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Bei einer ausgelassenen Strandparty entdeckt Lädchen-Besitzer TJ in den Wellen plötzlich eine verletzte Frau in einem Nixenkostüm. Sie hat ihr Gedächtnis verloren und keinerlei Erinnerung daran, wie sie an den Strand gekommen ist. TJ und seine Freunde nehmen sie auf und kümmern sich liebevoll um sie. Eifrig versucht das ganze Dorf herauszufinden, wer die geheimnisvolle Fremde ist. Nur TJ hat es gar nicht so eilig damit, da er längst zarte Gefühle für »Arielle« - wie die Dorfbewohner sie getauft haben - hegt.
Doch nicht nur sein Herz ist aus dem Gleichgewicht geraten - auch seine finanzielle Lage droht zu kippen. Denn sein wohlsortierter Delikatess- und Feinkostladen hat es zunehmend schwerer mit den großen Supermarktketten als Konkurrenz. Wird TJ es schaffen seinem Herzen zu folgen und sein Lädchen zu retten?
Ein zauberhafter Roman mit ganz viel Gefühl und vielen leckeren Rezepten zum Nachkochen.
»Glücksgefühle im wunderbaren Lädchen in Cornwall« ist Band 3 rund um das gemütlichste Dorf in Cornwall mit seinen schrulligen, aber liebenswerten Bewohnern, die einem schnell ans Herz wachsen.
Alle 3 Bände der Reihe:
Neuanfang in der verträumten Pension in Cornwall
Herzklopfen in der zauberhaften Teestube in Cornwall
Glücksgefühle im wunderbaren Lädchen in Cornwall
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Seitenzahl: 324
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Bei einer ausgelassenen Strandparty entdeckt Lädchen-Besitzer TJ in den Wellen plötzlich eine verletzte Frau in einem Nixenkostüm. Sie hat ihr Gedächtnis verloren und keinerlei Erinnerung daran, wie sie an den Strand gekommen ist. TJ un seine Freunde nehmen sie auf und kümmern sich liebevoll um sie. Eifrig versucht das ganze Dorf herauszufinden, wer die geheimnisvolle Fremde ist. Nur TJ hat es gar nicht so eilig damit, da er längst zarte Gefühle für »Arielle« – wie die Dorfbewohner sie getauft haben – hegt.
Doch nicht nur sein Herz ist aus dem Gleichgewicht geraten – auch seine finanzielle Lage droht zu kippen. Denn sein wohlsortierter Delikatess- und Feinkostladen hat es zunehmend schwerer mit den großen Supermarktketten als Konkurrenz.
Wird TJ es schaffen seinem Herzen zu folgen und sein Lädchen zu retten?
ANGELINA BACH
Für meine Schreib-Komplizin Christina
Es war schon die zweite Strandparty in diesem Jahr. Die erste hatte Ryan gegeben, weil sie damit ihren Sieg über die Investmentfirma gefeiert hatten, die ein Luxushotel nebst Glasaufzug auf die Klippen und den Strand hatte bauen wollen. Diese zweite Party war einfach nur so.
Ryan hatte auch nur den engeren Kreis eingeladen. Es gab ein Barbecue, Bessie und Jo hatten Salate gemacht, die Bar war gut bestückt, und aus den Boxen drangen die obligatorischen karibischen Rhythmen.
TJ stand wieder einmal hinter der Bar und mixte für seine Freunde Gin Tonic und verschiedene andere Longdrinks. Gerade schob er zwei Flaschen Guinness über den Tresen zu Ryan und Damian.
In der Ferne war ein dumpfes Grollen trotz der Musik zu hören. Alle drei hoben die Köpfe und scannten den Nachthimmel. Ein böiger Wind war aufgekommen und zerrte an den Blumengirlanden, mit denen die Bar dekoriert war. Die Fackeln, die die Tanzfläche markierten, flackerten im Wind. Dunkle Wolkenberge türmten sich vom Meer her auf und schoben sich vor den Mond.
»Das sieht nach einem Unwetter aus«, rief TJ seinen Freunden zu.
Ryan nickte grimmig. Der alte Surfer kannte das Wetter am Strand wie kaum ein anderer.
»Wir sollten unser Zeug in Sicherheit bringen«, schlug Damian vor und stellte das kaum angetrunkene Guinness wieder auf den Tresen. »Lasst uns alles in den Surferschuppen packen, dann können wir drinnen weiter feiern.«
TJ begann, die Flaschen in die Getränkekisten zu sortieren und die Bar abzuräumen. Damian und Ryan schwärmten aus, um das restliche Party-Equipment einzusammeln, bevor der Wind es fortreißen konnte.
Damians Freundin Elena kam zu TJ herüber. Sie war schwanger, und inzwischen konnte man auch ein kleines Bäuchlein erkennen.
»Was ist los? Warum räumt ihr auf?«, fragte sie ihn.
»Guck dir mal den Himmel an«, entgegnete TJ. »Das hält nicht mehr lange.«
Zur Bekräftigung seiner Worte platschten ein paar dicke Tropfen hinunter und landeten auf dem Tresen. Elena zog ihre Strickjacke enger um ihre Schultern.
»Du hast recht. Wir sollten uns besser beeilen«, sagte sie. Sie wollte gerade die Hocker vor der Bar aufeinanderstapeln, doch da war schon Damian zur Stelle und nahm ihr den Barstuhl aus der Hand.
»Lass, das ist zu schwer für dich.«
Elena verdrehte zu TJ gewandt die Augen. Damian machte sich solche Sorgen um seine schwangere Freundin, dass er es wie immer maßlos übertrieb.
»Du kannst mir helfen«, sagte TJ rasch und trat einen Schritt beiseite.
Elena stapelte benutzte Gläser auf das Tablett.
Jo, Elenas Tante, kam mit mehreren Klappstühlen unter dem Arm an ihnen vorbei. »Beeilung!«, rief sie. »Es bricht gleich ein Sturm los!«
Tatsächlich platschten immer mehr Regentropfen auf die Freunde hinunter. Alle beeilten sich, ins Trockene zu kommen.
Ryan hatte die Musikanlage gerettet und installierte sie im Schuppen, der ihm als Surfschule diente. Ein Glück, dass TJ und Damian den Schuppen im vorigen Jahr entrümpelt hatten. Eigentlich wollten sie ihn als Probenraum für ihre Band nutzen, doch daraus war nie richtig etwas geworden. Stattdessen bot er jetzt Platz für ihre kleine Partyrunde. Einige Dorfbewohner hatten vor dem einsetzenden Regen die Flucht ergriffen, doch die Freunde ließen sich so schnell nicht vertreiben. Sie hockten im Kreis auf den Klappstühlen und beobachteten das Wetterspektakel durch die offene Tür.
Die Fackeln hatten Wind und Regen bereits gelöscht, man konnte noch die angekohlten Stäbe stecken sehen. Das Meer kräuselte sich zu Gischt sprühenden Wellen. Blitze zuckten darüber hinweg. Das Grollen des Donners übertönte die Musik inzwischen bei Weitem.
Damian hatte eine Decke gefunden, die er sicherheitshalber Elena um die Schultern breitete. »Here you go«, sagte er. »Damit du dich nicht erkältest.«
Elena lächelte nachsichtig zu ihm auf. Sie streckte sich und zog ihn zu sich herunter, um ihn zu küssen.
TJ wandte den Blick ab. Er gönnte seinem besten Freund das Glück, das er gefunden hatte. Und doch versetzte es ihm einen Stich, alle um ihn herum so glücklich zu sehen. Sogar Ryan!
Wer hätte das gedacht?
Der alte Seebär und die ruppige Jo. Na ja, geahnt hatten sie es wohl alle schon lange. Die beiden hatten über Jahre hinweg eine ausgiebige Hass-Liebe gepflegt, die ihnen eigentlich niemand wirklich abgenommen hatte, der sie beide besser kannte. Jo war die Seele des Dorfes. Einen besseren Kumpel als Elenas Tante konnte man wahrlich nicht finden. Und Ryan, nun, er war ein alter Eigenbrötler, der kein Blatt vor den Mund nahm. Mit seinen Sprüchen eckte er bei Jo oft an. Aber auf der anderen Seite schonte sie ihn auch nicht gerade. Zwei raue Schalen, die das Leben geformt hatte. Dahinter, das war jedoch immer klar gewesen, verbarg sich bei beiden ein weicher Kern. Und dann hatten sie sich plötzlich auf der ersten Strandparty des Jahres vor aller Augen geküsst!
Eine mittlere Sensation für das gesamte Dorf!
Seitdem fragten sich alle, wie es mit den beiden weitergehen würde.
»Sag mal«, sagte TJ, die Musik und das Donnergrollen übertönend. »Was ist eigentlich mit dem Schuppen passiert?«
Ryan schien mit den Einstellungen an der Anlage zufrieden und kam wieder zu den anderen, die sich auf verschiedenen Sitzgelegenheiten niedergelassen hatten.
»Was meinst du?«, fragte er und angelte ein Guinness aus dem Kasten. Er öffnete den Deckel an einem Regalboden und ließ ihn einfach davonspringen. Klackernd fiel dieser zu Boden und rollte unter das Regal. Jo, die davor auf einem der Barhocker saß, strafte Ryan mit einem indignierten Kopfschütteln. Er ignorierte es und lehnte sich entspannt gegen das Regal.
Bis vor Kurzem zierten – oder besser gesagt, eher verunzierten – riesige Bilder von drallen Bikini-Frauen und Surfbrettern die Außenwände des Surferschuppens. Jo hatte schon lange Anstoß daran genommen, nicht nur wegen der leicht bekleideten Damen und ihrer kaum verhüllten Kurven, sondern auch, weil die Farbe bereits abzublättern begonnen hatte und Meer, Wind und Regen dem Schuppen zugesetzt hatten.
»Na, die Farbe«, präzisierte TJ. »War das dein Verdienst?« Er zwinkerte Jo verschwörerisch zu.
Diese schüttelte den Kopf. »Nein, damit hatte ich ausnahmsweise nichts zu tun.«
»Come on, sei doch wenigstens ehrlich. Du mochtest meinen Schuppen doch nie mit den Mädels drauf«, widersprach Ryan und grinste.
»Mädels«, äffte Jo ihn nach. »Du bist auch schon seit ungefähr zwanzig Jahren zu alt für Mädels. Wurde ja langsam Zeit, dass du das mal einsiehst.«
»Vor zwanzig Jahren war ich in der Blüte meines Lebens, gerade Mal Anfang dreißig!«
Nur Jo und Ryan redeten noch, die anderen verfolgten amüsiert den Schlagabtausch der beiden.
»Ah ah …«, machte Jo und hob tadelnd den Zeigefinger. »Rechnen war noch nie deine Stärke, dreißig kommt wohl nicht ganz hin.«
Ryan lachte. »Es zählen nicht die Jahre deines Lebens, sondern das Leben in deinen Jahren. Heißt es nicht so? Und zum alten Eisen gehören wir zwei noch längst nicht, oder, altes Mädchen?«
Ryan wusste, dass Jo es hasste, so angesprochen zu werden. Alle wussten es. Und genau deshalb machte er es auch ständig.
Ihre zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen ließen vermuten, dass sie auf eine bissige Erwiderung sann. Doch Ryan unterband eine weitere Äußerung, indem er sich zu ihr hinüberbeugte und ihren Mund mit einem Kuss verschloss.
»Ich find’s jedenfalls schick so«, beendete TJ die Diskussion, die er selbst angestoßen hatte.
»Ich auch«, erwiderte Damian. »Nicht einmal mehr Surfbretter oder so etwas. Reines Weiß … beinahe bräutlich.«
TJ und sein Kumpel Damian amüsierten sich über diese Assoziation und prosteten sich mit ihren Bierflaschen zu.
»Uhh … na ja, das mit der jungfräulichen Braut werden sie dir auch nicht mehr abnehmen, fürchte ich«, sagte Ryan zu Jo.
Die deutete einen Schlag in seine Richtung an, als verscheuche sie ein nerviges Insekt.
TJ hob rasch sein Bier an den Mund und verkniff sich ein Kichern.
»Steht da was an?«, fragte Bessie, die bisher geschwiegen hatte.
»Never mind …«, wehrte Ryan ab. Und auch Jo beeilte sich, den Kopf zu schütteln. Auch wenn es TJ so vorkam, als zögerte sie mit ihrer Reaktion. Wollte sie am Ende, dass Ryan sie fragte?
Der ließ lediglich seine Flasche gegen ihre klirren, dann nahm er einen großen Schluck und wischte sich anschließend den Schaum aus dem Oberlippenbart, dass es nur so spritzte. Normalerweise hätte er für solches Verhalten einen Tadel von Jo kassiert. Heute nicht.
TJ wandte den Blick von den beiden Neu-Verliebten ab und wandte sich den nächsten zu. Noch ein frisches Pärchen saß in der Runde. Bessie und Liem.
Auf Bessie war TJ auch einmal scharf gewesen. Doch sie hatte ihn nicht erhört. Wahrscheinlich wusste sie noch nicht einmal, dass er sie aus der Entfernung angehimmelt hatte. Er war einfach nicht gut in diesen Dingen.
Seit einiger Zeit war sie jetzt jedenfalls mit Liem zusammen. Der Brite mit indischen Wurzeln war als Lieferant von Bessies Teestube in ihr Dorf gekommen. Fairerweise musste TJ eingestehen, dass sie ein hübsches Paar waren, und obwohl es erst anders ausgesehen hatte, tat Liem Bessie anscheinend auch gut.
Nein, TJ quälte nicht die Eifersucht. Dass er sich Chancen bei Bessie erhofft hatte, war lange her. Inzwischen war er mit dem Status eines guten Freundes vollauf zufrieden. Doch dass es kurzzeitig so ausgesehen hatte, als meinte Liem es nicht ehrlich mit ihr, das hatte ihn aufhorchen lassen. Dass sie verarscht wurde, wollte TJ keinesfalls. Darin stimmte er mit Damian und Ryan, aber auch Elena und Jo durchaus überein. Sie hatten Liem in ihrem Kreis aufgenommen und er fügte sich auch wirklich ganz gut ein. Aber ein wenig Vorsicht schadete sicher nicht.
»Hey, Mann, wo bist du denn mit deinen Gedanken?« Damians Stimme riss TJ aus seinen Betrachtungen.
»Was? Oh, sorry. Ich hab grad über was nachgedacht«, entschuldigte er sich.
»Ich hab dich gefragt, ob du noch ein Bier willst«, wiederholte Damian, was er offenbar schon einmal gesagt hatte.
TJ nickte. »Ja, eins trink ich noch.«
Draußen rauschte der Regen, sodass Ryans Salsa-Musik kaum dagegen ankam.
Damian ging hinüber in die Ecke, in der sie die Getränke aufgestapelt hatten, und holte zwei frische Guinness. Seine nackten Füße hinterließen nasse Abdrücke auf dem Schuppenboden.
Elena gähnte herzhaft. Seit sie schwanger war, war sie praktisch permanent müde.
Damian öffnete die eine Bierflasche mithilfe der anderen und hielt die offene TJ hin. Der nahm sie und musste rasch mit den Lippen die Öffnung verschließen, da der Schaum herausquoll.
Anschließend machte er seine Flasche an der Kante seiner Stuhllehne auf, dann setzte er sich wieder. »Jetzt müssen wir sitzen bleiben, bis es einigermaßen aufgehört hat zu regnen«, sagte er. »Bei dem Sturm bist du in zehn Schritten nass bis auf die Unterwäsche.«
Elena nickte ergeben und lehnte sich an Damians Schulter.
Plötzlich fing Bob, die eine der beiden Französischen Bulldoggen von Ryan, an zu bellen. Er hatte seinen Liegeplatz neben seinem Bruder Marley verlassen und stand mit hoch aufgestellten Fledermausohren im Türrahmen, kläffte in die stürmische Nacht hinaus.
»Bob, shut up!«, befahl Ryan. Doch der Hund hörte nicht auf. Er blickte unverwandt zur offenen Tür hinaus, als habe er etwas oder jemanden entdeckt.
»Komm hierher, Bob.«
Der Hund sah sich noch einmal zu seinem Herrchen um, dann machte er einen Satz und verschwand im Regen.
»Shit.« Ryan erhob sich missmutig. Normalerweise kümmerte es ihn wenig, was seine Hunde trieben, aber in diesem Sturm wollte er ihn vermutlich nicht allein wissen.
TJ erhob sich auch. »Lass, Ryan. Ich muss eh schiffen, ich schau nach dem Hund.«
Es war deutlich erkennbar, dass Ryan das Angebot sehr gelegen kam. Er hatte keine Lust, in den Regen hinauszugehen. TJ auch nicht, aber er musste sich wirklich erleichtern.
Der Wind peitschte ihm den Regen ins Gesicht, als er aus der Überdachung des Schuppens hinaustrat, eine Taschenlampe vor sich gerichtet. Er lief ein Stück über den nassen Kies und suchte den Strand nach dem Hund ab.
»Bob!«, rief er gegen Sturm und Regen an. »Bob! Hierher!«
Sein Hemd klebte ihm bereits nass am Körper. Wohin war der dumme Hund nur gelaufen?
Ein greller Blitz erhellte den Nachthimmel, dicht gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnern. Und da sah TJ Bob. Er saß nahe der Brandung, wo vom Meer her die Wellen an den Strand rollten.
Und noch etwas sah TJ.
Der Regen war vergessen. TJ hastete zu der Stelle, an der Bob mit nassem Fell und hechelnder Zunge hockte. Der Hund erkannte TJ und winselte.
Dieser beugte sich über das, was der Hund anscheinend bewachte. Ein Wirrwarr aus Algen, Seetang, oder waren es Haare? Ein langer Fischschwanz ragte daraus hervor. Es musste sich um einen mächtigen Fisch handeln. War er an Land gespült worden?
TJ ließ den Schein der Taschenlampe über den Haufen aus Treibgut wandern. Da fiel ihm plötzlich etwas ins Auge.
Unter dem Seetang ragte eine menschliche Hand hervor!
TJs Herz setzte einen Schlag aus. Trotz des peitschenden Regens war es nicht so kalt, wie er sich plötzlich fühlte. Er ließ die Taschenlampe in den Kies fallen und zerrte mit beiden Händen an dem Gewirr aus Seetang und Fischteilen. Es gelang ihm, es herumzudrehen.
Die am Boden liegende Lampe beleuchtete das blasse Gesicht einer Frau. Ihre Augen waren geschlossen, der Mund leicht geöffnet.
»Um Gottes willen …«, entfuhr es TJ.
Hastig tastete er ihren Hals nach einem Lebenszeichen ab.
»Bob«, rief er. »Hol Hilfe! Hol Ryan! Lauf!«
Der Hund sah ihn mit zur Seite gelegtem Kopf an, als wüsste er nicht recht, was er tun sollte.
»GO!«, brüllte TJ verzweifelt.
Mit klammen Fingern machte er sich bereits daran, den Oberkörper der Verunglückten freizulegen. Sie trug etwas, das wie ein Fischernetz aussah, umgewickelt. TJ wünschte sich, er hätte ein Taschenmesser eingesteckt, um die Maschen durchtrennen zu können. Endlich hatte er sich zu ihrer Brust durchgekämpft und legte die Hände auf den Punkt, von dem er hoffte, dass es der richtige für die Herzdruckmassage war.
Glücklicherweise hatte er einige Ersthelferschulungen gehabt, doch noch nie war er in die Situation gekommen, das, was er theoretisch wusste, anwenden zu müssen.
Wie war noch gleich der Rhythmus?
Stayin’ alive, fiel es ihm wieder ein. Im Takt des Bee-Gees-Hits presste TJ seine Hände auf den kalten Oberkörper der Frau.
»Lauf zu Ryan, du dummer Hund!«, fuhr er Bob an.
Endlich setzte die Bulldogge sich in Bewegung. Kläffend schoss sie über den Kies zum Schuppen. Erleichtert setzte TJ sein Tun fort.
Nachdem er ungefähr dreißigmal ihren Brustkorb bearbeitet hatte, beugte er sich über sie. Er wischte ihr Algen aus dem Gesicht, dabei stellte er fest, dass sie jung sein musste und wahrscheinlich auch schön. Aber ihre Haut war eiskalt und nass. Mit den Fingern der linken Hand hielt TJ ihr die Nase zu, mit der rechten zog er ihren Kopf zurück, dann holte er tief Luft. Seinen Atem blies er ihr zwischen die geöffneten Lippen. Einmal, zweimal, dreimal.
Dann setzte er die Bearbeitung ihres Brustkorbs fort.
Der Regen lief TJ über das Gesicht und tropfte aus seinen Haaren, er nahm es überhaupt nicht wahr. Die spitzen Steine, auf denen er kniete, das Tosen der Wellen, die heranrollten und an dem Treibgut, das die verunglückte Frau umgab, leckten, nichts drang mehr zu TJ durch. Wie besessen wiederholte er die Handgriffe.
»Komm schon«, murmelte er, ohne sich dessen bewusst zu sein. »Komm schon. Nun, komm doch … Komm zurück.«
Er hätte wahrscheinlich noch ewig so weitergemacht. Doch da legte sich von hinten eine Hand auf seine Schulter.
»Mach ’ne Pause, TJ.« Es war Ryan, er fasst TJ unter den Armen und zog ihn hoch.
Und plötzlich waren Jo, Liem und Damian auch da. Jo reichte TJ ein großes Handtuch. Liem und Damian nahmen seinen Platz ein, gemeinsam setzten sie die Wiederbelebung fort. Damian kniete an der Stelle, an der eben noch TJ gesessen hatte, und führte die Druckmassage aus. Liem hockte auf Höhe des Kopfes der Unbekannten und übernahm das Beatmen, sobald Damian ihm das Signal dazu gab.
TJ wickelte sich in das Handtuch. Der Regen hatte nachgelassen. Jetzt erst merkte er, dass er vollkommen durchweicht war. Seine Zähne klapperten aufeinander.
»Komm mit in den Schuppen«, sagte Jo. »Du holst dir ja den Tod.«
Doch TJ schüttelte den Kopf. Sein Blick klebte an der jungen Frau. Er wollte nicht weg. Nicht bevor er nicht wusste, was mit ihr war. Obwohl er sie gar nicht kannte, hatte er das Gefühl, dass er bei ihr bleiben sollte.
Zu ihren Füßen kläfften Bob und Marley, der sich jetzt auch aus dem Warmen herausgewagt hatte. Ryan beugte sich hinunter und klopfte den Hunden die Köpfe.
»Fein hast du das gemacht«, sagte er zu Bob. Und der Hund wedelte so frenetisch mit dem Schwanz, als habe er das Lob verstanden.
»Was mag ihr zugestoßen sein?«, fragte Jo mit Blick auf die Verunglückte.
Ryan ließ den Blick Richtung Meer schweifen. Durch die Dunkelheit und den beharrlichen Regen ließen sich kaum die Wellen erkennen, die an den Strand rollten. »Vielleicht ist sie da draußen von einem Boot gefallen. Wenn der Sturm sie überrascht hat, kann es schon passieren, dass sie über Bord ging.«
»Jemand muss die Rettung alarmieren«, fiel es Jo auf. Sie alle waren so darauf fixiert gewesen, die Verunglückte zu retten, dass niemand von ihnen an den Notruf gedacht hatte. »Ich hab mein Telefon im Schuppen liegen gelassen …«
Ryan, der sein Handy sowieso nie bei sich hatte, nickte, und Jo rannte über den Strand zurück zur Surfschule, um von ihrem Handy aus den Notruf abzusetzen.
Da rief Damian plötzlich: »Wir haben sie!«
Alle beugten sich über die junge Frau. Tatsächlich, sie hustete und würgte Meerwasser hoch. Ihre Pupillen unter den geschlossenen Lidern bewegten sich.
Liem schlug mit der flachen Hand gegen ihre fahlen Wangen. »Hello? Hören Sie mich? Aufwachen!«
Der wie leblos auf den Steinen liegende Arm zuckte.
»Wir müssen sie ins Warme bringen«, entschied Ryan. »Kommt, Jungs, nehmt sie hoch.« Dann leuchtete er mit seiner Taschenlampe auf den Berg aus Treibgut. »Aber zuerst müssen wir sie aus dem Zeug da befreien.«
Liem griff der Frau unter die Schultern, Damian packte sie um die Taille, und dann zogen beide.
Der lange Fischschwanz kam unter dem Netz und dem Seetang vollständig zum Vorschein, es schien als steckte die Frau bis zum Bauch darin fest.
Jo kam zurück, das Handy noch in der Hand. »Ich bekomme keine Verbindung«, rief sie, doch niemand hörte ihr zu. Alle starrten irritiert auf die Stelle, wo die blasse weiße Haut der Frau in bläulich-grüne Schuppen überging.
»Was zur Hölle?«, entfuhr es TJ.
»Da hast du dir eine Meerjungfrau an Land gezogen«, stellte Damian trocken fest.
Jo schüttelte den Kopf. »Ach, Unfug! Sie nahm Ryan die Taschenlampe aus der Hand und beugte sich damit über den Fischschwanz. »Das ist ein Kostüm! Guckt.«
Tatsächlich konnte sie den Fischschwanz zurückschieben und darunter kam mehr weiße Haut zum Vorschein.
»Und jetzt packt an! Sie muss ins Warme«, befahl Jo.
Nun wo der Fischschwanz nicht mehr im Netz festhing, konnten Damian und Liem die Frau hochheben. Jo und TJ leuchteten mit den Taschenlampen den Weg, Ryan scheuchte die Hunde vor sich her.
So erreichten sie den Schuppen.
»My goodness …«, Bessie und Elena sahen entsetzt aus, als die kleine Prozession den Schuppen erreichte.
Rasch schoben sie die Stühle beiseite. Ryan legte ein altes Surfbrett auf den Boden, das Jo und er mit Handtüchern und einer Decke bedeckten. Das Wasser lief Ryan aus dem wirren blonden Haarschopf und sogar aus dem Bart. Inzwischen hatte Jo doch noch einen Notruf absetzen können.
»Der Rettungswagen müsste bald da sein«, informierte sie Jo. Ihre Haare klebten ebenfalls nass an ihrem Kopf. »Es ist wohl ziemlich viel los, wegen des Sturms.«
Dann betteten Liem und Damian die Verunglückte auf das notdürftige Krankenlager.
Sie hatte die Augen immer noch geschlossen und rührte sich nicht. Damian vergewisserte sich, dass sie noch atmete.
»Wir sollten in der Zwischenzeit Doktor Wang Bescheid geben«, überlegte Jo und zückte wieder ihr Handy.
»Nein, lass. Ich fahr zu ihr und bring sie gleich mit, das geht schneller.« Ryan griff sich seine Autoschlüssel von einem Haken an der Wand.
Misstrauisch beäugte Jo ihn. »Kannst du fahren?«
»So viel hab ich nicht getrunken«, versicherte Ryan. »Außerdem ist das schon wieder eine ganze Weile her.«
Sie hob ergeben die Arme. »Okay. Aber dann komme ich mit.«
Die beiden verließen den Schuppen wieder.
Bessie kramte aus einem Regal noch mehr Handtücher und eine zweite Decke hervor. »Wir müssen sie aufwärmen«, sagte sie.
TJ, Damian und Liem standen reichlich bedröppelt um die junge Frau herum. Bei Licht betrachtet war sie vielleicht doch nicht mehr so ganz jung. Dreißig, schätzte TJ, oder fünfunddreißig.
Sie hatte langes hellblondes Haar, das ihr in Strähnen am Gesicht klebte. Über ihre blasse Haut verliefen Schlieren von Make-up. Das Fischernetz, in das sie verheddert gewesen war, hatte wohl zu ihrer Kostümierung gehört. Sie trug ein Bikinioberteil, das an Muscheln erinnerte und jetzt, im Neonlicht des Surferschuppens, war der Fischschwanz ganz offensichtlich aus schillerndem Stoff. Die Frau war sehr schlank, und unter ihrer Haut zeichneten sich bläuliche Adern ab.
»Vielleicht könntet ihr sie von etwas weiter weg anstarren«, schlug Bessie vor und schob Liem unsanft beiseite. »Sie muss dringend aus den nassen Sachen raus und in die Decke gewickelt werden.«
Liem und auch Damian wichen ihren Freundinnen aus, die sich daranmachten, die Frau aus dem nassen Meerjungfrauenkostüm zu schälen. Nur TJ gelang es nicht, sich von ihrem Anblick loszureißen.
»Bitte, Jungs«, sagte nun Elena. »Das wäre ihr sicherlich unangenehm.«
Damian packte TJ am Arm und zog ihn mit ins Hintere des Schuppens. »Überlassen wir das lieber den Mädels.«
»Krass«, murmelte Liem, der noch sichtlich unter Schock stand. »Wenn Bob nicht angeschlagen hätte …«
»Und er hier«, ergänzte Damian und stieß TJ mit der Faust gegen die Brust. »Da hast du echt gut reagiert.«
»Ihr auch …«, murmelte TJ. Er war noch ganz benommen.
Damian wagte sich noch einmal nach vorn und holte ihre Guinness-Flaschen. »Wir trinken jetzt erst einmal auf den Schreck«, schlug er vor.
»Wo sie wohl hergekommen ist?«, sinnierte TJ.
»Keine Ahnung. Aber weit kann sie nicht getrieben sein, sonst wäre sie bestimmt schon ertrunken gewesen«, mutmaßte Damian. Er schien die Ereignisse von ihnen dreien am besten wegzustecken.
»Grauenhafte Vorstellung …« TJ warf einen verstohlenen Blick über die Schulter.
Elena und Bessie hatten die Frau ausgezogen und rubbelten ihren Körper mit den Handtüchern warm. TJ erhaschte einen Blick auf ihre zierliche Figur.
»Hübsch ist sie, deine Meerjungfrau«, neckte Damian, der dem Blick seines Freundes gefolgt war.
»Hör doch auf«, entgegnete TJ, obwohl er gerade dasselbe gedacht hatte. »Sie ist mit knapper Not dem Tod entronnen, da kann man doch nicht über ihr Aussehen nachdenken.«
»Dann wartest du halt noch ein bisschen damit«, schlug Damian vor und grinste schief.
Sie tranken von ihrem Guinness.
»Ihr könnt wieder herkommen.« Die drei fuhren herum.
Bessie und Elena hatten sich wieder aufgerichtet. Die Meerjungfrau sah jetzt eher aus wie eine Mumie. Sie hatten sie in die stabile Seitenlage gerollt und sie dann fest mit den Decken und Handtüchern umwickelt. Sogar um den Kopf hatte sie wie einen Turban ein Handtuch gewickelt.
»Über die Kopfhaut verliert der Körper die meiste Wärme«, erklärte Bessie als sie TJs Blick auffing. »Hab ich mal irgendwo gelesen.«
»Wo bleibt bloß die Rettung?«, fragte TJ.
»Du solltest auch aus dem nassen Zeug raus«, fuhr Bessie fort, ohne auf seine Frage einzugehen. »Ihr seid alle nass bis auf die Haut. Runter mit den nassen Klamotten!«
TJ sah an sich hinunter. Er hatte schon wieder ganz vergessen, wie nass er geworden war.
»Los, raus aus dem Hemd, alle beide.« Bessie schien wild entschlossen. Bevor er noch Gefahr lief, dass sie selbst Hand anlegte, begann TJ, die Knöpfe seines Hemds aufzuknöpfen. Damian tat es ihm nach.
Als sie die Hemden ausgezogen hatten, nahm Bessie sie ihnen aus der Hand und warf ihnen die beiden letzten verbliebenen Handtücher zu. »Die Hosen müsst ihr jetzt leider anbehalten, außer ihr wollt Frau Doktor Wang in Unterhosen begrüßen.«
TJ winkte ab. »Passt schon.«
Bessie ließ von den beiden ab und nötigte auch noch Liem aus seinem nassen Shirt. Elena hatte sich auf einen der Klappstühle gesetzt. Sie sah erschöpft aus. Auch Damian fiel auf, dass seine schwangere Freundin schon vor mindestens einer Stunde über Müdigkeit geklagt hatte.
»Ich denke, wir gehen jetzt besser«, sagte er. »Es hat aufgehört zu regnen.
Elena küsste Bessie zum Abschied auf die Wange und winkte den Übrigen kurz zu. Notgedrungen ließ Damian sich das nasse Hemd zurückgeben. »Bis wir daheim sind, geht das nasse. Ich ziehe mich dann sofort um«, versprach er.
Dann führte Damian seine Freundin hinaus in die Nacht.
Kurz nachdem sie gegangen waren, knirschte der Kies vor dem Surferschuppen. Autotüren schlugen und Ryans Stimme drang zu ihnen durch die angelehnte Tür: »Hier entlang bitte.«
Dann standen Ryan, Jo und die Landärztin im Raum. Bob und Marley kamen hinter ihnen her.
Mit einem geschulten Blick erfasste Doktor Wang die Situation. Sie ging neben der Patientin auf die Knie und stellte ihren Koffer neben ihrem Kopf ab. Sie überprüfte Atmung und Puls. »Wie lange ist es her, dass Sie sie aufgefunden haben?«, fragte sie, ohne aufzublicken.
TJ wechselte einen fragenden Blick mit Ryan und Jo. Ryan zuckte die Achseln, Jo sah auf ihre Armbanduhr. »Vielleicht eine halbe Stunde«, erwiderte sie.
»Wer hat sie gefunden?«, fragte Wang.
»TJ hier«, antwortete Ryan und zeigte mit dem Finger auf TJ.
»Eigentlich war es der Hund«, sagte TJ. »Der Hund hat sie gefunden.«
Bob, der sich wie eine Fell gewordene Statue zu Füßen der Patientin postiert hatte, kläffte zur Bestätigung.
»War sie zwischenzeitlich irgendwann bei Bewusstsein?«, fragte die Ärztin weiter.
»Nein.« TJ schüttelte den Kopf. Er stand mit vor dem Körper verschränkten Armen da und sah auf die Ärztin und ihre Patientin hinunter. Er bereute, dass er sein Hemd hergegeben hatte. Es war kalt, und er kam sich bescheuert vor, mit nacktem Oberkörper Fragen zu beantworten.
Doktor Wang sah gar nicht zu ihm auf, sie untersuchte die Verunglückte.
»Er hat sie wiederbelebt«, warf Ryan ein.
Jetzt hob Wang doch kurz den Kopf und nickte TJ anerkennend zu. »Das haben Sie gut gemacht.«
»Ich war das nicht allein«, widersprach TJ sofort. »Wir haben alle … also, wir alle haben das gemacht.«
Doktor Wang beendete ihre Untersuchung. Sie begann, in ihrer Tasche zu kramen. »Ich werde ihr jetzt einen Zugang und eine Infusion legen. Außerdem bekommt sie Sauerstoff.« Während sie routiniert arbeitete, sprach die Ärztin weiter: »Wichtig wäre, dass sie das Bewusstsein wiedererlangt. Aber die Atmung scheint stabil, das ist auch schon viel wert.«
Die Ärztin fixierte die Infusion mit Klebestreifen, dann hielt sie den Beutel TJ hin, der ihr am nächsten stand. Er griff danach und übernahm die Rolle des Tropfständers.
Doktor Wang war fertig.
»Sie sollte in ein Krankenhaus«, sagte sie im Aufstehen. »Leider kann ich sie heute Nacht dort nicht hinbringen. Die Straße nach Falmouth ist durch den Sturm blockiert. Ich wurde vorher rausgerufen, weil sich ein Feuerwehrmann beim Versuch die umgestürzten Bäume wegzuschaffen, verletzt hatte. Wir sind momentan eingekesselt.«
Bestürzt sahen die Freunde sich an. Das erklärte jedenfalls, weshalb von der Rettung immer noch jede Spur fehlte.
»Und was jetzt?«, fragte Bessie fast tonlos.
»Hierbleiben kann sie nicht, es ist zu kalt«, erwiderte die Ärztin.
»Wir bringen sie in die Pension«, schlug Jo vor.
»Das ist zu weit«, widersprach Ryan sofort. »Wir müssten durch das ganze Dorf. Das Jamaica Inn ist viel näher. Sie kann bei mir ein Zimmer bekommen.«
Doktor Wang nickte. »Danke, das ist ein guter Vorschlag. Wir warten noch ein paar Minuten, ob sie nicht doch wach wird. Dann bringen wir sie ins Dorf. Können wir dazu Ihren Pick-up nutzen?« Sie sah Ryan fragend an.
»Natürlich«, beeilte der sich zu sagen.
Doktor Wang kontrollierte die Infusion, die TJ von sich weghielt, als fürchtete er, davon kontaminiert zu werden.
Ein seltsamer Laut ließ alle zusammenzucken. Es war ein Stöhnen oder Jammern, das sich nicht menschlich anhörte.
Es brauchte einen Moment, selbst bei der Ärztin, bis sie erkannten, dass die Bewusstlose diesen Laut von sich gegeben hatte.
Die junge Frau bewegte sich. Sie schien Schmerzen zu haben, doch immerhin schlug sie endlich die Augen auf. Sie blinzelte und ihre Pupillen wanderten unfokussiert durch den Raum.
»Wo bin ich?«, fragte sie matt.
TJ war erleichtert. Nicht nur, dass sie wach geworden war, sondern auch, dass sie Englisch sprach. Er hatte irgendwie befürchtet, dass sie vielleicht eine völlig andere Sprache sprechen würde und sie sie nicht verstünden.
»Sie sind in Sicherheit«, erwiderte Doktor Wang und griff noch einmal nach ihrer Hand, um den Puls zu kontrollieren. »Haben Sie Schmerzen?«
»Was ist passiert?«, beantwortete die Frau die Frage mit einer Gegenfrage.
TJ ging neben ihrem Kopf in die Hocke, darum bemüht, trotzdem den Tropf hochzuhalten. »Wir hatten gehofft, Sie könnten uns das sagen.«
Sie wandte ihm das Gesicht zu und sah ihn aus meergrünen Augen an. »Ich weiß es nicht …«
»Können Sie uns Ihren Namen nennen?«, übernahm die Ärztin wieder das Gespräch. Sie holte eine kleine Taschenlampe aus ihrer Tasche und kontrollierte damit die Pupillenreaktion der Verletzten.
Diese schien einen Moment zu überlegen. Dann sagte sie langsam: »Nein … Ich fürchte, das kann ich nicht.«
»Erinnern Sie sich an irgendetwas? Wo Sie wohnen? Wie alt Sie sind? Wo Sie waren, bevor Sie ins Wasser gefallen sind?«, fragte die Ärztin ruhig weiter.
»Ich bin ins Wasser gefallen?«
TJ widerstand dem Impuls, der Frau mitfühlend über den Kopf zu streicheln. Sie tat ihm furchtbar leid.
»Wir bringen Sie in ein Pensionszimmer«, erklärte Doktor Wang. »Dort können Sie sich ausruhen. Es hat ein schreckliches Unwetter gegeben, die Straße aus dem Dorf ist nicht passierbar. Für den Augenblick müssen wir Sie hierbehalten.«
Die Frau nickte ergeben. Ihre Augenlider klappten erneut zu.
Doktor Wang wiederholte: »Haben Sie Schmerzen? Können Sie aufstehen?«
Die Augen gingen langsam wieder auf. »Kopfschmerzen …«, murmelte sie. »Und mein Arm tut weh.«
Die Ärztin tastete den Arm ab. »Gebrochen scheint er nicht zu sein. Vielleicht geprellt durch den Sturz ins Wasser. Wenn wir wüssten, ob sie von einem Boot kam oder von Land … Na, egal, darum wird sich die Polizei dann kümmern müssen.«
Doktor Wang warf einen Blick in die Runde. »Haben Sie den Vorfall der Polizei schon gemeldet?«
Die Freunde wechselten betretene Blicke. Daran hatten sie überhaupt nicht gedacht.
Die Ärztin klappte ihren Koffer zu und stand auf. »Ich mache das, wenn Sie wollen. Bringen Sie die Patientin im Jamaica Inn unter. Ich sehe dann gleich morgen Früh nach ihr.«
»Können wir Sie nach Hause bringen, Doktor?«, fragte Ryan und trat beiseite, um die Ärztin zur Tür zu lassen.
»Nein, lassen Sie mal. Ich finde schon zurück. Kümmern Sie sich lieber um die Verletzte.«
Ryan nickte und folgte der Ärztin aus dem Surferschuppen.
»Was jetzt?«, fragte TJ.
»Ryan holt den Pick-up«, sagte Jo, als habe sie seine Gedanken beim Hinausgehen gelesen. »Wir könnten versuchen, sie einfach mit dem Surfbrett auf die Ladefläche zu heben. Aber wie bringen wir sie dann im Inn die Treppe hoch?«
Von draußen war der Motor des Pick-ups zu hören, den Ryan rückwärts vor die Schuppentür manövrierte.
TJ hielt Bessie die Infusion hin. »Halt du das bitte, dann kann ich mit anheben.«
Als Ryan wieder hereinkam, hoben er, TJ und Liem das Surfbrett mit der Verunglückten hoch. Bessie ging nebenher und hielt den Infusionsbeutel. Gemeinsam schoben sie das zur Trage umfunktionierte Surfbrett auf den Pick-up. TJ übernahm die Infusion wieder von Bessie und kletterte mit auf die Ladefläche. Jo stieg zu Ryan vorn ins Auto. Liem und Bessie traten den Heimweg zu Fuß an.
Langsam steuerte Ryan den Pick-up die Straße hinauf zur Kreuzung. Obwohl er sehr vorsichtig über die unbefestigte Straße fuhr, wurden TJ und die Frau auf der Surfbrett-Trage ordentlich durchgeschüttelt. Sie hatte die Augen wieder geschlossen, stöhnte jedoch bei jeder Erschütterung vor Schmerz.
Mit der freien Hand griff TJ nach ihrer Hand, die unter den Decken und Handtüchern hervorlugte. Sie fühlten sich beinahe nicht menschlich an, so kalt und klamm waren sie. »Wir haben es gleich geschafft. Es ist nicht weit zum Jamaica Inn.«
Er glaubte, einen schwachen Druck ihrer Finger als Reaktion auf seine Worte zu spüren.
Es war seltsam, er kannte die junge Frau nicht, wusste noch nicht einmal, wie sie hieß, und trotzdem fühlte TJ sich ihr verbunden. So, als sei durch ihre Rettung ein Stück Verantwortung für ihr Wohlergehen auf ihn übergegangen.
Sie erreichten das Jamaica Inn und hoben im Schein der Straßenbeleuchtung die Surfbrett-Trage wieder vom Pick-up. Durch die Tür und in die Gaststube des Jamaica Inns brachten sie die Patientin, dort legten sie das Surfbrett zwischen den Tischen ab.
Die junge Frau blinzelte in der ungewohnten Helligkeit. Von ihrem Liegeplatz auf dem Fußboden konnte sie nicht viel erkennen, doch das Wenige war sicherlich schon eindrucksvoll genug. TJ betrachtete Ryans Pub als eine Art zweites Wohnzimmer, er nahm die extravagante Ausstattung schon längst nicht mehr wahr, wie alle von ihnen, die sich zu Ryans Freunden zählten. Für Außenstehende war das Jamaica Inn immer erst einmal gewöhnungsbedürftig.
Ryan lebte in dem ehemaligen Dorf-Pub seinen Traum vom Aussteigerleben aus. Der Tresen war mit Bambusmatten umwickelt, darüber hingen bunte Blumenketten, ein Fischernetz mit allerlei Plastikgetier und jamaikanische Flaggen. Aus der Wand neben dem Tresen ragte die Front eines Cadillacs, überall stand Nippes herum: Wackel-Elvise, Bob-Marley-Figürchen, Beachgirls aus Plastik. Jeden Zentimeter Wand zierten Plakate mit Rastafaris, Che-Guevara-Porträts und Surf-Events. Ryans ganzer Stolz war die zu seiner persönlichen »Wall of Fame« erkorene Wand im Flur, der zu den Toiletten und der Küche führte. Dort hingen Fotos von Ryan mit allen möglichen Größen des Surf-Sports, die er irgendwann einmal zu Gast gehabt hatte.
Ja, Ryan war sehr speziell. Aber TJ dachte, dass er keinen großherzigeren Menschen kannte als den in die Jahre gekommenen Surfer, und dass er stolz war, sich sein Freund nennen zu dürfen.
Auch jetzt tat Ryan einfach das, was nötig war. Er ging hinter den Tresen und zapfte für alle Getränke. Dann fragte er: »Hat noch jemand außer mir Hunger?«
»Ich könnte schon ’nen Happen essen«, stellte Jo fest.
TJ nickte zur Bestätigung.
»Ich hab Mulligatawny Suppe, die kann ich schnell warm machen«, schlug Ryan vor. »Das Rezept hab ich von Liem bekommen. Ist ganz gut und richtig scharf.«
Wieder nickte TJ. Er warf der Verletzten einen fragenden Blick zu. Als sie auf Ryans Vorschlag nicht reagierte, fragte TJ: »Möchtest du etwas essen?«
Sie machte eine vage Bewegung mit dem Kopf, die sowohl Ja als auch Nein bedeutet haben mochte.
Jo hockte sich neben sie. »Kannst du dich aufsetzen, Schätzchen? Ich denke, ein paar Löffel Suppe würden nicht schaden. Das wärmt auch noch mal.«
Sie half der jungen Frau, sich aufzusetzen und wickelte die Decken rasch wieder um ihren schmalen Körper. Dann rief sie über die Schulter zum Tresen hinüber: »Mach das Zeug warm, wir nehmen jetzt alle davon. Und eine Wärmflasche für das arme Kind, falls du so was besitzt!«
Ryan nickte und verschwand in der Küche.
Jo setzte sich zu der Verletzten auf das Surfbrett und stützte sie. TJ stand etwas ratlos mit der inzwischen leeren Infusion herum.
»Du kannst das Ding jetzt ablegen«, sagte Jo. »Und dann nimm dir einen Stuhl, du machst uns ganz nervös, wenn du so herumstehst.«
TJ tat, wie ihm befohlen.
»Wie fühlst du dich?«, fragte er, um ein Gespräch in Gang zu setzen.
Die junge Frau sah müde aus, doch sie versuchte sich an einem Lächeln, als sie antwortete: »Es geht schon. Hast du mich … warst du dabei, als ich gefunden wurde?«
Da ging TJ auf, dass sie sich noch nicht einmal vorgestellt hatten. Geschweige denn, der armen Frau zumindest das Wenige erzählt, das sie über ihren Unfall wussten.
»Mein Name ist TJ und ja«, beeilte er sich zu sagen. »Ich war dabei. Eigentlich hat dich Bob gefunden.«
Die beiden Hunde hatten sich beim Nachhausekommen gleich in ihren Korb in der Ecke des Gastraums verzogen. Jetzt, da TJ seinen Namen genannt hatte, kletterte Bob wieder heraus und kam schwänzelnd auf sie zu.
»Das ist Bob«, stellte TJ vor. »Er gehört Ryan. Das ist der Besitzer des Jamaica Inns hier. Wir haben eine Party am Strand veranstaltet, dann hat uns der aufziehende Sturm überrascht. Wir saßen im Surferschuppen und warteten, dass der Regen nachlässt, da ist Bob auf einmal rausgelaufen. Ich hab nachgesehen, warum er nicht wiederkam. Und … na ja, da warst du am Strand.«
Bob ließ sich von der Fremden den runden Kopf tätscheln und hechelte zufrieden.
»War ich bewusstlos?«, fragte die Frau.
»Ja, warst du. Du bist angeschwemmt worden.«
Jo mischte sich ein: »TJ hat dich wiederbelebt. Du kannst ihn also als deinen Lebensretter betrachten.«
TJ spürte, wie die Röte über sein Gesicht zog. »Quatsch«, wehrte er ab. »Wenn, dann haben wir alle unsren Anteil daran.«
»Ich weiß gar nicht, wie ich euch danken soll …«, murmelte die Frau.
»Indem du schnell wieder zu Kräften kommst«, schlug Jo vor.
Ryan kam aus der Küche und trug ein Tablett mit vier Schüsseln. Er stellte es auf dem nächstgelegenen Tisch ab.
»Wollt ihr da unten essen?«, fragte er unschlüssig.