umfasst die körperliche Gewalt gegen Personen (Gewalttätigkeiten) und gegen Sachen (Vandalismus). Gewalt gegen Personen bezieht sich vor allem auf vorsätzliche und bewusst herbeigeführte Körperverletzungen. Hier zählen leichte Rempeleien genauso dazu, wie schwere Schlägereien und sexuelle Übergriffe.

b.) Gewalt gegen Sachen,auchVandalismus:

Der Vandalismus tritt zum Großteil in der Schule auf. Man redet von Vandalismus, wenn in intentionaler, schädigender und normverletzender Weise gegen Schul- und Lehrereigentum Gewalt ausgeübt wird. In den meisten Fällen richtet sich die Gewalt gegen Schuleigentum, welches von Schülern beschädigt und zerstört wird.

c.) Psychische und verbale Gewalt :

Hierzu zählen verbale Aggressionen wie z. B. Beleidigungen, üble Nachrede, ironische Bemerkungen und Bloßstellungen, sowie auch Drohungen in Verbindung mit Gewalt gegen Personen oder Sachen, insbesondere wenn Menschen erpresst werden. Auch Diskriminierung ist eine Art von psychischer und verbaler Gewalt. Diese Formen von Gewalt können auch in kombinierter Form vorkommen, denn körperliche Gewalt schließt die verbale Gewalt nicht automatisch aus. Psychische Aggressionen können nicht selten auch Auslöser für körperliche Übergriffe sein.

Meiner Meinung sind dies die drei Hauptformen der Gewalt. Allerdings sind mir während meiner Literaturrecherche viele Bücher in die Hände gefallen, welche noch weitere Formen der Gewalt aufzählen. Ein Beispiel wäre BRÜDEL / HURRELMANN 1997, 27/28. Diese gehen des weiteren auf die Abgrenzungen „sexuelle Gewalt, frauenfeindliche Gewalt und fremdenfeindliche Gewalt“ ein.