Gott: Vierzehn Todesfälle und ein Renteneintritt - Eris Ado - E-Book

Gott: Vierzehn Todesfälle und ein Renteneintritt E-Book

Eris Ado

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Beschreibung

»Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet!«, ließ Friedrich Nietzsche seinen tollen Menschen ausrufen. Doch ist es möglich, dass ein vielschichtiges, facettenreiches Wesen nur einmal stirbt? Dieses Buch enthält fünfzehn Gespräche über Gott und mit Gott. In der Mehrzahl dieser Geschichten nimmt das Geschehen einen letalen Ausgang. Lebendgesagte sterben öfter!

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Inhalt:

Der Wunsch

Gott bei den Theologen

Mehrfachwette

Bei den Losern

Fleißbildchen sind nicht mehr erwünscht

Gott und der hippe Jurist

Columbius und die Evangelisten

Preppergespräche

Gott besucht die NMZA- Gemeinde

Der Dichter der Vergänglichkeit

Gekränkte unter sich

Die Freunde des Paradoxen

Viel Lärm um Gott

Wir bauen einen Gott

Die Klinik für Weltangelegenheiten

Der Wunsch

Drei Personen beliebigen Geschlechts stehen herum und unterhalten sich.

Person 1: Im Fernsehen laufen ja auch keine erträglichen Sendungen mehr.

Person 2: Dann beschwere dich halt bei den Verantwortlichen.

Person 1: Da kann ich genauso gut mit meiner Waschmaschine reden.

Person 3: Wenn ich drei Wünsche frei hätte, dann würde ich mir ganztägiges gutes Fernsehprogramm wünschen.

Es blitzt, es donnert, ein Gott beliebigen Geschlechts erscheint.

Gott: Ich habe heute meinen guten Tag. Ein Wunsch sei euch gewährt.

Person 1: Sind für Wünsche nicht Feen verantwortlich?

Person 3: Und sollten es nicht drei Wünsche sein?

Gott: Immer diese Nörgelei. Ihr solltet euch glücklich schätzen, dass ich euch einen Wunsch gewähre. Außerdem bin ich der Herr über alles, auch über Feen. Ihr bekommt also so eine Art Chefarztbehandlung!

Person 2: Apropos Chefarzt: Warum gibt es so viele Krankheiten, so viel Leid in der Welt?

Gott: Ich bin nicht hier um Fragen zu beantworten. Also, wollt ihr nun einen Wunsch erfüllt bekommen, oder nicht?

Die drei Personen stecken ihre Köpfe zusammen. Nach kurzer Aussprache verkünden sie im Chor:

Person 1,2,3: Wir wollen die Freiheit.

Gott: Ich dachte, ihr wolltet gutes Fernsehprogramm.

Person 3: Das galt nur für drei Wünsche. Aber da Du so geizig bist, mussten wir uns für das entscheiden, was uns am wichtigsten ist.

Gott: Ihr seid doch frei. Ich sehe keine Ketten an euch.

Person 1: Du verstehst uns falsch. Wir wollen die Willensfreiheit.

Gott: Da habt ihr einen heiklen Wunsch geäußert. Es kommt auf die Perspektive an. Für mich als Allesseher seid ihr Menschen Naturereignisse, oder vielmehr Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche oder Erdbeben. Da gibt es nichts Freies. Alles ist festgelegt. Für euch als Wenigseher erscheinen eure Handlungen frei, nicht festgelegt. Ihr habt doch dieses Gefühl der Freiheit. Was wollt ihr denn mehr?

Person 2: Na, es soll uns möglich sein in identischen Situationen unterschiedlich handeln zu können.

Gott: Es gibt keine identischen Situationen. Eine Situation tritt nur einmal ein. Aber ich sehe schon, worauf ihr hinauswollt. Ihr lehnt den Determinismus ab. Ihr wollt nicht, dass die Welt eure Gedanken führt. Dann werft doch jedes Mal, wenn ihr eine Entscheidung zu fällen habt eine Münze.

Person 2: Das löst unser Problem nicht, weil die Welt trotzdem unser Geschick bestimmt, weil so ein Münzwurf durchaus berechenbar ist. Nicht von uns Menschen, aber der berüchtigte Laplacesche Dämon könnte es.

Person 3: Selbst wenn es gelänge, absoluten Zufall herzustellen, wäre das nicht, was wir begehren. Unsere Entscheidungen sollen uns zurechenbar bleiben.

Gott verzieht das Gesicht, raucht eine. Dann nimmt er den Gesprächsfaden wieder auf.

Gott: Ihr wollt eine Freiheit, die nicht determiniert ist, die aber auch nicht zufällig sein darf?

Person 1: Ganz genau.

Gott: Hört auf eure Philosophen! Die sagen euch, dass Determinismus und Freiheit vereinbar sind.

Person 3: Nur ein Teil von ihnen und außerdem reden Philosophen viel, wenn der Tag lang ist. Die wollen sich die Welt schönreden. Wenn sie eingekerkert wären, würden sie ihre Ketten preisen. Uns gefällt eine festgezurrte Freiheit nicht. Wir wollen die Freiheit, wie wir sie verstehen.

Gott: Ihr wisst schon, dass dies unmöglich ist. Nicht einmal ich besitze diese Freiheit. Seit ich existiere, muss ich mich den Gesetzen der Existenz unterwerfen. Entweder es tickt etwas in einem, oder man macht alles zufällig.

Person 2: Was trifft auf dich zu?

Gott: Sehe ich aus wie ein Würfel? In mir tickt selbstverständlich etwas. Dieses Ticken lässt mich meine Entscheidungen treffen.

Person 1: Du hast die Welt gar nicht freiwillig erschaffen?

Gott: So scharf würde ich das nicht formulieren. Sagen wir einfach, ich habe sie zwangsläufig erschaffen, oder noch besser: Die Welterschaffung war alternativlos. Aber nun zurück zu eurem Wunsch. Was wollt ihr?

Die drei Personen stecken wieder die Köpfe zusammen.

Person 3: Bitte nicht böse sein. Wir verstehen, dass es gewisse Schwierigkeiten bei der Erfüllung unseres Wunsches gibt. Aber wir wollen trotzdem die Freiheit.

Gott: Warum haltet ihr an diesem seltsamen Wunsch fest?

Person 2: Wenn alles festgelegt ist, dann können wir nicht mehr stolz sein auf unsere Taten. Die Welt führt Regie.

Gott: Aha, der Determinismus untergräbt eure Eitelkeit.

Person 1: Möglich. Das ändert aber nichts an unserem Wunsch.

Gott explodiert.

Person 2: Gott ist tot! Und wir haben ihn getötet!

Person 1: Schrecklich. Aber wir sind unschuldig. Unser Wunsch war alternativlos.

Person 3: Kann man so sehen. Aber wer gibt uns jetzt die Freiheit?

Person 1: Vielleicht kommt ja doch noch eine Fee vorbei.

Gott bei den Theologen

Gott: Ich kann nicht länger der Sinngeber sein. Ich will auch nicht länger das Eigentliche sein. Ich bin alt. Und ihr habt mich altern lassen. Ihr seid meine Krankheit zum Tode. Früher war ich kraftvoll, liebend und zürnend. Heute bin ich dazu verdammt, gebrechlich und mitleidend neben den Menschen zu stehen, weil ich absolut gut sein soll. Ich verblasse. Ob es mich gibt oder nicht, ist relativ gleichgültig. Wem soll dieser Schatten, kaum vom Nichts zu unterscheiden, Kraft geben?

Theologe 1: Wir können doch nichts dafür. Wir mussten mit der Zeit gehen. Die Menschen akzeptierten keine wutschnaubenden Götter mehr. Wir hatten dem Rechnung zu tragen. Wir verzögerten, wo wir konnten. Progressivität kannst Du der Theologen-Gilde nicht zum Vorwurf machen. Aber letztlich mussten wir dem Volk geben, wonach es verlangte. Einen guten Gott. Dieser passt aber so überhaupt nicht zur Beschaffenheit der Welt. So mussten wir dich schwächen, um dich halbwegs glaubwürdig erscheinen zu lassen. Die Vorwürfe an uns sind unangebracht. Du hast die Gelegenheit, jederzeit selbst vorbeizukommen, um den Leuten zu erklären, was Sache ist, nicht genutzt.

Gott: Schreib mir nicht vor, was ich zu tun und zu lassen habe.

Theologe 2: Du hast dir einen schlanken Fuß gemacht und uns das Geschäft der Sinnmacherei überlassen. Letzteres meine ich buchstäblich. Sinn ist nicht etwas, was man in der Welt vorfindet, nichts was in Dingen oder Zusammenhängen liegt: Sinn muss man machen. Und das ist harte Arbeit. Wir gaben unser Bestes, aber in Zeiten der Gottesabwesenheit, ist es unmöglich an einem mächtigen Gott festzuhalten, der es gut mit den Menschen meint. Aber jetzt bist Du ja da und kannst alles in deine Hände nehmen.

Gott: Leibniz glaubte, mich verteidigen zu müssen. Das ist das Problem. Damit erweckte er den Eindruck, man könnte mich mit menschlichen Maßstäben messen.

Theologe: Andere Maßstäbe stehen uns nicht zur Verfügung.

Gott: Na gut, lassen wir das einstweilen. Ihr habt gesagt, dass man euch Progressivität nicht zum Vorwurf machen kann: das stimmt wohl. Aber wer sagt denn, dass Fortschrittlichkeit im richtigen Maß und Sinn etwas Schlechtes ist? Ihr hättet auf andere Inhalte setzen können. Im Thomasevangelium stehen interessante Dinge. Zum Beispiel, dass jede Frau, die sich männlich mache, in das Königreich des Himmels eingehe. Da steht noch mehr über Geschlechterfluidität drin. Das passt in die neue Zeit. Das könnte ganz neue Zielgruppen erschließen. In der LGBTQIA+ Gemeinde gibt es sicher viele glaubensbereite Menschen. Es steht auch geschrieben, dass mein Sohn wiederkehrt, wenn sich die Menschen entkleiden, ohne sich zu schämen – wie die Kinder. Damit könnte man bei Nudisten punkten.

Theologe 1: Das geht nicht. Im Konzil von Trient wurde festgelegt, welche Evangelien zu gelten haben. Das Thomasevangelium gehört nicht zum Kanon. Wenn die Kirche etwas festgelegt hat, dann darf niemand daran rütteln. Das gilt auch für Gott.

Gott: Das hört sich fast blasphemisch an. Ihr braucht mich offenbar gar nicht. Und dennoch könnt ihr nicht von mir lassen. Ihr könnt nicht das Eigentliche sein. Als Sinnstifter seid ihr einfach zu schwach. Eure Erfüllung liegt in der Erwartung. Ohne diese würde eure Stärke und Zuversicht zusammenbrechen. Einfach Leben ohne etwas über euch zu spüren – das könnt ihr nicht. Am ehesten sind noch eure Narzissten dazu in der Lage. Ihr anderen seid verloren. Versucht euch festzuklammern an Vaterländern, Parteien, Institutionen, oder was auch immer. Aber nichts kann euch dauerhaft Halt geben. Der Übermensch ist ausgeblieben.

Theologe 3: Ja, das stimmt. Gekommen sind die Influencer, Selbstdarsteller und Aufmerksamkeitsheischer jeglicher Couleur.

Gott: Wie bereits angemerkt sind diese Gruppen am ehesten in der Lage mit den Gegebenheiten dieser Welt klarzukommen.

Theologe 1: Leider. Der Sinn des Lebens sollte nicht in der Selbstdarstellung bestehen. Es muss doch etwas geben, dem man sein Leben widmen kann, ohne vor Scham im Boden versinken zu müssen. Der Mensch kann sich als Bewahrer der Schöpfung begreifen.

Gott: Macht euch nichts vor. Die Schöpfung ist nicht bedroht. Nur ein kleiner Teil leidet. Ursache ist der Mensch. Und ebendieser Mensch will als Bewahrer der Schöpfung auftreten. Das nenne ich den Bock zum Gärtner machen. Egal wie rücksichtsvoll ihr zu sein glaubt: Ohne euch wäre die Schöpfung am besten bewahrt.

Ich kann euch keinen Sinn schenken. Ich könnte euch das ewige Leben schenken. Aber das wäre doch nur fortgesetzte Erbärmlichkeit. Eine unendliche Existenz würde euch nicht glücklicher machen. Eher unglücklicher. Ihr hättet keinen Ausweg mehr. Und ihr hättet kein Ziel mehr. Jetzt könnt ihr euch der tröstlichen