Nahtod, Nachtod, Naturalismus - Eris Ado - E-Book

Nahtod, Nachtod, Naturalismus E-Book

Eris Ado

3,8

Beschreibung

Es wird viel geschrieben über Nahtoderlebnisse. Es wird viel Falsches geschrieben über Nahtoderlebnisse. Und das nicht nur von Mitläufern, sondern auch von den Experten auf diesem Gebiet. Eris Ado deckt manipulative Behauptungen und falsche Darstellungen in den Publikationen der Nahtod-Experten auf. Dieses Buch beleuchtet die Nahtodforschung aus einem naturalistischen Blickwinkel; und macht deutlich, dass Nahtoderlebnisse keine Gefahr für eine naturalistische Weltanschauung darstellen.

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Inhalt:

Einleitung

Warum der Erfolg?

Propheten

Im Anfang war das Kuscheljenseits

Suizidangelegenheiten

Gericht

Der Tod kommt im Bergtrikot

Glaubensfragen

Reale Einblicke?

Veränderungen

Fragestellungen

Vergänglichkeitsfragen

Alles hat ein Ende, nur das Ego nicht

Die NTE als Mittel zur Vergänglichkeitsbewältigung

Der ewigen Glückseligkeit auf Gedeih und Verderb ausgeliefert?

Vorfreude ist die schönste Freude

Die allmähliche Verfertigung des Nahtoderlebnisses

Die Angst des Thanatologen vor der Recherche I

Widersprüchliches

Dualismus

Gedankenspiele

Das Paradies als besserer Ort?

Nicht auf die Größe kommt es an

Die Angst des Thanatologen vor der Recherche II

Was ist ein Beweis?

Blindsichten

Geheime Zeichen

Beweispflichten

Der Fall Pamela Reynolds

It´s the brain, stupid!

Herzensangelegenheiten

Prospektive Studien

Doppelte Standards

Erklärungen

Schluss

Literatur

Einleitung

Die moderne Nahtodwelle startete mit Raymond Moody. Es gab schon vorher Berichte über Nahtoderfahrungen und auch wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema; so schilderte Albert Heim 1891 die Erlebnisse von Schweizer Bergsteigern, die einen Absturz überlebten; aber eine Breitenwirkung erzielten die Veröffentlichungen nicht. Das lag vor allem daran, dass die Autoren Nahtodeserfahrungen als diesseitiges Phänomen einstuften.

Breite Aufmerksamkeit wurde dem Thema zuteil, weil Moody Nahtoderfahrungen (NTE) als Manifestation einer jenseitigen Welt, und damit als Hinweis auf ein Leben nach dem Tod wertet. In seinen leicht lesbaren Büchern erzählt er häppchenweise aufregende Geschichten.

Der Titel seines ersten Buches ließ keinen Zweifel, wohin die Reise gehen sollte. „Life after life“ mit dem Untertitel: The investigation of phenomenon – survival of bodily death (dt. Leben nach dem Tod: 150 Menschen, die einmal im medizinischen Sinne gestorben waren und doch überlebt haben).

Dass im Inhalt des Buches die knackigen Aussagen des Buchtitels etwas relativiert werden, als Moody zugibt, dass die vorgelegten Berichte kein Beweis für eine postmortale Existenz sind, schadete dem Verkaufserfolg nicht. Im Gegenteil wurde dieses Eingeständnis als Zeichen der wissenschaftlichen Seriosität des Autors gewertet. Das Buch hatte großen Erfolg und so kam es, dass Moody beim Pflügen des Nahtotenackers schnell Mitstreiter gewann. Auch Dr. Elisabeth Kübler-Ross: „Über den Tod und das Leben danach“ und Dr. Michael B. Sabom: „Erinnerungen an den Tod“ entwarfen Jenseitsszenarien. Und Kenneth Ring. Und noch viele andere, die halfen, das Thema zu popularisieren. Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen nahmen sich des Themas gerne an. Verkündeten, dass die Wissenschaft Beweise für ein Leben nach dem Tod gefunden hätte.

Es wäre zu billig, die Massenmedien zu beschuldigen, sie hätten in ihrer auf Auflagen und Quoten bedachten Manier, Unseriosität in eine lupenreine Nahtod-Forschung getragen. Sie haben nur verstärkt, was schon da war. Sensationsheischende, verzerrende Darstellungen waren von Anfang an fester Bestandteil dieser Art von Sterbeforschung. Bei Moody, Kübler-Ross finden sich Behauptungen, die nicht belegt werden können. (Siehe Herzensangelegenheiten)

Die Moodyschen Anfänge der Nahtodforschung waren religiös unbestimmt und stellten ein vorwiegend positives Jenseits dar. Christen entdeckten die Forschung schnell und machten sie mit traditionellem christlichen Glauben kompatibel. Und zu diesem Glauben gehört, neben Belohnung der Rechtgläubigen, auch die Bestrafung der Sünder. So machten manche Gläubige wie Maurice Rawlings, es sich zur Aufgabe, die Echtheit der Hölle unter Beweis zu stellen. Damit machte er diese Art Forschung auch für Christen, die sich am nur schönen Jenseits gestört hatten, erträglich. Seitdem bevölkern bekennende Christen die Nahtodszene und verkünden beispielsweise: „Den Himmel gibt’s echt.“ Dieses Werk wurde auch verfilmt. Die Einspielergebnisse konnten sich sehen lassen.

Daneben gibt es noch Missionierungsliteratur mittels Bekehrungserlebnissen. Typischer Verlauf: Knallharter Atheist trifft während NTE auf Jesus und wandelt sich zum überzeugten Christen. Oder: Muslimin trifft während einer Nahtoderfahrung auf Jesus und erkennt, dass das Christentum der wahre Glaube ist. (In [57]) Oder auch: Weltliches Po-Modell findet aufgrund einer NTE zum wahren Glauben. (Den der Pfingstgemeinde; siehe [68])

Die Nahtodwelle ist bis heute nicht abgeebbt. Im Gegenteil: Als gewaltiger Kavenzmann fegt sie durch Buch, Zeitschrift und Film. Das Publikum giert nach immer neuen Berichten aus dem Jenseits. Und nimmt auch skepsislos alles auf, was gefällt. Es wird weiterhin dick aufgetragen im NTE-Sektor: Die Buchtitel versprechen ein „Endloses Bewusstsein“, „Auch du lebst ewig“. NTE-Experten erklären dem staunenden Publikum, „Die ersten drei Tage im Jenseits: was die Seele unmittelbar nach dem Ablegen des Körpers durchlebt“, liefern einen „Beweis des Himmels“.

Der Ex-Neurochirurg Eben Alexander hat mit „Proof of heaven: A Neuroseogeon´s journey into the afterlife “ (dt. Blick in die Ewigkeit) den Verkaufsvogel abgeschossen. Sein Buch verkaufte sich millionenfach. Er hat natürlich noch einen draufgesetzt und einen weiteren Titel vorgelegt. „The map of Heaven: How Science, Religion, and ordinary People Are Profing the Afterlife” (dt: “Vermessung der Ewigkeit”) Nicht schlecht für jemanden, dessen ärztliche Laufbahn auf Abwege gekommen war. Dem nach Prozessen um Fehlbehandlungen die Operationserlaubnis entzogen worden war. (Siehe: [64])

Wenn es mit der Karriere nicht mehr gut läuft, dann ist der Nahtodsektor eine attraktive Alternative. Mit Büchern, Vorlesungen, Seminaren und Filmen kann ein erkleckliches Einkommen erzielt werden, wenn man die postmortale Welt positiv darstellt. Denn die Leute, die bereit sind Geld auszugeben, präferieren ein angenehmes Jenseits. Der Bücherabsatz der Höllenbeweiser hält sich in engen Grenzen. Daneben gibt es nicht einmal eine Handvoll skeptischer Werke; die sich noch schlechter verkaufen.

Vorteilhaft für den Absatz ist es, wenn der Nahtoderfahrende noch sehr jung oder ein Mediziner ist. Ärzte und Kinder sagen die Wahrheit, glaubt der Bürger. Der Autorität des Arztes und der Unschuld des Kindes werden Vertrauensboni entgegengebracht. Der medizinische Doktortitel vor dem Autorennamen verleiht dem Inhalt Seriosität und Bedeutungsschwere. Ärzte genießen ihre Autorität nicht nur in medizinischen Belangen. Es wird ihnen auch besondere Kompetenz in Jenseitsfragen zugestanden.

Dass es Erlebnisse in Todesnähe gibt, steht außer Zweifel. Dass nicht jeder berichteten Erfahrung uneingeschränktes Vertrauen entgegengebracht werden muss, ist genauso eindeutig, denn Zweifel an der Authentizität müssen nicht unbegründet sein auf einem Gebiet, in dem es um viel Aufmerksamkeit und viel Geld geht. Neben persönlicher Profilierung und Bereicherung geht es um den richtigen Glauben. Die pia fraus, die „heilige Lüge“ ist da nicht fern. Für eine nach ihrer Ansicht gerechte Sache sei Lügen erlaubt, glauben einige Glaubensfürsprecher. Egal ob sie sich traditionellem Glauben oder modernem Eso-Glauben verbunden fühlen. Der Autor weiß, was das Publikum lesen will. Dass Berichte frisiert werden, oder ganz erfunden, ist keine haltlose Unterstellung: Der Junge, auf den der Bestseller: „Der Junge, der aus dem Himmel zurückkehrte: Eine wahre Geschichte.“ zurückgeht, hat gestanden, dass sein Bericht erfunden war.

Warum der Erfolg?

Sicherlich nicht wegen der Güte des vorgelegten Materials. Das war von Anfang an nicht beweiskräftig.

Zum einen wegen eines Glaubensbedürfnisses. Die Leute wollen glauben. Lassen sich nicht abschrecken von der Dürftigkeit der vorgelegten „Beweise“. Aufwand ist kaum verbunden mit dem NTE-Glauben. Der normale NTE-Gläubige hat keine Belastungen: ein paar Euros für Bücher, wenn überhaupt. Denn es gibt im Fernsehen und vor allem im Internet auch eine Menge zu diesem Thema. Mehr muss nicht sein.

Thanatologen hatten und haben weitgehend freie Bahn im Populärbereich. Kritik wurde in Fachmagazinen publiziert. Die Sachbücher wurden und werden sehr einseitig von „Gläubigen“ bevölkert. Warum gibt es so wenig skeptische Stimmen auf diesem Gebiet? Ein Grund besteht wohl darin, dass auch kritische Geister in Sachen Sterblichkeit immer zurückhaltend waren. Obwohl man ein naturalistisches Weltbild pflegte, sprach man selten aus, dass der Tod das endgültige Ende sei. Die Rolle des Spielverderbers, der Menschen die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod nimmt, und trauernden Angehörigen sagt, dass ihr geliebtes Kind, ihr Ehepartner, ihre Eltern tot sind, und das für immer, will kaum einer übernehmen. Zudem fiel es schwer im aufklärerischen Sinne gegen die Vorstellungen anzugehen. Gegen die Jenseitsvorstellungen der etablierten Religionen konnte und kann mit gutem Gewissen vorgegangen werden. Ein Jenseits, das vom richtigen Glauben abhängig ist und von einem rachsüchtigen Gott betrieben wird; ein Jenseits, dass das Diesseits mit Höllendrohungen beschwert: Da entstehen auch bei philanthropischen Humanisten keine Skrupel. Aber gegen ein Jenseits, für das keine Sektenzugehörigkeit erforderlich ist, und in dem es allen gut geht, lässt sich schwer ankommen.

Die Thanatologen zeichnen mehrheitlich ein idyllisches Bild: Nach dem Tod gehe es (fast) allen Menschen richtig gut. Das Jenseits ist kein Machtapparat mehr um die Schäfchen zu disziplinieren. „Auch Zweifler kommen in den Himmel“, verkünden sie mit vordergründiger Toleranz. Die Hölle ist bei den meisten Autoren abgeschafft, obwohl es durchaus schreckliche Nahtoderlebnisse gibt, die für religiös sozialisierte Interpreten unschwer als „Höllenerfahrungen“ zu deuten wären. Was einige Thanatologen, die dem christlichen Glauben nahe standen, auch machten. (Siehe: Einleitung)

Einige Autoren wollen die negativen Erlebnisse wegerklären, indem sie darauf verweisen, dass die positiven Elemente der NTE schon noch gekommen wären, hätte die NTE nur länger gedauert. Die „Experiencer“ sind nach dieser Ansicht sozusagen im Tunnel stecken geblieben. Negative Erlebnisse sind so unbeliebt, dass nach ihnen nicht einmal gefragt wird in den einschlägigen Fragekatalogen zur Bestimmung einer NTE. (Siehe: Der Tod kommt im Bergtrikot)

Viele Gruppen tummeln sich im Nahtodsektor und machen ihn zu einem unübersichtlichen Kampfplatz. (Evangelikale) Christen und verschiedene andere Gruppen, wie Esoteriker oder auch Hobby-Physiker, die anhand der NTE beweisen wollen, dass das Bewusstsein mit Lichtgeschwindigkeit oder sogar Überlichtgeschwindigkeit durch die Welt reist und aus quantenmechanischen Erwägungen unsterblich sei, beleben die Szene. Es gibt zahlreiche NTE-Forscher, die verschiedene Einsichten in das Nahtodesreich kommunizieren. Die Ergebnisse sind bunt und abwechslungsreich. Was der Sache eine gewisse Unverbindlichkeit verleiht: Jeder kann sich sein eigenes Jenseits zusammenstellen. Mit oder ohne Gott; mit oder ohne Engel, mit oder ohne Astralkörper, mit oder ohne Wiedergeburt, mit oder ohne Hölle ...

NTE sind der Tunnel in eine Welt, an dessen Ende das helle Licht der Allesbehauptbarkeit leuchtet. Alles ist möglich:

Engel, die uns umgeben, Selbstmörder, die in der Hölle schmoren, über Kinder, die sich vor der Geburt ihre eigenen Eltern aussuchen, von Karmagesetzen, Levitation, Hellsehen ...

Der Leser findet sich in einem religiösen und esoterischen Paralleluniversum, die ineinandergreifen, wieder. Es gibt Studien zu Wiedergeburten, auf die der NTE-Forscher verweisen kann, es gibt Studien zu Teleportation, Fernwahrnehmung. All dies dient den NTE-Gläubigen als Bestätigung.

Ein anderer Grund für die Beliebtheit ist, dass der Glaube an das Nahtodjenseits an keine bestimmte Religion gebunden ist. Theoretisch könnten auch Atheisten Anhänger eines hausherrenlosen Jenseits sein. Denn während in Offenbarungsreligionen ein Gott in Erscheinung tritt, der seinen Anhängern ein Leben nach dem Tode verspricht, wird in der Nahtodreligion der umgekehrte Weg beschritten: Zuerst wird das Jenseits entdeckt, dann wird nach dem Hausherrn geforscht.

Propheten

Die Verkündung eines jenseitigen Lebens war vor Erscheinen der Nahtodwissenschaftler Sache der Theologie. Die erschien vielen Menschen wegen ihrer Berufung auf alte Schriften, als altbacken und unwissenschaftlich. Die neuen Propheten halten ihre Studien in Händen und präsentieren Tabellen und Schaubilder.

Die neuen Propheten tragen weiße Kittel. Sie eint der Glaube, ihre Erkenntnisse seien besser geeignet Menschen Hoffnung zu machen als die traditionellen Religionen. Auf Menschen, die sich zwar von der herkömmlichen Religion verabschiedet haben, die aber von den metaphysischen Heilsaussagen nicht lassen wollen, mag das sogar zutreffen.

Selbstverständlich bezeichnen sich die neuen Propheten nicht als Propheten: Moody verwahrt sich dagegen Prophet zu sein, kann aber der Versuchung nicht widerstehen sein Buch als Werk zu präsentieren, das Hoffnung schenkt. Sonst ist er sehr unpräzise: Der Leser erfährt nichts Genaues, wenn es um Zahlenangaben und Ähnliches geht. Er erfährt aber, dass ein befreundeter Arzt einer älteren Dame ein Exemplar von „Leben nach dem Tod“ gegeben habe, und diese dann neuen Lebensmut fasste. Überhaupt tritt man so auf, als wäre die Hoffnung auf ein jenseitiges Leben von den NTE-Forschern erfunden worden. Das jenseitige Leben hat nach den NTE-Forschern geradezu übernatürliche Ausstrahlung ins diesseitige Leben:

„Ein New Yorker Forscher gab Patienten, die einen Suizidversuch überlebt hatten, Fallberichte von Todesnähe-Erlebnissen zu lesen. Das führte dazu, daß diese Patienten den Selbstmord nicht mehr als Lösung ihrer Probleme betrachteten. Dieses Experiment wurde mehrmals wiederholt, immer mit demselben Ergebnis: Das Wissen um die Existenz von Todesnähe-Erlebnissen hielt die Menschen von Selbstmordversuchen ab.“ (S. 107f in Moody [36])

Der Name des Forschers, die Zahl der Patienten, die Dauer der Beobachtung (falls überhaupt der Werdegang der Patienten verfolgt wurde), ebenso die Art der TNE, die zum Lesen gegeben wurden, werden nicht genannt. Wurde versucht den Patienten mit schrecklichen Suizid-NTE Angst zu machen, oder hat man ihnen schöne Erfahrungen vorgelegt?

Eine saubere Studie hätte anders ausgesehen: Die Gruppe der „NTE-Leser“ wäre mit einer Gruppe, der keine NTE-Erfahrungsberichte zum Lesen gegeben wurde, zu vergleichen gewesen. Auch langfristig.

Es ist naiv, an die Wunderwirkung von NTE zu glauben: Wenn allein das Wissen um NTE Suizidversuche verhinderte, dann sollten heute überhaupt keine Suizide mehr vorkommen, da jeder um die Existenz von Todesnähe-Erfahrungen weiß, und auch schon mit entsprechenden Fallgeschichten bekannt gemacht wurde.

Das, was die Nahtodexperten vorlegen, hat sicher nicht mehr Beweiskraft als die biblischen Wundergeschichten. Es kommt moderner daher. Ziel ist es, Glaubensaussagen mit naturwissenschaftlich wirkender Methode zu untermauern. Die Naturwissenschaft gilt als seelenloser Ort. Die neuen Dualisten kamen in Ärztekitteln und verkündeten, dass sich Wissenschaft und der Glaube an eine Seele nicht ausschlössen. In einer Zeit, in denen manche Theologen nur noch zweifelnd vom Jenseits redeten, preschten Ärzte vor und übernahmen das postmortale Vakuum. Wissenschaftlicher Fortschritt sei durchaus mit dem Glauben an eine Fortexistenz nach dem Tod vereinbar, predigten sie. Wobei es die wenigsten beim Glauben belassen wollten. Nicht mehr Glauben, sondern Wissen, war ihre Devise. Es gibt keinen Tod, verkündeten sie mit Inbrunst. Das verkünden sie auch heute noch. Die Darsteller haben gewechselt, die Aufführung ist Diesselbe geblieben. Damals wie heute versuchen die Thanatologen ihre Thesen mit Anekdoten zu belegen. Anekdoten, die sehr verdreht dargestellt werden. Diese Wundergeschichten entpuppen sich dann bei genauerer Betrachtung als nicht beweiskräftig. Aber genau will keiner der Gläubigen hinschauen.

Man schleppt mit diesen Wundergeschichten den Kinderglauben an Feen und Magie in die Erwachsenenwelt. Nicht umsonst erfreut sich S.T. Coleridge großer Beliebtheit. Seine Worte: „Was wäre, wenn du schliefest? Und was, wenn du im Schlaf träumtest? Und was, wenn du im Traum zum Himmel gingst und da eine wundersame schöne Blume pflücktest? Und was, wenn du erwachtest und hieltest diese Blume in der Hand? Ja, was dann?“ werden gerne zitiert in Thanatologenkreisen.

Was wäre dann? Dann würde man wahrscheinlich Ärger mit der Nachbarin bekommen, weil man während des Schlafwandelns ihre schönste Blume ausgerissen hat. Die Welt ist unromantisch und unmagisch. Und nicht supernaturalistisch. Das ist für viele Menschen unbefriedigend. Sie bereichern ihre persönliche Welt um Schutzengel (deren Existenz nach Ansicht von E. Kübler Ross wissenschaftlich bewiesen ist), Jenseitskontakte und was auch immer. Eine ganze Industrie hat sich gebildet: Reinkarnationstherapeuten bieten Rückführungen in vergangene Leben an, Medien nehmen Kontakt zu Verstorbenen auf, ...

Im Anfang war das Kuscheljenseits

und dieses war eine Komposition von Moody.

Moodys Werk war stilbildend. In Sachen Titel: Mit weniger als einem Beweis für ein Leben nach dem Tod sollte man nicht aufwarten, wenn man sein Buch verkaufen will. Marktschreierisches Gehabe gehört dazu.

Stilbildend auch in Sachen Selbstdarstellung: Jeder Thanatologe, der etwas auf sich hält, schildert seine anfängliche Skepsis in Sachen NTE und seinen Unglauben in Bezug auf ein Leben nach dem Tod. Sogar Hardcore-Christ Maurice Rawlings bestand darauf, den Tod vor seinen Studien, als vollkommene Auslöschung betrachtet zu haben.