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»Es war nicht meine Heimat, die mir all die Jahre gefehlt hat. DU warst es. Weil deine Umarmung der Ort ist, an dem ich zu Hause bin.« ~~~~~ Erfolgreicher Architekt, schicke Wohnung, großer Freundeskreis – obwohl Asher sein Leben in Vancouver eigentlich liebt, kommt er dort immer weniger zur Ruhe. Daher entscheidet er sich zu einem ›Erholungsurlaub‹ in seiner Heimat Glen Haven. Dort läuft er einem alten Schulfreund über den Weg: Maverick, mit dem er vor Jahren seinen allerersten Kuss geteilt hat, und der ihn mit all den Tattoos auf seinem starken Körper auf besondere Weise reizt. Die beiden verbindet sofort wieder eine gewisse Sympathie … und Anziehung. Kurz entschlossen verbringen sie ein Wochenende miteinander und beginnen eine Affäre. Bis Maverick die entscheidende Frage stellt: »Was willst du eigentlich wirklich, Ash?« Um das herauszufinden, lässt Asher sich auf Mavericks verrückte Idee ein: Für ein langes Wochenende tauschen die beiden ihre Wohnungen, ihren Freundeskreis, ihre Alltagsroutinen. In Montreal lernt Asher Mavericks Leben kennen – und blickt damit tiefer in dessen Seelenleben und in das eigene, als er es vorausgesehen hatte. Glen Haven, Vancouver, Montreal – welcher Ort schürt Ashers Sehnsucht am meisten? Oder hat er das Zuhause, an dem er am liebsten sein möchte, vielleicht längst bei Maverick gefunden? ~~~~~ Die Glen-Haven-Reihe entführt dich in eine heimelige Kleinstadt im Herzen Kanadas und lässt dich in drei unterschiedliche Friends-to-lovers-Geschichten eintauchen. Dabei sind alle Bände in sich abgeschlossen und unabhängig voneinander lesbar. »Use me for your pleasure« ist ein Roman über späte ›first times‹ und unerwartete ›second chances‹. Dich erwarten zwei Männer, die im Matsch toben, prickelnde Dinge mit Ahornsirup anstellen und sich miteinander neu entdecken. Erlebe mit Asher & Maverick romantische Tretbootfahrten, raue Begierde, sternklare Nächte und die besten Bagels der Stadt. ~~~~~ Die Glen Haven Reihe: Band 1: Glen Haven - Use me for your love - Kyle & Jace (auch als Hörbuch) Band 2: Glen Haven - Use me for your desire - Nathan & Cory Band 3: Glen Haven - Use me for your pleasure - Asher & Maverick
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Copyright © 2023 Svea Lundberg
Julia Fränkle-Cholewa
Zwerchweg 54
75305 Neuenbürg
www.svealundberg.net
Covergestaltung:
Constanze Kramer – coverboutique.de
Bildnachweise:
©f11photo, ©FuturisticFinds – stock.adobe.com
©Just dance – shutterstock.com
Buchsatz:
Annette Juretzki – annette-juretzki.de
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Alle Rechte sind vorbehalten.
Die in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Der Inhalt des Romans sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.
»Es war nicht meine Heimat, die mir all die Jahre gefehlt hat. DU warst es. Weil deine Umarmung der Ort ist, an dem ich zu Hause bin.«
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Erfolgreicher Architekt, schicke Wohnung, großer Freundeskreis – obwohl Asher sein Leben in Vancouver eigentlich liebt, kommt er dort immer weniger zur Ruhe. Daher entscheidet er sich zu einem ›Erholungsurlaub‹ in seiner Heimat Glen Haven. Dort läuft er einem alten Schulfreund über den Weg: Maverick, mit dem er vor Jahren seinen allerersten Kuss geteilt hat, und der ihn mit all den Tattoos auf seinem starken Körper auf besondere Weise reizt.
Die beiden verbindet sofort wieder eine gewisse Sympathie … und Anziehung. Kurz entschlossen verbringen sie ein Wochenende miteinander und beginnen eine Affäre. Bis Maverick die entscheidende Frage stellt: »Was willst du eigentlich wirklich, Ash?«
Um das herauszufinden, lässt Asher sich auf Mavericks verrückte Idee ein: Für ein langes Wochenende tauschen die beiden ihre Wohnungen, ihren Freundeskreis, ihre Alltagsroutinen. In Montreal lernt Asher Mavericks Leben kennen – und blickt damit tiefer in dessen Seelenleben und in das eigene, als er es vorausgesehen hatte.
Glen Haven, Vancouver, Montreal – welcher Ort schürt Ashers Sehnsucht am meisten? Oder hat er das Zuhause, an dem er am liebsten sein möchte, vielleicht längst bei Maverick gefunden?
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Die Glen-Haven-Reihe entführt dich in eine heimelige Kleinstadt im Herzen Kanadas und lässt dich in drei unterschiedliche Friends-to-lovers-Geschichten eintauchen. Dabei sind alle Bände in sich abgeschlossen und unabhängig voneinander lesbar.
»Use me for your pleasure« ist ein Roman über späte ›first times‹ und unerwartete ›second chances‹. Dich erwarten zwei Männer, die im Matsch toben, prickelnde Dinge mit Ahornsirup anstellen und sich miteinander neu entdecken. Erlebe mit Asher & Maverick wild-romantische Kanufahrten, raue Begierde und die besten Bagels der Stadt.
MAVERICK
Frühsommer 2023
Es war merkwürdig, nach all der Zeit wieder in Glen Haven zu sein. Merkwürdig, aber schön. Die Straßen, die wenigen, meist von Bäumen gesäumten Häuser, die Sicht auf die St. Margarets Bay – der Anblick war ihm vertraut. Als habe sich in dem beschaulichen Küstenort seit seinem Weggang kaum etwas verändert. Selbst der Geruch nach Sommerwald und Meer, der ihm in die Nase zog, als er das Seitenfenster des Taxis ein Stück weit hinunter fuhr, fühlte sich an, als sei Maverick nicht lange von hier fort gewesen. Dabei waren es Jahre!
Das letzte Mal, als er hier gewesen war, hatte er das Haus seiner Großeltern ausgeräumt. Inzwischen war es längst verkauft und er hatte auch nicht vor, die Eigentümer zu behelligen. Er wollte lediglich einen Blick darauf werfen und vielleicht ein kleines bisschen in Nostalgie schwelgen.
»Du kannst mich da vorne an der Kreuzung rauslassen.«
Der Taxifahrer warf ihm über den Rückspiegel einen fragenden Blick zu, den er lediglich mit einem Nicken bestätigte. Bis zum ehemaligen Haus seiner Großeltern waren es nur noch wenige hundert Meter und er hatte nicht viel Gepäck dabei. Den Ausflug in seine frühere Heimat wollte er in erster Linie mit Wandern, Schwimmen und vielleicht dem einen oder anderen Ausflug in die nahegelegenen Küstenorte verbringen. Vielleicht einmal abends ausgehen in Halifax, das war’s. Dafür bauchte er nicht viel.
Eine Sache hatte sich verändert: Die Taxifahrt vom Flughafen in Halifax raus nach Glen Haven war teurer geworden. Und das lag definitiv nicht daran, dass der Fahrer versucht hatte, ihn über den sinnbildlichen Tisch zu ziehen.
Mit einem innerlichen Kopfschütteln steckte Maverick den Geldbeutel zurück in seine Gesäßtasche und stieg aus dem Taxi. Aus dem Kofferraum holte er seinen großen Trekkingrucksack und schulterte diesen. Während er in gemächlichen Schritten den schmalen Bürgersteig entlang ging, tippte er zunächst an seinen Dad und dann an Audrey eine Nachricht, dass er gut angekommen war. Dabei verkniff er es sich, zu fragen, ob im Black ’n Bold alles in Ordnung war. Er wusste, dass Audrey das Tattoostudio auch ohne ihn bestens am Laufen hielt.
Weder sie noch sein Dad meldeten sich sogleich zurück. Maverick schaltete sein Smartphone auf lautlos. Er hatte nicht vor, in den kommenden Tagen stets sofort erreichbar zu sein. Er hatte vor, einfach die Ruhe und Heimeligkeit von Glen Haven zu genießen.
~~~~~
Sie hatten die Fensterläden in Rosa lackiert. In – Rosa!
Kopfschüttelnd ließ Maverick den Blick weiter über die von Efeu überwucherte Fassade des alten Häuschens wandern. Nach außen hin war es noch gut in Schuss. Schien ganz so, als pflegten die inzwischen gar nicht mehr so neuen Eigentümer es sorgsam – auch wenn ihr Farbgeschmack mehr als fragwürdig war. Das tat ja in den Augen weh.
Ein schiefes Grinsen auf den Lippen wandte Maverick sich ab und setzte sich in Bewegung, um nicht wie ein Creep vor dem Haus zu stehen. Er hatte herkommen und einen Blick auf sein ehemaliges Zuhause werfen wollen, mehr nicht. Die Hände um die Schultergurte des Rucksacks geschlossen schlenderte er am Gartenzaun entlang. Den schmalen Fußweg, der vom Bürgersteig abzweigte und nur einen Meter neben dem Grundstück bis zu einem Waldwanderweg führte, gab es noch. Diesem Pfad folgte er. Ein flüchtiger Blick in den Garten hinter dem Haus zeigte, dass der kleine Teich, den sein Grandpa einst angelegt hatte, vergrößert worden war. Fische konnte er darin über den Zaun hinweg jedoch keine erkennen.
Hinter einem der großen, zum Garten hinaus weisenden Fenster bewegte sich der Vorhang. Maverick wandte sich endgültig ab und beeilte sich, von dem schmalen Trampelpfad auf den eigentlichen Weg zu kommen, der quer durch das Waldstück hinter dem Haus dorthin führte.
Zu Mavericks Freude schien auch in dem Wäldchen noch alles zu sein wie vor Jahren. Sein Herz nahm einen zusätzlichen Takt auf und trommelte zufrieden in seiner Brust, als er den Hochsitz erspähte. Es war nicht mehr derselbe wie damals. Er erschien massiver und es war eindeutig frischeres Holz verwendet worden. Aber er stand noch an derselben Stelle, halb verborgen zwischen den dicht stehenden Bäumen, mit Blick auf die kleine Lichtung.
Langsam trat Maverick näher, streckte eine Hand aus, strich mit den Fingerkuppen über einen der Holztritte und musste dabei unweigerlich lächeln. Früher hätte er sich dabei sicherlich einen Spreißel eingefangen. Nun war das Holz abgeschliffen und lasiert. In der friedlichen Stille des Waldstücks hörte er sein Herz trommeln. Unmöglich zu zählen, wie oft er sich in seiner Jugend hierhin zurückgezogen hatte. Wenn das Brüllen von Wut und Schmerz in seiner Brust zu laut geworden war und er nur zwei Wege gekannt hatte, damit umzugehen: Rückzug oder den Gebrauch seiner Fäuste.
Nun war es ganz still in ihm – mal abgesehen eben von seinem Herzklopfen. Er hatte in den letzten Jahren zur Ruhe gefunden. Zu sich selbst gewissermaßen. Und wieder hier zu sein, an diesem Platz, mit dem er so viele Erinnerungen verband, war einfach schön.
Kurz entschlossen packte Maverick die Senkrechtstreben der Leiter und setzte den Fuß auf eine der Trittsprossen. Schritt für Schritt kletterte er hinauf auf den Hochsitz. Er realisierte erst, als er sich durch die schmale Klappe oben auf die Plattform quetschte, dass er seinen Rucksack vielleicht besser unten hätte lassen sollen. Tja, zu spät.
Unweigerlich huschte sein Blick umher – als hätte er erwartet, jemanden auf dem Hochsitz anzutreffen.
Schnaufend hievte er sein Gepäck von seinem Rücken und lehnte es gegen die Holzplanken. Er ließ sich selbst auf der schmalen Sitzbank nieder und den Blick über die Lichtung und zwischen den Bäumen hindurch schweifen. Kein Tier war zu sehen, aber Rascheln im Unterholz und die Geräusche verschiedener Vögel drangen an seine Ohren. Intensiver noch, als er die Augen schloss und seine Umgebung mit seinen anderen Sinnen in sich aufsaugte. Unweigerlich drifteten seine Gedanken um Jahre zurück. Die Erinnerungen so klar, als sei all das gestern erst passiert. Zorn und Enttäuschung drückend in seinem Magen und darunter … ein wohliges Kribbeln.
~~~~~
Sommer 2011
Grob kickte Maverick den Ast beiseite, der quer über dem Weg lag. Es verschaffte ihm jedoch – anders als der Fausthieb vorhin in Tonys Gesicht – keinerlei Genugtuung. Allerdings bekam er hierfür auch keinen Anschiss vom Schuldirektor.
Mit geballten Fäusten stapfte Maverick weiter auf den Hochsitz zu. Seinen Schulrucksack hatte er noch auf dem Rücken. Er hatte nur ein kurzes: »Hallo, bin ’ne Runde draußen«, in den Hausflur gerufen und die Tür wieder zugezogen – nicht zugeknallt –, ehe seine Grandma zu einer Entgegnung ansetzen konnte. Nicht die feinste Art, das war ihm klar, aber er wusste auch, dass seine Großeltern ihm keinen Vorwurf machen würden, solange er wenigstens kurz Bescheid gab. Sie wussten, dass er sich eher in den Wald flüchtete, wenn die Emotionen in ihm zu hoch kochten, als dass er darüber reden und wirklich damit umgehen konnte.
Auch jetzt brodelte noch der Zorn in ihm, ballte sich ein Klumpen bitterer Enttäuschung in seinem Magen zusammen. Auch wenn er gerade gar nicht so genau wusste, was ihm mehr zusetzte: die Beleidigungen von Tony und seinen Kumpels oder die Reaktion des Schuldirektors auf seine non-verbale Entgegnung.
»Bist du mal auf die Idee gekommen, dass deine Mum sich vielleicht nur deshalb umgebracht hat, weil sie sich für ihren Schwuchtel-Sohn geschämt hat?«
Tony hatte die Faust in seiner Fresse so was von verdient!
Der Schuldirektor sah das anders.
»Gewalt ist keine Lösung und ich dulde sie an meiner Schule nicht.«
In einem winzig kleinen Eckchen seines Gehirns war Maverick durchaus klar, dass dem Scheißkerl eine reinzuhauen, keine adäquate Reaktion war, aber … Jesus … ihm zu sagen, er solle die ›Hänseleien‹ doch einfach ignorieren, wohl auch nicht!
Mit der flachen Hand hieb Maverick einmal gegen die Sprossenleiter, die zum Hochsitz hinaufführte, und fluchte leise. Er beherrschte sich gerade noch, nicht auch mit dem Fuß dagegen zu treten. In Chucks würde er das bitter bereuen. Der einzelne Hieb und sein nur halb unterdrücktes: »Scheiß blöder Wichser!«, reichten allerdings aus, damit jemand den Kopf oben über den Rand der Plattform reckte.
Schmales, symmetrisches Gesicht, rötlich blonde halblange Haare – das war doch …
»Was machst du hier?«, stieß er hervor, im nahezu selben Moment, in dem der Junge von oben herunter raunzte: »Was soll denn das?«
Maverick zog die Stirn in Falten, spähte zu ihm nach oben. Er wohnte in der Nachbarschaft und war, wenn Maverick sich nicht täuschte, eine Klasse unter ihm.
»Das ist mein Hochsitz«, behauptete er und fing an, die Stufen nach oben zu klettern.
»Ach ja?« Auf Knien am Rand der Plattform kauernd verschränkte der Nachbarsjunge die Arme vor der Brust und reckte sogar das Kinn. »Hab kein Klingelschild gesehen.«
Witzbold! Maverick schnaubte. »Mach mal Platz.« Er war nicht wirklich verwundert darüber, dass der Kerl es sofort tat – und irgendwie doch.
Maverick quetschte sich an ihm vorbei, zog den Rucksack ab und ließ sich gemeinsam mit diesem auf die Holzplanken fallen. Nicht auf die einzelne schmale Sitzbank. Er saß lieber auf dem Boden, den Rücken gegen die Seitenwände des Hochsitzes gelehnt und wippte leicht mit einem Fuß hin und her.
Aus seinem Rucksack kramte er seine Trinkflasche hervor. Der Nachbarsjunge beobachtete ihn. Ein wenig argwöhnisch, wie ihm schien, aber nicht abweisend oder gar so, als hätte er Schiss vor ihm. Das war auch überhaupt nicht Mavericks Ziel. Er wollte niemandem eine reinhauen. Er wollte nur eben auch nicht, dass Tony ihn immer wieder durch seine miesen Sprüche daran erinnerte, was mit seiner Mum passiert war. Oder dass er ihm seit Neustem vorhielt, dass er –
»Du wohnst in dem Haus mit dem ganzen Efeu draußen an der Wand, oder? Bei deinen … Großeltern?«
Abrupt sah Maverick auf, nickte wie aus Reflex. »Ja«, schob er erst zeitverzögert hinterher.
»Ja zu beidem?«
Wieder nickte er.
»Und du heißt Maverick, richtig?«
»Ja.«
»Und bist nicht so super gesprächig.«
Die Art, wie der Kerl das sagte – so ganz ohne Vorwurf, stattdessen mit einem kleinen Schmunzeln – brachte Maverick tatsächlich zum Lachen. »Ich bin einfach immer noch schockiert darüber, dass du die Klingel übersehen hast.«
Der Junge stimmte in sein Lachen ein, kurz jedoch nur. »Sorry, ich wusste echt nicht, dass das hier dein Platz ist. Hab den Hochsitz vor ein paar Tagen entdeckt und wollte ihn mal auschecken.«
»Und?«, hakte Maverick nach und nahm einen großen Schluck von seiner Saftschorle. Grapefruit – bah! Er musste Grandma unbedingt sagen, dass er morgen lieber wieder Maracuja- oder Mango-Schorle wollte. Oder sich sein Trinken und sein Pausenvesper einfach selbst richten. Wenn er nur morgens früher aus den Federn kommen würde …
»Cool«, meinte der Junge. »Ich würd ja ab sofort öfter herkommen, aber das Klingelschild, du weißt schon …«
Maverick verdrehte die Augen. Auf seltsame Weise gefiel ihm die Vorstellung, der Kerl könnte noch öfter gemeinsam mit ihm hier sein. Allerdings … »Wie heißt du überhaupt?«
»Oh! Äh … Asher.«
»Äh-Asher?«
Wenn Blicke töten könnten, wäre Maverick soeben tot zur Seite gekippt. »Sorry«, lenkte er ein. »Hi, Asher.«
Der allerdings zog noch immer eine missmutige Schnute. »Ash«, sagte er, »einfach Ash.«
»Okay, Ash. Wenn du willst, kannst du öfter mal vorbeikommen. Auch ohne zu klingeln.«
Augenblicklich hellte sich Ashs Miene auf. Erst jetzt fiel Maverick anhand des Funkelns in seinen Augen auf, wie hell diese eigentlich waren. Irgendetwas zwischen Blau und Grün, weder blass noch stechend, einfach … besondere Augen eben. Überhaupt war Ash ein hübscher Kerl und er wirkte gar nicht so viel jünger, als Maverick selbst es war.
»Du bist in der Elften, oder?«
»Ja.«
Also wie vermutet eine Klasse unter Maverick und damit sicherlich bereits sechzehn. Das war okay, um miteinander abzuhängen. Gefühlt hatte Maverick in seinem Leben einfach schon zu viel durch, als dass er sich mit dem Kram von noch halben Kindern herumschlagen wollte. Überhaupt hatte er die Schnauze voll von Schlägen. Er wollte nur, dass Tony und seine Kumpels ihn in Ruhe ließen – und dass der Schulleiter sie nicht noch gewissermaßen in Schutz nahm, verdammt!
»Wow«, Ashs Stimme drang an seine Ohren, »woran denkst du, dass du so grimmig aussiehst?«
Maverick entkam ein rauer Laut. »An Tony Tremblay und seine Bande Vollpfosten.«
»Ah.« Ash verzog den Mund. »Tremblay ist ein Arsch. Habt ihr euch wieder geprügelt?«
Maverick zog die Brauen hoch. »Du weißt davon?«
»Jeder an der Schule weiß davon.« Ash zog im Sitzen die Knie zu sich heran, schlang die Arme darum. »Ist mies, was er immer über deine Mum sagt«, murmelte er.
Ein jäher Stich fuhr durch Mavericks Brust und tiefer, nistete sich als drückender Schmerz in seinem Bauchraum ein. Es war mies – und zumindest in Teilen die Wahrheit.
»Sorry«, nuschelte Ash, »ich wollte nicht … Darf ich dich was fragen? Nicht nach deiner Mum, sondern … Ach, vergiss es.«
Trotz des drückenden Klumpens in seinem Magen musste Maverick bei Ashs Gestammel grinsen. »Was?«
»Nichts.«
»Jetzt frag schon!«
Er meinte, zu sehen, wie Ash für einen langen Moment den Atem anhielt. Dann platzte es regelrecht aus ihm heraus: »Stimmt es, was Tony in der Schule rumerzählt? Also, dass du …«, Ash stockte, flüsterte dann fast nur noch: »Dass du schwul bist?«
Eine Schwuchtel, für die seine Mum sich so geschämt hatte, dass sie … Mit schierer Gewalt drängte Maverick die Gedanken beiseite. Das war nicht, weshalb seine Mum sich die Überdosis gesetzt hatte.
Ihr Tod war Jahre her und verdammt noch mal nicht seine Schuld! Dennoch brannte etwas in ihm wie Feuer.
»Mav– … ’tschuldige, ich …«
»Nein, schon gut.« Energisch straffte er sich, sah Ash direkt an. Scheiße, er hatte echt krass interessante Augen! »Ja!« Mavericks Stimme klang in seinen eigenen Ohren überraschend ruhig. »Ja, bin ich.«
Es dauerte einige Sekunden, doch dann ziepte ein Lächeln an Ashs Lippen.
ASHER
Frühsommer 2023
»Du machst mich fertig«, verkündete Lucy mit einem stoßgebetsartigen Seufzen gen Himmel, »deinetwegen bekomm ich noch vor meinem Dreißigsten graue Haare.«
Durchaus mit Mitgefühl, aber auch mit einem schrägen Grinsen auf den Lippen, schüttelte Asher den Kopf. »Ah, nicht ich mache dich fertig. Ich überbringe nur die Wünsche meiner Kunden.«
»Die du«, Lucy bohrte ihm einen Finger in die Brust, »als theoretisch machbar abgesegnet hast.«
»Und praktisch?« Asher warf einen demonstrativen Blick auf die Betonwand, die vor ihnen aufragte.
»Auch«, grummelte Lucy genau die Antwort, die er hatte hören wollen – und ehrlicherweise auch erwartet hatte. Er machte seinen Job als Architekt schließlich nicht erst seit gestern. Genauso wie das hier nicht die erste Baustelle war, die Lucy leitete. Sie wussten beide, dass es möglich war, aus dieser Wand, die ehemals als tragende gedacht gewesen war, einen offen gestalteten Durchgang zu machen.
»Gut«, verkündete er demnach nur und schenkte seiner besten Freundin ein Schmunzeln. »Übrigens«, er griff nach ihrem Bauhelm, lüpfte ihn leicht an, »kein einziges graues Haar zu sehen.« Und ihr dreißigster Geburtstag war nur noch wenige Monate hin. Seine – zugegebenermaßen anspruchsvollen – Kunden konnten also getrost noch den einen oder anderen nachträglichen Sonderwunsch einbringen. Sie bezahlten schließlich gutes Geld dafür.
Lucy schnaufte. »Wart’s ab … Ernsthaft, Ash, ich gehe davon aus, du hast ihnen erklärt, dass wir dann hier«, sie deutete auf besagte Wand, der bereits einen Tag, nachdem sie hochgezogen worden war, wieder der Abriss bevorstand, »einen Stahlträger einziehen müssen.«
Asher nickte pflichtbewusst. »Hab ich.«
»Also gut, dann –« Das Klingeln von Lucys Telefon unterbrach sie. Wobei daran lediglich verwunderlich war, dass es erst jetzt klingelte. Als Bauleiterin wurde sie ständig angerufen, weil irgendwo irgendetwas hakte.
Sie bedeutete Asher mit einem Handzeichen, dass er kurz warten sollte und er wiederum gestikulierte zurück, dass er das in seinem Auto machen würde. Rein theoretisch hatten er und Lucy verabredet, die Mittagspause gemeinsam zu verbringen. Mal sehen, ob sie sich die Zeit wirklich freihalten konnte.
Während Lucy mit Telefon am Ohr hinter der noch stehenden Betonwand verschwand, wandte Asher sich in die andere Richtung. Na wenigstens waren seinen Kunden die Änderungswünsche eingefallen, ehe das Dach auf den Rohbau kam.
Angesichts der Frühsommersonne, die an diesem Tag schon recht kräftig vom Himmel über Vancouver strahlte, wartete Asher dann doch vor, statt in seinem Auto. Dieses hatte er ohnehin nur dabei, weil er am Morgen einen Termin weiter außerhalb gehabt hatte. Nicht selten war er, wenn das Wetter mitspielte, mit dem Fahrrad unterwegs.
Er reckte sich durch das offenstehende Seitenfenster hinein, um seinen Bauhelm abzulegen und seinen To-go-Kaffeebecher herauszunehmen. Eiskaffee in diesem Fall. Während er an dem glücklicherweise noch recht kalten Getränk nippte und sich einmal über die zu einem Manbun gebundenen Haare strich, ließ er seinen Blick über den Rohbau wandern. Und vielleicht auch kurz über ein paar der Bauarbeiter, die – selbstverständlich alle oben ohne – doch ein ganz nettes Bild abgaben. Ganz automatisch suchte er mit den Augen nach Leon. Er erinnerte sich noch bestens an ihr ziemlich spontanes und zugegebenermaßen ziemlich prekäres, kurzes Stelldichein vor einigen Wochen. Auf einer anderen Baustelle allerdings.
Ein feines Kribbeln zog durch ihn bei der Erinnerung daran, wie Leon in dem Raum, der später einmal die Küche werden sollte, vor ihm auf die Knie gegangen war und ihm einen geblasen hatte. Während seine Bauarbeiterkollegen draußen vor dem Rohbau herumstanden und ihr Mittagspäuschen abhielten.
Grinsend lehnte Asher sich mit dem Hintern gegen die Motorhaube seines Honda ZR-V. Er konnte Leon nirgends entdecken und so nötig, ihn zu suchen, hatte er es gewiss auch nicht. Überhaupt war dieses Stelldichein zwar eine verdammt heiße Sache gewesen, aber nichts, was Asher nachdrücklich berührt hätte. Boyfriendmaterial war gar nicht so leicht zu finden – er hatte ein Talent, sich immer in die Falschen zu verlieben – und er auch nicht auf der Suche. Nicht wirklich zumindest. Asher wollte nicht zwingend einen Partner, er wollte nur … was auch immer.
Er nahm einen weiteren Schluck Eiskaffee, spülte mit diesem die Gedanken fort und fischte sein Smartphone aus der Tasche seiner Jeans. Keine neuen Nachrichten – und noch keine Spur von Lucy. Mehr aus Langeweile als aus echtem Interesse öffnete er Instagram und begann, sich gedankenlos durch die Stories zu klicken.
Seine Cousine befand sich anscheinend gerade mit zwei Freundinnen in Miami. Ein Architektenkollege hatte einen Boomerang von der Gassirunde mit seinem Hund gepostet. Ein Influencer, dem Asher wegen seiner lustigen Live-Hack-Videos folgte, verwies auf sein neuestes Reel und Jace und Kyle hatten sich anscheinend verl–
Fuck! Was?
Prompt verschluckte Asher sich an seinem Eiskaffee. Er prustete, schluckte, hustete und schaffte es immerhin, den Kaffee nicht auszuspucken oder zu sabbern. Nach Luft schnappend starrte er auf sein Smartphone und klickte die Story, die bereits weitergesprungen war, noch einmal zurück. Stierte darauf. Tippte noch einmal und starrte weiter.
Holy – fucking – shit! Das Bild, das Jace in seiner Story gepostet hatte, war ebenso schön wie eindeutig: Er und Kyle standen, beide in unverkennbarem Fallschirmspringer-Outfit, hintereinander und hielten sich eng umschlungen. Kyle grinste in die Kamera, während Jace ihm über die Schulter hinweg einen Kuss auf die Wange drückte. Die Augen der beiden sprühten regelrechte Glücksfunken durchs Display und quer über das Foto verlief der Schriftzug: Er hat gefragt und ich hab JA!!! gesagt … <3 <3 <3
Das war … wow. Das war … schön. Für Jace und Kyle. Und für Asher war es … auch schön. Irgendwie. Er gönnte den beiden ihr Glück. Gönnte es Jace. Er hatte immer irgendwie gespürt, dass Jace nicht so unnahbar war, wie er in ihrer Kurzzeitbeziehung erschienen war. Dass er sehr wohl Wärme zu geben vermochte – nur eben nicht ihm, Asher, sondern dem Mann, dem sein Herz wirklich gehörte: Kyle. Dass sich die beiden nun, nur rund sieben oder acht Monate, nachdem sie ein Paar geworden waren, verlobt hatten, war wirklich schön. Es war nur …
»Ash, hey!«
Er schreckte regelrecht von der Betrachtung des Smartphonedisplays hoch. Lucy stand vor ihm, ohne Bauhelm, dafür mit fragender Miene. Ganz offensichtlich hatte sie ihn bereits mehr als einmal angequatscht.
Rasch stieß er sich von der Motorhaube ab. »Können wir?«
Er spürte Lucys Blick noch auf sich ruhen, doch dann entgegnete sie schlicht: »Klar«, und ging um seinen Wagen herum, um auf der Beifahrerseite einzusteigen.
Asher warf sein Smartphone in die Mittelkonsole, startete den Motor. »Poké Bowl, Sandwich, Noodle-Box – worauf hast du Lust?«
»Cactus?«, schlug Lucy vor. »Ich hab nachher ohnehin noch eine Besprechung in der Firmenzentrale.« Und Asher würde nach der Mittagspause zurück in sein Büro fahren. Von daher bot es sich tatsächlich an, den Weg über das Strandcafé in West End zu fahren.
»Okay.«
Von der Seite grinste Lucy ihm nahezu triumphierend zu. »Ich schalte sogar für die Zeit, in der wir essen, mein Telefon aus.«
»Ist nicht wahr!«
»Doch!«
Beide lachten und Lucy drehte das Radio eine Stufe lauter, während Asher den Honda vom Stadtrand von West Vancouver über die Lions Gate Bridge nach West End lenkte.
Nur wenige Minuten später ergatterten sie nicht nur einen Parkplatz nahe des Cactus Club Cafés, sondern auch einen Sitzplatz mit Blick über den English Bay Beach und aufs Wasser. Aufgrund der vielen Leute, die sich um die Mittagszeit hier tummelten, nicht unbedingt der ruhigste, aber doch ein schöner Platz für eine Pause.
Klirrend stießen Asher und Lucy mit Rhabarber-Limonade an. Während Asher an dem kalten Getränk nippte, lag sein Blick gedankenverloren auf dem grünlich blauen Wasser, das hier in der English Bay in gleichmäßigen Bewegungen über den Sand schwappte. Ein Anblick, der eigentlich beruhigend sein sollte und es gewissermaßen auch war, nur irgendwie … erwischte Asher sich selbst dabei, wie er mit dem kleinen Finger einen raschen Takt gegen das Limoglas tippte. Er stoppte die nahezu nervös wirkende Bewegung. Das änderte jedoch nichts daran, dass Lucy sie augenscheinlich ebenfalls wahrgenommen hatte. Sie hatte aber auch eine verdammt gute Beobachtungsgabe – und Menschenkenntnis. Oder zumindest ›Asher-Kenntnis‹.
Sie öffnete bereits den Mund, doch er kam ihr zuvor und platzte heraus: »Jace ist verlobt.« Das klang falsch in seinen Ohren. So, als ginge es ihm noch immer um Jace. Das war jedoch nicht der Punkt. »Er und Kyle haben sich verlobt«, schob er demnach korrigierend hinterher, was angesichts von Lucys Gesichtsausdruck allerdings keinen großen Unterschied zu machen schien.
»Das ging schnell«, stellte sie das Offensichtliche fest, »aber das ist nicht, was dich stört, oder?«
»Mich stört gar nichts daran. Jace und Kyle – das ist es einfach.« Ihre Liebe war … allumfassend. Gott, natürlich hatte es Asher wehgetan, zu realisieren, dass Jaces Herz nie ihm, sondern Kyle gehört hatte. Aber das war über ein halbes Jahr her. Es ging hier nicht um Jace, sondern …
»Das ist, was du auch gern hättest.« Obwohl – oder gerade weil – Lucy es nicht wirklich als Frage formulierte, fühlte Asher sich bemüßigt, zu antworten: »Nein. Darum geht’s nicht.« Oder doch?
Lucy blinzelte ihm über ihr Limoglas hinweg zu, nahm einen weiteren Schluck. »Dir fehlt kein Partner?«
»Man kann auch als Single glücklich sein.«
»Stimmt.« Sie nickte eifrig. »Ich war glücklich als Single. Trotzdem ist manches mit Ava einfach noch ein bisschen besser.« Kurz sah es aus, als wollte sie noch einmal trinken, doch dann stellte sie ihr Glas in einer entschlossenen Bewegung ab. »Ash … was ist los, hmm?«
Tja, wenn er das mal wüsste … Seufzend lehnte er sich in dem Clubsessel zurück, nahm einen tiefen Atemzug. In dem frischen Lüftchen, das an der English Bay wehte, hing der Duft von asiatisch angehauchten Gewürzen und frisch gebratenem Fisch. Ashers Magen knurrte. Darunter allerdings lag diese minimale, mehr zu erahnende als wirklich spürbare Getriebenheit, die ihn schon seit Wochen oder sogar Monaten begleitete.
»Mir fehlt …«, setzte er an und unterbrach sich doch selbst. Allein schon, weil es ihn selbst überraschte, zugegeben zu haben, dass er sich nach etwas sehnte. »Vielleicht«, begann er erneut, »ist es gar keine Person, die ich vermisse. Oder es sind mehrere.«
Prompt wanderten Lucys Brauen in die Höhe, bis fast unter ihren dunkelbraunen Pony. »Vernehme ich da polyamourö–«
»Nein.« Ein leises Lachen entwich ihm. »Ich rede von meiner Familie. Von zu Hause?« Dass er es selbst als Frage formulierte, trug wohl seinen Teil dazu bei, dass seine beste Freundin nur noch irritierter dreinschaute. Und ein wenig besorgt, wie ihm schien.
»Denkst du etwa drüber nach, doch wieder nach Nova Scotia zurückzugehen?«
Asher wollte das ›Nein‹ bereits aussprechen, tat es dann aber doch nicht. Konkret hatte er mit diesem Gedanken bislang tatsächlich nicht gespielt. Allein schon, weil er sein Leben in Vancouver liebte – eigentlich. Beruflich lief es hier gut, mehr als gut sogar. Er hatte sich in den letzten Jahren einen tollen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut und er war absolut verliebt in seine Wohnung in Yaletown, die er im vergangenen Jahr neu bezogen hatte. Nur eigentlich … lag eben quasi ganz Kanada zwischen Vancouver und Glen Haven. British Columbia und Nova Scotia – zwei weiter voneinander entfernte Provinzen hätte er sich kaum aussuchen können. Vor Jahren war er diesen Schritt bewusst gegangen, hatte das Neue in Vancouver gesucht. Und noch immer zeigte die Metropole ihm so viele bislang unbekannte Facetten. Nur manchmal …
»Nein«, sprach er es schließlich doch aus, »ich will nicht zurück, nur … vielleicht mal wieder für ein paar Tage hinfliegen.« In der Hoffnung, dass ihn dann nicht komplettes Heimweg überrollte. Aber davon ging er nicht aus. Vermutlich brauchte er einfach nur eine kleine Auszeit. Nordatlantikluft schnuppern und die heimelige Stille Glen Havens genießen. Küstendorf-Feeling auftanken und dann wieder zurück in Vancouvers blühendes Leben.
»Dann mach das doch«, meinte Lucy und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. »Du arbeitest echt genug. Hast dir die Auszeit verdient.«
»Mhm, hast vermutlich recht.« Abgesehen davon könnte Asher sich einen guten Teil seiner Arbeit auch einfach mitnehmen. Gutachten, Planfreigaben und Kostenvoranschläge konnte er am Laptop bei seinen Eltern auf der Terrasse ebenso gut bearbeiten wie in seinem Büro.
»Klar.« Lucy zwinkerte ihm zu und setzte sich aufrechter auf ihrem Clubsessel hin, spähte an ihm vorbei. Wie es aussah, kam ihr Essen. »Also, wann fliegst du?«
Asher grinste und sah dabei zu, wie der Servicemitarbeiter eine Tuna Poké Bowl vor Lucy abstellte und gleich darauf ihm seinen Avocado Kale Salad servierte.
»Ich checke mal meine Termine der kommenden Tage.«
Nun grinste auch Lucy. »Andere Leute würden ›Wochen‹ sagen …«
Würden sie. Aber spontane Trips waren nun mal die besten und weniger würde seine Arbeit auch in Wochen oder Monaten nicht werden. Warum also nicht sogar noch diese Woche in seine alte Heimat fliegen? Spontanität und Schnelllebigkeit waren schließlich das, was sein Leben in Vancouver prägte. Was er mochte … und wovon er eine Auszeit brauchte?
Blinzelnd schob Asher die Gedanken von sich, wandte sich stattdessen mit übertrieben süßem Grinsen an Lucy. »Dir ist schon klar, dass ich dann jemanden brauchen werde, der sich um Bonnie und Clyde kümmert …?«
Asher zuckte leicht vor Schreck zusammen und grinste im nächsten Augenblick, als Mowgli ihm ohne jede Vorwarnung auf den Schoß sprang. Das hatte der Kater schon als kleines Kitten immer getan und sich diese Marotte, sich lautlos anzupirschen und dann vehement Aufmerksamkeit einzufordern, offensichtlich beibehalten. Wenn Asher ehrlich war, rührte es ihn ja auch ein bisschen, dass Mowgli ihn augenscheinlich sofort wieder als Familienmitglied – oder eben als Untertan, der ihn gefälligst streicheln sollte – annahm.
Lächelnd fuhr er dem Kater über den schwarzen, an manchen Stellen langsam fahl werdenden Pelz, woraufhin dieser sich schnurrend und mit kleinen Trippelschrittchen auf seinem Schoß zu drehen begann. Prompt hatte Asher einen plüschigen Katerschwanz im Gesicht.
»Ey, nimm deinen Schwanz – … whoa, nicht –« Er schaffte es gerade noch, die Datei mit dem Modernisierungsplan, an welchem er gerade arbeitete, zu sichern, bevor Mowgli auf den Gartentisch sprang und sich der Länge nach auf die Laptoptastatur fallen ließ.
»O Mann«, murmelte Asher nur und sah dem Kater dabei zu, wie er auf der Tastatur herum kollerte und dabei äußerst genießerische Töne von sich gab. Katze müsste man sein …
Das war dann wohl Mowglis Art, ihm zu sagen, dass er für heute genug gearbeitet hatte. Oder aber der Kater wollte wirklich schlicht nur Aufmerksamkeit. So oder so, Asher nahm es als Zeichen. Liebevoll, aber durchaus mit Nachdruck scheuchte er Mowgli von der Tastatur herunter und klappte den Laptop zu. Natürlich erntete er dafür einen verachtenden Blick. Mit hochgerecktem Schwanz stolzierte Mowgli durch die offenstehende Terrassentür ins Haus und Richtung Küche. Vermutlich um zu sehen, ob dort ein weiterer seiner Untertanen war, um ihm den Napf zu füllen. Das Klappern aus dem Hausinneren legte jedenfalls nahe, dass Mowgli Glück haben könnte.
Im Aufstehen nahm Asher die leere Kaffeetasse vom Tisch und folgte dem Kater nach drinnen. Wie erwartet fand er seine Mum in der Küche. Die Arme in die runden Hüften gestemmt erklärte sie Mowgli gerade, dass es um diese Uhrzeit selbstverständlich keine extra Nassfutter-Mahlzeit geben würde und er sich gefälligst mit den Trockenfutterstückchen in seinem Napf begnügen sollte. Mowgli maunzte äußerst empört und zog sich dann mit pikierter Miene aus der Küche zurück.
»Der arme Kater«, meinte Asher mit breitem Grinsen und lehnte sich seitlich in den Türrahmen.
Seine Mum schnaubte halb empört und eindeutig auch halb belustigt. »Ja ja, armer Kater …« Kopfschüttelnd sah sie ihm nach, ehe sie sich Asher zuwandte. »Fertig mit arbeiten? Möchtest du noch einen?« Sie deutete auf die Kaffeetasse.
»Ich mach schon, danke, Mum.« Asher stieß sich ab und ging rüber zur Kaffeemaschine. »Und wie man’s nimmt – Mowgli war der Ansicht, ich sollte Feierabend machen.«
In seinem Rücken spürte er regelrecht den eindringlichen Blick seiner Mum. »Da sind wir uns ausnahmsweise mal einig. Du bist bei uns, um Urlaub zu machen, oder nicht?«
Asher gab nur einen undefinierten Laut von sich, der im Rattern der Kaffeemaschine verklang. Aus dem Augenwinkel sah er, dass seine Mum den Kühlschrank öffnete.
»Hier, die Milch … Wo ist denn …?« Mit besagter Packung in der Hand verharrte sie. Asher sah nur ihren Hinterkopf, aber offensichtlich starrte sie suchend in den Kühlschrank. Statt ihm die Packung wirklich zu reichen, stellte sie sie auf der Arbeitsplatte ab. »Hab ich etwa …?« Hastig schob sie Becher und andere Verpackungen hin und her.
Die Frage, ob sie etwas suchte, konnte Asher sich wohl sparen. Schweigend schnappte er sich die Milchpackung und goss zwei große Schlucke in den Kaffee. Die Maschine verstummte exakt in dem Moment, in dem seine Mutter einen äußerst inbrünstigen Fluch ausstieß.
»Was ist?«, konnte Asher sich dann doch nicht verkneifen zu fragen.
»Ich Elchkuh hab die Sahne vergessen.«
Asher musste nicht fragen, wofür seine Mum diese brauchte. Die Zutaten auf der Arbeitsplatte – Kakao, Haselnüsse, Kokosflocken – wiesen eindeutig auf die traditionell kanadischen Nanaimo Bars hin. Vermutlich hatte sie versprochen, diese später zum Barbecue bei den Nachbarn mitzubringen. Und sie würde sich ganz sicher nicht die Blöße geben, ohne die leckeren Kokos-Schoko-Schnitten dort aufzutauchen.
»Dann muss ich wohl –«
»Ich geh rasch zum Supermarkt«, unterbrach Asher seine Mum.
Abrupt sah sie von ihrer Schürze auf, die sie bereits hatte abstreifen wollen. »Würdest du?«
»Klar.« Er nahm kurz einen nippenden Schluck Kaffee, ehe er die Tasse beiseitestellte. »Brauchst du noch was?«
»Nein. Für den Cole Slaw habe ich alles da.«
War klar, dass seine Mum nicht ›nur‹ ein Dessert zum Barbecue mitbringen würde. Sie liebte es, in der Küche zu stehen und ihre Lieben zu bekochen. Gestern erst hatte sie anlässlich seines Besuchs ein Drei-Gänge-Menü aufgefahren. Als befürchtete sie, Asher bekäme in Vancouver nichts Anständiges zu essen. In dieser Hinsicht bediente sie jedes Klischee einer fürsorglichen Mum. Wäre es nicht unpraktisch im Fluggepäck zu transportieren, würde sie ihm sicherlich ganze Aufbewahrungsboxen voll vorgekochter Gerichte mitgeben. So zumindest erging es Ashers Bruder jedes Mal, wenn er ihre Eltern besuchte. Mit dem Unterschied eben, dass Noah in Halifax lebte und daher problemlos seinen Kühlschrank immer wieder mit ›Bestem von zu Hause‹ auffüllen konnte. Was er regelmäßig tat. Auch gestern Abend, nach dem gemeinsamen Familienessen, hatte er riesige Schüsseln voll mit nach Hause genommen.
»Na dann …« Asher wollte sich bereits auf den Weg machen, doch seine Mum hielt ihn zurück.
»Lass dir Zeit, trink erst mal deinen Kaffee. Ich mache den Boden für die Nanaimo Bars fertig und stelle ihn in den Kühlschrank. Und während du einkaufen bist, widme ich mich erst mal dem Salat. Dem tut es ohnehin gut, wenn er noch ein paar Stunden durchzieht.«
»Okay.« Erneut griff Asher nach seiner Kaffeetasse. Indessen kam Mowgli zurück in die Küche und machte sich nun doch über das Trockenfutter in seinem Napf her. Am Kaffee nippend beobachtete Asher abwechselnd den Kater, registrierte das Knacken der Brekkis zwischen den Zähnen, und seine Mum, die geschäftig den Teig für die Nanaimo Bars zusammenrührte. Mit dem Zeigefinger tippte er gegen die Kaffeetasse. Trank. Rumstehen war nicht seins. Nach einem letzten großen Schluck stellte er die noch halb volle Tasse beiseite.