4,99 €
Als es in einer stürmischen Gewitternacht an Pauls Tür klopft und ein kleines Mädchen davor steht, ahnt er noch nicht auf welches Abenteuer er sich einlässt. Bald schon macht er sich mit dem scheinbar namenlosen Kind auf eine ganz besondere Reise. Diese Reise führt ihn nicht nur in verschiedene Länder sondern vor allem zu seinen Träumen. Mit 80 Jahren einen Maraton laufen oder mit einem Pferd U-Bahn fahren, das geht nicht! oder doch? Als die beiden auf die suizidale Sophie treffen nimmt ihre Reise eine überraschende Wende und eine Frage tritt in den Vordergrund: Wozu leben wir?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2016
www.tredition.de
Yvonne Barwitzki
www.tredition.de
© 2015 Yvonne Barwitzki
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-7323-6529-6
Hardcover:
978-3-7323-6530-2
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Kapitel 1
Regen trommelt, Donner grollt
ich lausche allem ungewollt
ein Blitz durchzuckt die dunkle Nacht
der Wind weht dazu leicht und sacht
durchs Fenster zieht der Regenduft
kalt und feucht ist nun die Luft
ich liege still und doch hellwach
denke übers Leben nach
leben ist wie Wetter, unberechenbar
die Verbindung liegt sehr nah
der Mond, die Sonne und die Sterne
sind Licht und Glück in weiter Ferne
Wolken und Regen sind Traurigkeit
gestalten schwierig manche Zeit
der Blitz ist Hass und Bitterkeit
Schicksalsschläge und auch Neid
doch ziehen Wolken nicht nach dem Gewitter fort?
Scheint die Sonne nicht am selben Ort?
Und so kann man auch das Leben sehen,
schlechte Zeiten werden gehen
werden von Mut und Hoffnung verdrängt
damit die Sonne zu scheinen anfängt
spürst du ihre warmen Strahlen im Gesicht?
Glaub mir, du bereust es nicht!
Vertraust du dir und deinem Leben
dann wird es immer Hoffnung geben!
Es war später Abend, als ich mich auf mein Sofa setzte, eine Tasse Tee in der Hand und dem Gewitter lauschte, das dort draußen tobte. Der Regen trommelte an die Fensterscheiben und Türen, als wollte er um Einlass bitten, während der Sturm um die Mauern des alten Hauses pfiff, so dass ich fast befürchtete, dass es gleich davon fliegen würde. Einen Moment lang begann ich zu träumen. Ich stellte mir vor mit meinem Haus um die ganze Welt zu fliegen und….. KRACH! Ich zuckte zusammen. Der alte Fensterladen hatte dem Sturm nicht mehr Stand gehalten und war gegen die Scheibe gekracht. Ja, mein Haus war nicht mehr das jüngste, genau wie ich selbst, aber ich liebte es. Mit seinem schiefen Giebel und dem hohen steinernen Schornstein hatte es mich als Kind (damals gehörte es noch meinen Eltern) immer an ein verwunschenes Hexenhaus erinnert. Heute, da ich um einiges älter bin und nicht mehr an Hexen und anderes Zaubervolk glaube, hat das kleine Häuschen in den Bergen doch etwas Magisches. Ich hatte mich nur inzwischen daran gewöhnt. Man gewöhnt sich an so viele Dinge im Leben und empfindet sie als ganz selbstverständlich, obwohl sie das eigentlich gar nicht sind. Ich beschloss mir um solche unnützen Dinge keine Gedanken zu machen und widmete mich wieder meinem Tee und dem Gewitter. Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn als ich erwachte war es schon weit nach Mitternacht und das Gewitter hatte noch weiter zugenommen. Ich wollte gerade meinen Tee nehmen und hoch in mein Zimmer gehen, als ich ein leises Klopfen wahrnahm. Zuerst dachte ich, ich muss mich getäuscht haben aber da war es wieder, diesmal etwas lauter. Ich fragte mich, wer das wohl sein mochte, um diese Zeit, hier oben und noch dazu bei diesem Wetter. Langsam erhob ich mich und ging zögerlich zur Tür. Ich öffnete sie nur einen Spalt, gerade so weit, dass ich hinaus spähen konnte und traute meinen Augen nicht. Vor meiner Tür stand ein kleines Mädchen mutterseelenallein im Regen. „Darf ich rein kommen?“ Ich war so verblüfft, dass ich kein Wort heraus brachte, also öffnete ich wortlos die Tür und machte eine einladende Handbewegung. Wie selbstverständlich setzte sie sich auf mein weinrotes Sofa und zog die Knie an. Sie zitterte. Ich holte eine alte Wolldecke und legte sie ihr um die Schultern. Dankbar wickelte sie sich darin ein. „Nun Kleine…..“, fing ich an „…wer bist du?“ Sie sah mich lange aus ihren großen Augen an, als müsse sie erst überlegen, dann antwortete sie zögerlich: „Weißt du denn, wer du bist?“ Was war das denn für eine Frage? Natürlich wusste ich wer ich war! Ich war Paul, ein nun fast 80 Jahre alter Mann, der in seiner Jugend als Trümmerjunge nach dem Krieg gearbeitet hat. Während des Krieges war ich noch ein kleines Kind, und doch erinnerte ich mich daran, als wäre es gestern gewesen. Der Krieg hat uns alle sehr mitgenommen und so zogen sich meine Eltern bald mit mir auf diese Hütte hier oben zurück. Lange Rede kurzer Sinn: ich wusste sehr genau wer ich war, also antwortete ich: „Nun,… mein Name ist Paul und wie heißt du?“ „Ja, aber wer bist du?“ Ich verstand nicht was sie meinte und das schien mein Gesicht auch deutlich zu verraten, denn die Kleine fuhr fort: „Glaubst du wirklich dein Name verrät dir, wer du bist? Stell dir mal vor, du würdest nicht Paul heißen, sondern Peter oder Klaus. Würde sich irgendetwas ändern in deinem Leben?“ Ich überlegte. „Mh…..nein“, brachte ich schließlich hervor. „Na siehst du! Was macht es also für einen Sinn, jemandem seinen Namen zu sagen? Du hast deinen Namen von Geburt an, wie ein Schatten begleitet er dich durch dein Leben. Du hast dich an ihn gewöhnt, aber wenn es ein anderer gewesen wäre, hättest du dich an den gewöhnt. Verstehst du was ich meine?“ Sie ließ mir keine Zeit zum Antworten. „Genauso ist es auch mit dem Vorstellen. Als Kind wurde dir immer gesagt, dass du deinen Namen sagen sollst, wenn jemand fragt, wer du bist. Du hast dich also daran gewöhnt und tust es heute noch, stimmst’s?“ „Ja….“ stammelte ich, überwältigt von diesem Schwall an Informationen. „Du willst mir also sagen, dass Namen völlig unwichtig sind?“, fasste ich nach einer kurzen Denkpause zusammen. „Ganz genau!“ Sie lächelte, sichtlich zufrieden, dass ich verstanden hatte. „Ich komme seit vielen Jahren super ohne klar!“ „Seit vielen Jahren? Wie alt bist du denn?“ Ich wunderte mich, denn ich schätzte das Mädchen, das mir gegenüber saß auf sieben, höchstens acht Jahre. „Spielt das denn eine Rolle? Das Alter ist nur eine belanglose Zahl. Sie sagt genauso wenig über einen Menschen aus wie sein Name.“ Alter Schwede, dieses Mädchen überforderte mein altes Hirn! sie sprach weiter: „Ein zehn jähriger Junge, dessen Eltern beide arbeiten gehen, kann unter Umständen selbstständiger sein, als ein zweiundzwanzig Jahre alter Mann, der sein Leben lang alles hinterher getragen bekommen hat. Genau wie eine siebzig jährige Frau, die ihr Leben lang Sport gemacht hat, fitter sein kann, als eine dreißig jährige, die nur auf dem Sofa sitzt und Chips isst. Es kommt eben auf die Person an, nicht auf das Alter.“ Da hatte sie natürlich Recht, trotzdem war ich verwirrt. Wir schwiegen uns eine Weile an, dann sagte sie, dass sie müde sei und nun gerne schlafen würde, da es schon spät sei und morgen ein anstrengender Tag wäre. Sie sagte dies mit einer Selbstverständlichkeit, als würde sie schon Jahre hier wohnen. Ich sparte mir die Mühe nachzufragen, was sie morgen so Anstrengendes vorhabe, denn mein Schädel brummte schon jetzt von ihren sonderbaren Antworten. Das Mädchen folgte mir wortlos die Treppe nach oben, wo wir das große Schlafzimmer betraten. Ich gab meinem kleinen Gast eines meiner weißen Unterhemden zum Schlafen. Obwohl es schon eines meiner kleinsten war, reichte es ihr bis weit über die Knie und schlackerte um ihre dünnen Beine, so dass es fast wie ein Kleid aussah. Jetzt sah sie mit ihren blonden Locken und den großen, blauen Augen fast wie ein kleiner Engel aus. Ein sehr nasser Engel zugegeben und freilich fehlten die Flügel und doch war eine gewisse Ähnlichkeit vorhanden. „Wo soll ich schlafen?“ Die Kleine sah mich fragend an. „Leg dich einfach zu mir, das Bett ist groß genug für uns beide.“ Seit meine Frau -Gott hab sie Seelig- vor nun fast sieben Jahren von uns gegangen ist, hat niemand mehr auf der anderen Seite des geräumigen Doppelbettes geschlafen. Nun lag darin dieses sonderbare Mädchen. Jetzt, da sie schlief, sah sie noch zerbrechlicher aus und ich fragte mich, wie sie ganz allein den weiten Weg nach hier oben bewältigen konnte.
In dieser Nacht lag ich lange wach. Ich dachte über die Geschehnisse des heutigen Abends nach. Je länger ich darüber nachdachte desto seltsamer kam mir das Ganze vor. Was war das für ein Ort, wo weder Name noch Alter eine Rolle spielten? Gab es diesen Ort überhaupt? Und wenn nicht, wo kam die Kleine denn sonst her? Was tat sie mitten in der Nacht und bei solch einem Wetter hier oben in den Bergen? Das nächste Dorf ist einen Tagesmarsch entfernt, bei den kurzen Beinen vermutlich noch länger. All diese Dinge gingen mir durch den Kopf. Erst jetzt fiel mir auf, wie still es auf einmal war und es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass sich das Gewitter verzogen hatte. Nur der Wind spielte noch mit den Blättern der Bäume neben dem Haus. Sie schienen zu flüstern. Ein leises, geheimnisvolles Wispern und ich bildete mir ein den Satz „Wer bist du?“ zu verstehen. Sofort kam mir die Frage des Kindes wieder in den Kopf und ich fing an mir Gedanken darüber zu machen. Wusste ich wirklich, wer ich war? Wer wäre ich beispielsweise wenn ich in einem anderen Land aufgewachsen wäre, mit anderer Sprache und Kultur? Wäre ich dann trotzdem ich? Ich… was bedeutet das eigentlich? Auf einmal kam mir dieses Wort furchtbar belanglos und nichtssagend vor. Denn was genau ist Ich? Ist Ich das, was ich einmal war? Oder vielleicht das, was ich einmal werden wollte? Ist Ich das, was ich bin, was ich einmal sein werde oder gerne wäre? Vielleicht ist Ich auch das alles zusammen. Natürlich könnte es auch sein, dass Ich mehrere Gesichter hat und mal das und mal das ist. Aber wenn das der Fall ist, müsste man sich fragen, ob es reiner Zufall ist, welches Ich wann auftritt oder ob dahinter ein Konzept steht. Ich betrachtete das friedlich schlafende Mädchen neben mir und fragte mich, wie so ein kleines Wesen meine komplette Welt von heute auf morgen auf den Kopf stellen konnte. Ich machte mir Gedanken über Dinge, die mir mein ganzes Leben selbstverständlich vorkamen. Langsam bekam ich Kopfschmerzen vom vielen Denken und beschloss ein wenig zu schlafen. Ich löschte die Kerze auf dem Nachttisch und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Kapitel 2
Als ich am nächsten Morgen erwachte, fragte ich mich, ob das alles nur ein seltsamer Traum gewesen war. Aber nein, das konnte nicht sein. Wieso sollte ich so etwas Absurdes träumen? Nein, dieses Mädchen -wo auch immer es sich gerade befinden mochte- war hier. Die nassen Kinderklamotten über dem Kamin bestätigten meinen Verdacht. Ich zog meinen Morgenmantel über, schlüpfte in meine Pantoffeln und ging hinunter in die Stube. Ich staunte nicht schlecht, denn ein komplett gedeckter Frühstückstisch und ein Zettel mit der Aufschrift „Guten Appetit“ befanden sich dort. Etwas verdutzt setzte ich mich auf den Stuhl und begann zu essen. Während ich kaute, fragte ich mich, wo das Mädchen wohl gerade sein mochte. Es war genauso plötzlich verschwunden wie es gekommen war. Ein Blick aus dem Fenster riss mich aus meinen Gedanken. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und es war höchste Zeit auf die Jagd zu gehen, wenn ich heute etwas zu essen haben wollte. So schnell ich konnte zog ich mich an und machte mich, mein Gewehr auf der Schulter, auf den Weg nach draußen. Als ich vor die Türe trat, traute ich meinen Augen nicht, denn direkt vor mir stand genüsslich grasend ein Pferd und schaute mich an. Gut… dann war immerhin geklärt wie mein Gast hier hoch gekommen war aber wieso war dieses Pferd nirgends angebunden? Wieso hatte es nichts, das verhinderte, dass es davon lief? Sonderbar…. äußerst sonderbar. Ich beschloss das Pferd zu ignorieren und mich auf den Weg zu machen. Ich war noch nicht weit gegangen, da kreuzte auch schon eine junge Bergziege meinen Weg. Ich hob mein Gewehr an, zielte und….. „Nein! Nicht schießen!“ Plötzlich stand mein kleiner Gast hinter mir und sah mich aus großen Augen an. „Du darfst die Ziege nicht töten!“ Ich verstand wohl, dass die Kleine nicht wollte, dass ich die Ziege töte, aber ich