Zitatunwesen - Eris Ado - E-Book

Zitatunwesen E-Book

Eris Ado

0,0
0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mit kaum etwas wird so schlampig, fahrlässig und mitunter böswillig umgegangen wie mit Zitaten. Äußerungen werden falsch zugeschrieben, verfälscht und aus dem Zusammenhang gerissen. Das kann mitunter drastische Auswirkungen zur Folge haben. Dieses Buch stellt einige dieser verfälschten Zitate vor.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 45

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Im postfaktischen Zeitalter

Alte Weisheiten

Witziges

Harmloses und Schlampiges

Genie und Dummheit

Einstein und die Religion

Von Bechern und Göttern

Am Sterbebett der Ungläubigen

Werbung mit Hitler

Zitate im Dienst der Propaganda

Zitate, die Karrieren beenden

Falsche Zitate in der Politik

Quellenangaben

Im postfaktischen Zeitalter

Das postfaktische Zeitalter hat im Bereich der Zitate früh begonnen, denn mit kaum etwas wird mehr geschludert als mit fremden Äußerungen. Lange bevor im Internet Zitatsammlungen ohne Quellennachweise auftauchten und in sozialen Netzwerken zweifelhafte Zitate geteilt wurden, verbreiteten sich falsch zugeschriebene und verfälschte Zitate. Die Verbreitung wurde durch das Fehlen des Internets sogar begünstigt, denn für Otto-Normalverbraucher war es fast unmöglich sich durch Recherche von der Falschheit eines Zitats zu überzeugen.

Das Internet ist zwiespältig: Einerseits ermöglicht es die massenhafte Verbreitung unrichtiger Zitate, andererseits ist jeder in der Lage die Falschheit der Zuschreibungen selbst zu ermitteln, denn auf Seiten wie quote-investigator und auf Wikipedia werden die meisten dieser Zitate aufgeführt und die vermeintliche Urheberschaft infrage gestellt oder widerlegt. So bringt ein wenig Online-Recherche meist schnell die Zweifelhaftigkeit oder auch nachgewiesene Falschheit zutage. Und wenn es noch kein Material zu einem Zitat gibt, kann man beispielsweise in googlebooks oder im Projekt Gutenberg herumstöbern. Früher hatte man es da sehr viel schwerer, wenn man Zweifel an der Echtheit der Zuschreibung hatte. Um langwieriges und oft ergebnisloses Recherchieren in alten Schinken kam man nicht herum.

Erstaunlich ist, dass oft die bekanntesten Zitate, die eine berühmte Person geäußert haben soll, falsch sind. In fast jeder Diskussion bringt jemand den berühmten Satz „Ich verachte ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.“ Als Urheber wird Voltaire angegeben. Das ist falsch. Erfunden hat diesen Satz Evelyn Beatrice Hall, die unter dem Pseudonym Stephen G. Tallentyre, das Buch „The friends of Voltaire“, das 1906 erschien, schrieb. In dem von ihr erdachten Satz beschreibt sie die von ihr gemutmaßte Haltung Voltaires gegenüber Claude Andre Helvetius. (»„I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it”, was his attitude now.« S. 199 in [B1])

Also ist es keinesfalls so, dass die Autorin davon ausging, dass Voltaire für jede Meinung sein Leben gegeben hätte. Voltaire hätte sich wahrscheinlich entschieden dagegen verwahrt als Unterstützer für extremistische Haltungen funktionalisiert zu werden.

Marie Antoinette hat nie „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen“ gesagt. Den Satz, der eine länger zurückliegende Äußerung einer Prinzessin widergeben soll, schrieb Rousseau 1766 in seinen Memoiren. Marie-Antoinette war damals zehn Jahre alt. Siehe: [1]

(In Deutsch wird der Satz nur ungenau wiedergegeben: Statt Kuchen hatte die unbekannte Prinzessin den Verzehr von Brioches anempfohlen)

Martin Luther werden diverse unrichtige Zitate unterstellt. So stammt der Spruch: „Wenn ich wüßte, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen.“ nicht von ihm. Der Spruch entstand höchstwahrscheinlich erst im zwanzigsten Jahrhundert. Der erste schriftliche Beleg stammt aus dem Jahr 1944. (Siehe [2])

Luther beendete seine Verteidigungsrede auf dem Reichstag zu Worms nicht mit den Worten. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.“ Tatsächlich beendete er sie schlicht mit den Worten: „Gott helfe mir. Amen.“ Das standhafte und aufmüpfige „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ ist eine spätere Einfügung. Wer auch immer diese Worte erfand: Er hat einen Volltreffer gelandet. Luther sagte so einiges nicht. Beispielsweise nicht:

„Warum rülpset und furzet ihr nicht, hat es euch nicht geschmecket?“ Dieses Zitat ist nicht nachweisbar, obwohl es zu ihm passen würde, denn er äußerte sich öfters übers Furzen. („Wenn ich hier einen Furz lasse, dann riecht man das in Rom.“ „Aus einem verzagten Arsch fährt kein fröhlicher Furz.“ sind authentische Zitate.) (siehe: [3])

Dafür sagte und schrieb er so einiges, was von seinen Anhängern nicht mehr gerne zitiert wird. So erläuterte er in „Von den Juden und ihren Lügen“ 1543 wie man seiner Meinung nach mit Juden umgehen sollte.

„Erstlich, dass man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe, ewiglich. Und solches soll man tun unserem Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien und solch öffentlich Lügen, Fluchen und Lästern seines Sohnes und seiner Christen wissentlich nicht geduldet noch gewilligt haben.“

Es folgen weitere Maßnahmen: Zerstörung der Häuser, Entzug von Gebetbüchern und Talmud, Lehrverbot für Rabbiner, Entzug des Geleit- und Wegerechts für jüdische Händler, Verbot von Geldgeschäften, Beschlagnahmung von Bargeld und Schmuck, Zwangsarbeit für junge, kräftige Juden. (Siehe: [4])

Hätte ein weltlicher Autor dieser Zeit etwas Derartiges geäußert, stünde er heute garantiert nicht in so einem hohen Ansehen wie Martin Luther. Für religiöse Figuren gibt es Extra-Regeln.

Wie leicht man sich im Bereich Zitate täuschen kann, sieht man an folgendem Beispiel: Der Satz „Coincidence is God´s way to remain anonymous.“ wird im englischsprachigen Sprachraum häufig Albert Einstein zugeschrieben. (Z. B. S. 94 in [B2])

Da sagt sich der gebildete Deutschsprachige sofort, dass dies falsch ist. Damit liegt er richtig. Aber er setzt dann fort, dass in Wirklichkeit Albert Schweizer der Erfinder dieses Satzes sei. Damit liegt er falsch.