Gladium 6: Geistersturm - Ky van Rae - E-Book

Gladium 6: Geistersturm E-Book

Ky van Rae

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Beschreibung

Cassandra wird von Visionen geplagt. Visionen der Zerstörung und des Untergangs. Ihre Zukunft? Während die junge Blutmagierin mit Hilfe zweier Mitglieder der Gladium-Squad und eines unbekannten Mannes versucht, hinter das Geheimnis ihrer Visionen zu kommen, muss der Rest des Teams sich seiner bisher größten Bewährungsprobe stellen: Die Purples greifen den Xandom-Tower an! Neue Feinde – neue Freunde. Und die Wiedergeburt einer uralten Macht im letzten GLADIUM-Band der 1. Staffel, der von Ky Van Rae geschrieben wurde. Eine Serie um "Superhelden", alternative Wirklichkeiten und eine geheime, außerirdische Bedrohung.

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Seitenzahl: 166

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Die Science-Fiction Serie von Markus Kastenholz

GEISTERSTURM

von Ky van Rae

© 2016 Amrûn Verlag

Jürgen Eglseer, Traunstein

Korrektorat: Jasmin KriegerCoverbild: Christian PickAlle Rechte vorbehalten

ISBN – 978-3-95869-286-2 (Print)

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amrun-verlag.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis
Gladium 6: Geistersturm
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Epilog 1
Epilog 2

Prolog

Nebelschwaden durchzogen die Küstenlinie der kleinen Ortschaft Llandough in der Nähe von Cardiff. Auf dem kleinen Friedhof mitten im Ort konnte man schemenhaft zwei Gestalten ausmachen. Eine Frau und einen Mann. Die Frau saß nackt im Schneidersitz auf dem Boden, der Mann stand hinter ihr und beobachtete aufmerksam die Gegend, bevor er sich schließlich ihr zuwandte.

Ein Windhauch fuhr durch das lange, rote Haar der Frau, und jetzt erst konnte man feine, rote Linien auf ihrem nackten Körper erkennen. Langsam führte die Frau ihre Handflächen zueinander, drehte sie ein wenig, und plötzlich erschien ein kleiner, blauer Energieball zwischen ihren Händen. Zunächst war er winzig, dann wurde er größer und größer, je weiter die Frau die Hände auseinanderzog. Als er in etwa das Ausmaß eines Basketballs erreicht hatte, leuchteten die roten Linien auf ihrem Körper heller auf und begannen, auf ihrer Haut über die Arme und die Hände in den Ball zu hinein zu wandern.

Die Frau fing an, ihre Hände wieder zusammenzuführen, und prompt wurde der Energieball wieder kleiner. Die roten Linien konnte man gut in dem Energieball sehen. Sie bewegten sich schnell und ungestüm, aber kontrolliert.

Als der Ball schließlich nur noch die Größe eines Daumennagels hatte, stellte der Mann sich vor die Frau und öffnete ein Amulett. Die Frau legte den Energieball hinein, der Mann verschloss das Amulett wieder und schaute die Frau fragend an.

»Und nun?«, flüsterte er.

Sie öffnete ihre unergründlichen, grünen Augen und sah ihn vielsagend an.

»Nun, mein Geliebter, werden wir das Amulett für sie bereiten, damit es die Zeiten überdauert und von jeder Zeitlinie aus verfügbar ist.«

»Und dann?« Zwei Falten zeigten sich auf seiner Stirn.

»Dann werden wir beide sterben, so wie es für uns vorgesehen ist.«

Sie schaute ihn an, legte ihre Hand an seine Wange. Ihre Stimme wirkte fest, als sie sagte:

»Aber wir werden vereint sein, Caleb. Immer. Und in jeder Zeitlinie.«

Heute, Xandom-Tower, New York

Es ging ihr überhaupt nicht gut. Schon seit Tagen hatte Cassandra Probleme mit dem Einschlafen. Sie hatte richtiggehend Angst davor, und das war eine Erfahrung, die sie in ihrem jungen Leben bisher kaum gemacht hatte. Angst. Es war nicht einfach … Angst. Es war… Keine Ahnung, wie man es nennen sollte. Aber es stellte alles in den Schatten, was sie bisher erlebt hatte.

Auf ihren Reisen durch die Dimensionen, meinte Cassandra, dass sie schon Vieles gesehen hatte. Dinge, die sich jemand anders nicht erträumte, und das lag keineswegs an dessen mangelnder Phantasie. Dadurch meinte sie auch, hinreichend Erfahrung darin zu haben, ihre Träume zu steuern. Normalerweise war dies auch der Fall. Normalerweise.

Diesmal allerdings nicht. Sobald sie die Augen schloss, wurde sie geradezu weggezogen, hinein in diesen merkwürdigen Traum, hinein in eine Welt, die in Schutt und Asche lag.

‘War das die Zukunft?’, fragte sie sich dann oft. War das, was sie in diesen Träumen sah, genau das, worauf Alex sie vorbereitete, um es zu verhindern?

Cassandra erschauderte, stand auf und begann ziellos in ihrem Apartment umherzulaufen. Sie dachte nach, überlegte, forschte in ihrem Gedächtnis. Vor der großen Panoramascheibe blieb sie stehen und sah hinaus. Von hier oben sah die Stadt New York klein aus, wie ein Ameisenhaufen. So zart und zerbrechlich und dennoch so stark und hart im Nehmen. Als sie durch die Zeiten gewandert war, hatte sie gesehen, was dieser Stadt in anderen Zeitlinien alles zugestoßen war. Cassandra war beeindruckt gewesen, wie die Menschen hier sich immer wieder aufrappelten und auf die Beine kamen.

Mühsam riss sich die junge Frau vom Anblick der niemals schlafenden Stadt los und schaute hinauf in den Himmel. Obwohl die Stadt New York selbst in der Nacht hell erleuchtet war, war Cassandra hier oben dennoch hoch genug, um den Nachthimmel ohne Probleme und Einschränkungen betrachten zu können. Immerhin war dies der Xandom-Tower. Momentan das höchste Gebäude der Welt, und sie befand sich in dessen 98. Stockwerk.

Diese Träume …

Immer wieder wurde sie zu demselben Ort gezogen, an den Strand, ans Meer. Sie fühlte den Wind in ihren Haaren und auf ihrer Haut. Sie roch das Salz, spürte den Sand unter ihren Füßen und fühlte die Stille. Es war still, so unnatürlich still. Eine Stille, die sie in ihrem Inneren fast hören konnte. Wenn Cassandra den Kopf wandte, konnte sie keinerlei Leben erkennen. Keine Menschen, keine Tiere, nichts …

Strikt wandte sie sich nach links und streifte unverdrossen den Strand entlang. In der Hoffnung, auf irgendjemanden oder auf irgendetwas zu treffen. Was auch immer, sie würde nicht wählerisch sein. Es musste doch etwas da sein!

Sie zog weiter, bis sie stehen blieb. Automatisch, als habe es ihr eine innere Stimme befohlen. Cassandra schaute nach links und entdeckte dort eine steile Mauer, die nicht einmal wie ein Fremdkörper hier am Strand wirkte. Durch ihre Träume wusste sie, dass sich hinter dieser Mauer eine kleine Ortschaft befand. Sie lag in Trümmern und auch hier keine Spur von Leben. Dennoch ging Cassandra auf die Steintreppe zu, die an der Mauer entlangführte, bis hin zu einem Tor, durch das sie in den Ort gelangte.

Mitten auf den Stufen blieb sie stehen und runzelte die Stirn. Blickte hinaus aufs Meer, schüttelte den Kopf, um etwas klarer zu werden und grübelte indessen.

War sie jetzt tatsächlich hier in ihrem Traum? War sie hier in dieser Dimension? Oder stand sie noch in New York an der Panoramascheibe ihres Apartments im Xandom-Tower?

Prüfend legte sie ihre Hand an die Mauer. Nein, das war tatsächlich eine Mauer. Ohne jeden Zweifel. Es war alter Stein. Sie strich darüber, wie um sich abermals zu vergewissern.

Konnte sie jetzt schon hierhergezogen werden, ohne überhaupt zu schlafen? Wie war das möglich? Weder durch ein Ritual noch durch Schlaf war sie hierhergekommen. Sie wusste das ganz genau. Cassandra war verwirrt.

Tief atmete sie durch. Es würde schon einen Grund haben, warum sie hier war. An Zufälle glaubte sie nicht. Irgendetwas … oder irgendwer? … wollte es, wollte, dass sie sah, was sich hinter dieser Mauer in diesem Ort abspielte.

Cassandra trottete weiter, ging durch das Tor und stand wenig später auf einer kleinen Straße. Sie schaute sich um und entdeckte erwartungsgemäß Trümmer. Ausgebrannte Autos standen umher, flankiert von den Ruinen der Häuser. Und wieder kein Leben. Nicht einmal ein Insekt, das ihr um die Nase schwirrte.

»Wenn ich doch wenigstens eine Kakerlake sehen würde«, seufzte sie. Nicht, dass sie sonderlich erpicht auf einen solchen Anblick gewesen wäre, doch er hätte ihr genügt, um zu wissen, sie war nicht allein.

Sie wandte sich nach rechts und schritt die Straße entlang. Irgendwann würde sie doch auf etwas treffen, war sie sich sicher. Aufmerksam beobachtete sie dabei ihre Umgebung. Gefahr konnte überall lauern, sie musste also achtsam sein.

Und dann sah sie ihn!

Noch nie zuvor hatte sie ihn gesehen, weder hier noch anderswo. Und dennoch …

Er konnte nicht viel älter sein als sie. Vielleicht drei oder vier Jahre, höchstens. Er stand auf einem kleinen Platz in der Ortsmitte, auf dem wohl einst Märkte abgehalten worden waren. Genauso ratlos wie sie war er, das spürte sie, das sah sie ihm an. Dunkle, kurze Haare. Durchtrainiert. Enganliegende dunkle Hosen, DocMartens-Stiefel und ein dunkles T-Shirt.

Cassandras Herz machte einen Sprung. Er kam ihr vertraut vor. Irgendwie ... Und er war nicht gefährlich, das wusste sie ebenfalls. Irgendwie.

Er schien sie bemerkt zu haben, denn er hob seinen Kopf und schaute in ihre Richtung.

Diese Augen! Ihr stockte der Atem, und sie kam sich plötzlich dumm vor. Verlegen, als sie auf seinem Gesicht dieselbe Erkenntnis, dieselbe Verblüffung erkannte, die auch sie ergriffen hatte.

Sie kannten sich! Von irgendwoher. Sie gehörten zusammen. Das spürte sie, nein, mehr noch: Das wusste sie. Cassandra wollte weitergehen, konnte es aber nicht. Sie wollte etwas sagen – vergebens.

Unversehens stand sie wieder in ihrem Apartment im Xandom-Tower mitten in New York und schaute hinaus in den Himmel, der inzwischen hell geworden war.

»Was bei allen Göttern war das?«

Mojave-Wüste, USA

Ein Rauschen durchbrach die Stille des Death Valley. Die Tiere, die sich in der Mittagshitze zur Ruhe gelegt hatten, sprangen flugs nervös aus ihren Verstecken und suchten das Weite.

Das Rauschen wurde zu einem Sturm aus purer Energie, der sich an einem Punkt vereinigte und schließlich auch sichtbar wurde. Ein roter Energieball entstand mitten aus dem Nichts, der anwuchs, zusehends größer wurde und schließlich groß genug war, dass die Menschen bequem aus ihm heraustreten konnten.

An der Spitze eine Frau mit langen weißblonden Haaren. Die Lederkleidung, die sie trug, war ebenfalls in strahlendem Weiß gehalten. So bildete sie einen Kontrast zu den anderen, die sie rechts und links flankierten. Große, offensichtlich durchtrainierte Gestalten, die vollständig in Schwarz gekleidet waren. Alles an den Begleitern der Frau wirkte dunkel.

Sie blieb stehen und sah sich um, orientierte sich. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie erkannte, wo sie gelandet waren.

»Das Death Valley«, meinte sie süffisant, »Wie passend …«

»Mylady?«

»Das Tal des Todes. Ich denke, hier werden wir unseren Stützpunkt aufbauen.«

»Glauben Sie denn, dass wir hier richtig sind?«

Sie hob ihre rechte Braue an. »Das werden wir gleich sehen.«

Die Frau entfernte sich einige Schritte von der Gruppe und verharrte dann. Sie horchte in sich hinein, konzentrierte sich und zeichnete dann etwas in die Luft.

Plötzlich flimmerte die Luft vor ihr, und allmählich zeichnete sich dort ein hellblaues Pentagramm ab. Es wurde größer, drehte sich waagerecht zur Erde und sank schließlich nach unten. Die Unbekannte stellte sich in dessen Mitte und hob die Arme wie zur Beschwörung. Die Luft knisterte und Wind kam auf.

Die Weißblonde konzentrierte sich weiter, sie sah Bilder der großen Stadt im Osten. New York. Sie sah große Türme. Die Twin-Tower? Nein! Xandom-Towers.

Sie lächelte.

»Du arroganter kleiner Arsch«, flüsterte sie leise zu sich selbst.

Bilder flimmerten vor ihrem inneren Auge. Bilder von Menschen und Gestalten. Eine junge, durchtrainierte Frau mit einer seltsamen Aura. Ein Mann, gefährlich auf der einen Seite, sanft auf der anderen, der versteckten Seite. Harte Schale, weicher Kern.

Ein Oni, mächtig, mit vier Armen und drei Augen. Nichts schien seiner Kraft widerstehen zu können.

Eine Frau in einer Burka, die einen …

»Ein Dschinn! Interessant!«, murmelte die Frau - und dann sah sie das Objekt ihrer Begierde: Jung, rothaarig und noch wunderbar unerfahren.

Cassandra!

Die Frau öffnete ihre Augen, und die Energie des Pentagramms brach prompt in sich zusammen.

Sie drehte sich um.

»Sie ist hier. Er ist auch hier. Wir sind endlich in der richtigen Zeitlinie angekommen.« Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.

»Holt die anderen. Wir werden unseren Stützpunkt hier aufbauen. Und dann werde ich mich so in Erinnerung bringen, wie es mir gebührt.«

Die beiden Männer verbeugten sich leicht und schritten durch den Energieball zurück. Sie würden nicht alleine zurückkehren.

Die Frau schaute zum Horizont. »Hüte dich Cassandra! Lydia ist da …«

Xandom-Tower, New York

Cassandra war sauer. Sogar stinksauer!

Das Ritual, das sie kurz nach ihrer Vision – so nannte sie das Erlebte inzwischen in Ermangelung eines besseren Ausdrucks –, versucht hatte, war fehlgeschlagen. Das hatte die junge Frau noch mehr gefrustet als ohnehin schon, und so pfefferte sie die drei Bücher, die sie vor sich aufgeschlagen hatte, vor lauter Wut gegen die Wand.

»Ein Tee«, sagte sie sich. »Ein Tee wird mir guttun.« Sie schnappte einen roten Schal von einem der Stühle und verließ ihr kleines Zwei-Zimmer-Apartment. Auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum – die »Küche« –, kam ihr Martha entgegen. Dem Glanz ihres Haares und des Handtuchs, das sie trug, zufolge kam sie direkt von einer Trainingseinheit.

»Guten Morgen«, grüßte sie Cassandra.

»Hmpf.«

Verblüfft drehte Martha sich um. Das kannte sie ja gar nicht von der jungen Blutmagierin. Welche Laus war ihr über die Leber gelaufen?

Martha schulterte ihr Handtuch und folgte Cassandra. Im Gemeinschaftsraum, bei dem es sich eigentlich um eine sehr weitläufige Küche handelte, fand sie auch Kabuki, den Oni, und Sal vor. Beiden entging nicht, dass etwas nicht stimmte. Fragend schauten sie Martha an, doch diese zuckte nur mit den Schultern. Sie hatte ebenfalls noch keine Antworten.

Sal stellte seinen Becher auf den Tisch, stand auf und gesellte sich zu Cassandra.

»Gut geschlafen?« fragte er mit einem Augenzwinkern von der Seite.

»Hmm.«

»Ah«, Sal grinste. »Eine lange Nacht, wie?«

Genervt schaute ihn Cassandra an, sagte aber nichts. Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, sagte genug.

»Geskypt?« Sal ließ nicht locker. »Oder die ganze Nacht telefoniert? Gibt es da irgendwas, was wir wissen sollten?«

»Ja«, nickte Cassandra knapp.

Sal beugte sich nach vorne und schaute ihr ins Gesicht. Seine Neugier war jetzt mehr geweckt denn je.

»Und was?« Sein Tonfall hatte etwas Forderndes.

Cassandra stellte sich gerade vor ihn hin.

Martha seufzte. Sie kannte dieses Verhalten nur zu gut. Die beiden stritten sich öfters, wenn auch nicht ernsthaft. Sal konnte es nicht lassen, die junge Blutmagierin zu ärgern. Dabei wusste sie nur zu gut, dass der ehemalige Killer das Mädchen ins Herz geschlossen hatte und sie wie eine kleine Schwester behandelte - obwohl er das natürlich niemals öffentlich zugeben würde. Und kleine Schwestern mussten eben ab und an mal geärgert werden. Das war Sals Meinung. Nicht unbedingt Marthas, aber Sal war davon nicht abzubringen. Und auch jetzt machte es ihm eindeutig Spaß, das Mädchen zu foppen.

»Du nervst!« Cassandras Augen veränderten sich leicht, ein Zeichen dafür, dass sie jetzt richtig sauer war.

Sal grinste: »Verliebt?«

Die Reaktion war heftiger, als Cassandra es vorgesehen hatte: Sie donnerte den Becher mit frisch aufgebrühtem Tee auf den Tisch, so dass das heiße Wasser über ihre Hand schwappte. Den Schmerz ignorierend hob sie die Hand und schon hatte Sal sich eine Ohrfeige eingefangen.

Der ehemalige Killer war darüber total verblüfft. Das kannte er nun gar nicht von ihr. Entsprechend baff wirkte seine Miene.

»Hoppla«, meinte er nur überrascht.

»Geh’ mir ausnahmsweise mal nicht auf die Eierstöcke, du Idiot!«, fauchte Cassandra – sie war außer sich vor Wut. »Geh jemanden killen und tu mir den Gefallen und geh dabei drauf.«

So hatte Sal sie noch nie erlebt.

»Hast du deine Tage, oder was?«, wollte er wissen und bereute es sofort. Nicht nur, weil ihm eingefallen war, dass man so etwas nicht fragte.

Denn Cassandras Augen glühten plötzlich auf. Sie hob ihre rechte Hand und jeder im Raum konnte das Knistern hören.

»Cassandra!«, rief Martha, doch es war schon zu spät.

Cassandra hatte leise einige Formeln gesagt – mit promptem Resultat: ein Energiestrahl aus ihrer Hand traf Sal, und plötzlich war der ehemalige Killer nicht mehr da. Er war einfach verschwunden.

»Was zur …?« Martha war sofort neben die Blutmagierin gesprungen. Was war mit ihr geschehen? Lief sie Amok? Hatten die Purples sie unter ihre Kontrolle gebracht?

Ungerührt ging Cassandra in die Knie und griff nach etwas, hob es hoch. Die Anwesenden konnten nun etwas Giftgrünes in ihrer Hand sehen.

»Fein«, meinte sie süffisant. »Ich brauche sowieso wieder etwas Krötenextrakt.«

Kabuki lachte leise in sich hinein, versuchte es allerdings zu verbergen. Nur für den Fall, dass Sal es in seinem … misslichen Zustand bemerkte.

»Das ist ein Frosch«, kam es von der Tür her und alle drehten sich um. Unbemerkt war Alex in den Raum gekommen. »Froschschenkel, wunderbar. Hatte ich lange nicht mehr. Schmecken ein wenig wie Hühnchen. Eigentlich schmeckt heutzutage ja fast alles wie Hühnchen. Außer Hühnchen.«

Cassandras Augen glühten noch immer vor Zorn.

Alex trat neben die junge Blutmagierin und nahm ihr vorsichtig den Frosch aus der Hand. Als er das Tier so betrachtete, wie es ihn mit großen Augen anglotzte, verschwand jeder möglicherweise vorhandene Appetit auf dessen Extremitäten.

»Verwandle ihn bitte wieder zurück.«

»Ich denke ja nicht dran«, entgegnete sie trotzig.

Alex sah sie nachdenklich an.

»Was ist mit dir los, Cassandra? In den letzten Tagen bist du so …« Er suchte nach Worten.

»Unausgeglichen«, kam Martha ihm zu Hilfe, selbst auf das Risiko hin, ebenfalls zum Frosch zu werden.

Alex nickte ihr dankend zu. »Ja, unausgeglichen. Du wirkst nervös und bist gereizt. Ganz anders als sonst. Also, was ist los?«

»Ich bin nicht gereizt!«, knurrte Cassandra.

»Nicht?« Alex hob die Augenbrauen. »Und was bist du jetzt gerade? Die Ruhe pur?«

»Ihr könnt mich alle mal! Und zwar ganz gewaltig!«

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sie sich um und verließ den Raum.

»Was ist mit Sal?«, rief Martha hinterher. Nicht, dass es keine verlockende Vorstellung gewesen wäre, dass Sal für einige Zeit seine Klappe hielt. Trotzdem …

In der Tür hob die junge Magierin ihren Arm und schnippte lapidar mit den Fingern.

Alex wäre beinahe gestürzt, hätte Martha ihn nicht reaktionsschnell gestützt, als sich der Frosch binnen weniger Sekundenbruchteile wieder in Sal verwandelte. Der ehemalige Killer fiel auf seinen Hosenboden und schaute so verdutzt drein wie jeder andere, der soeben in einen Frosch verwandelt und wieder zurückverwandelt worden war.

Sie alle schauten dem Mädchen hinterher.

»Okay«, murmelte Kabuki gedehnt, weiterhin bemüht zu verbergen, wie amüsant er das Gesehene fand. »Da ist was im Busch.«

***

Cassandra schnaubte, als sie ihr Apartment erreichte. Wütend knallte sie die Tür hinter sich zu.

Was dachte sich dieser Idiot eigentlich? Und erst die anderen. Immer noch behandelten sie sie wie ein kleines Kind, dabei würde sie in wenigen Tagen achtzehn Jahre alt werden. Erwachsen. Bereit, mehr zu tun als nur Visionen aus der Zukunft zu empfangen, so dass man Anschläge der Purples frühzeitig verhindern konnte. Nein, sie konnte mehr. Viel mehr. Und sie wollte auch mehr. Sie …

Plötzlich blieb Cassandra stehen, verharrte in ihren Bewegungen, als sei sie eingefroren. Sie runzelte die Stirn.

Eine fremde Magie hatte ihren Rücken gestreift. Ein Hauch nur, nicht mehr. Aber sie war da, ohne jeden Zweifel. Und sie war böse.

Hochkonzentriert, mit all ihren Sinnen tastete sie den Raum ab, suchte.

Da! Da war es wieder!

Blitzartig fuhr Cassandra herum und erhaschte gerade eben so noch einen schwarzen Schatten an ihrer Apartmenttür. Eilends verschwand er wieder nachdem er entdeckt worden war, um nicht noch mehr von sich preiszugeben. Dennoch war der Schatten noch da. Deutlich konnte Cassandra seine Magie spüren.

Wie verdammt noch mal konnte etwas durch die Sicherheitssysteme des Towers kommen? Selbst magische Wesen und solche aus den Anderwelten lösten normalerweise einen Alarm aus. Sie selbst hatte dafür gesorgt, um für möglichst jede Bedrohung gewappnet zu sein. Dieser Schatten hatte es nicht getan. Was also war das für ein Ding?

Cassandra konzentrierte sich wieder, schöpfte Kraft aus sich und sandte sie aus. Sie schloss die Augen und versuchte die Quelle des Fremden aufzuspüren, doch sosehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr nicht. Da war eine Blockade, bestehend aus einer mächtigen und alten Magie. Sie kam da nicht durch.

Die junge Frau öffnete wieder die Augen, schaute sich aufmerksam um und schlich zur Apartmenttür. Sie wollte Hilfe holen. Etwas, was ebenso alt war wie diese Magie und ihr dementsprechend trotzen konnte: Der Gatte von Zainab, der Muslima, war ein Dschinn. Uralt und, wenn auch oft nicht ganz zurechnungsfähig, sehr weise.

Cassandra wollte soeben die Tür öffnen - und stieß einen Fluch aus.

Die Tür war mit einer magischen Sperre versiegelt. Sie ließ sich von ihr nicht öffnen.

Die junge Frau konzentrierte sich erneut, als sie hinter sich ein Geräusch vernahm.

Was zum …?

Cassandra drehte sich um und japste erschrocken.

Was sie vor sich sah, war ein Wesen, wie sie noch niemals zuvor eines gesehen hatte. Und das mochte was heißen.