Sheltered in blue - Wenn unser Schweigen bricht - Svea Lundberg - E-Book

Sheltered in blue - Wenn unser Schweigen bricht E-Book

Svea Lundberg

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Beschreibung

Endlich an der Polizeischule angenommen, hat Robin eine Sache sicherlich nicht geplant: sich in einen seiner Ausbilder zu verlieben. Aber Polizeioberkommissar Kilian Falk zieht ihn mit seiner selbstsicheren und gefühlvollen Ausstrahlung in seinen Bann. Als dann auch noch ein Fehlverhalten Robins aufzufliegen droht und Kilian ihn deckt, kommen sich die beiden näher. Eine Verbindung, die Kilian seine Karriere kosten könnte, und die beiden angreifbar macht. Als einzige Frau beim Spezialeinsatzkommando weiß Kristina, dass sie gut ist und ein fester Bestandteil der Einheit. Dennoch steht sie stetig unter dem Leistungsdruck, mit ihren männlichen Kollegen mithalten zu wollen. Mehr noch, als ihr bei einem Einsatz eine folgenschwere Unachtsamkeit unterläuft. Eine emotionale Stütze findet sie ausgerechnet bei dieser neuen Polizeischülerin, die ihr schon seit Tagen durch den Kopf geistert. Justyna ist mit ihrer kessen Art das teilweise genaue Gegenteil zu Krissi. Aber beide teilen eine Überzeugung: alles für die Einheit! Zu wissen, dass der Einsatztrupp immer zusammenhält, gewährt dem Einzelnen Sicherheit. Aber zu schweigen, kann manchmal auch der falsche Weg sein. Besonders, wenn man damit selbst ins Visier von Ermittlungen gerät. Können Robin und Justyna es wirklich bringen, einen Klassenkameraden zu verpfeifen? Oder riskiert Robin damit Kilians Job und seine eigene Ausbildung? ~~~~~ Dieser 6. Band der Gay Romance Polizeireihe »Sheltered in blue« kann komplett unabhängig von den Vorgängerbänden gelesen werden. Dich erwarten gefühlvolle Forbidden-love-Stories mit Age Gap, heißes Kribbeln und zärtliche Hurt-and-comfort-Momente, kombiniert mit realistischer Polizeiarbeit. ~~~~~ Bislang innerhalb der Reihe erschienen sind: »Sheltered in blue – Wenn Barrikaden brennen« (Erik & Nils) »Sheltered in blue – Wenn Erinnerungen lähmen« (Jan & Kadir) »Sheltered in blue – Wenn Vertrauen aus Verrat erwächst« (Elián, Ben, János) »Sheltered in blue – Wenn wir verletzen« (Domenico & Sascha) »Sheltered in blue – Wenn wir verzeihen« (Domenico & Sascha) »Sheltered in blue – Wenn unser Schweigen bricht« (Robin & Kilian, Krissi & Ju)

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Inhalt
Impressum
Vorwort
Widmung
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Epilog
Danksagung & Ausblick auf weitere Bände der Reihe
Über die Autorin
Die Sheltered in blue-Reihe & weitere M/M-Romance mit Polizeibezug
Leseprobe

 

 

 

 

 

 

 

Sheltered in blue

Wenn unser Schweigen bricht

 

 

ein Roman von Svea Lundberg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

Endlich an der Polizeischule angenommen, hat Robin eine Sache sicherlich nicht geplant: sich in einen seiner Ausbilder zu verlieben. Aber Polizeioberkommissar Kilian Falk zieht ihn mit seiner selbstsicheren und gefühlvollen Ausstrahlung in seinen Bann. Als dann auch noch ein Fehlverhalten Robins aufzufliegen droht und Kilian ihn deckt, kommen sich die beiden näher. Eine Verbindung, die Kilian seine Karriere kosten könnte, und die beiden angreifbar macht.

 

Als einzige Frau beim Spezialeinsatzkommando weiß Kristina, dass sie gut ist und ein fester Bestandteil der Einheit. Dennoch steht sie stetig unter dem Leistungsdruck, mit ihren männlichen Kollegen mithalten zu wollen. Mehr noch, als ihr bei einem Einsatz eine folgenschwere Unachtsamkeit unterläuft. Eine emotionale Stütze findet sie ausgerechnet bei dieser neuen Polizeischülerin, die ihr schon seit Tagen durch den Kopf geistert. Justyna ist mit ihrer kessen Art das teilweise genaue Gegenteil zu Krissi. Aber beide teilen eine Überzeugung: alles für die Einheit!

 

Zu wissen, dass der Einsatztrupp immer zusammenhält, gewährt dem Einzelnen Sicherheit. Aber zu schweigen, kann manchmal auch der falsche Weg sein. Besonders, wenn man damit selbst ins Visier von Ermittlungen gerät. Können Robin und Justyna es wirklich bringen, einen Klassenkameraden zu verpfeifen? Oder riskiert Robin damit Kilians Job und seine eigene Ausbildung?

 

Dieser 6. Band der Gay Romance Polizeireihe »Sheltered in blue« kann komplett unabhängig von den Vorgängerbänden gelesen werden.

 

Dich erwarten gefühlvolle Forbidden-love-Stories mit Age Gap, heißes Kribbeln und zärtliche Hurt-and-comfort-Momente, kombiniert mit realistischer Polizeiarbeit.

Impressum

Copyright © 2023 Svea Lundberg

 

Julia Fränkle-Cholewa

Zwerchweg 54

75305 Neuenbürg

[email protected]

www.svealundberg.net

 

 

Buchsatz: Annette Juretzki / www.annette-juretzki.de

 

Covergestaltung: Fenja Wächter / https://fenjawaechter.de

 

Bildrechte:

© kaninstudio - stock.adobe.com

© Teodor Lazarev - stock.adobe.com

© DimaBaranow - depositphotos.com

 

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte sind vorbehalten.

 

Die in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Der Inhalt des Romans sagt nichts über die sexuelle Orientierung der Covermodels aus.

Vorwort

Liebe Leser*innen,

 

nach über einem Jahr Pause kehrt meine Polizeireihe »Sheltered in blue« endlich zurück und ich freue mich unheimlich, diesen neuen Band mit euch zu teilen. Wie jedes Mal liegt es mir am Herzen, gefühlvolle und kribbelnde Lovestories mit realistischer Polizeiarbeit zu verbinden – und dabei auch das eine oder andere sensible Thema aufzugreifen.

 

Wie wichtig ist der Zusammenhalt innerhalb der Polizei für jeden Einzelnen? Wie weit darf dieser gehen? Wann ist die Schwelle hin zum Korpsgeist überschritten? Und wie schwierig kann es sein, sich als angehende*r Polizist*in in diesem Konstrukt zurechtzufinden, wenn die Erwartungen an sich selbst hoch sind?

 

In »Wenn unser Schweigen bricht« möchte ich verschiedene Blickwinkel auf dieses Thema zulassen und dabei mehr als ›nur‹ eine Liebesgeschichte erzählen. Denn ich finde, es ist höchste Zeit, neben den Kerlen in Uniform mal ein paar starke Frauen zu Wort kommen zu lassen. Auch wenn das Hauptaugenmerk der Reihe nach wie vor auf Männern, die Männer lieben, liegen wird.

 

Auf eine kleine künstlerische Freiheit in diesem Roman möchte ich noch hinweisen: Aktuell – im Jahr 2023 – befindet sich auf dem Gelände des Polizeipräsidium Einsatz in Göppingen keine Polizeischule mehr. Für die Handlung dieses Romans habe ich mir erlaubt, wieder eine Ausbildungsstätte für angehende Polizist*innen auf das Gelände der Bereitschaftspolizei in Göppingen zu verlegen. Dies hatte ich in den Bänden 1 und 2 der Reihe bereits getan und ich wollte mein Setting gern beibehalten.

 

Ich wünsche euch viele schöne Lesestunden mit Robin & Kilian sowie Krissi & Ju!

 

Alles Liebe

Eure Svea

 

 

Widmung

Für all jene, die täglich mit ihrem Leib und Leben für unser aller Sicherheit einstehen. Für ihre Familien und Freunde.

 

~~~~~

 

Die »thin blue line« – eine dünne blaue Linie auf schwarzem Grund – hat sich, ausgehend vom angelsächsischen Raum, weltweit als Zeichen der Verbundenheit zwischen Gesetzeshütern und Bevölkerung etabliert und hebt den Auftrag der Beamten im Dienst hervor, die Bevölkerung vor kriminellen Elementen zu bewahren. Vor dem schwarzen Hintergrund erinnert die »thin blue line« an all jene Kollegen, die im Dienst verletzt oder getötet wurden.

 

Ausgehend von diesem Symbol entstand der Reihen-Titel »Sheltered in blue«. Stets in der Hoffnung, die Beamten mögen unverletzt aus dem Dienst zurückkehren. In ihr Zuhause, zu ihren Familien und Freunden.

 

 

Prolog

~~~ Kilian ~~~

 

Über seinen Schreibtisch hinweg, auf dem sich Akten und andere Unterlagen äußerst geordnet stapeln, bohrt Polizeidirektor Renitz seinen Blick in meinen. Seine Miene ist dabei die des knallharten Ermittlers, der er vor seiner Laufbahn im höheren Dienst einmal war. Jahre ist das her und auch ich habe bereits eine gewisse Karriere bei der Polizei hingelegt, auf die ich mit Stolz schauen kann. Schauen könnte. Denn unter Direktor Renitz’ Musterung steigt gerade zunehmend das bittere Gefühl in mir auf, einen folgenschweren Fehler begangen zu haben.

Aber zur Hölle, so werde ich nicht denken. So will ich nicht von Robin und mir denken.

Ich sitze hier nicht als Beschuldigter in einem Strafverfahren, sondern einfach nur als Mann, der sich verliebt hat. Allerdings auch als einer, der Gefühle für einen Mann entwickelt hat, für den er es nicht sollte.

Das zwischen Robin und mir ist nicht gegen das Gesetz – aber eben doch gegen die Dienstvorschriften. Oder zumindest könnte man es so auslegen, wenn man wollte. Und mir ist klar, dass es da jemanden gibt, der gedroht hat, alles daran zu setzen, meinen und auch Robins beruflichen Werdegang zu zerstören.

Eigentlich traue ich ihm nicht zu, dass er wirklich die Macht dazu hat. Denn eigentlich reicht das, was zwischen Robin und mir ist, nicht aus, um ein Disziplinarverfahren gegen mich zu eröffnen. Eigentlich …

»Oberkommissar Falk«, setzt Direktor Renitz erneut an und allein der Umstand, dass er mich mit vollem Dienstgrad anspricht, zieht die Enge in meinem Brustkorb weiter zu, »unter den vorherrschenden Umständen muss ich Sie das fragen …«

In der nur eine oder zwei Sekunden andauernden Kunstpause tippt er einmal mit dem Finger auf die Akte, die direkt vor ihm, zwischen uns, auf seinem Schreibtisch liegt. Robins Schülerakte. Ich spüre meinen Puls in meinem Hals pochen.

›Gott, Robin … warum hast du das getan?‹

Ich kenne seine Gründe. Aber das macht es gerade keinen Deut besser. Im schlimmsten Fall sind wir nun beide dran.

Ich ahne, was Direktor Renitz mich fragen wird, und dennoch treffen mich seine Worte im Innersten, als er sie mir regelrecht in die Brust bohrt: »Haben Sie Ihre dienstliche Stellung jemals ausgenutzt, um sexuelle Handlungen von Ihrem Schüler zu erzwingen?«

Kapitel 1

FREITAG

 

~~~ Robin ~~~

 

Der Wachhabende wirft einen prüfenden Blick durch die Schutzglasscheibe auf meinen Dienstausweis und etwas in meiner Bauchgegend vollführt einen kleinen Hüpfer. Nicht, weil ich befürchte, es könnte ein Problem mit meinem Zutritt auf das Polizeigelände geben, sondern weil es für mich nach wie vor ein großartiges Gefühl ist, endlich hier zu sein und meinen Traumberuf erlernen zu können. Hat ja auch lange genug gedauert.

Mit einem knappen Nicken winkt der Beamte Ju und mich durch die Schranke. Beide stecken wir unsere Dienstausweise wieder zurück – ich in die kleine Tasche an meiner dünnen Softshelljacke, Ju in einen dafür vorgesehenen Schlitz an ihrer Sportleggins. Dabei grinst sie mich an, was sie dank ihres Ponys, das ihr fransig und ein wenig verschwitzt in die Stirn hängt, noch kesser aussehen lässt.

»Ich schwör dir, in der ersten Woche hätte ich mir das Teil am liebsten gerahmt neben’s Bett gestellt.«

Es ist offensichtlich, dass sie von ihrem Dienstausweis redet, und ich muss einfach auflachen. Gut zu wissen, dass nicht nur ich dämlich stolz darauf bin.

»Ich auch«, gebe ich daher leichthin zu.

In zügigem Laufschritt überqueren wir den Alarmplatz in Richtung der langgezogenen U-förmigen Gebäude, in denen zum Großteil die Zimmer für uns Polizeischüler liegen. Aus dem Augenwinkel mustere ich Ju – eigentlich Justyna. Mit ihren zarten achtzehn Jahren – fast neunzehn, wie sie immer betont – ist sie knapp vier Jahre jünger als ich. Was nichts daran ändert, dass wir uns von Tag eins an der Polizeischule super verstehen. Im Gegensatz zu mir ist sie direkt nach dem Abi dem Weg gefolgt, von dem sie nach eigenen Angaben schon jahrelang wusste, dass sie ihn gehen will. Polizistin zu werden – genauer: nach der Ausbildung in eine geschlossene Einheit wie die BFE oder irgendwann mal zum MEK oder sogar SEK zu kommen – ist ihr Traum. Sie hat da präzise Vorstellungen. Ich hingegen habe nach der Mittleren Reife erst mal eine Ausbildung zum Physiotherapeuten angefangen – und auch beendet. So richtig happy war ich mit dem Job aber nie. Dennoch hat es noch knapp zwei Jahre im Berufsalltag gebraucht, damit ich den Schritt gewagt und mich, entgegen den Sorgen meiner Familie, bei der Polizei beworben habe. Ist letztlich aber auch egal. Fakt ist: Ich bin jetzt hier und werde Polizist!

»Kommst du noch mit in die Kantine oder ernährst du dich wieder nur von Kaffee?« Jus Gesichtsausdruck zeigt deutlich, dass sie meine Antwort ahnt und was sie davon hält.

In der Theorie ist mir klar, dass das Frühstück eine wichtige Mahlzeit ist. Praktisch allerdings bekomme ich vor neun oder sogar zehn Uhr echt nichts runter. Das hat meine Mutter schon zweiundzwanzig Jahre lang vergebens versucht. Selbst zu Grundschulzeiten habe ich immer erst in der großen Pause gefrühstückt. Keine Ahnung mehr, wie es in der Kita war.

»Nee. Ich geh schnell duschen und dann …« Ich stocke. Schlucke die Worte, die mir bereits auf der Zunge lagen, hinunter. Nicht zum ersten Mal denke ich mir, dass ich wenigstens Ju in mein kleines Geheimnis einweihen könnte. Sie würde sicherlich dichthalten. Aber wieder einmal entscheide ich mich dagegen und füge nur hinzu: »… sehen wir uns gleich in Verkehrsrecht.« Bei diesen Worten schlägt mein Herz rascher. Ich kann nicht mal genau sagen, ob das noch am Joggen oder an den Gedanken an mein kleines Geheimnis liegt. Eines meiner beiden Geheimnisse.

Rasch reiße ich mich mit einem leichten Kopfschütteln aus meinen Überlegungen.

»Okay«, Ju seufzt, grinst wieder, »dann bis gleich.«

Während sie sich die Jacke, die sie beim Joggen um die Hüften getragen hat, überstreift und Richtung Kantine läuft, wende ich mich vollends dem Unterbringungsgebäude zu. Auf den Gängen kommen mir andere Polizeischüler und auch einige ältere Kollegen – vermutlich BFEler – entgegen, die meisten von ihnen wohl auf dem Weg zum Frühstück. Ich selbst werde mir in meinem und Timos Zimmer lediglich einen Kaffee ziehen, ehe ich duschen und dann zum Unterricht gehen werde. Koffein am Morgen reicht mir. Dazu vielleicht ein paar Mehlwürmer?

Ich grinse schief bei dem Gedanken, wobei sich ein unwohles Drücken in meine Magengegend schleicht. Weniger, weil ich mir vorstelle, wirklich Mehlwürmer zu essen, als vielmehr weil mir klar ist, dass ich es nicht ewig werde geheimhalten können. Zumindest nicht vor meinem Zimmerpartner.

Zu meiner Erleichterung ist Timo nicht da, vermutlich beim Frühstück, als ich unser gemeinsames Zimmer betrete. Rasch schließe ich die Tür hinter mir und eile rüber zu meinem Bett, schlage die überdimensionale Tagesdecke zurück, bei der ich immer penibel darauf achte, dass sie bis fast zum Boden reicht. Selbst wenn ich im Bett liege, lasse ich sie über dem Fußende hängen.

Mit einem weiteren nervösen Blick in Richtung Tür, von der aus man dank eines Wandvorsprungs glücklicherweise nicht direkt auf mein Bett schauen kann, greife ich darunter und ziehe es hervor: das kleine – eigentlich viel zu kleine – Terrarium, in dem meine Vogelspinne sitzt.

»Guten Morgen, Erna«, murmele ich ihr zu und komme mir dabei kein bisschen dämlich vor. Nur schäbig. Weil ich sie seit nunmehr zweieinhalb Wochen auf zu wenig Raum im Halbdunkeln und bei geringer Luftfeuchtigkeit unter meinem Bett halte. Aktuell habe ich leider keine andere Wahl. Haustiere jeglicher Art sind auf dem Polizeigelände untersagt, meine Eltern und meine jüngere Schwester weigern sich, Erna zu behalten, und sie abzugeben, bringe ich nicht übers Herz. Ich weiß, dass viele Menschen – meine Familie inklusive – das nicht nachvollziehen können, aber mein Herz hängt an dem Tier. Wo die Mehrzahl der Leute sich in Hunde- oder Katzenmenschen unterteilt, bin ich eindeutig Spinnen- und Reptilienmensch.

Sobald ich den Deckel des kleinen Terrariums öffne, regt Erna sich und krabbelt an der teilweise mit Kork verkleideten Scheibe nach oben. Die Vorstellung, wie sie durch das Zimmer stromert und Timo einen halben Herzinfarkt verpasst, hat etwas Amüsantes und Beängstigendes gleichzeitig an sich. Mann, ich brauche echt eine Lösung für dieses Geheimnis.

Ein Blick auf Ernas Leib zeigt, dass sie langsam wieder etwas Futter vertragen könnte. So faszinierend ich es auch finde, Vogelspinnen bei der Nahrungsaufnahme zuzusehen, achte ich doch immer darauf, Erna nicht zu viel anzubieten. Die Haut am Abdomen einer Vogelspinne ist ziemlich dünn. Wenn sie zu viel fressen und der Leib dadurch zu dick wird, kann es durchaus passieren, dass dieser platzt oder sie sich an einer rauen Oberfläche aufreißen. So will ich meine Erna definitiv nicht sterben sehen!

Ebenfalls unter dem Bett ziehe ich die Kiste mit den Mehlwürmern hervor. Eigentlich sollte Erna bald mal wieder Heimchen, Grillen oder noch besser, eine lebendige, kleine Maus bekommen. Aber all diese Futtertiere hier zu haben, wäre zu auffällig. Mehlwürmer sind da noch die geräuschloseste Variante.

Während Erna den ersten Wurm packt und sich einverleibt, haste ich noch mal zur Zimmertür und spähe nach draußen auf den Gang. Kein Timo in Sicht.

Am Waschbecken in der Nische neben der Tür fülle ich die Sprühflasche, damit Erna gleich wenigstens noch ein bisschen Luftfeuchtigkeit-Feeling bekommt. Aktuell bin ich wirklich froh drum, dass eine Grammostola rosea keine ganz so hohen Feuchtigkeitswerte und Temperaturen benötigt. Nichtsdestotrotz ist diese Haltung unter dem Bett einfach Mist. Für Erna und ebenfalls für meine Nerven!

 

Rund zehn Minuten später ist Erna so weit versorgt, dass ich sie – wenn auch mit schlechtem Gewissen – wieder zurück in ihre Unter-dem-Bett-Höhle schieben kann. Keine Minute zu früh, denn das Geräusch der sich öffnenden Zimmertür bezeugt, dass Timo hereinkommt. Während er vollends ins Zimmer tritt, ziehe ich mir schon mal meine Laufjacke aus.

»Hey, Morgen«, begrüße ich meinen Zimmerkollegen, der sich gerade noch den letzten Bissen eines Croissants in den Mund schiebt.

»Hi«, nuschelt er an diesem vorbei und lässt sich auf sein Bett fallen.

Mein Blick indessen schweift zum Funkwecker. Ich sollte mich echt beeilen, in weniger als fünfzehn Minuten ist Unterrichtsbeginn. Und insbesondere bei Verkehrsrecht will ich nicht zu spät kommen. Aus Gründen.

Ehe ich mich in den Gedanken an mein zweites Geheimnis verfangen kann, quatscht Timo mich an. »Sag nicht, du warst schon Sport machen.«

»Doch«, bekräftige ich das, was aufgrund meiner verschwitzten Klamotten wohl ohnehin offensichtlich ist. »War mit Ju joggen.«

Timos verständnislosen Blick erahne ich mehr, als dass ich ihn sehe, als ich an seinem Bett vorbei rüber zum Waschbecken gehe, neben dem mein Kulturbeutel steht.

»Warum machst du so was? Stehst du auf Ju?«

»Ha ha. Witzig«, kommentiere ich seine Frage wenig amüsiert. Es ist kein Geheimnis unter uns Polizeischülern, dass Ju auf Frauen steht. Oder auf als weiblich gelesene Menschen. Sie ist da offen. Gefühlt sowieso in allem. Im Gegensatz zu mir scheut sie sich nicht davor, ehrlich und unbeschwert mit ihren Präferenzen umzugehen.

Während ich mir ein Handtuch und frische Unterwäsche aus dem Schrank fische, schiele ich zu Timo, der inzwischen rücklings auf seinem Bett fläzt und auf seinem Handy herumtippt. Dass seine Frage eine bloße Fopperei war, ist klar. Er weiß genauso wie ich, dass Ju lesbisch ist – und kommentiert es nicht weiter. Was mir bei der wiederholten Überlegung, wie er wohl reagieren würde, wenn er wüsste, dass sein Zimmerpartner schwul ist, nicht wirklich weiterhilft. Kein Problem mit Frauen, die auf Frauen stehen, zu haben, bedeutet leider noch lange nicht, auch Männern, die auf Männer stehen, gegenüber liberal zu sein.

Mann, ey, ich habe eindeutig zu viele Geheimnisse, die ich mit mir herumtrage. Traumjob Polizist hin oder her, das zehrt an mir.

Innerlich seufzend wende ich mich vollends ab, schnappe mir noch rasch meine Uniform und verlasse mit einem: »Bin noch schnell duschen«, das Zimmer.

 

~~~

 

Zu meinem Glück kommt unser Verkehrsrecht-Lehrer des Öfteren ein bisschen zu spät und auch heute steht die Tür zum Klassenraum noch offen, als ich eine Minute vor offiziellem Unterrichtsbeginn über den Gang hetze. Meine eiligen Schritte geraten jedoch ins Stocken. Polizeioberkommissar Falk kommt mir den Flur entlang entgegen, unsere Blicke treffen sich – und mein Herzschlag stolpert. Nicht, weil ich einen Anpfiff von ihm befürchte, sondern schlicht, weil ihn zu sehen, mir jedes Mal ein unregelmäßiges Pochen in der Brust beschert. Eines, von dem ich mich jedoch schnellstmöglich erholen muss und es mir nicht anmerken lassen darf. Denn ich kann echt darauf verzichten, dass meine Klassenkameraden durchschauen, dass ich für einen unserer Lehrer schwärme. Ich habe nicht vor, meine sexuelle Orientierung an der Polizeischule die ganze Zeit zu verheimlichen. Aber das muss wirklich niemand wissen!

Dementsprechend stoße ich nur ein: »Morgen, ’tschuldigung«, hervor und husche an POK Falk vorbei und in den Klassenraum.

Ich höre noch sein: »Guten Morgen, Robin«, das tief und warm und nach einem Lächeln klingt, und flüchte mich regelrecht an den freien Platz neben Ju.

»Alles klar?«, raunt sie mir prompt zu, was sich hoffentlich einfach nur auf mein Zuspätkommen bezieht. Nein, auch vor ihr habe ich nicht vor, zuzugeben, dass ich wohl ein bisschen auf Kilian – POK Falk – stehe.

»Mhm, nur beim Duschen verbummelt«, gebe ich flüsternd zurück, womit sie sich zufriedengibt und ihren Collegeblock beim Abteil Verkehrsrecht aufschlägt.

Während ich selbst meine Sachen aus meinem Rucksack krame, kann ich es mir nicht verkneifen, zu POK Falk zu linsen. Er lässt sich nicht davon beeindrucken, dass nur langsam Ruhe im Raum einkehrt, weist niemanden zurecht, sondern wirft den entsprechenden Leuten nur einen vielsagenden Blick zu. Generell ist er lockerer als die meisten anderen unserer Lehrer, lässt aber gleichzeitig auch keinen Zweifel an seiner Autorität. Er ist … auf Augenhöhe mit uns Schülern, jedoch ohne auf Kumpel zu machen. Irgendwie imponiert mir das und dazu kommt noch, dass er mit seinen dunkelbraunen Haaren, den symmetrischen, aber doch nicht zu glatten Gesichtszügen und dem Fünftagebart um volle, schön geschwungene Lippen genau mein Typ ist. Noch dazu steht ihm die Uniform verdammt gut. Dass er einige Jahre älter ist als ich, stört mich kein bisschen – eher im Gegenteil. Dabei sollte es mich vielleicht stören. Wenn auch nicht so wie der Fakt, dass er mein Lehrer ist und demnach nichts zwischen uns laufen wird. Mal abgesehen davon, dass ich keine Ahnung habe, ob er potenziell an Männern interessiert ist. Ich rede mir ganz gern ein, dass er sicherlich sowieso hetero ist. Nur leider auch jetzt nicht besonders überzeugend, denn nicht zum ersten Mal bleibt sein wacher Blick, als er einmal in der Klasse ringsum schaut, an mir hängen. Länger als an allen anderen.

Für Sekunden sehen wir einander an. In mir kribbelt das Bedürfnis, aufzustehen, nach vorne zu gehen, bis ich nahe genug vor ihm stehe, um ergründen zu können, ob das Braun seiner Augen wirklich so warm ist, dass sich erklärt, weshalb ich plötzlich zu schwitzen beginne. Wann genau habe ich eigentlich von meinem Schreibblock aufgesehen und mich ihm vollends zugewandt?

Abrupt reiße ich meinen Blick los, nahezu im selben Moment, in dem auch er den seinen wieder auf die gesamte Klasse richtet und den Unterricht beginnt. Verkehrsrecht ist echt nicht das spannendste Fach und doch hat es sich innerhalb weniger Wochen zu meinem Lieblingsfach entwickelt. Gleichzeitig zu dem, vor dem ich mich am meisten scheue.

Sollte man als Polizist nicht in aufreibenden Situationen die Nerven bewahren? Na, zumindest habe ich seit Beginn meiner Ausbildung die allerbesten Möglichkeiten, genau das zu trainieren.

Während POK Falk die Unterrichtsstunde mit einer kurzen Wiederholung beginnt, schieben sich von links schlanke Finger und mit ihnen Jus Collegeblock in mein Sichtfeld. In die untere rechte Ecke hat sie etwas gekritzelt. Ihre Schrift so klein und verschlungen, dass ich mich regelrecht hinabneigen muss, um sie entziffern zu können.

Wann gehst du heute Abend rüber?

Keine Frage, dass sie auf die Party anspielt, die heute in der Kantine steigen soll. Was mich vor allem insofern freut, da ich dadurch die ideale Begründung habe, auch dieses Wochenende nicht nach Hause zu fahren. Seit Ausbildungsbeginn habe ich jedes Wochenende hier verbracht, was, wie ich feststellen musste, schon eher die Ausnahme unter den Polizeischülern ist. Gerade weil die meisten von uns nicht allzu weit von Göppingen entfernt leben, sodass das Wochenendpendeln zwischen der Ausbildungsstätte und dem familiären Zuhause keine große Sache ist.

Meine Eltern haben sich schon gewundert, dass ich selbst nach der dritten Woche nicht nach Hause kommen werde. Aber mal abgesehen von der anstehenden Party wage ich es schlicht nicht, Erna hier zurückzulassen. Und sie jedes Mal aufs Neue reinzuschmuggeln, ist mir eindeutig zu riskant. Bei dem einen Mal bin ich schon gefühlt tausend Tode gestorben und ehrlicherweise bis heute noch überrascht, dass es mir gelungen ist.

Kurz zögere ich mit meiner schriftlichen Antwort, denn wann ich zur Party gehen werde, hängt eben auch davon ab, ob und wann ich vorher noch mal die Chance bekomme, nach Erna zu sehen. Insgeheim hoffe ich ja darauf, dass Timo und die anderen Leute, mit denen wir meist zusammenhängen, in den Duschen vorglühen werden. Das würde mir ein paar unbeobachtete Minuten verschaffen.

Denke mal spätestens gegen neun, kritzle ich unter Jus Frage.

Sie überfliegt meine Worte, ehe sie nur einen Daumen hebt und mich angrinst. Dann wenden wir uns beide POK Falk und den Paragrafen zu. Bleibt mir nur zu hoffen, dass ich mich in Gegenwart des Ersteren auf Letztere konzentrieren kann.

 

~~~ Kristina ~~~

 

Noch einmal lasse ich den Blick über die knapp ein Dutzend Maschinenpistolen und Schrotflinten wandern, die meine Kollegen und ich, gemeinsam mit Beamten der Kripo, in dem nach außen hin beschaulich wirkenden Einfamilienhaus sichergestellt haben. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mit mehr gerechnet. Vielleicht auch mit Sprengstoff. Doch statt solchem legt ein Kollege lediglich noch eine AK-47 zu dem Arsenal in den Kofferraum der Sachbearbeiter von der Kripo.

Ein flüchtiger Blick nach links zeigt mir, dass es Jarek ist, der neben mir steht. Bis oben hin vermummt in unserem Plattenträgersystem samt Sturmhaube, ist es manchmal gar nicht so leicht, die Kollegen auf die erste Sekunde zu erkennen. Lediglich ich dürfte direkt auffallen. Schutzausstattung hin oder her, ich bin eben doch schmaler als meine männlichen Kollegen.

Flüchtig deute ich auf die Waffensammlung, die ihren Weg in die Asservatenkammer der Kripo finden wird.

»War wohl doch nicht der dickste Fisch in der Bewegung, was?«

Jarek zuckt mit den breiten Schultern. Unter der Sturmhaube kann ich sein schiefes Grinsen erahnen. Amüsiert wirkt er jedenfalls nur bedingt.

»Manchmal sind die mittelgroßen Fische die gefährlichsten. Ideologische Überzeugung hat der Kerl jedenfalls für zehn.«

Das stimmt wohl. Als ich den Kofferraumdeckel zuwerfe und gemeinsam mit Jarek um den Wagen herum trete, fällt mein Blick wieder auf den Mann, der flankiert von zwei weiteren unserer Kollegen, in seinem Vorgarten steht. Von dem Schrecken, um sechs Uhr am Morgen in die Läufe mehrerer HK MP5 zu blicken, scheint er sich rasch erholt zu haben. Stattdessen durchbohren mich seine mit Abscheu erfüllten Blicke, als ich mit Jarek Richtung Haus und an ihm vorbeigehe.

»Ich find raus, wer du bist, Schlampe! Das Deutsche Reich hat keinen Platz für …«

Weiter kommt er nicht mit seinen Tiraden. Kadir bringt ihn bereits mit routinierten und wenig rücksichtsvollen Griffen zu Boden, während Sven unseren Einsatzleiter anfunkt. Wenn es nach uns ginge, hätten wir diesen Reichsbürger ohnehin gleich nach dem Eindringen in sein Haus in Gewahrsam genommen. Aber die Staatsanwaltschaft konnte leider keine Festnahme durchsetzen. Es bleibt also bei der Hausdurchsuchung. Der Kerl wird, sobald wir hier vollends fertig sind, wieder auf freiem Fuß sein und weiter seine schräge Ideologie vertreten können. Nur eben vorerst ohne Waffen.

Im Gehen streift mich Jareks Hand am Arm, die Berührung gedämpft durch seine Handschuhe und meine Körperschutzausstattung. »Nimm dir das nicht –«

»Tu ich nicht!«, unterbreche ich meinen Kollegen harscher, als es vermutlich notwendig gewesen wäre. Aber Gott, ich hasse es, wenn er oder die anderen Kerle meinen, mir gut zureden zu müssen.

Müssen sie nicht, verdammt! Ich habe das knallharte Aufnahmeverfahren des SEK genauso durchlaufen und bestanden wie jeder Einzelne von ihnen. Und das wohlbemerkt ohne ›Frauenbonus‹. Das SEK ist die einzige Sparte der Polizei, bei der für alle Geschlechter exakt dieselben Aufnahmevoraussetzungen gelten. Es sollte Jarek und den anderen scheißegal sein, dass ich eine Frau bin. Ist es vielleicht nach außen hin auch. Insgeheim aber haben sie alle auf die eine oder andere Art das Bedürfnis, mich zu beschützen, und sei es nur, indem sie mir sagen, was sie einem männlichen Kollegen in dieser Situation nun mal nicht sagen würden.

Auf meine ruppige Abfuhr hin zieht Jarek seine Hand zurück. Schweigt. Wir beide tun das, als wir das Haus des Reichsbürgers erneut betreten. Drinnen herrscht kaum noch Gewusel. Unsere übrigen Kollegen sind bereits von unserem Einsatzleiter zum Gruppenfahrzeug zurückbeordert worden. Nur zwei Beamte in Zivil sind noch anzutreffen.

»Wie lang braucht ihr noch?«, wendet Jarek sich an den männlichen Kripokollegen – natürlich.

Der tauscht einen fragenden Blick mit seiner Kollegin. »Wir sind durch«, entgegnet er dann an Jarek gewandt. Dieser nickt nur und muss auch nichts weiter sagen, ebenso wie wir keine weiteren Anweisungen unseres Einsatzleiters brauchen. Das SEK wird erst abziehen, wenn die Kripo es getan hat. Wir sind die, die für den Schutz unserer Kollegen sorgen und im Zweifelsfall dafür auch alles geben. Bei dem Gedanken klopft mein Herz in meiner Brust – stark und stolz.

 

~~~

 

Erst als wir rund eine halbe Stunde später wieder im Gruppenfahrzeug, hinter den schusssicheren und getönten Scheiben, sitzen und sich der T6 mit einem leichten Schaukeln in Bewegung setzt, streifen wir uns die Helme und anschließend die Sturmhauben ab. Während ich mir noch mit gespreizten Fingern durch die Haare fahre und das Gummi herausziehe, kramt Kadir links neben mir bereits nach seinem Smartphone. Abgesehen davon, dass das sowieso seine Privatsphäre ist, muss ich weder aufs Display linsen noch fragen, wem er schreibt. Nach jedem Einsatz besteht seine nahezu erste Tat darin, sich kurz bei Jan zu melden. Tobias und ich waren nie so. Wenn er oder ich im Einsatz waren – damals noch bei der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit –, konnte es durchaus vorkommen, dass wir zwölf oder auch mal vierundzwanzig Stunden lang nichts voneinander gehört haben. Aber das ist eine Sache, mit der jedes Paar individuell umgehen muss und insbesondere bei Jans Vergangenheit ist es für mich durchaus nachvollziehbar, weshalb Kadir so penibel darauf achtet, sich stets zurückzumelden.

Nachdem er die Nachricht getippt hat, steckt er sein Handy wieder weg. Ich will schon nachhaken, wie es Jan geht, da ich ihn in der BePo länger nicht gesehen habe, doch Jarek grätscht dazwischen.

»Wie sieht’s aus, wer kommt heute Abend zur Frischlingsparty?« Auffordernd schweift sein Blick durch die Runde.

Ich verdrehe zumindest innerlich die Augen. Mehr noch, als Sven, der Jüngste in unserem Trupp, prompt darauf anspringt. »Mmmh, Frischfleisch …« Betont anzüglich zieht er Luft durch die Nase ein, als würde er Witterung aufnehmen.

Auf meiner rechten Seite raunt Jochen, mit fast vierzig unser Senior, irgendwas von »triebgesteuert« – womit er in meinen Augen bis zu einem gewissen Grad auch recht hat. Irgendwie ist es schon kurios, wie fokussiert und besonnen Kerle wie Jarek oder Sven im Einsatz sind, und wie sie mit Aussicht auf ein paar neue Polizeischülerinnen zu Proleten mutieren. Bei einer Sechs-Uhr-Maßnahme wie heute und auch in jeder anderen Einsatzlage würde ich den beiden, vor allem Jarek, mein Leben anvertrauen. Im Privaten anfassen – oder mich von ihnen anfassen lassen – würde ich sie mit der Kneifzange nicht. Wobei man den beiden zu Gute halten muss, dass sie das auch sehr zügig eingesehen haben. Keiner von beiden hat es bei mir nach einem scherzhaften Flirtversuch, welchen ich abgeblockt habe, weiter probiert. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht nur daran liegt, dass wir im selben Trupp sind und Techtelmechtel zwischen uns damit quasi tabu. Hat Kadir und Jan damals auch nicht abgehalten – was ich lediglich aus Erzählungen weiß. Jan ist noch vor meiner Zeit beim SEK ausgestiegen.

»Also, Sven kommt mit jagen«, stellt Jarek grinsend fest. »Was ist mit dem Rest?«

Ich verkneife mir einen Kommentar dahingehend, dass sie sich auf diese Jagd nichts einbilden müssen, wenn sich ihr Wild ihnen quasi nackt vor die Füße legen wird. Was gewissermaßen auch meinerseits sexistisches Denken ist. Aber seit jeher ist es eine Art Volkssport in der BePo, dass sich ein paar der Polizeischülerinnen damit brüsten, bei einem der ›harten Jungs‹ vom SEK gelandet zu sein. Für lediglich eine Nacht. So gesehen geben sich beide Parteien nichts. Gemeinsames Ausleben primitiver Triebe, sozusagen. Solange es einvernehmlich ist – und davon gehe ich bei meinen beiden Kollegen dann doch aus –, kann es ihnen vollkommen egal sein, wie bescheuert ich dieses Gebaren finde.

Mit allgemeinem Gemurmel bestätigen die übrigen Kollegen, dass sie am Abend für die Party noch mal in die BePo kommen oder gleich dortbleiben werden. Mich allerdings zieht es nach Hause. Allein schon wegen Nala. Inzwischen dürfte es neun Uhr durch sein, bis wir endgültig aus dem Dienst entlassen sind und ich zu Hause bin, vermutlich zehn, und damit höchste Zeit für eine Gassirunde.

»Was ist mit dir, Krissi? Kommst du auch?« Von der gegenüberliegenden Sitzbank schaut Jarek mich fragend an.

Schmunzelnd begegne ich seinem Blick. »Sag bitte.«

Er rollt mit den Augen, blinzelt mich dann übertrieben flehend an. »Biiitte, Krissi!«

Ich muss einfach lachen. Irgendwie hab ich meine testosteronerfüllten Knallköpfe ja doch gern. »Ich überleg’s mir.«

 

 

Kapitel 2

~~~ Kristina ~~~

 

Sie haben mich doch noch weichgeklopft, zu der Party in der BePo zu kommen. Neben meinen Kollegen vom SEK war Tobias maßgeblich daran beteiligt. Er ist es auch, den ich anklingle, als ich auf dem Parkplatz aus meinem Seat steige. Während ich mit einer Hand das Handy ans Ohr halte, stoße ich mit dem Ellbogen die Fahrertür zu und ziehe mir dabei die Lederjacke, die nicht wirklich warmhält, sondern primär gut aussieht, fester um die Schultern.

Tobias nimmt nach wenigen Freizeichentönen ab, sein »hi, Krissi« geht jedoch regelrecht im Geräuschpegel um ihn herum unter.

Mit einem Klick auf den Funkschlüssel drehe ich mich um, sehe rüber zur Kantine. Zwar flackert hinter den Fensterscheiben bereits buntes Licht und es stehen ein paar Leute schwatzend, trinkend und rauchend vor dem Eingang, aber es ist gerade mal kurz nach acht. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass die Party da drinnen schon dermaßen im Gang ist.

»Wo bist du?«, frage ich daher ins Telefon, wobei ich mir nicht so sicher bin, ob Tobias mich überhaupt versteht.

»Duschen!«, brüllt er zurück und ja, wenn ich lausche, ist durch das Wummern von Musik und Stimmengeräuschen ein Rauschen zu vernehmen.

Ich hätte es wissen müssen und verdrehe dennoch – oder genau deshalb – die Augen, während ich mich in Bewegung setze. »Wolltest dich heute Abend noch mal jung fühlen, hmm?«, necke ich meinen Ex, doch der kräht nur zurück: »Was?«

»Nichts«, schreie ich meinerseits nahezu ins Handy.

»Kommst du rüber? Dann komm ich auch raus!«

Das will ich hoffen! Mit den Polizeischülern in den Duschen vorzuglühen, ist definitiv nicht mein Plan für diesen Abend. Auch wenn ich zugeben muss, dass diese Duschpartys immer legendär waren. Früher …

»Ja, ich warte unten«, rufe ich noch ins Smartphone, ehe ich auflege. Wenn ich bedenke, dass meine letzte Duschparty zu Studiumszeiten in Villingen-Schwenningen über sechs Jahre her ist, komme ich mir glatt ein wenig alt vor. Allerdings auch nur so lange, bis ich mir ins Bewusstsein rufe, was ich in den letzten Jahren so alles erreicht habe: stellvertretende Truppführerin bei der BFE, einzige Frau beim SEK in Baden-Württemberg. Ich würde behaupten, das kann sich für Ende zwanzig echt sehen lassen. Dennoch sitzt mir das Gefühl, mich ständig aufs Neue beweisen zu müssen, vehement im Nacken.

Mit einem Kopfschütteln versuche ich, es loszuwerden. Wenigstens heute Abend will ich einfach mit meinen Kollegen feiern.

Kurz überlege ich, ob ich Jarek oder Kadir schreiben soll, dass ich da bin, entscheide mich aber dagegen. Wir werden uns nachher auf der Party sowieso sehen. Also steuere ich auch nicht das Kasino an, wie wir SEKler unsere Gebäude auf dem BePo-Gelände nennen, sondern die U-förmigen Gebäude linker Hand des Alarmplatzes. Ich hoffe mal, dass Tobias Wort hält und sich wirklich von selbst aus den Duschen bequemt. Ich werde ihn sicher nicht da rausholen. Sollte ich ihn nicht finden, gehe ich eben doch erst mal rüber ins Kasino.

Ich habe das vordere der Gebäude gerade erreicht, als die breite Eingangstür aufgestoßen wird. Von drinnen drängt ein warmer Lufthauch nach draußen, meine Hauptaufmerksamkeit richtet sich jedoch auf die junge Frau, die hinaus tritt. Spontan würde ich sie auf höchstens zwanzig schätzen, also sicher eine der Polizeischülerinnen. Wobei sie auch bereits im zweiten oder eventuell dritten Ausbildungsjahr sein könnte. Die meisten Schüler kenne ich nur vom Sehen, wenn überhaupt.

Auf ihr jedenfalls bleibt mein Blick länger haften. Sie hat ein unheimlich hübsches, fein geschnittenes Gesicht, dem die dichten Brauen und vor allem das fransige dunkelblonde Pony etwas Freches verleihen. Unterstrichen wird der Eindruck noch von ihren Klamotten: locker sitzende Boyfriendjeans und ein bunt kariertes Flanellhemd, welches sie offen trägt, sodass darunter ein kurzes, schlichtes Croptop hervorblitzt. Es lenkt meine Aufmerksamkeit unweigerlich auf ihren flachen Bauch und die im matten Licht des Eingangsbereiches weich schimmernde Haut.

Sogleich zwinge ich meinen Blick energisch höher und zurück in ihr Gesicht. Aus großen Augen sieht sie mich an und ich meine, Interesse in dem hellen Grünblau aufblitzen zu sehen. Dann allerdings fragt sie lediglich: »Willst du rein?« Dabei hält sie die Tür noch halb auf, was mich rasch den Kopf schütteln lässt.

»Nein. Danke. Ich warte nur auf jemanden.« Und das hoffentlich nicht zu lange. Schon kriecht der herbstlich frische Abendwind unter den Saum meiner Lederjacke, beißt sich durch den dünnen Blusenstoff auf meiner Haut fest, und ich frage mich unweigerlich, ob ihr nicht kalt ist.

Anscheinend nicht, denn nach einem flüchtigen »okay« geht sie zwei Schritte beiseite, hin zu dem Aschenbecher neben der Eingangstür, und zieht eine Packung Zigaretten aus ihrer Hosentasche, lehnt sich, während sie die Kippe anzündet, lässig rücklings gegen ein Geländer. Verfroren sieht sie dabei nicht aus, aber es kann auch nicht jeder so eine Frostbeule sein wie ich.

Auf der Suche nach Tobias lasse ich meinen Blick durch die breite Glastür ins Gebäudeinnere schweifen, doch da mein Ex noch nirgendwo zu sehen ist, gleitet meine Aufmerksamkeit zurück zu ihr. Ich bin eigentlich kein Fan von Rauchern, aber irgendwie hat die Art, wie sie die Zigarette hält, zu ihren in Zartrosé geschminkten Lippen führt und daran zieht, anschließend den Rauch in kleinen Kringeln ausstößt, etwas … Anziehendes. Oder es liegt nur einfach daran, dass sie einen wirklich schönen Mund hat.

Sie sieht auf. Erneut treffen sich unsere Blicke.

»Bist du neu hier in Göppingen?«

Um ihre geschwungenen Lippen kräuselt sich ein Lächeln. »Ja, hab vor zweieinhalb Wochen erst meine Ausbildung angefangen.«

Die Art, wie ihre Augen bei ihren Worten leuchten, nimmt die Antwort auf meine folgende Frage im Grunde schon voraus, dennoch stelle ich sie: »Und, happy?«

»Total!« Ihr Lächeln wird breiter – und noch schöner. Sie ist echt hübsch. Sexy auf eine gleichsam unschuldige wie kesse Weise. Nur vielleicht ein bisschen jung für … ›Wow, Kristina, mach mal langsam!‹

»Und du?« Sie legt den Kopf leicht schief, hebt ihre Kippe zwar Richtung Mund, zieht aber nicht daran, sondern mustert mich weiter forschend. »Nicht mehr in der Ausbildung, schätze ich. Oder doch?«

Da es auch immer wieder Quereinsteiger gibt, ist das tatsächlich anhand des Alters nicht so leicht abzuwägen.

»Nein, ich …«

»Krissiii!«

Zeitgleich rucken unsere Köpfe nach links und Richtung Tür. Die schwingt gerade hinter Tobias zurück, der breit grinsend und mit ausgebreiteten Armen die wenigen Schritte zu mir überbrückt. Nüchtern ist der echt nicht mehr.

»Hey, du …«

Überschwänglich zieht er mich an sich. Halbherzig erwidere ich seine Umarmung und beende meinen Satz: »… bist betrunken.«

»Jepp!«, verkündet er nahezu stolz, als er mich wieder loslässt. »Das siehst du vollkommen richtig.«

Ich schnaufe, gutmütig allerdings. »Man sollte nicht meinen, dass ein Knallkopf wie du eine Waffe führen darf.« Meine Worte sind scherzhaft gemeint. Auch wenn Tobias und ich nie direkt miteinander im Einsatz waren, da wir zu meiner BFE-Zeit in unterschiedlichen Trupps waren, weiß ich doch, dass das hier ein Ausnahmezustand ist. Wir waren über drei Jahre zusammen und ich halte ihn nach wie vor für einen umsichtigen, respektvollen Kerl, der seine Grenzen kennt. Er mag betrunken sein, aber eskalieren wird bei ihm nichts.

Ebenso gutmütig legt er einen Arm um mich, drückt mir einen vielleicht etwas zu feuchten Kuss auf die Wange und nickt in Richtung Kantine. »Gehen wir rüber?«

Rasch sehe ich wieder zu ihr, will sie keinesfalls so mitten im sich anbahnenden Gespräch stehen lassen. Allerdings kommen gerade noch zwei weitere Kerle aus dem Gebäude, von denen mir einer bekannt vorkommt, und treten zu ihr. Ganz offensichtlich Freunde von ihr oder sie sind wenigstens im selben Jahrgang.

»Sorry«, sage ich dennoch an sie gewandt, doch sie winkt bereits ab.

»Kein Ding. Vielleicht sehen wir uns ja nachher noch.«

Ich muss zugeben, ich würde mich freuen, und lächle ihr noch einmal zu, ehe ich mich bei Tobias einhake und mit ihm rüber zur Kantine steuere.

 

~~~

 

Es ist immer wieder faszinierend, wie schnell der Buschfunk innerhalb der BePo funktioniert. Kaum haben meine Kollegen und ich uns in der Kantine zusammengefunden, wissen gefühlt schon zwei Drittel aller Anwesenden, wer in diesem Raum zum SEK gehört. Diese Faszination, die das Spezialeinsatzkommando selbst auf angehende Polizisten aller Geschlechter auszuüben scheint, verwundert mich immer wieder – und auch nicht. Fakt ist, dass das Auswahlverfahren für die Einheit verflucht hart ist und wir diejenigen sind, die in den denkbar kritischsten Lagen hinzugerufen werden. Noch dazu befeuert der Umstand, dass wir unsere Identitäten nach außen hin so gut es geht geheimhalten, diesen Flair von unnahbarer Elite. Bis zu einem gewissen Grad kann ich die Faszination durchaus verstehen und habe sie früher selbst verspürt. Jedoch lediglich auf einer dienstlichen Ebene. Ich wollte immer zum SEK und habe mir auf gut Deutsch den Arsch dafür aufgerissen. Den Drang, mit einem SEKler zu schlafen, nur um mit einem SEKler zu schlafen, habe ich allerdings nie empfunden. Aber hey, alle hier im Raum Anwesenden sind volljährig und wenn Jarek und die Brünette mit dem zugegebenermaßen bewundernswerten Julia-Roberts-Lächeln beide Bock drauf haben …

Im Vorbeigehen grinst Jarek uns zu, während sich seine Hand sehr eindeutig von hinten um die Schulter der Schülerin und auf eine ihrer von einem Spitzenshirt verdeckten Brüste schlängelt. Die Art, wie sie daraufhin nach hinten und in seinen Schritt greift, kann man wohl mit Recht als ebenso eindeutig bezeichnen. Innerlich hin- und hergerissen, ob ich ebenfalls grinsen oder doch lieber die Augen verdrehen soll, versenke ich jegliche Gestik regelrecht in meinem Glas und leere den letzten Schluck Jacky Cola.

Als ich wieder aufsehe, registriere ich gerade noch, wie Sven und sogar Kadir Jarek hinterher prosten.

»Bei der ersten Party an der Polizeischule von nem SEKler auf dem Klo gebumst werden – der Traum einer jeden Polizeischülerin.«

Bei Svens Kommentar verdrehe ich endgültig die Augen. »O Mann, euch ertrag ich echt nur mit mehr Alkohol. Will noch jemand was?«

Meine Kollegen samt Tobias, der bekanntlich bei der BFE ist, aber sich in unserer Runde äußerst wohlzufühlen scheint, ordern einstimmig eine weitere Runde Jacky Cola. »Na dann geh ich mal …« Ich nicke in Richtung der Bar, spüre, als ich mich abwende, Tobias’ Hand sacht in meinem Rücken.

»Soll ich mitkommen?« Er lacht leise. »Und ja, ich weiß, du würdest das auch allein hinkriegen, aber lass mich noch einmal dein Gentleman sein.«

»Knallkopf«, raune ich ihm vielmehr neckend denn angefressen zu und ziehe ihn hinter mir in Richtung der Essensausgabe, die heute Abend primär als Bar funktioniert. Traditionsgemäß wird die erste größere Party für den neuen Jahrgang stets von den Schülern aus dem zweiten Ausbildungsjahr organisiert. Dementsprechend stehen hinter der improvisierten Bar einige Auszubildende, die ich zumindest vom Sehen her kenne, manche auch namentlich.

Während Andi – oder hieß er André? – die von mir georderten Jacky Cola zusammen kippt, lehnt Tobias sich seitlich gegen einen der Stützpfeiler neben dem Tresen. Mit inzwischen drei oder vier Whiskey-Mix-Getränken in der Birne und davor sicherlich das eine oder andere Bier, hat er einen echten Schlafzimmerblick drauf. Die Art, wie er mich ansieht, hat für mich nichts unangenehm Anzügliches, eher wirkt er angeschickert verträumt. Ich habe das Gefühl, er versucht gerade, Worte in seinem Mund zu formen. Nichtsdestotrotz huscht meine Aufmerksamkeit von ihm fort, denn in meinem Augenwinkel blitzt ein buntes Flanellhemd auf. Kurz jedoch nur, dann neigt Tobias sich ein kleines Stück weiter zu mir.

»Von wegen Vögeln auf der Toilette … Als wir das gemacht haben, war’s schon geil.«

Für einen Moment bin ich perplex über seine Aussage, dann jedoch muss ich grinsen – und ihn ein wenig herausfordern. Provokant schiebe ich mich noch ein klein wenig näher an ihn heran, sodass wir uns gerade nicht berühren und er zwischen mir und dem Betonpfeiler eingeklemmt ist. Theoretisch zumindest. Praktisch könnte er sich locker befreien, doch das Flackern in seiner Miene zeigt, dass er daran gerade absolut nicht denkt. O Mann, er ist echt betrunken. Ich muss mir das anhaltende Grinsen regelrecht verkneifen. Stattdessen gebe ich mir alle Mühe, meiner Stimme einen schnurrenden Unterton zu verleihen, und raune ihm zu: »Vermisst du es?«, während ich mit einem Finger hauchzart über seinem Shirt über seine Brust fahre, das Zucken in den Muskeln spüre.

»Krissi, ich … glaub, ich bin angetrunken«, stößt er rau hervor und bringt mich damit endgültig zum Lachen.

»Betrunken«, korrigiere ich ihn mit Nachdruck und trete wieder einen halben Schritt zurück, was er mit einem Ausatmen zur Kenntnis nimmt. Wobei ich dieses nur höre, weil der selbsternannte DJ gerade offenbar gepennt hat und die Playlist beim Wechsel zum nächsten Lied kurz hängt.

»Eure Jackys!« Auf Andis – ich beschließe, dass er so heißt – Rufen hin drehe ich mich ihm und dem Tablett voller Drinks zu. Drei weitere Gläser schiebt er über den Tresen. »Geht das so oder braucht ihr ein zweites Tablett?«

Noch immer schmunzelnd wende ich mich an Tobias. »Drei Gläser kriegste hin, oder, Großer?«

Bei dem Kosenamen, den ich während unserer Beziehung nie für ihn verwendet habe – nicht zuletzt, weil er auch gar nicht passt, da Tobias zwar trainiert und kräftig, aber zwei Zentimeter kleiner als ich ist –, zieht er irritiert die Brauen hoch. »Ja, ja, fopp du mich nur.«

»Du stehst doch drauf«, entgegne ich leichthin, schiebe Andi das Geld über den Tresen, das in die Kasse für die nächsten Partys fließen wird, und greife nach dem Tablett.

»Der Staat dankt«, kommentiert er lachend.

Tobias indessen schnauft in meinem Rücken. »Klar …«

Ich warte, bis er die drei Gläser aufgenommen hat, was bei seinen Pranken auch mit Alkohol im Blut nun wirklich keine nennenswerte Aufgabe darstellt, ehe ich mich durch die umstehenden schwatzenden und teilweise tanzenden Polizisten und Polizeianwärter in Richtung Sven, Kadir und Co schlängle.

»Sag mal«, frage ich dabei über die Schulter hinweg, gerade so laut, dass Tobias mich über die Musik verstehen, aber nicht jeder Umstehende uns hören kann, »was ist denn eigentlich aus deiner Bekanntschaft aus … war es Ulm? … geworden? Läuft da nichts mehr?« Es ist eine reine Interessensfrage und ich bin mir recht sicher, dass er das auch weiß. Er und ich haben uns vor inzwischen knapp einem Jahr getrennt und sind – nach einer mehrwöchigen Phase des Abstands – befreundet. Das Geplänkel eben … Keine Ahnung, für mich war es ein Joke und bei ihm wohl einfach dem Alkohol geschuldet. Oder Sexentzug. Wer weiß.

»Jaaa, das …«, entgegnet Tobias gedehnt, »ist kompliziert. Gehen wir nachher ’ne Runde um die Kantine?«

Ah, da hat einer Redebedarf. Ehe wir meine Kollegen vollends erreichen, werfe ich ihm ein aufbauendes Lächeln zu. »Klar.«

 

~~~ Robin ~~~

 

»Das ging aber schnell«, verkünde ich an Ju gewandt, als diese, gefühlt gerade einmal drei Minuten, nachdem sie sich entschuldigt hat, bereits wieder neben uns steht. »Wolltest du nicht noch auf Toilette?«

Mit überraschend mürrischem Gesichtsausdruck nippt sie am Strohhalm ihres Getränks. Zumindest bis an die Bar hat sie es offensichtlich geschafft. »Hab’s mir anders überlegt. Lieber pinkel ich mir in die Hose, als dass ich noch mehr Toilettensex mitbekomme.

---ENDE DER LESEPROBE---