7,99 €
Als "enfant terrible" einer erfolgreichen Unternehmerfamilie kann Miles Young es sich leisten, hauptberuflich seiner Leidenschaft vom Tanzen nachzugehen. Wenn er doch mal spontan Geld braucht, hat er seinen Onlyfans-Account, auf dem er anonyme heiße Videos veröffentlicht. Überhaupt ist Miles es gewohnt, stets zu bekommen, was er möchte. Doch dann tritt ein Mann in sein Leben, bei dem er weder mit Geld noch mit seinem provokanten Charme weiterzukommen scheint. Denn der Kerl ist hetero – angeblich. Aber so schnell will Miles nicht aufgeben. Notfalls ist er auch bereit, unkonventionelle Wege zu gehen. Bald schon kommen er und Gay-for-pay-Star Ryan Knox einander näher. Doch mit jedem gemeinsamen Lachen, mit jedem zunehmend intimer werdenden Moment geht es plötzlich um viel mehr als nur das eigene Ego. Vor allem, weil für Ryan durch ihre wachsende Verbindung mit einem Mal die gesamte Karriere und damit seine Existenz auf dem Spiel steht. Im 6. Band der F***ing Real-Reihe, der unabhängig von den Vorgängern gelesen werden kann, erwartet dich eine prickelnde Forbidden-Love-Story vor der traumhaften Strandkulisse von Los Angeles.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 597
Svea Lundberg
Band 6
© dead soft verlag, Mettingen 2023,
http://www.deadsoft.de
© the author
Cover: Irene Repp
http://www.daylinart.webnode.com
Bildrechte:
Txema Gerardo – shutterstock.com
Alones – shutterstock.com
Simbert Brause – shuttestock.com
1. Auflage
ISBN 978-3-96089-601-2
ISBN 978-3-96089-6023-9 (ebook)
Als Enfant terrible einer erfolgreichen Unternehmerfamilie kann Miles Young es sich leisten, hauptberuflich seiner Leidenschaft fürs Tanzen nachzugehen. Wenn er doch mal spontan Geld braucht, hat er seinen Onlyfans-Account, auf dem er anonyme heiße Videos veröffentlicht. Überhaupt ist Miles es gewohnt, stets zu bekommen, was er möchte. Doch dann tritt ein Mann in sein Leben, bei dem er weder mit Geld noch mit seinem provokanten Charme weiterzukommen scheint. Denn der Kerl ist hetero – angeblich.
Aber so schnell will Miles nicht aufgeben. Notfalls ist er auch bereit, unkonventionelle Wege zu gehen. Bald schon kommen er und Gay-for-pay-Star Ryan Knox einander näher. Doch mit jedem gemeinsamen Lachen, mit jedem zunehmend intimer werdenden Moment geht es plötzlich um viel mehr als nur das eigene Ego. Vor allem, weil für Ryan durch ihre wachsende Verbindung mit einem Mal die gesamte Karriere und damit seine Existenz auf dem Spiel steht.
Im 6. Band der F***ing Real-Reihe, der unabhängig von den Vorgängern gelesen werden kann, erwartet dich eine prickelnde Forbidden-Love-Story vor der traumhaften Strandkulisse von Los Angeles.
Dieser Roman enthält unter anderem folgende Themen: übergriffiges Verhalten, verbale Queerfeindlichkeit, Alkohol- und Drogenkonsum.
~~~ Ende 2019 ~~~
Schwer ließ ich mich in einen der schwarzen Clubsessel fallen und sah durch die breite Fensterfront hinaus. Über dem San Fernando Valley ging bereits die Sonne unter. Das rötliche Licht zeichnete die Gebirgskuppen der Santa Monica Mountains weich. Irgendwo auf der anderen Seite lag der berühmte Hollywood-Schriftzug. Aber das Porno Valley war nun mal nicht Los Angeles und das Wahrzeichen demnach nicht zu sehen – und nicht weiter von Bedeutung.
Ich wandte mich vom Anblick der Mountains ab und der Bürotür zu, als diese mit einem Klicken geschlossen wurde. Clark bedachte mich mit einem flüchtigen Lächeln, kam jedoch nicht zu mir herüber, sondern ging auf seinen Schreibtisch zu.
»Wie war dein Dreh heute?«, eröffnete der Inhaber von Green Mamba Productions das Gespräch im Plauderton, während er augenscheinlich etwas auf seinem Schreibtisch suchte.
»Gut, denke ich.« ›Und anstrengend.‹ Ich vermied es, mir in den Schritt zu greifen. Gerade war ich verflucht dankbar, den weichen Stoff meiner Unterwäsche zwischen den Jeans und meinem wund geriebenen Schwanz zu haben. Aber ich würde einen Teufel tun und jammern. Ich selbst hatte darauf bestanden, den Cumshot nach dem stundenlangen Dreh durchzuziehen, und das Kunstsperma, das der Regieassistent mir angeboten hatte, abgelehnt. Meine Karriere war mir verdammt noch mal zu wichtig, als dass ich mir die Blöße gegeben hätte, nicht abspritzen zu können.
»Davon bin ich überzeugt«, meinte Clark mit einem Zwinkern und kam mit einem dünnen Stapel Ausdrucke in der Hand wieder um seinen Schreibtisch herum. »Bist schließlich einer unserer besten Hengste im Stall.«
Ich verkniff es mir, dem Labelchef entgegenzuschleudern, dass er dann ja mal die Gage erhöhen könnte. Dass Frauen in der Pornobranche mehr verdienten als Männer, fand ich durchaus gerechtfertigt. Nichtsdestotrotz leistete ich harte Arbeit – im wahrsten Sinne des Wortes. Aber wenn ich die Schecks, die ich erhielt, so mit denen verglich, die meine Ex-Freundin einstrich …
»Danke«, entgegnete ich nur knapp, schielte aus einem Augenwinkel auf die Papiere. Mein Exklusivvertrag bei Green Mamba lief erst in einigen Monaten aus und zumindest aktuell hatte ich nicht vor, diesen zu kündigen. Immerhin zahlte Green Mamba mehr als die meisten anderen im Porno Valley ansässigen Produktionsfirmen – eben auch, weil ich mich exklusiv verpflichtet hatte. Zudem fehlte mir während meines Studiums schlicht die Zeit, für mehrere Labels zu drehen. Da war ich mit dem Exklusivvertrag besser dran.
Sollte Clark aber tatsächlich jetzt schon über eine Verlängerung sprechen wollen, würde ich definitiv meine Gage verhandeln. Kurz entschlossen preschte ich voraus: »Warum wolltest du mich sprechen?«
Clark wedelte vielsagend mit den vermeintlichen Verträgen herum, während er sich in dem Clubsessel mir gegenüber niederließ.
Ich straffte unweigerlich die Schultern, richtete mich im Sitzen ein wenig weiter auf.
Clark musterte mich eingehend. »Eine Frage: Wie stehst du zu gay for pay?«
Ich blinzelte irritiert. Ausgerechnet an mich gerichtet ergab diese Frage so gar keinen Sinn. »Grundsätzlich? Na ja, ich kann’s nachvollziehen. Ich meine, wie man hört, verdienen die Kerle im Gayporn deutlich mehr.« Ich war mir in diesem Moment selbst nicht so ganz sicher, ob ich hoffte, dass Clark meine Aussage nicht als unterschwelligen Vorwurf auffasste. Oder ob ich hoffte, dass er genau das tat. Eben weil ich verflucht noch mal meine Karriere vorantreiben und damit auch meine Gagen erhöhen wollte.
»Machen wir es kurz«, fuhr der Labelchef fort, »die Pornowelt ist im Umbruch, nicht zuletzt, weil namhafte Studios nach Vegas abwandern. Auch Green Mamba wird neue Wege gehen: Das Label wird zum kommenden Jahr ins Gayporn-Geschäft expandieren.« Er legte eine kurze Kunstpause ein, in der er mich noch immer durchdringend musterte. »Du willst doch Karriere machen, huh?«
Mein Herz pochte einen dumpfen Takt hinter meinen Rippen. Ich nickte nur.
»Tja dann, wie sieht’s aus, bist du gay for pay?«
Mir entwich ein kleiner Laut. Ungläubig. Diese Frage war auf so viele Arten absurd …
~~~ Juni 2022 ~~~
Nicht mal fünf Minuten in Ruhe Wichsen konnte man hier! Das Vibrieren meines Telefons riss mich regelrecht aus dem Rhythmus.
Mit einem genervten Seufzen in der Kehle ließ ich mich rücklings weiter gegen das Fußteil des Sofas sinken, an dem ich gelehnt hatte. Nicht, weil auf dem Boden sitzend meine bevorzugte Position war, um mir einen runterzuholen, sondern weil sich der Fuß des Couchtisches angeboten hatte, mein Smartphone abzustützen. Um die Telefonhalterung mit integriertem Licht aufzubauen, hatte ich schlichtweg keine Zeit.
Noch weniger Zeit – und auch keine Lust – hatte ich, mit meiner Mom zu facetimen. Wenn ich nicht bald zum Abschuss kam, konnte ich mir das Wichsen vor der Kamera sparen. Ich musste bald los!
Fast schon trotzig packte ich meinen Schwanz fester – als ob das etwas ändern würde. Die Luft war raus. Allein der Gedanke, dass meine Mutter sich am anderen Ende der Verbindung ihr Smartphone vors Gesicht hielt und darauf wartete, dass ihr Sohn abnahm …
»Holy shit«, murmelte ich dem penetrant vibrierenden Gerät entgegen und lehnte mich nach vorne, um rasch den Aufnahmemodus zu beenden und die Videogalerie wegzuklicken. Wäre ja noch schöner, wenn ich meiner Mom den Clip aus Versehen per FaceTime schickte. Während ich mich erhob, zerrte ich mir umständlich mit einer Hand die engen Boxerbriefs, die noch um meinen rechten Knöchel gebaumelt hatten, nach oben.
Meine Mutter war heute wirklich hartnäckig – das Smartphone vibrierte immer noch.
Im Stillen stieß ich einen weiteren Seufzer gen Zimmerdecke aus und nahm den Videoanruf entgegen.
»Hi, Mom.«
Kurz stockte das Bild, ehe meine Mutter mit ihrem allseits bekannten, perfekt sitzenden Lächeln und noch perfekterem Make-up auf dem Display erschien.
»Miles, mein Schatz!«
Ich verkniff mir mit Mühe das Schnauben.
Ihr Lächeln indessen fiel binnen Sekunden in sich zusammen, machte dieser einen missbilligenden Falte in ihrem Mundwinkel Platz.
»Hast du etwa noch geschlafen?«
Ich biss mir gerade noch rechtzeitig auf die Zunge, um nicht »nein, war schon fleißig und hab gewichst« zu entgegnen. Große Klappe hin oder her, das musste sie echt nicht wissen.
»Nein, war gerade im Bad. Ich muss gleich los.«
Durch das Display ließ sie ihren Blick prüfend über meinen nackten Oberkörper wandern, als ob sie so verifizieren könnte, ob ich wirklich aus der Dusche kam oder nicht.
»Los?«, hakte sie stattdessen nach. »Ins Tierheim?« Sie fragte das, als sei sich im Tierschutz zu engagieren, etwas Verachtenswertes. Okay, ganz so drastisch vielleicht nicht, aber es war eben auch kein Geheimnis, dass sie es besser gefunden hätte, hätte ich ›etwas Richtiges‹ gearbeitet und meine ›soziale Pflicht‹ mit einem vier- bis fünfstelligen Sümmchen für die Krebsforschung erfüllt. Was die Höhe diverser Spendensummen anging, waren meine Eltern durchaus großzügig. Charity-Veranstaltungen dienten ihnen jedoch lediglich als Möglichkeit zur Demonstration eben jener Summen.
»Nope. Hab ein Vortanzen.«
Keine Frage, dass ihr diese Antwort nicht nennenswert besser gefiel.
»Ah.«
Während sie anscheinend noch überlegte, ob sie weiter nachhaken sollte oder nicht, tappte ich quer durch den großzügigen Wohnraum des Penthouse und rüber in den langgezogenen Raum, den schon die Vorbesitzer als begehbaren Kleiderschrank genutzt hatten. Nur, dass jetzt keine Designerkleidchen mehr in den meterbreiten offenen Schränken hingen, sondern primär Klamotten in Street-Style-Optik. Sneakers statt High Heels. Wobei ich auch von Letzteren ein Paar besaß.
»Ist dieser Vogel neu?«
Irritiert blinzelte ich zunächst einen Stapel Hoodies, dann das fragend unwillige Gesicht meiner Mom auf dem Display an. »Welcher …?«, setzte ich an, doch unterbrach mich selbst. Ihre Blickrichtung auf meinen Oberkörper war selbsterklärend.
Flüchtig strich ich mit den Fingerspitzen meiner freien Hand über den in Blau- und Grautönen schimmernden Kranich auf meinem Rippenbogen. »Relativ.« Wenn man bedachte, wie sporadisch meine Eltern und ich Kontakt hatten, war das Tattoo für sie wahrscheinlich wirklich neu. »Mom … was willst du?« Das klang vielleicht doch ein wenig zu pissig. »Ich meine, gibt’s einen bestimmten Grund für deinen Anruf?«
Eindeutig pikiert verzog sie die geschminkten Lippen zu verkniffenen Linien. »Ich wollte mich einfach nur erkundigen, wie es meinem Sohn geht.«
›Um dir danach selbst sagen zu können, dass du deine Schuldigkeit für diesen Monat getan hast…‹
»Gut geht’s mir. Noch besser, wenn ich nachher beim Vortanzen den Job bekomme. Ich muss auch wirklich langsam los.« Schon klar, dass ich ihr in Momenten wie diesen gar nicht erst die Chance gab, ein anständiges Gespräch in Gang zu bringen. Aber holy shit, das hatte sie vierundzwanzig Jahre lang nicht geschafft. Irgendwann war der sinnbildliche Zug auch mal abgefahren.
»Verstehe.«
Tat sie das wirklich? Wenn ja, war es eigentlich noch bitterer, dass sie sofort einlenkte, als sei sie froh, den Videocall so kurz wie möglich halten zu können. Sie war schließlich eine vielbeschäftigte Frau.
»Viel Erfolg wünsche ich dir.«
»Mhm. Danke. Grüß Dad. Und Claire.« Auch wenn ich zu meiner Schwester durchaus häufiger Kontakt hatte als zu meinen Eltern.
»Natürlich. Wir hören uns, Schatz.«
Nächsten Monat dann …
»Ja, bye.« Unachtsam legte ich mein Smartphone auf dem Hoodie-Stapel ab. Ein leises Klappern bezeugte, dass es herunterrutschte und auf dem Schrankbrett landete. Tja, sollte es kaputtgehen, kaufte ich mir eben ein neues. Für mangelnde Zeit und Aufmerksamkeit hatten meine Eltern mich ja schon immer gern mit Geld getröstet.
Mit einem energischen Kopfschütteln versuchte ich, die Gedanken fortzuwischen. Das war eindeutig nicht das richtige Mindset für ein Vortanzen. Als ich am späten Morgen aufgestanden war, hatte noch die Vorfreude in meinem Körper gekribbelt. Genau diese Energie brauchte ich zurück.
Kurzerhand griff ich mir eine khakifarbene Chinohose aus dem Schrank und schlüpfte hinein. Rückte mit einer Hand noch rasch meinen Schwanz in der Unterwäsche zurecht. Ausgebliebener Orgasmus hin oder her, nach dem FaceTime-Call mit meiner Mutter war meine Latte so was von weg.
Ich grübelte einen Moment, ob ich zu der schlichten Hose ein auffälligeres Shirt wählen sollte, entschied mich dann aber für ein weißes Tanktop, das Aussicht auf einige meiner Tattoos und das Spiel meiner flachen Muskeln beim Tanzen zuließ, und dazu ebenfalls weiße Sneakers. Alles schlicht, lässig, aber doch sexy. In einem fließenden Move kreuzte ich die Beine, drehte mich zum Takt eines Beats in meinem Kopf zu einem der bodentiefen Spiegel um und musterte mich darin. Kurz entschlossen griff ich zu meinem schwarzen Lieblingshut, um mein Outfit komplett zu machen, und grinste mir zufrieden durch das Spiegelglas selbst zu.
~*~*~*~*~*~
Natürlich hatte ich schon Dragqueens live auf der Bühne gesehen. In den letzten eineinhalb Jahren, während denen ich in Las Vegas gelebt hatte, weit mehr als ein Dutzend. Wirklich beschäftigt hatte ich mich mit der Materie allerdings nie, und selbst wenn ich es getan hätte, war ich mir sicher, wäre diese Drag immer noch eine besondere Erscheinung gewesen.
Müsste ich Mandy Licious mit einem Wort beschreiben, käme mir wohl sofort ›ladylike‹ in den Sinn. Dass Mandy in ihren Shows weniger auf Overacting und bissige Statements, sondern vielmehr auf sinnliche Eleganz setzte, wusste ich durch die Videos, die ich mir in den vergangenen Tagen angesehen hatte. Schon auf dem Bildschirm hatte ich mich von ihrer Art, durch Tanz und Lipsync Geschichten auf der Bühne zu erzählen, inspiriert gefühlt. Andernfalls hätte ich mich gar nicht als Backgroundtänzer beworben.
Das war der Vorteil als Kind reicher Eltern, die versuchten, das quasi inexistente Familienleben durch großzügiges Sponsoring aufzuwiegen: Ich konnte mir meine Jobs aussuchen. Oder genauer: Ich konnte mir aussuchen, zu welchen Castings ich ging und mich freuen, wenn die Wahl auf mich fiel. Wenn nicht – tja, dann schmollte ich ein wenig und päppelte mein gekränktes Ego durch eine spontane Tanzeinlage in irgendeinem Club und einen anschließenden Fick im Darkroom auf. Aber all das eben, ohne mir Gedanken machen zu müssen, dass ich ein Engagement brauchte, um meine scheißteure, neue Wohnung in West Hollywood zu finanzieren.
Shit, hatte ich nicht nicht weiter über meine Familie nachdenken wollen?
Glücklicherweise wurde der Anflug von mieser Laune ohnehin nichtig. Denn Mandy Licious warf in einer eleganten Bewegung das dunkle Haar ihrer langen Perücke in den Nacken und kam lächelnd über den gepflasterten Innenhof, der ringsum von Ateliers gesäumt war, auf mich zu. Die weit geschnittene Volant-Hose umspielte dabei ihre gefühlt ellenlangen Beine. Die Pumps mit sicherlich zehn Zentimeter hohen Pfennigabsätzen unterstrichen ihre Grazie noch. Ich selbst hatte durchaus schon auf hohen Hacken getanzt, aber wenn sie in den Schuhen einen ganzen Abend Choreo durchhielt – Respekt!
»Hi. Du kommst zum Vortanzen, oder?« Mandy reichte mir eine Hand, wobei ich nicht anders konnte, als kurz auf ihre schlanken, aber doch definierten Arme zu schielen. Auf der vom kalifornischen Sommer gebräunten Haut funkelten goldene Armreifen.
Rasch hob ich den Blick wieder in ihr Gesicht und versuchte, sie mir ohne Make-up vorzustellen. Ich hätte den Kerl, der hinter dieser Drag steckte, vielleicht doch mal googeln sollen. Die weibliche Inszenierung jedoch erschien mir zu perfekt, um dahinter unbedingt einen Mann sehen zu wollen, und letztlich sollte es mir auch egal sein, wer Mandy ›in echt‹ war. Zumindest für den Moment.
»Ja, hi. Ich bin Miles.«
»Freut mich, Miles. Ich bin gespannt, was du zu bieten hast.« Sie zwinkerte mir zu, im selben Moment glitten unsere Finger nach einem angenehm festen Händedruck auseinander. Die Berührung kurz genug, um der Neckerei keine tiefere Bedeutung zu verleihen. Schätzungsweise wäre der Kerl hinter der Kunstfigur ohnehin nicht mein Typ. Zu schmal. Zu … weich. Auch wenn er … wenn Mandy durchaus taff wirkte.
»’ne ganze Menge«, hielt ich kurzerhand dagegen. Wohl wissend, dass das, was mir in den Augen vieler Leute fehlte, eine professionelle Tanzausbildung war. Meine tänzerische Vita konnte sich dennoch sehen lassen. Insbesondere die vergangenen Monate in Las Vegas hatten dazu beigetragen. Ehrlicherweise hatte ich in der Zeit überproportional viel gefeiert, aber ich hatte auch bei einigen Shows in verschiedenen Hotels am Strip getanzt und Erfahrung in kleineren Musikvideoproduktionen gesammelt. »Das Infosheet, das ich dir gemailt hab, hast du bekommen? Oder soll ich dir noch mal rasch zusammenfassen, wo ich schon …«
Mandy winkte noch immer lächelnd ab. »Nein, passt schon. Ich hab’s überflogen, aber ehrlich gesagt, ist es mir nicht so wichtig, wer welche Referenzen vorweisen kann. Gerade weil es das erste Mal sein wird, dass ich mir eine kleine Tänzer-Crew zusammenstelle, ist es mir wichtiger, zu sehen, ob die Chemie live auf der Bühne stimmt.«
»Verstehe.« Mit zwei Fingern tippte ich mir an die Hutkrempe. »Dann werde ich dir beweisen, dass ich der perfekte Part im Background bin, um Mandy Licious strahlen zu lassen.«
In ihren dunklen Augen blitzte ein Funke auf. »Ich nehm dich beim Wort. Dann geh ruhig schon mal rein.« Sie deutete auf eine der breiten Glastüren, die in eines der Ateliers hineinführte. Durch die bodentiefen Fenster konnte ich bereits einige Kerle – vermutlich auch alle Tänzer – im Inneren erspähen. »Wunder dich bitte nicht über die Location. Ein Freund hat mir für das Vortanzen sein Fotoatelier zur Verfügung gestellt. Ein anderer guter Freund wird eine kleine Choreo mit euch einstudieren. Jay. Du wirst ihn gleich kennenlernen.«
»Alles klar.« Ich grinste Mandy noch einmal zu, ehe ich mich halb abwandte und die letzten Schritte zum Eingang des Ateliers ging. In meinem Rücken vernahm ich Schritte und erneut Mandys Stimme. Offenbar waren noch weitere Tänzer angekommen. Von der Konkurrenz unbeeindruckt, betrat ich das Atelier. Trotz strahlendem kalifornischen Juni-Wetter draußen war es hier überraschend kühl. Angenehm kühl, wenn man bedachte, dass wir alle bald ordentlich ins Schwitzen kommen würden. Ich hoffte doch, dass dieser Jemand sich eine anspruchsvolle Choreografie ausgedacht hatte, bei der ich würde punkten können. Neue Schrittfolgen konnte ich mir in der Regel schnell merken. Schon als Kind hatte ich so einige Zeit damit verbracht, Musikvideos nachzutanzen.
Das Ambiente war nicht gerade klassisch für ein Vortanzen, aber dank gutem Licht und ausreichend Platz durchaus dafür geeignet. Ich ging davon aus, dass normalerweise nicht nur an den Wänden gerahmte Fotografien hingen, aber Mandy – oder eben jener Freund, der ihr das Atelier überlassen hatte, – hatte einiges an freier Fläche geschaffen. An der gegenüberliegenden Wandseite entdeckte ich eine schmale Tür, die vermutlich in einen Nebenraum führte. Sicherlich war der mit allerlei Kram vollgestellt, der fürs Vortanzen hatte weichen müssen.
Während ich auf eine Ecke des weitläufigen, lichtdurchfluteten Raumes zusteuerte, in der bereits einige Rucksäcke und Sporttaschen auf dem Boden standen, ließ ich meinen Blick flüchtig über die anderen Kerle wandern. Ich kannte keinen von ihnen vom Sehen, was allerdings nicht verwunderlich war. Allzu viel war ich in der Tanzszene eben noch nicht herumgekommen, auch wenn ich ein paar ganz coole Auftritte gehabt hatte. Da Mandy aber zum ersten Mal Backgroundtänzer für ihre Shows suchte, ging ich ohnehin davon aus, dass die meisten der hier anwesenden Typen wie ich eher semiprofessionelle Tänzer waren.
Ich ließ meinen Rucksack, in dem ich lediglich ein Handtuch, eine Wasserflasche und ein paar Müsliriegel hatte, von meinen Schultern gleiten. Indessen streifte mein Blick einen Kerl, der schräg neben und mit dem Rücken zu mir in der Hocke balancierte und auf seinem Smartphone herumtippte. Ich konnte nicht anders, als festzustellen, dass er in dieser Position und in den Sweatpants, die er trug, einen äußerst ansehnlichen Arsch hatte.
Als habe er meine eingehende Musterung bemerkt, drehte er sich in der Hocke halb zu mir um.
»Du bist nicht zufällig …«, setzte ich an, unterbrach mich selbst mit einem nur gemurmelten »Fuck«, woraufhin seine Brauen prompt nach oben wanderten.
Er erhob sich, ließ mich dabei nicht aus den Augen. Um seinen Mund spielte ein schmales, leicht spöttisches Lächeln. Dieser Mund, dem ich schon so einige Male dabei zugesehen hatte, wie er Schwänze lutschte – und mich durch diesen Anblick hatte hart werden lassen.
»Jay«, brachte ich seinen Namen mit einer gewissen Heiserkeit über meine Lippen. Mehr sagte ich nicht, starrte ihn nur weiter an und sein Grinsen wurde mit jeder Sekunde breiter. Anziehender.
Ich war echt selten sprachlos, aber genau jetzt zu sehr damit beschäftigt, nicht einfach auszustoßen, was mir durch den Kopf ging: Das hier war nicht irgendein Kerl, der den Spitznamen Jay trug. Das hier war Jayson fucking Ward. Eines der heißesten Sternchen am Gayporn-Himmel – und meine heimliche Wichsvorlage, die ich in Gedanken während meines ersten Onlyfans-Videos benutzt hatte.
Gott, ich war so doof, dass der Groschen bei der Nennung seines Spitznamens nicht gleich gefallen war.
»Schätze mal, du kennst mich«, stellte Jay das aufgrund meines Starrens einzig Logische fest. Inzwischen hatte sein Lächeln eine Mischung aus Belustigung und Herausforderung angenommen. Eine Herausforderung, auf die ich nur zu gern einstieg. Glücklicherweise ließ mich mein vorlautes Mundwerk nach dem kurzen Überraschungsmoment nicht weiter im Stich.
»Sagen wir, ich kenne primär deinen Schwanz und deinen Arsch. Freut mich, auch mal den Rest kennenzulernen.« Noch während ich das sagte, ohrfeigte ich mich im Stillen dafür, eindeutig zu viel Zeit auf diversen Porno-Websites, aber nicht auf den Instagram- oder Twitter-Profilen der Darsteller, die ich heiß fand, zu verbringen. Andernfalls wäre mir wohl aufgefallen, dass Mandy und Jay eine Freundschaft verband. Die paar Fotos, die ich von ihnen zusammen gesehen hatte, hatte ich lediglich als Zufallsshots auf Events abgetan. In Bezug auf sexy stuff war ich eben oberflächlich genug, um mich nur für das, was on screen passierte, zu interessieren. Nicht, dass es mich nicht gereizt hätte, Jayson Ward kennenzulernen, aber ich war nicht Groupie genug, um es wirklich darauf anzulegen. Bis jetzt. Denn wenn ich ihn nun schon so direkt vor der Nase hatte, würde ich es unter Garantie herausfordern.
Jay allerdings verdrehte nur die Augen und ließ sein Smartphone in die Sporttasche zu seinen Füßen fallen. »Ach was.« Mit festem Blick fixierte er mich. »Ich hoffe, du bist weder für meinen Schwanz noch für meinen Arsch da – ansonsten kannst du direkt wieder gehen.«
Schande über mein Haupt, dass ich direkt auf seine Bissigkeit ansprang. »Ach, das entscheidest du? Wusste nicht, dass Jayson Ward seit neuestem auch Manager ist.« Mir war durchaus bewusst, dass ich recht hoch pokerte. Denn dafür, dass ich es liebte, ihm beim Vögeln zuzusehen, wusste ich echt wenig über ihn.
»Ich bin nicht Mandys Manager, aber ich bin hier, um mit ihr gemeinsam die für sie besten Backgroundtänzer auszusuchen. Und wer sich mehr für meine Fickfilme als für ihre Bühnenshow interessiert, ist hier definitiv falsch.«
Punkt für Jay – er hatte ja recht. Wobei ich nicht deshalb einlenkte, sondern einfach, weil ich vermutete, dass ich bei ihm gerade eher punkten konnte, wenn ich erst mal das tat, wofür ich hier war: Mandy durch meine Performance in ihrem Background strahlen zu lassen. Ich hatte Bock auf diesen Job – und ich würde ihn bekommen. Weil ich ihn wollte. Den Job. Und verdammt, ja, auch Jay.
Zu tanzen bedeutete Freiheit. Vor allem im Kopf.
Wenn ich mich auf einer Bühne oder an einem belebten Fleckchen in einem Park oder einfach nur in meiner Wohnung befand und tanzte, war mein Denken wie abgedreht. Dann grübelte ich weder über meine Familie noch über irgendwelche Verpflichtungen, geschweige denn über Einsamkeit nach. Wenn ich tanzte, war ich das Zentrum. Dieser eine Punkt im ganzen Universum, um den sich alles drehte. Ganz gleich, ob ich allein war oder Zuschauer hatte. Mit Letzteren allerdings bekam das Tanzen einen besonderen Kick.
Gerade jetzt hatte ich Zuschauer. Die anderen Tänzer, auch wenn diese mehr auf die Choreo und sich selbst konzentriert waren, Mandy, die uns bislang schweigend und aufmerksam beobachtete, und Jay.
Mein Blick huschte zu ihm, jedes Mal an derselben Stelle der Choreografie. Etwas am Zusammenspiel der Schritte erschien mir nicht stimmig. Ich kam ins Stocken, jedes Mal, verlor den Fokus und wurde aus meinem Flow gerissen. Auch dieses Mal wieder und meine Aufmerksamkeit wanderte sofort zu Jay.
Holy shit, der Kerl konnte sich bewegen. Dazu die Sweatpants, die ihm locker auf den Hüften saßen und doch gerade eng genug waren, um die Kurven seiner Arschbacken mehr als nur erahnen zu lassen.
Mit dem nächsten slidenden Schritt nach vorne fand ich zurück in die Moves. Ich ließ mich in die Musik fallen und passte meine Attitude ganz automatisch den Vibes an, die Ava Max’ und Tiëstos ›The Motto‹ versprühten. Ein bisschen hochnäsig, ziemlich sexy, das Leben genießend. In diesem Moment fühlte ich es.
So lange, bis die Musik verhallte und ich meine Endpose löste. Neben mir fächelte sich einer der anderen Tänzer mit seinem Shirt Luft zu, indem er dieses mehrfach von seinem Körper fortzupfte. Eine leichte Brise frischer Schweiß waberte zu mir. Keine Frage, dass auch mir inzwischen echt warm war. Jays Choreo war anspruchsvoll, ich mochte sie. Bis auf diese eine Schrittkombination eben.
»Cool, oder?«
Ich wandte mich dem Kerl neben mir zu, der mich fröhlich angrinste. Unter seinem Shirt hob sich seine Brust in einem raschen Takt, ein dünner Schweißfilm glänzte auf seiner braunen Haut.
»Jérôme übrigens, hi.«
»Miles, freut mich. Ja, gute Choreo«, stimmte ich ihm zu, wobei mein Blick zurück zu Jay huschte. Er rieb sich mit einem dünnen Handtuch über den Nacken. Bei der Bewegung verrutschte sein Tanktop und gab den Blick auf einen seiner gepiercten Nippel frei. Ganz kurz streiften sich unsere Blicke, in seiner Miene ein kleines Zucken. Vielleicht schlicht der Anstrengung geschuldet.
»Okay, ich denke, die Choreo sitzt so weit bei allen.« Fragend sah er in die Runde und erntete zustimmendes Murmeln. Ich selbst hatte die Schrittfolge wie erwartet recht schnell drin gehabt. In der Theorie war mir klar, wie die Moves im Zusammenspiel mit Mandy aussehen sollten und was Jay damit bezweckte. In der Praxis allerdings … würde diese eine Stelle so nicht funktionieren.
Jay öffnete schon erneut den Mund, doch ich grätschte ihm im letzten Moment dazwischen: »Können wir über die eine Stelle reden?«
Sein Blick flog zurück zu mir. Mit dem Handtuch in der einen Hand winkte er ab. »Das ist nicht die Choreo, die ihr später auf der Bühne tanzen werdet, sollte Mandy sich für euch entscheiden. Es geht nur darum, die Choreo nachher sauber mit ihr durchzugehen.«
»Aber an der Stelle, an der wir aus dem Kick Ball Change kommen und …«
»Miles. Es ist egal, okay?« Über die Distanz der paar Meter hinweg maßen wir uns mit Blicken, wobei ich in dem Moment nicht einschätzen konnte, ob Jay tatsächlich angepisst über den Ansatz meiner Kritik war oder ob er mich nur abwürgte, weil es eben nicht die finale Bühnenchoreo war und damit schlussendlich die eine oder andere Schwäche gleichgültig. Letztlich ging es darum, Mandy gut aussehen zu lassen – und ich würde sie auch jetzt, beim Vortanzen, noch besser in Szene setzen als alle anderen. So gesehen kam mir die kleine Schwachstelle der Choreo gerade recht.
»Okay, sorry«, lenkte ich rasch ein. »War nur ein Gedanke. Die Choreo ist echt gut.«
Jays Lächeln konnte ich in dem Moment mit keinem anderen Wort als ›milde‹ beschreiben.
»Ihr beide als Erste?« Er deutete auf zwei Kerle in Baggy Jeans und weiten Shirts, der eine mit vermutlich raspelkurzen Haaren unter der Basecap, der andere mit Dreads.
Während die beiden vortraten, schnappten wir anderen unsere Trinkflaschen. Ich nahm mir noch einen Müsliriegel, denn immerhin hatte ich heute außer ein paar Cornflakes zum Frühstück nichts gegessen, und folgte meinen Mitbewerbern nach draußen in den Innenhof. Nicht ohne noch einmal einen Blick auf Jay zu werfen. Er jedoch beachtete mich nicht, sprach mit Mandy. Die beiden wirkten vertraut miteinander auf eine tiefe, aber nicht unbedingt sexuelle Art. Ich sollte mir echt mal ihre Instagram-Accounts ansehen.
~*~*~*~*~*~
Keine Frage, jetzt war Jay angepisst. Der Blick, den er mir zuwarf, als ich nach meinem Vortanzen an ihm vorbeiging, um mir einen weiteren Müsliriegel aus meinem Rucksack zu fischen, sagte alles. Er jagte mir ein hitziges Kribbeln über den Nacken, sorgte jedoch im selben Moment dafür, dass ich mir das herausfordernd triumphierende Grinsen verkniff. Ich war mir sicher, dass die Moves, die ich an dieser einen Stelle eigenmächtig in die Choreo eingebaut hatte, ihn in gewisser Weise beeindruckt hatten. Er hatte Ahnung vom Tanzen, er musste einfach sehen, dass meine Schrittfolge mehr dazu beitrug, Mandy strahlen zu lassen als seine. Worüber ich mir jedoch ganz und gar nicht sicher war, war, ob er – und auch Mandy – das anerkennen wollten und mir meine Initiative anrechneten. Oder ob sie mich nun für hochnäsig und teamunfähig hielten. Letzteres war ich nicht. Ersteres … vielleicht manchmal ein bisschen.
Jays Blick deutete darauf hin, dass ich mir mit diesen spontanen Moves gerade selbst die Chance auf den Backgroundtänzer-Job verbaut hatte. Was echt schade wäre. Eben weil ich beim Tanzen das Gefühl gehabt hatte, dass Mandy und ich eine gute Chemie auf künstlerischer Ebene hatten.
In den wenigen Sekunden, in denen Jay und ich einander ansahen, blieb seine Miene pissig. Ich meinte jedoch, auch dieses Funkeln in seinen Augen sehen zu können, das mir weitere Hitze das Rückgrat hinabjagte. Schließlich war Jay es, der sich abwandte. Dem Typen zu, der eben mit mir gemeinsam vorgetanzt hatte.
»Sagt ihr bitte den Jungs draußen, dass wir eine gute Stunde Pause machen und euch dann nachher Bescheid geben?« Klar, dass er mit ›wir‹ sich und Mandy meinte. Nach einem kurzen Blickkontakt zu ihr setzte er hinzu: »Sagen wir, wir treffen uns wieder hier um fünf.«
Zeit genug, um mir etwas Richtiges zu Essen zu holen. Rasch stopfte ich meine Trinkflasche zurück in meinen Rucksack.
Mandy trat neben mich. Sie fächelte sich mit einer Hand Luft im Nacken zu, hielt mit der anderen ihre dunkle Mähne hoch. Respekt für ihre Kondition. Sie tanzte zwar logischerweise nicht so viel wie ihre potenziellen Backgroundtänzer, immerhin bestand ihre Performance ja primär aus den Lipsync-Parts, aber ihre Bewegungen auf den hohen Hacken konnten sich wirklich sehen lassen. Dazu all das Make-up, die Kunstmähne – und das im Normalfall im warmen Scheinwerferlicht.
»Bist du happy mit der potenziellen Auswahl?« Kurzerhand streckte ich ihr einen meiner Müsliriegel entgegen. »Willst du?«
»Uh, ja. Danke. Und ja, wird schwer.« Sie zwinkerte mir mit ihren Endloswimpern zu und hob den Müsliriegel hoch. »Das hier wird dir keine Bonuspunkte bringen.«
»Habe ich nicht erwartet. Ihr werdet schon die Richtigen für dich aussuchen.« Hoffentlich mich…
»Bestimmt.« Ihr Lächeln wurde weicher, als sie sich Jay zuwandte. »Kommst du?« Sie nickte in Richtung der schmalen Tür an der Wandseite in meinem Rücken.
»Jepp.« Jay folgte ihr – ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Mandy allerdings schmunzelte mir über die Schulter hinweg noch einmal zu. Irgendwie wissend. Oder verheißungsvoll?
Mein Herz jedenfalls trommelte einen raschen Rhythmus, der nicht primär etwas mit der Anstrengung des Tanzens zu tun hatte.
~*~*~*~*~*~
Bereits zwanzig Minuten später schlenderte ich durch eine schmale Gasse wieder zurück in den Innenhof zwischen den Ateliers. Vor einem der Schaufenster hatte ich länger verharrt und die Gemälde im Inneren betrachtet, während ich meinen Chicken-Wrap verputzt hatte. Nun spülte ich den letzten Bissen mit einem Schluck Blueberry-Bubble-Tea hinunter. Das Zeug war meine persönliche Sünde, der ich immer wieder verfiel. Eine Sünde, die gemeinsam mit dem Wasser, das ich vorhin zwischen den Tanzeinheiten getrunken hatte, nun wieder aus meinem Körper hinauswollte.
Auf einer der Bänke, die eine kleine Sitzgruppe im Zentrum des Innenhofs bildeten, saß Jérôme mit den beiden Baggy Pants Typen.
»Hey! Wisst ihr, ob’s drinnen eine Toilette gibt?«
»Ja, klar«, entgegnete Jérôme mit seinem Happy-Face – der Kerl schien echt eine Frohnatur zu sein, »die Tür da gegenüber vom Eingang, den Gang entlang hinten rechts. Nicht links, da ist das Lager. Hab mich vorhin schon verlaufen.«
Ich erwiderte sein Grinsen, tippte mir an die Hutkrempe. »Alles klar. Danke.«
Die Kühle des Ateliers war eine willkommene Abwechslung zur Nachmittagswärme. Es kam mir vor, als habe die Juni-Sonne im Vergleich zu gestern schon wieder an Intensität zugelegt. Aber hey, Los Angeles’ Sommer waren eindeutig angenehmer als diese Affenhitze in Vegas.
Meinen Rucksack ließ ich wieder in der Ecke stehen, ehe ich die besagte Tür aufschob und in den Gang huschte. Allerdings drückte meine Blase nicht genug, um die Stimmen auszublenden, die durch die nur angelehnte Tür drangen. Die Tür links, die ich laut Jérôme ausdrücklich nicht nehmen sollte. Tat ich auch nicht. Dran vorbei musste ich allerdings, um zur Toilette zu gelangen, und verflucht, ich war nun mal nicht gehörlos.
»… nicht Miles nehmen.«
Ich stockte.
»Warum nicht?«
Ich sollte nicht auf Jays Antwort lauschen – konnte es aber auch nicht bleiben lassen.
»Er ist gut«, setzte Mandy noch hinzu.
»Ist er.«
Ich grinste.
»Verdammt gut sogar.«
Ich grinste noch breiter. Weniger, weil Jay mein Tanzen so empfand, sondern weil er es zugab. Vor Mandy. Aber vor mir?
»Und sexy«, stellte Mandy mit deutlich hörbarem Schmunzeln fest.
Ich sollte echt nicht hier stehen.
Jays Seufzen drang durch die angelehnte Tür. »Auch das.«
›Ha! Miles, beweg deinen Hintern weiter.‹ Ich hatte gerade einen weiteren Schritt an der Tür vorbei und in Richtung Toilette getan, als Mandy nachhakte: »Und dich stört was?«
Okay, das interessierte mich! Auch wenn ich mir denken konnte, dass ich es mir schlicht mit meiner großen Klappe bei Jay verscherzt hatte. Holy shit, ich wusste selbst, dass ich manchmal übers Ziel hinausschoss. Auf den Mund gefallen war er allerdings auch nicht gerade.
»Du wirst nur Ärger mit ihm haben.«
Ich biss mir auf die Unterlippe und …
»Und du willst ihn ficken.«
… sperrte damit gerade so das Keuchen in meinem Mund ein.
»Will ich nicht.«
»Dann dich ficken lassen«, hielt Mandy kühl und gleichsam hörbar amüsiert dagegen.
Durch den Türspalt drang ein eindeutig spöttisches Schnaufen. »Wenn ich ihn ficken wollte, würde ich das jetzt gerade tun.«
»Und mich hier allein mit der Entscheidung sitzen lassen? Sorry, Jay, würdest du niemals.«
»Mhm, weil ich dich liebe. Frag mich nur manchmal, warum.« Da war etwas in Jays Stimme, etwas zu verflucht Tiefes, Liebevolles, das meine Kehle schlagartig eng werden ließ. Und mir endgültig vor Augen führte, dass ich hier lauschend nichts verloren hatte.
Mit einem Ruck setzte ich mich in Bewegung und zog ein wenig zu geräuschvoll die Tür zur Toilette auf und hinter mir wieder zu. Hörte eine Minute später selbst über das Rauschen der Spülung hinweg Mandys und Jays Stimmen lauter werden, dann das Klicken eines Türschlosses, als die Spülung verstummte. Rasch wusch ich mir die Hände und trat zurück in den Gang. Mandy wandte sich an der Durchgangstür zum Hauptraum stehend zu mir um.
»Hey. Brauchst du noch was aus deinem Rucksack oder so? Wir würden das Atelier kurz absperren und uns auch noch was zu essen holen. Bis fünf sind wir aber wieder zurück.«
»Klar. Nein, ich brauch nichts.« Gemeinsam mit Mandy trat ich zurück in den Hauptraum, suchte mit Blicken unweigerlich Jay, doch fand ihn nicht auf Anhieb.
»Wem genau gehört das Atelier eigentlich?« Die Glasfenster zierte lediglich eine in dezent weißen Buchstaben gehaltene Aufschrift: D. N. Photo Arts – Mode- und Akt-Fotografie.
»Dale«, entgegnete Mandy sogleich, »Dale Nolan. Guter Freund von mir. Jays Verlobter.«
Shit! Darauf hätte ich auch selbst kommen können. Dass Jay einen Partner hatte, wusste ich. Zumindest kannte ich gemeinsame Onlyfans-Videos von den beiden, in denen sie sich auch offen als Paar zu erkennen gaben. Der Kerl war ebenfalls echt heiß, aber meinen Crush hatte ich eindeutig auf Jay und mich demnach nie weiter um seinen Freund gekümmert.
Nicht Freund. Verlobter. Das war noch mal eine andere Hausnummer.
Allerdings …
»Ich dachte, sein Partner heißt Tyler?« Oder Tyson? Wie auch immer. Irgendwas mit T und Y jedenfalls.
»Künstlername.«
Mein Kopf ruckte zur Seite. Jay trat hinter einem der Sideboards, auf dem gerahmte, kunstvolle Aktfotos standen und das ihm gerade mal bis zur Hüfte ging, hervor. In der Hand sein Smartphone und ein Ladekabel. Offensichtlich hatte er hinter dem Sideboard gekniet und ich ihn schlicht deshalb nicht wahrgenommen.
»Er war früher Darsteller und wenn wir für Onlyfans drehen, tritt er nach wie vor unter Tyler Stone auf. Sonst noch was, was du über unsere Beziehung wissen willst?« Die Frage setzte er mit einem gewissen genervten Unterton hinzu, der mich schlucken ließ. Ausnahmsweise schaltete mein Ego mal nicht auf Gegenangriff.
»Nein. War reines Interesse.« Ich zögerte einen Moment. Wieder einmal für Sekunden gefangen in der Art, wie Jay mich fixierte, als er auf mich zukam. In erster Linie ablehnend, aber ich hatte seinen Wortwechsel mit Mandy eben nicht vergessen. Offensichtlich kannte sie ihn gut und ich bildete mir dieses Blitzen in seiner Miene sicherlich nicht komplett ein. Zwischen uns lag sehr wohl etwas in der Luft.
Zischend entließ ich den Atem. »Jay, tut mir leid.«
»Was genau?«
»Dass ich dich vorhin so platt angequatscht habe und … Nein, ehrlich gesagt, dass ich die Choreo eigenmächtig geändert hab, tut mir nicht leid. Sie war echt gut, aber …« Ich ließ den Satz absichtlich unbeendet.
Mandy schob sich in mein Blickfeld. »Dale wird dir unbekannterweise verzeihen, denke ich.«
Verwirrt blinzelte ich sie an. »Warum Dale?«
»Die Choreo ist von ihm«, antwortete Jay schlicht. »Er konnte heute nur nicht hier sein, weil er spontan ein lukratives Shooting reinbekommen hat.«
»Oh, na dann. Also wegen vorhin noch mal …«
»Schwamm drüber. Weißt du, wär’s in einem anderen Kontext gewesen, wär’s was anderes. Sprüche wie deine gehören zum Pornobusiness dazu und ich weiß das durchaus zu kontern. Aber ich bin nicht als Darsteller hier. Das hier«, er umfing in einer flüchtigen Geste das Atelier, deutete zuletzt auf sich selbst, »ist privat. Da braucht mir niemand auf so eine Art zu kommen.« Er zögerte einen Moment, sein Blick huschte zu Mandy, ehe er wieder an mich gewandt hinzusetzte: »Ganz ehrlich, wäre das hier mein Ding, hätte ich dich direkt vor die Tür gesetzt. Aber es geht hier um Mandy und zugegeben, tänzerisch sehen wir beide etwas in dir. Nur deshalb bist du noch hier.«
Ich nickte. Schluckte einmal. Er hatte verdammt noch mal recht. Ich war zu weit gegangen.
»Also, wenn das jetzt geklärt ist, würde ich echt gern noch schnell was essen gehen.« Sein auffordernder Blick galt allein Mandy – und ich konnte es ihm gerade kein bisschen verübeln.
~*~*~*~*~*~
Zu meiner Verwunderung – und vielleicht auch minimalen Enttäuschung – kehrte Mandy pünktlich, aber ohne Jay zurück. Oder vielmehr, ich sah die beiden noch zusammen in der schmalen Gasse zwischen den beiden Gebäuden stehen und wie sie sich mit einem flüchtigen Kuss auf die Lippen verabschiedeten. Das Lächeln perfekt, ihre Schritte sicher auf den Heels, selbst auf den Pflastersteinen, kam Mandy zu uns herüber. Energisch verdrängte ich den Gedanken an Jay und verbot es mir selbst, ihm nachzuschauen. Ich war verflucht noch mal für Mandys Show hier, für einen Job, auf den ich Bock hatte, und nicht, um einem Kerl hinterherzusabbern. Sooo sexy war Jayson Ward nun auch wieder nicht.
»So, Jungs«, Mandy warf einen koketten Augenaufschlag in die Runde, »bevor ich euch jetzt alle wieder reinbitte, machen wir’s kurz, ja? Ich danke euch von Herzen, dass ihr alle hergekommen seid. Für mich ist das auch megaaufregend, das erste Mal mit Backgroundtänzern zu arbeiten, und ich habe …«, ihr Zögern erschien nicht wie eine Kunstpause, sondern wirklich Aufregung geschuldet zu sein, »mich entschieden, mit Jérôme und Miles zu arbeiten.«
Wow.
Von wegen, ich würde diesen Job bekommen, weil ich ihn wollte. So sicher war ich mir dann wohl doch nicht gewesen. Andernfalls würde mein Herz jetzt nicht wie wild hämmern.
»Echt jetzt?« Jérôme schien mindestens genauso positiv geschockt wie ich, nur dass er es auf der Zunge trug. »Mega! Ich freu mich total!« Sein kumpelhafter Boxhieb streifte mich nur am Arm, er ging bereits auf Mandy zu. »Darf ich?«
Lächelnd kam sie seinen geöffneten Armen entgegen. Die beiden tauschten Küsschen, während ich flüchtig zu unseren Mitbewerbern sah. Ein paar schauten enttäuscht drein. In meinem Inneren jedoch breitete sich vorfreudiges Kribbeln aus.
Sobald Jérôme Mandy aus seiner Umarmung entlassen hatte, wandte ich mich ihr zu und überbrückte ebenfalls den kleinen Abstand.
»Und du?« Abwartend legte sie den Kopf leicht schief, was eine Strähne ihrer glänzenden Echthaarperücke über ihre Schultern warf. »Freust dich hoffentlich auch?«
»Und wie«, entgegnete ich mit einem Lachen. »Ich geb’s ja nur ungern zu, aber sicher war ich mir nicht.«
»Ah, ah, doch ein bisschen Zweifel hinter der großen Klappe?«, frotzelte Mandy und gab mir ebenfalls einen leichten Schmatzer auf die Wange, den ich ebenso erwiderte.
»Nur minimal!«
Lachend sahen wir einander an und Jérôme klopfte mir noch einmal richtig auf die Schulter. »Das wird grandios!«, behauptete er mit eindeutigem Tatendrang in der Stimme. »Mit uns beiden im Hintergrund wirst du die begehrteste Drag in ganz L. A. werden.«
Mandy zwinkerte uns beiden zu. »Bisschen über L. A. hinaus wäre auch schön.« Was vermutlich durchaus realistisch war. Durch die Videos, die ich in den letzten Tagen angeschaut hatte, wusste ich, dass sie bereits Auftritte in San Francisco, London und Tel Aviv gehabt hatte.
»Wann geht’s los?«, hakte ich nach.
»So bald als möglich. Ich maile euch die Verträge heute noch. Lasst uns morgen mal einen Chat aufmachen und absprechen, wie wir das mit den Trainings timen. Wir müssen das ja ein bisschen mit deinen Schichten abstimmen.«
Jérôme lächelte entschuldigend. »Ich schichte im Krankenhaus«, erklärte er an mich gewandt.
»Aber du bist weitgehend flexibel, richtig?«
Ich nickte sofort. »Ich arbeite ehrenamtlich in einem Hunde-Shelter, aber da bin ich so weit frei.« In diesem Moment war ich seltsam erleichtert, dass keiner von beiden nachhakte, ob ich keinen ›richtigen Job‹ hatte. Aber gut, ich hätte ja genauso gut wirklich professioneller Tänzer sein können oder … was auch immer. Seit wann störte es mich überhaupt, wenn andere mich einfach als ›rich kid‹ abstempelten? Schlussendlich war ich eben genau das.
»Super! Entschuldigt mich bitte kurz.«
Während Mandy noch ein paar Worte mit den anderen Tänzern wechselte, sich vermutlich noch mal bei ihnen bedankte, tippte Jérôme eifrig auf seinem Smartphone herum. Ich ignorierte vehement das drückende Gefühl in der Brust. Hervorgerufen davon, dass da niemand war, dem ich stolz von meinem neuen Tanzjob erzählen konnte. Oder eher: Klar konnte ich Leuten davon erzählen, zumindest Claire und den einen oder anderen Kumpel aus Vegas würde es sicherlich interessieren. Sie würden sich für mich freuen. Aber eben nicht … so. Ich hatte niemanden, mit dem ich so vertraut war, wie beispielsweise Mandy und Jay wirkten. Die Leute aus Vegas waren in erster Linie Partyfreunde gewesen, mit denen ich mehr oder minder regelmäßig abgestürzt war. Niemand jedoch, mit dem man ernsthafte Themen besprach.
Statt also überhaupt jemandem zu schreiben, postete ich einfach nur eine Instagram-Story. So würden Claire und durch sie meine Eltern und meine Leute in Vegas es ja auch erfahren.
»Wie sieht’s aus?« Mandy trat wieder zu Jérôme und mir. »Ich will mal langsam aus den Hacken raus und mein Freund kommt gleich her. Wollen wir noch zusammen anstoßen gehen?«
»Ich würd echt gern«, Jérôme hob die Schultern, »aber ich hab bald Dienst.«
»Ich könnte theoretisch.« Und zugegeben, ich war doch neugierig, Mandy ohne High Heels und vielleicht auch ohne Perücke und Co zu sehen, und ihren – oder dann eben seinen – Freund kennenzulernen.
»Hast du heute Abend schon was vor?«, hakte sie nach.
»Nope.«
»Dann lass es uns so machen, dass du einfach gegen neun ins Lighthouse kommst. Kennst du das? Da ist heute ’ne ganz nette Afterwork-Beach-Party. Mein Freund und ich wollten mit unserem Partner hin. Jay und Dale kommen vielleicht auch.«
Logisch, dass ich da hellhörig wurde. Jedoch nicht nur wegen Jay.
»Warte … Freund, Partner …?«
Mandy lächelte verschwörerisch und schnurrte regelrecht: »Threesome-Love. Also, was ist, kommst du später? Dann stell ich dir Liam und Keith vor. Und Dale natürlich.«
»Da kann ich ja schlecht Nein sagen.« Wollte ich auch nicht. »Schickst du mir die Adresse? Ich bin noch nicht so lange in L. A.«
»Klar. Ist direkt unten am Venice Beach. Findest du sicherlich.«
Darüber machte ich mir nun wirklich keine Sorgen.
Es waren Tage wie dieser, die mir bestätigten, dass es eine gute Entscheidung gewesen war, Las Vegas zumindest für eine Zeit lang den Rücken zu kehren. Auf Dauer wäre mir das exzessive Leben, dem ich dort gefrönt hatte, wohl eher an die Substanz gegangen, als mich irgendwie weiterzubringen. Ich hatte es gespürt und mein Aufbruch nach Los Angeles war demnach auch ein klein wenig wie eine Flucht gewesen.
Ja, es war gut, hier zu sein, und es waren Abende wie dieser, die mich die von Hitze durchdrungenen Nächte Nevadas und die Leute, mit denen ich den nächtlichen Schweiß auf der Haut genossen hatte, kein Stück vermissen ließen.
Das Lighthouse – ein Club, der augenscheinlich so hieß, weil er wirklich einen kleinen Leuchtturm auf dem Dach hatte – und das dazugehörige Strandareal waren die perfekte Location, um den zurückliegenden Tag und meinen neuen Job zu feiern. Direkt am Venice Beach, mit Cocktails in der Hand und Sand unter den Füßen, tanzend direkt am Strand, mit dem Geruch von Meer – und ein wenig Marihuana – in der Nase und den Klängen chilliger Reggae Beats in den Ohren. Mit Menschen um mich herum, mit denen ich gern mehr Zeit verbringen würde. Rizzo und Liam, die miteinander lachten und so leicht und unbeschwert wirkten. Mit Keiths gleichsam strengen wie schützenden Blicken auf ihnen und dem eindeutig liebevollen Zug um seinen Mund, wenn einer der beiden sich an ihn schmiegte und ihn leise ›Daddy‹ nannte. Ein Abend in Gesellschaft von Jay und Dale, wobei Letzterer sich nicht aus der Ruhe bringen ließ, als ich ihn auf die geänderten Schritte in seiner Choreo ansprach. Wir quatschen eine ganze Weile, bis Dale sich schließlich entschuldigte, um eine weitere Runde Drinks zu organisieren.
Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie Dale Jay einen intensiven Kuss abrang, während dem Jay sich an ihn schmiegte. Ehe Dale sich losmachte und mit dem Tablett voll leerer Gläser in Richtung der Bar verschwand.
Es war auf den ersten Blick zu erkennen, dass zwischen Jay und Dale eine ganz andere, eine viel sexuellere Intimität herrschte als zwischen Jay und Rizzo. Eine Intensität, die das drückende Gefühl der Leere in meinem Inneren verstärkte. Inmitten dieser fünf so unterschiedlichen Männer fiel es mir schwerer denn je, diesen Druck zu ignorieren. Wegzulächeln oder zu überspielen, indem ich mich in den Mittelpunkt stellte.
Es war diese Art, wie sich Jays und Dales Körper nahezu selbstverständlich streiften. Wie Dale seine Hand im Vorbeigehen einmal kurz um Jays Taille schlängelte, unter dem Tanktop, das Jay trug, über nackte Haut strich. Die Berührung in ihrer Flüchtigkeit so alles sagend. Ebenso alles sagend wie Jays Lächeln, als Dale zuerst ihm und dann Rizzo, Liam, Keith und auch mir neue Drinks reichte.
Das, was zwischen Jay und Dale und auch zwischen Rizzo, Liam und Keith leuchtete, war das, was ich vermisste. Ich vermisste jemanden, der in all dem Trubel einer Beachparty stets ein Auge auf mich hatte. Ich wusste dafür zu sorgen, dass immer in irgendeiner Form Aufmerksamkeit auf mir lag. Irgendjemanden gab es immer, dessen Blicke ich durch meine Art zu fesseln wusste. Aber mich sah eben niemand so an, wie Jay Dale ansah und umgekehrt.
Klirrend stießen wir die Gläser aneinander.
»Die nächste Runde gebe ich aus!« Noch während ich das Angebot ausrief, legte der DJ einen meiner absoluten Lieblingssongs auf. Einen kleinen jubelnden Laut auf den Lippen drückte ich Liam, der mir in diesem Moment am nächsten stand, mein Cocktailglas in die Hand. Während Jay sich rücklings in Dales Arme und gegen dessen Brust lehnte, trafen sich zum wiederholten Mal an diesem Abend unsere Blicke. Spielerisch, nur ein klein wenig herausfordernd zwinkerte ich im zu. Hielt den Blickkontakt, während ich mich mit schwingenden Hüften rückwärts in Richtung eines freien Fleckchens Sand bewegte. Erst dort schloss ich die Augen, ließ mich gänzlich in den Beat fallen und tanzte einfach. Tanzte gegen die Leere in meinem Inneren an. So lange, bis Finger die meinen streiften. Ich öffnete die Augen, Rizzo stand direkt vor mir. Ohne Perücke, jedoch mit dezentem Make-up im Gesicht, das seine verbotenen langen Wimpern hervorhob und seine braunen Augen im Licht unzähliger Lampions von Silberblau umrahmt glitzern ließ, grinste er mir zu. Ehe er sich zu den anderen umdrehte, ohne dabei meine Hand loszulassen.
»Seht ihn euch an, das ist der Kerl, der neben Mandy perfekt auf der Bühne aussehen wird!«
Lachend umschloss ich seine Finger ein wenig fester, führte ihn bestimmend in eine Drehung, die er bereitwillig mitging. »Sollte es nicht in erster Linie darum gehen, Mandy perfekt aussehen zu lassen?«
»Ich bin mir sicher, genau dafür die richtige Wahl getroffen zu haben.«
Nur einen winzigen Moment zögerte ich, ehe ich entgegnete: »Ich hoffe, Jay sieht das genauso.«
Rizzos Miene verlor nichts von ihrem Strahlen. »Das lass mal meine Sorge sein.«
Das sagte er so leicht …
Statt nach Jay sah ich mich suchend nach Liam um. »Hat dein Freund meinen Drink noch?«
Als hätte er uns gehört, stand Liam mit einem Mal neben mir – und hielt mir ein noch halbvolles Cocktailglas hin.
Dankbar ergriff ich es, leerte den Rest des Drinks in einem Zug. »Will noch jemand?« In einer vagen Geste nickte ich in die Richtung, in der ich die nächste Bar vermutete.
»Na, wenn du so fragst …« Schon drückte Jay mir das Tablett in die Hände, begann die leeren Gläser darauf zu stapeln. Vier dieses Mal nur – Liam und Keith ließen es beim Trinken augenscheinlich langsamer angehen.
Mit den Getränkewünschen der anderen in den Ohren schlängelte ich mich zwischen schwatzenden und tanzenden leicht bekleideten Menschen hindurch. Hoffend, dass das Barpersonal tatsächlich dafür sorgte, dass weder im Sand noch auf den mit Holzplanken ausgelegten Wegen irgendwelche Scherben herumlagen. Zumindest war mir bis dato noch niemand mit zerschnittenen Füßen aufgefallen und Schuhe trugen bei dieser Beachparty nur die wenigsten. Nicht mal die Typen in Hemd und Sakko, die augenscheinlich den Begriff ›afterwork‹ sehr ernst genommen hatten. Auch ich hatte meine Schuhe im Inneren des Clubs an der Garderobe abgegeben. Sollten sie später nicht mehr da sein, würde ich eben barfuß durchs nächtliche Los Angeles wandern. Wäre auch ein nettes Abenteuer.
Die Bar, die ich angesteuert hatte, war zum Glück nicht allzu überfüllt, sodass ich recht zügig meine Bestellung bei einem der Barkeeper aufgeben konnte. Während ich wartete, nahm ich kurz ein Selfie auf und teilte es in meiner Instagram-Story. Das Bild, das ich früher am Abend bereits von Jay, Rizzo und mir online gestellt hatte, hatte mir augenscheinlich neue Follower eingebracht. Was zugegebenermaßen nicht weiter verwunderlich war, denn immerhin hatte ich die beiden verlinkt. Wie groß Jays Reichweite tatsächlich war, wusste ich nicht. War mir auch vollkommen egal.
Ich sah auf, als ich eine Bewegung im Augenwinkel wahrnahm. Der Barkeeper schob mir das Tablett mit vier neuen, gefüllten Cocktailgläsern und einer Reihe Shots über den Tresen hinweg zu. Rasch steckte ich mein Smartphone weg, zog stattdessen eine meiner Kreditkarten heraus und nannte dem Barkeeper den Endbetrag, den er abbuchen sollte. Während wir beide noch darauf warteten, dass das Kartenlesegerät die Bestätigung ausspuckte, ließ ich meinen Blick am Tresen entlangschweifen und blieb an einem Kerl hängen. Seine Klamotten – Jeans, schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt und eine schlichte Uhr mit Lederarmband – waren kein besonderer Hingucker, aber er war es durchaus. Kategorie: ›könnte Model sein‹. Mit seinen dunkelblonden, akkurat gestylten Haaren, dem symmetrischen Gesicht und dem eindeutig trainierten Körper war er eigentlich einer jener Kerle, die man sich zwar gern ansah, aber dann auch rasch wieder vergaß. Er hatte jedoch irgendetwas in seinen ebenmäßigen, dabei nicht zu weich wirkenden Zügen, das meine Aufmerksamkeit band und dafür sorgen würde, dass ich mich erinnerte. Da war ich mir sicher. Vielleicht waren es sein Lächeln und das kurze Blinzeln, das er mir zuwarf, und die Art, wie seine Miene nur Sekundenbruchteile später plötzlich kühler wurde. Scheinbar gleichgültig. Er wandte den Blick ab – und ich spürte dem feinen Kribbeln in meinem Nacken nach. Ich hätte schwören können, dass sein Desinteresse Fassade war. Fast schon wie eine Aufforderung an mich, herauszufinden, ob sein vorheriges Lächeln mir gegolten hatte.
Shit, hätte ich gerade nicht ein volles Tablett in der Hand, auf dem unter anderem die Drinks für Jay standen, wäre ich definitiv zu ihm gegangen. So allerdings …
Ich warf ihm noch einen langen Blick zu, aber er sah nicht erneut zu mir. Stattdessen griff er ein halbvolles Glas vom Tresen und schob sich durch die umstehenden Leute in entgegengesetzter Richtung davon. Okay, dann nicht.
Erst als ich lediglich mit meinem noch halbvollen Gin Tonic Glas wieder neben Jewel in der Strandlounge stand und sie fragend zu mir aufsah, wurde mir so richtig bewusst, dass meine Fluchtaktion von eben echt nicht durchdacht gewesen war. Aber gut, das hatte eine Flucht wohl oftmals an sich.
»Hast du meinen Drink auf dem Weg hierher heimlich auf ex gekippt?« Ihre Miene zeigte deutlich, dass sie mir ein ›Ja‹ nicht abnehmen würde.
»Äh … nein. Hab vergessen, was du haben wolltest.«
Auch nicht wirklich eine bessere Erklärung, weshalb es mich kein bisschen wunderte, dass ihre akkurat gezupften Brauen so weit nach oben wanderten, dass sie unter ihrem blonden Pony verschwanden. Jewel – eigentlich July, aber ich nannte sie noch immer so, obwohl unsere Beziehung inzwischen fast drei Jahre her war, – glaubte mir kein Wort. Ich hatte ihr noch nie wirklich etwas vormachen können.
Jewel hatte ich sie damals genannt, weil sie das Wichtigste in meinem Leben gewesen war. Inzwischen war sie das nicht mehr. Nicht mehr so zumindest. Die Liebe zwischen uns war längst verflogen, der Name aber geblieben. Vielleicht einfach, weil er zu ihr passte. Sie war ein Juwel im Inneren und bildschön wie ein Edelstein, noch immer, auch wenn sie mir ohne die gemachte Nase besser gefallen hatte. Ich sagte es ihr nicht. Keines von beidem. Wie wichtig sie mir nach wie vor war, wusste sie, und auch, dass ich ihre Stupsnase immer gemocht hatte. Ich erinnerte mich an unzählige Male, in denen ich ihr kleine Küsse auf die Spitze gegeben hatte.
Abgesehen von meinen persönlichen Vorlieben stand es mir nicht zu, ihr Aussehen zu kommentieren. Zudem hätte ich an ihrer Stelle vielleicht genauso gehandelt. Hätte mich optisch dem angepasst, was im Business gut ankam, wenn es das gewesen wäre, was von mir verlangt wurde. Demnach hatte ich sie vor Jahren auch unterstützt, als sie mit der Entscheidung gerungen hatte, sich die Brüste machen zu lassen. Ich hätte gelogen, hätte ich je behauptet, dass mir ihre ›getunten Titten‹ – ihr O-Ton, nicht meiner – nicht gefallen hätten.
Insgesamt fiel Jewel mit ›nur‹ einer Brust- und einer Nasen-OP so oder so im Vergleich zu vielen anderen Pornosternchen noch ins Raster ›natürlich schön‹. Ich war ganz froh, dass sie nicht mehr hatte machen lassen. Einfach um ihretwillen. Sie war verdammt sexy, verdammt erfolgreich und verstellte sich – trotz chirurgischer Eingriffe – nicht halb so sehr fürs Business, wie ich das tat. Fuck, Mann, wenn ich sie mir so ansah, wie glücklich und entspannt sie wirkte, wünschte ich mir wirklich fast, die Bedingung meines Labelchefs hätte ›lass dir den Schwanz chirurgisch vergrößern‹ gelautet und nicht ›tu mal so, als seiest du gay for pay‹.
Natürlich war es letztlich meine eigene Entscheidung gewesen, aber ich hatte schlicht nicht geahnt, dass es eines Tages so weit kommen würde. So weit, dass ich von der Bar floh, nur weil mich dort ein Kerl angrinste, der mich optisch ansprach.
»Mojito.«
Blinzelnd starrte ich auf Jewel hinab.
»Mojito«, wiederholte sie mit Engelsgeduld in der Stimme, aber mit einer Nuance in ihrer ebenmäßigen Miene, die eindeutig von Sorge erzählte. »Was ist los mit dir?«, fragte sie prompt. »Hast du an der Bar einen Geist gesehen?«
›Schön wär’s…‹Ich verkniff es mir, zu geräuschvoll die Luft auszustoßen. »Nein, alles gut. Bin nur einfach echt etwas durch heute. Zu viel zu tun aktuell.« Das stimmte sogar. Der Spagat zwischen Pornodrehs, Modeljobs und meinem Studium ging mir langsam, aber sicher an die Substanz. Mehr noch, seit ich vor zwei Jahren diese Entscheidung getroffen hatte und genau das eingetreten war, was Clark mir prophezeit hatte: Meine Karriere ging durch die Decke.
»Ryan, hey …« Jewel erhob sich und überbrückte die letzten beiden Schritte zu mir. Da ich im Sand und sie auf der hölzernen Terrasse, welche den Grund für eine der Lounges direkt am Strand bot, stand, waren wir annähernd gleich groß. Direkt vor mir stehend sah sie mir tief in die Augen. »Du kannst es mir wirklich sagen, wenn es dir zu viel ist, dass ich bei dir übernachte, solange ich in L. A. bin. Dann nehme ich mir ein nettes Hotel. Das wäre okay, wenn du …«
»Nein«, fiel ich ihr ins Wort, ehe sie noch weiterredete und damit unwissend meinen eigenen Frust auf mich selbst schürte. Fuck, ich hatte mich darauf gefreut, sie nach Monaten mal wieder zu sehen und ein paar schöne Tage mit ihr zu verbringen. Sie musste hier in L. A. arbeiten, ich auch. Aber den Rest der Zeit hatte ich mit ihr genießen wollen. Es konnte nicht angehen, dass mir diese verfluchte Gay-for-pay-Sache selbst jetzt dermaßen im Nacken saß. »Geh nicht ins Hotel«, bat ich sie eindringlich und ergriff mit der freien Hand die ihre, erwiderte den direkten Blickkontakt. »Ich hab dich gern um mich, das weißt du. Ich bin einfach nur gestresst und genau deshalb wird es mir guttun, dich bei mir zu haben.«
»Sicher?«
»Ja, ganz sicher.«
Um ihre vom Lipgloss glänzenden Lippen spielte ein Lächeln. »Dann krieg ich jetzt meinen Mojito, oder was?«
Lachend und schlicht erleichtert, dass sie nicht weiter nachhakte, nickte ich. »Zu Befehl, Mojito kommt, dieses Mal wirklich.« Mit diesen Worten wandte ich mich ab und steuerte durch die Menschen um mich herum auf die Bar zu. Zur Sicherheit auf die an der gegenüberliegenden Strandseite.
In den nächsten Stunden – oder zumindest ging ich davon aus, dass solche vergingen – verlor ich ein wenig das Zeitgefühl. Was weniger am Alkohol lag, denn auch, wenn wir den in nicht wegzudiskutierenden Mengen tranken, schwitzten wir doch einen Teil davon beim Tanzen gleich wieder aus. Vielmehr ließ ich mich einfach gedankenlos von den Beats und dem ausgelassenen Trubel um mich herum treiben. Es war schlicht scheißegal, wie viel Uhr es war. Hauptsache, der Morgen kam nicht allzu schnell. Aber noch war die Nacht über Los Angeles dunkel. Theoretisch wenigstens. Praktisch tauchten unzählige Lampions und das flackernde Licht aus dem Inneren des Clubs den Strand in ein leuchtendes Farbenmeer.
Irgendwann zwischen Tanzmoves im Sand und zwei weiteren Shots hatte ich mein Shirt ausgezogen. Während ich nun gerade mal kurz durchschnaufte und an einem Glas nippte, dessen Inhalt enttäuschenderweise nicht wie erwartet nach Gin Tonic, sondern einfach nur nach Tonic schmeckte, genoss ich das Gefühl des lauen Nachtwindes auf meiner nackten Haut. Die Meeresbrise war eine angenehme Abkühlung, die den frischen Schweiß trocknen ließ. An der Hitze in meinem Inneren und in meinem Nacken änderte das Lüftchen jedoch nichts. Schuld daran waren nicht meine Tanzmoves, sondern Jays Blicke, die sich über meinen nackten Oberkörper gruben. An einem meiner Tattoos hängen blieben. An welchem genau, vermochte ich nicht zu sagen.
»Wo hast du das stechen lassen?«
Ich versuchte, seinem Fingerzeig zu folgen, und strich mit meinen eigenen Fingern flüchtig über den von einem Seil umwundenen Anker, auf dessen Flunke die Buchstaben L und V schraffiert waren. Das Seil zerfaserte an dessen Ende in kleine schwarze Vögel, die über meine Brust bis übers Schlüsselbein strebten.
»In Las Vegas.«
»Ach, echt?« Jay verdrehte grinsend die Augen. »Wäre ich bei den Initialen nie draufgekommen. Ich meinte, wo genau? Bei welchem Tätowierer?«
Ich musste kurz in meinem vom Alkohol doch etwas vernebelten Hirn suchen. Bei über fünfzehn Tattoos konnte man schon mal ins Grübeln kommen.
»Er heißt Derek. Hat sein Studio etwas abseits vom Strip.«
»Okay, cool. Die dicken Linien sind krass, aber sehen gut aus.« Nur flüchtig sah Jay mir wieder ins Gesicht. »Vielleicht muss ich da mal vorbeischauen, wenn ich demnächst wieder in Vegas bin.«
»Urlaub? Oder ein Dreh? Bist du nicht exklusiv bei CC Cocks?«
»Doch.« Sein Blick haftete schon wieder an meinem Tattoo. Oder doch auf mir? »Unabhängig vom Label. Ein paar Kooperationen für Onlyfans. Ey, ich komm mit diesen Linien nicht klar.«
Grinsend stellte ich das Wasserglas zurück auf den Stehtisch neben uns, musste mich dabei ein wenig weiter zu Jay neigen und verharrte so bei ihm, dass sich unsere Körper beinahe berührten. »Willst du mal anfassen?« Die dicken Outlines des Ankers fühlten sich tatsächlich anders an als bei anderen Tattoos.
Der Gedanke zerfaserte, als Jay mir noch näher kam. So nah, dass tatsächlich Haut über Haut streifte und sein Atem meine Wange, hoch zu meinem Ohr.
»Nein«, flüsterte er mir hinein und bescherte mir damit trotz der verbalen Zurückweisung einen Schauer im Nacken. Und holy shit, dieser Blick, den er in mich bohrte, als er sich ganz ohne Hast, dafür mit purer Provokation zurückzog. Er grinste. Ganz offensichtlich hatte er durchaus Gefallen an diesem Spiel zwischen uns gefunden. Ich war mir nur nicht so sicher, wie weit er es mitgehen würde und ob das davon abhing, dass sein Verlobter hier war. Wo genau eigentlich?
Noch für einen langen Moment hielt ich Jays Blick, ehe ich mich abwandte, um mich suchend nach Dale umzusehen. Zumindest bis zu meiner letzten Tanzeinlage waren die beiden immer irgendwie in der Nähe des jeweils anderen gewesen.