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Glaube ist nach neutestamentlicher Vorstellung eine Gabe des Heiligen Geistes und nicht das Ergebnis von "Lehren und Lernen". Zugleich erschließt sich christlicher Glaube aber wesentlich durch Bildung und bewirkt Bildung. Ein Leben im Glauben bedarf der Glaubenspraxis und des Wissens über den Glauben. Nur so kann man Orientierung sowie Urteils- und Handlungsfähigkeit erlangen. Matthias Spenn und Simone Merkel beschreiben Dimensionen evangelischer Bildungsverantwortung und stellen konzeptionelle Zugänge und Praxisfelder der Gemeindepädagogik vor. Was müssen ehrenamtliche und berufliche gemeindepädagogische Mitarbeitende leisten? Schließlich nehmen die Autoren Entwicklungsperspektiven und Herausforderungen der gemeindepädagogischen Praxis in den Blick.
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Seitenzahl: 101
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Glauben lernen und lehren
Theologie für die Gemeinde
Im Auftrag der Ehrenamtsakademie der Ev.-luth. Landeskirche Sachsens herausgegeben von Heiko Franke und Wolfgang Ratzmann
Band V/2
Matthias Spenn/Simone Merkel
Glauben lernen und lehren
Eine kleine Gemeindepädagogik
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2014 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig
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Cover: Kai-Michael Gustmann, Leipzig
Coverfoto: © iStock_000019989349Large
Layout und Satz: Steffi Glauche, Leipzig
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
ISBN 978-3-374-03951-7
www.eva-leipzig.de
Cover
Titel
Impressum
1Einleitung
2Lernen und Lehren als Lebensäußerung und Aufgabe evangelischer Kirche
2.1Glaube verstehen und gestalten
2.2 Christliche Zugänge zum Thema Bildung
2.3 Bildung in der modernen Gesellschaft
2.4 Lebenslanges Lernen
3 Gemeindepädagogik
3.1 Hintergründe der Entstehung
3.2 Gemeindepädagogik konzeptionell
3.2.1 Gemeindepädagogik dimensional
Beispiel Kindergottesdienst
3.2.2 Gemeindepädagogische Handlungsfelder
3.2.3 Gemeindepädagogische Angebotsformen
Beispiel: Arbeit mit Kindern – Christenlehre
Beispiel: Jugendarbeit /Arbeit mit Jugendlichen
Beispiel: Evangelische Arbeit mit Erwachsenen
3.3 Gemeindepädagogische Bildungsbereiche
4 Gemeinde gemeindepädagogisch
4.1 Gemeinde theologisch
4.2 Sozialgestalt Gemeinde
4.3 Sozialstrukturen
4.4 Gemeindepädagogische Handlungsebenen
5 Didaktische und methodische Perspektiven
5.1 Gespräch
5.2 Mündliches Erzählen
5.3 Spiel
5.4 Gemeindepädagogische Räume
5.5 Gemeindepädagogische Zeiten
5.6 Übergänge
6 Mitarbeiterschaft – Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen
6.1 Biblische Zugänge und aktuelle Entwicklungen
6.2 Freiwilliges Engagement und Ehrenamt
6.2.1 Formen des Engagements
6.2.2 Engagement als Bildungsgelegenheit
6.3 Berufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
6.3.1 Berufsprofile im Wandel
6.3.2 Anforderungen an kirchliche Mitarbeiter
6.3.3 Merkmale gemeindepädagogischer beruflicher Tätigkeiten
6.3.4 Kompetenzen pädagogischer Mitarbeiter
6.3.5 Unterstützung und Begleitung
7 Perspektiven
Literaturhinweise
Editorial zur Reihe
Zu den Autoren
Weitere Bücher
Kann Glauben gelernt und gelehrt werden? Und wenn ja, wie? – So könnte die spontane Reaktion auf den Titel dieses Bandes lauten. Glauben ist doch etwas sehr Persönliches, etwas, das entweder da ist oder nicht. Ist das etwas zum Lernen???
Tatsächlich vermutet man im deutschen Sprachgebrauch ›Glauben‹ nicht gleich in einer Beziehung mit ›Lernen‹ oder ›Lehren‹. Glauben hat zunächst etwas mit Vertrauen zu tun. Glaube als Vertrauen trifft zunächst Menschen, richtet sich aber auch an Dinge oder Ereignisse als Zuversicht in die Tragfähigkeit unserer Beziehung, als Glaube an den Sieg einer Fußballmannschaft oder an eine Geschäftsidee … Kann man das lernen oder gar lehren?
Nun ist in dieser Buchreihe nicht von Glaube(n) in dieser allgemeinen Weise die Rede. Vielmehr geht es um Glaube im religiösen Sinn mit einem spezifischen Inhalt: Es geht um christlichen Glauben. Dabei ist jedoch zu bedenken: Nach biblischem Verständnis ist Glauben vom Menschen aus gar nicht möglich. Glaube ist nach christlichem Verständnis eine mir von Gott geschenkte Gabe, die sich zugleich aber auch in der konkreten Lebensführung zeigt. Die Art und Weise, wie Menschen ihr Leben gestalten, kann als Antwort auf das Geschenk des Glaubens verstanden werden.
Eine wichtige Funktion des Glaubens ist Orientierung: Er ist so etwas wie eine Kompassnadel in den vielen Möglichkeiten und Risiken und Chancen des Lebens. Der Glaube will und kann dabei helfen, über das Leben nachzudenken und Kriterien für Entscheidungen zu erhalten.
Die Inhalte, die mit dem christlichen Glauben zusammenhängen, sind allerdings vielfältig. Es ist hilfreich, darüber etwas zu wissen, um zu verstehen, was mit dem christlichen Glauben oder mit anderen Religionen gemeint ist. Erst recht betrifft das die Geschichten, Symbole, Rituale, die Musik und Bilder, Räume und Gebäude, bestimmte Zeiten, Feste und Feiern, die sich auf christliche Inhalte beziehen. Es gibt eine unüberschaubare Fülle an Liedern, Gebeten, Bildern, Skulpturen und Bauwerken. Die Hintergründe davon zu entdecken, sie zu verstehen und daraus Anregungen für das eigene Leben zu ziehen, sind wichtige Bildungsaufgaben.
Im Blick auf das Thema Glauben und Lernen bzw. Glaube und Bildung ist auch von elementarer Bedeutung, dass die christliche Religion eine Buchreligion ist: Die wichtigsten christlichen Aussagen und Grundlagen sind in Schriftform in einem Buch, der Bibel, festgehalten. Dieses Buch gilt es immer wieder neu zu lesen und seine Inhalte neu zu entschlüsseln. Das Lesen und der Umgang mit Schrift ist deshalb ein Grundanliegen der christlichen Kirchen und spielte auch immer wieder eine große Rolle im Zusammenhang kirchlicher Reformen. Christlicher Glaube und Bildung stehen also in einem nahezu untrennbaren Wechselverhältnis. Christliche Praxis setzt Bildung voraus, und Glaube setzt auch immer Bildungsprozesse in Gang.
In der gemeindepädagogischen Tradition seit den 1970er Jahren wird für das enge Wechselverhältnis von Glaube und Bildung der Begriff ›Kommunikation des Evangeliums‹ gebraucht. Er geht zurück auf den evangelischen Theologen Ernst Lange und ist so etwas wie die gemeindepädagogische Leitidee. ›Kommunikation‹ meint mehr als eine primär sprachliche oder rationale bzw. intellektuelle Weitergabe des Glaubens: Glaube äußert sich in verbaler und nonverbaler Kommunikation, in Wort, Tat und den vielfältigen Dimensionen des Lebens. Und in dieser Vielschichtigkeit werden seine Inhalte gelernt und gelehrt. Das wollen wir in dieser Veröffentlichung zumindest ansatzweise in mehreren inhaltlichen Zugängen entfalten:
Zuerst geht es um Lehren und Lernen als Aufgabe evangelischer Kirche: Was sagt die Bibel zu dem Menschen in Bezug auf Bildung und welches Bildungsverständnis haben wir als evangelische Kirche? Wie verhält sich ein evangelisches Bildungsverständnis zum allgemeinen pädagogischen Bildungsverständnis? Worin besteht der evangelische Bildungsauftrag und wie nehmen wir ihn wahr als Christinnen und Christen in Gemeinden, in Werken, Verbänden und Einrichtungen und in den Landeskirchen?
Im zweiten Kapitel geht es dann konkret um Gemeindepädagogik: Was meint Gemeindepädagogik, was ist ihr Anliegen, wo realisiert sich kirchliches Bildungshandeln in der gemeindepädagogischen Praxis?
Das dritte Kapitel nimmt gezielt die Gemeinde der Gemeindepädagogik in den Blick: die Frage nach den Sozialgestalten von Gemeinde, nach den Handlungsebenen, den Räumen und Zeiten als besonderen Dimensionen gemeindepädagogischen Handelns …
Im vierten Kapitel geht es um die gemeindepädagogischen Akteure: Ehrenamtliche und berufliche Mitarbeitende, aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen.
Abschließend werden einige Entwicklungsperspektiven formuliert.
Der Text ist so aufgebaut, dass die theoretischen Beschreibungen an verschiedenen Stellen unterbrochen werden durch Veranschaulichungen aus der Praxis. Es werden einzelne gemeindepädagogische Arbeitsfelder, Methoden und Handlungsweisen genauer vorgestellt. Diese Konkretionen sind exemplarisch und beanspruchen keinesfalls Vollständigkeit. Lesehinweise am Ende verweisen auf weiterführende Informationsquellen.
Im deutschen Sprachgebrauch verbindet man landläufig ›Glauben‹ nicht unbedingt mit ›Lernen‹ oder ›Lehren‹. »Ich glaube dir« meint so viel wie: »Ich vertraue dir«. Manchmal sagen wir das sogar wie im Trotz: »Ich glaube dir, obwohl die anderen dir nicht glauben!« Einen Schritt weiter geht es noch, wenn wir sagen: »Ich glaube an dich«. Das meint dann: Ich traue dir etwas zu, ich ermutige dich, du kannst es!
»Kann ich Vertrauen in Menschen, in die Liebe, an den eigenen Sieg, kann ich Zukunftsgewissheit lernen und lehren?«
Glaube trifft aber nicht nur Menschen, sondern richtet sich auch an Dinge, Ereignisse oder gar Prozesse: »Ich glaube an die Tragfähigkeit unserer Beziehung, ich glaube an die Weltraumfahrt, ich glaube an den Sieg eines Sportlers, ich glaube an die soziale Marktwirtschaft, ich glaube an den Kommunismus, ich glaube an meine Geschäftsidee, ich glaube an meine eigene Kraft, ich glaube ganz fest daran, dass ich wieder gesund werde …!« Da schwingt dann meist etwas Ungewisses und Nicht-Kalkulierbares, Visionäres mit. Kann ich das lernen oder gar lehren? Kann ich Vertrauen in Menschen, in die Liebe, an den eigenen Sieg, kann ich Zukunftsgewissheit oder Zutrauen zu technischen Errungenschaften lernen und lehren? Bringe ich das – Vertrauen oder eben auch das Gegenteil davon – nicht immer schon mit, aufgrund meiner Veranlagung, meiner Sozialisation, meiner Prägung, meines Naturells?
Natürlich ist in dieser Buchreihe nicht Glaube(n) in dieser allgemeinen Weise gemeint. Vielmehr geht es um Glaube im religiösen Sinn mit einem spezifischen Inhalt: Es geht um den christlichen Glauben, Glauben an Gott als Vater, Sohn und Heiligen Geist. Aber auch hier melden sich sogleich Fragen: Gibt es überhaupt den christlichen Glauben? Ist Glauben nicht etwas ganz Individuelles? Und heißt das nicht, dass die Art und Weise, wie ich das Christliche verstehe, meine ganz persönliche Sache ist? Und noch etwas stellt sich als Schwierigkeit heraus: Nach biblischem Verständnis kann ich nicht von mir aus glauben, denn der Geist Gottes schenkt mir den Glauben. So jedenfalls lesen wir es im Neuen Testament beim Apostel Paulus (1 Kor 13,13, Gal 5,22). Glaube ist nach dem Neuen Testament zuerst eine Gabe Gottes. Zugleich ist Glaube aber auch die eigene Antwort, die Antwort des Menschen auf diese Gabe.
»Die Art und Weise, wie Menschen ihr Leben gestalten, kann als Antwort auf das Geschenk des Glaubens verstanden werden.«
Und damit sind wir bei dem, was zu lehren und zu lernen ist. Glaube ist umgangssprachlich eine Art Haltung und Einstellung zum Leben oder zu bestimmten Herausforderungen, die wir ›geerbt‹ haben durch Prägung, Veranlagung und Sozialisation. Glaube ist nach christlichem Verständnis eine mir von Gott geschenkte Gabe. Glaube drückt sich zugleich in der konkreten Lebensführung eines Menschen aus. Die Art und Weise, wie Menschen ihr Leben gestalten, kann als Antwort auf das Geschenk des Glaubens verstanden werden. Und Glaube in der konkreten Lebensgestaltung bezieht sich auf Inhalte und Ausdrucksweisen des Glaubens in Form von Beten, Singen und Feiern, als praktische Arbeit für einen guten Zweck tätiger Nächstenliebe, als Entfaltung meiner Anlagen und Einbringen meiner Fähigkeiten und Fertigkeiten oder als Engagement für eine gute Sache der Versöhnung. Für all das braucht es Wissen, Können, Verstand und Vernunft.
Eine wichtige Funktion des Glaubens ist Orientierung: Menschen sind in ihrem Leben immer wieder herausgefordert, sich zu entscheiden: Zwischen Gut und Böse, zwischen Freund und Feind, zwischen Ja und Nein, Vorwärts oder Rückwärts. Wir haben ständig mit Weggabelungen oder Kreuzungen zu tun im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Vieles im Leben muss abgewogen werden, nur selten lässt es sich einfach einteilen in Richtig und Falsch. Dazu braucht es Wissen, den Austausch, Argumente … Der Glaube will und kann dabei helfen, über das Leben nachzudenken und Kriterien für Entscheidungen zu erhalten.
Die Inhalte, die mit dem christlichen Glauben zusammenhängen, sind vielfältig. Das hat zunächst damit zu tun, dass er historisch gewachsen ist und sich in immer wieder konkreten Situationen weiterentwickelte. ›Unser‹ Glaube hat Vorläufer im jüdischen Glauben. Zugleich sind in den Glauben Einflüsse verwoben aus antiker Philosophie, Politik und Umwelt. Bis heute spielen unterschiedliche religiöse und philosophische Vorstellungen und jeweils aktuelle Alltagskulturen ebenso hinein wie örtliche Traditionen und regionale Gegebenheiten. Es ist hilfreich, darüber etwas zu wissen, um zu verstehen, was mit dem christlichen Glauben oder mit anderen Religionen gemeint ist.
Erst recht betrifft das die vielen Geschichten, Symbole, Rituale, die Musik und Bilder, Räume und Gebäude, bestimmte Zeiten, Feste und Feiern, die sich auf christliche Inhalte beziehen. Ich kann das einfach mitmachen – aber noch interessanter wird es, wenn ich darüber etwas weiß und wenn ich dabei unterstützt werde, das mit anderen Menschen gemeinsam zu erleben. Menschen haben sich über viele Generationen bis heute Gedanken über das Leben gemacht und es in den Deutehorizont des christlichen Glaubens gestellt. Sie haben ihre Gedanken, Empfindungen und Überzeugungen festgehalten, darüber gestritten, vieles dazu aufgeschrieben, ihnen wichtig Scheinendes vereinbart, anderes ausgeschlossen. Es gibt eine unüberschaubare Fülle an Liedern, Gebeten, Bildern, Skulpturen und Bauwerken. Die Hintergründe davon zu entdecken, sie zu verstehen und daraus Anregungen für das eigene Leben zu ziehen, ist eine wichtige Bildungsaufgabe.
Und dabei können durchaus Spannungen entstehen zwischen dem, was die Kirche mit ihren Lehrmeinungen in offiziellen Glaubensverlautbarungen oder theologische Dogmatiken aussagt und dem, was ich selbst glaube und wie ich mein Leben gestalte. Diese Spannung müssen beide aushalten – Christinnen und Christen bzw. nach Glauben Suchende ebenso wie die Kirche und ihre ausgewiesenen Glaubensexperten. Am besten wäre, die Spannung würde zu einer gemeinsamen aufregenden Suche nach der Wahrheit führen. Aber auch dafür braucht es Bildung – Wissen, Argumente, Dialogfähigkeit …
Im Blick auf das Thema Glauben und Lernen bzw. Glaube und Bildung ist eine weitere Tatsache von Belang: Die christliche Religion ist – ebenso wie die jüdische und die muslimische – eine Buchreligion: Die wichtigsten christlichen Aussagen und Grundlagen sind in Schriftform in einem Buch, der Bibel, festgehalten. Dieses Buch gilt es immer wieder neu zu lesen und seine Inhalte neu zu entschlüsseln. Das ist schon deshalb nicht ganz einfach, weil es ein sehr altes Buch ist, das sogar aus einer Vielzahl von Büchern besteht. Das Lesen und der Umgang mit Schrift ist für Christinnen und Christen schon aus diesem Grund eine wesentliche Kulturtechnik. Und die Alphabetisierung, also das Lesen- und Schreibenkönnen, ist deshalb ein Grundanliegen der christlichen Kirchen und spielte auch immer wieder eine große Rolle im Zusammenhang kirchlicher Reformen. Nicht zuletzt legten die Reformatoren um Martin Luther in der Reformationszeit darauf besonderen Wert. Christlicher Glaube und Bildung stehen also in einem nahezu untrennbaren Wechselverhältnis. Christliche Praxis setzt Bildung voraus, und Glaube setzt auch immer Bildungsprozesse in Gang. Bildung ist für die Erschließung und das Verstehen des Glaubens wie auch seine Gestaltung eine wichtige Grundlage. Die Verkündigung des Evangeliums bewirkt, dass wir unser Leben und diese Welt in einem anderen Licht sehen und aktiv werden bei der Gestaltung eines gelingenden Miteinanders. Das Evangelium ermöglicht neue Perspektiven auf die Wirklichkeit und ermutigt, Verantwortung zu übernehmen und dadurch die Wirklichkeit mitzugestalten. Das Wissen um das Leben und das Bearbeiten elementarer Lebensfragen sind wesentliche Antworten auf den mir von Gott geschenkten Glauben.
»Bildung ist für die Erschließung und das Verstehen des Glaubens wie auch seine Gestaltung eine wichtige Grundlage.«
In der gemeindepädagogischen Tradition seit den 1970er Jahren wird für das enge Wechselverhältnis von Glaube und Bildung der Begriff ›Kommunikation des Evangeliums‹ gebraucht. Er geht zurück auf den evangelischen Theologen Ernst Lange und ist so etwas wie die gemeindepädagogische Leitidee. ›Kommunikation‹ meint mehr als eine primär sprachliche oder rationale bzw. intellektuelle Weitergabe des Glaubens: Glaube äußert sich in verbaler und nonverbaler Kommunikation, in Wort, Tat und den vielfältigen Dimensionen des Lebens. Der christliche Glaube ist nach dem Neuen Testament eine Gabe des Heiligen Geistes, die durch die Taufe zuteilwird. Zugleich ist der eigene Glaube eine Antwort auf das Geschenk des Glaubens. Glaube ist also etwas dem Menschen Unverfügbares sowie zugleich Ausdruck verantwortlichen Lebens vor Gott. Gott begegnet mir im Glauben und gibt mir darin etwas mit auf den Weg – Hoffnung, Sinn, Zweifel, Liebe, Versöhnung, Gaben und Fähigkeiten … Und dies steht immer in Beziehung zu meinem konkreten Leben. Dazu bedarf es des Verstehens, der Deutung und Umsetzung in Lebenspraxis. Glaube verlangt nach Übersetzung in die jeweils konkrete Lebensführung mit den eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten.
»Christen sind herausgefordert, vor sich und vor Gott, vor den Mitmenschen und auch öffentlich Auskunft geben zu können über die Motive und Inhalte ihres Glaubens.«
Christlicher Glaube äußert sich nicht im luftleeren Raum, sondern in vielfältigen Lebensbezügen und Kommunikationsformen. Und eine wichtige Kulturtechnik, um die Gabe des Glaubens für sich zu verstehen und adäquat zu antworten, ist das Lesen. Christen sind herausgefordert, vor sich und vor Gott, vor den Mitmenschen und auch öffentlich Auskunft geben zu können über die Motive und Inhalte ihres Glaubens. Für gläubige Christinnen und Christen spielt nicht zuletzt die Rechenschaft über das eigene Leben vor Gott eine wichtige Rolle. Dazu hilft mir wesentlich die Ausdrucksfähigkeit durch Sprache, die Reflexion von Erfahrungen, die Kraft des Arguments und der Widerrede, aber auch die Fähigkeit zum Umgang mit zeitgemäßen Medien usw. Dazu braucht es Persönlichkeitsbildung auch in Form von Lernen und Lehren.