Götterherz (Band 2) - B. E. Pfeiffer - E-Book

Götterherz (Band 2) E-Book

B. E. Pfeiffer

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Beschreibung

Sonne, Strand, Meer … eigentlich verbringt Penelope einen Traumurlaub auf Hawaii. Allerdings wird sie den Eindruck nicht los, dass etwas nicht stimmen kann. Auch der smarte Cris, den sie im Ferienresort kennenlernt, vermag ihr dieses Gefühl nicht zu nehmen. Und als sie auf den gut aussehenden Ajax trifft, verspürt sie in seiner Nähe nicht nur Kopfschmerzen, sondern auch eine tiefe Sehnsucht. Erst nachdem sie den Grund für diese verwirrenden Empfindungen herausfindet, wird ihr klar, dass ihr die Zeit davonläuft. Denn dieses Mal ist sie es, die den Gott der Unterwelt erneut von ihrer jahrtausendealten Liebe überzeugen muss – und ihre Widersacherin ist niemand Geringeres als die Göttin der Nacht. Ist Pen stark genug, nicht nur ihre Liebe und Familie, sondern die ganze Welt zu retten?

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Informationen zum Buch

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3 - Ajax

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21 - Ajax

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25 - Ajax

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33 - Ajax

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Götterverzeichnis

Dank

 

B. E. Pfeiffer

 

 

Götterherz

Band 2

 

 

Fantasy

 

 

Götterherz (Band 2)

Sonne, Strand, Meer … eigentlich verbringt Penelope einen Traumurlaub auf Hawaii. Allerdings wird sie den Eindruck nicht los, dass etwas nicht stimmen kann. Auch der smarte Cris, den sie im Ferienresort kennenlernt, vermag ihr dieses Gefühl nicht zu nehmen. Und als sie auf den gut aussehenden Ajax trifft, verspürt sie in seiner Nähe nicht nur Kopfschmerzen, sondern auch eine tiefe Sehnsucht. Erst nachdem sie den Grund für diese verwirrenden Empfindungen herausfindet, wird ihr klar, dass ihr die Zeit davonläuft. Denn dieses Mal ist sie es, die den Gott der Unterwelt erneut von ihrer jahrtausendealten Liebe überzeugen muss – und ihre Widersacherin ist niemand Geringeres als die Göttin der Nacht. Ist Pen stark genug, nicht nur ihre Liebe und Familie, sondern die ganze Welt zu retten?

 

 

Die Autorin

Bettina Pfeiffer wurde 1984 in Graz geboren und lebt heute mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Baden bei Wien.

Seit ihrer Kindheit liebt sie es, sich Geschichten auszudenken. Besonders als Ausgleich zu ihrem zahlenorientierten Hauptjob taucht sie gern in magische Welten ab und begann schließlich, diese aufzuschreiben. So entstand recht schnell die Idee für die ›Weltportale‹ und andere magische Geschichten im Genre Fan-tasy/Romantasy.

Inspiration dafür findet sie immer wieder durch ihre Kinder, mit denen sie gern auf abenteuerliche Entdeckungsreisen geht.

 

www.sternensand-verlag.ch

[email protected]

 

1. Auflage, Februar 2020

© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2020

Umschlaggestaltung: Jaqueline Kropmanns

Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Natalie Röllig

Korrektorat 2: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

Korrektorat Kurzgeschichte: Sternensand Verlag GmbH | Martina König

Satz: Sternensand Verlag GmbH

 

ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-119-2

ISBN (epub): 978-3-03896-120-8

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

Für meine Schwester.

Weil Familie das Wichtigste ist.

 

Kapitel 1

 

Ich gähnte und streckte mich, als mein Handy klingelte. Ein Blick auf das Display ließ mich schmunzeln, denn es zeigte mir den Namen »Cris« und eine dazugehörige Nachricht an.

 

Pen, ich kann nicht aufhören, an dich zu denken. Lass uns morgen gemeinsam zu diesem fürchterlichen Abend gehen. Vielleicht wird er mit dir doch wunderschön. – Cris.

 

Da ich schon eine ganze Weile versuchte zu schlafen, es mir aber nicht gelang, öffnete ich die App und wollte damit beginnen, eine Antwort zu tippen, als mein Blick auf die Zeitanzeige fiel. Es war zwei Uhr morgens hier auf Maui, einer Insel von Hawaii. Also die perfekte Zeit, um meine Eltern zu Hause in Österreich anzurufen …

Gähnend schloss ich die App wieder, suchte in meinen Kontakten nach der Handynummer meiner Mutter und wählte sie. Normalerweise versuchte ich es über das WLAN, mit meinen Eltern zu sprechen, aber da ich sie seit Tagen auf diesem Weg nicht erreicht hatte, waren mir mögliche Kosten vollkommen gleichgültig.

Es klingelte und klingelte. Aber niemand hob ab, bis die Sprachbox ranging. Also wählte ich anschließend die Nummer meines Dads, mit demselben Ergebnis.

»Seltsam«, murmelte ich und wollte das Handy wieder weglegen, als mir einfiel, dass ich Cris noch nicht geantwortet hatte. Ich schrieb ihm, dass ich mich auf den traditionellen Abend morgen im Resort mit ihm freute, und schickte ihm ein Bild von einer Hula-Tänzerin. Augenblicklich erhielt ich eine Antwort von ihm.

 

Schade, dass das nicht du bist.

 

Ich grinste. Cris war süß und der Abend mit traditionellem Essen, Tänzen und bestimmt jeder Menge Alkohol würde lustig werden.

Ich wünschte ihm eine gute Nacht, legte das Handy weg und fuhr mir über das Gesicht. Schon wieder hatte ich das Gefühl, etwas vergessen zu haben. Aber … was?

»Ich bin Penelope, kurz Pen, bin fünfundzwanzig und habe gerade meinen Abschluss in Medizin gemacht«, überlegte ich laut, um mir selbst Sicherheit zu geben. »Dieser Urlaub war das Geschenk meiner Eltern zum Abschluss. Kurz davor haben Lukas und ich unsere Verlobung gelöst, weil wir einfach nicht zusammenpassen.«

Ich hielt inne. Etwas an der ganzen Geschichte stimmte nicht. Wenn ich so darüber nachdachte, fühlte ich mich, als wäre ich nie wirklich mit Lukas zusammen gewesen. Denn es tat nicht weh, an ihn zu denken, obwohl wir fast sechs Jahre ein Paar gewesen waren. Und egal, wie lange ich überlegte, mir fiel kein einziger Moment mit ihm ein, der wirklich echt wirkte. Weder ein schöner noch ein übler. Noch nicht einmal daran, wie genau es zu dem Trennungsgespräch gekommen war, konnte ich mich richtig erinnern oder an die Trauer, die ich sicher empfunden haben musste. Als wäre alles nur ein schlechter Traum gewesen, aber niemals so passiert.

Seltsam …

»Vielleicht war das Ende unserer Beziehung einfach zum Vergessen.« Ich massierte mir die Schläfen. Irgendwie fehlten mir ziemlich viele Erinnerungen an die letzten Jahre. Aber andererseits wunderte mich das nicht. Mein Studium war mir wichtig und ich hatte mich ziemlich darauf konzentriert. Vielleicht hatte ich deswegen das Gefühl, das Leben würde an mir vorbeirauschen, und ich konnte mich deswegen nicht wirklich an Einzelheiten erinnern, weil es einfach keine gab.

Kopfschüttelnd schob ich die Gedanken beiseite und nahm das Handy wieder in die Hand.

Nachdem ich die Fotos geöffnet hatte, betrachtete ich die Bilder, die ich vom gestrigen Tag gemacht hatte. Ich war jetzt vier Tage auf Hawaii und hatte gleich am ersten Abend Cris kennengelernt. Er war nett und zuvorkommend und bedrängte mich nicht, ihn zu küssen oder mit ihm ins Bett zu gehen, wie es einige Typen getan hatten. Wir redeten viel, verbrachten eigentlich jede Minute zusammen und ich genoss seine Gegenwart.

Aber etwas an ihm kam mir dennoch falsch vor. Fast so, als hätte ich ihn von früher gekannt und nicht gemocht.

»Du bist paranoid.« Ich seufzte, als ich ein Bild von uns auf dem Haleakala sah. Das war der Name eines erloschenen Vulkans, auf dem man wunderschöne Sonnenaufgänge beobachten konnte. Oder wie wir Sonnenuntergänge und Nachthimmel mit mehr Sternen, als ich jemals zuvor irgendwo gesehen hatte.

Cris hatte die Idee gehabt, weil wir beide nicht um drei Uhr morgens aufstehen wollten, um die Sonne aufgehen zu sehen. Er hatte Decken mitgenommen und zwei Flaschen Bier, die lauwarm waren. Mir wäre ja Kaffee lieber gewesen, weil ich den echt gernhatte und er auf Hawaii noch mal besser schmeckte als sonst wo. Aber es war trotzdem schön.

Auf dem Foto grinsten wir beide in die Kamera, dicht aneinandergeschmiegt. Er mit seinen blonden, etwas längeren Locken und diesen strahlenden blauen Augen und ich mit dem Sonnenbrand im Gesicht. Es war eiskalt gewesen, aber dank der Decken hatten wir zumindest das Bier trinken können, bevor ich fast erfroren wäre. Okay, das war übertrieben. Aber ich war dennoch froh, dass Cris bei mir war.

Andererseits … so nett er auch war, richtige Gefühle kamen bei mir nicht auf. Und ich verstand nicht, wieso. Wir waren auf einer Wellenlänge, er war galant, nur … irgendetwas fehlte.

»Meine Güte, man kann nicht gleich nach vier Tagen von ewiger Liebe reden«, brummte ich.

Aber etwas in mir widersprach diesen Worten. Etwas, das in einem grauenhaften Kopfschmerz verschwamm. Ich griff mir an die Schläfen und zischte. Seit Tagen überkam mich ein heftiges Stechen in meinem Kopf, sobald ich versuchte, diesen Gedanken, die ich nicht ganz greifen konnte, zu folgen.

Ich trank einen Schluck Wasser, und der Schmerz nahm langsam ab. Er hielt nie lange an, besonders, wenn ich aufhörte, über meinen letzten Gedanken zu grübeln.

Noch einmal versuchte ich, meine Eltern anzurufen. Keiner ging ran. Auch meine Geschwister nahmen nicht ab. Auf meine Nachrichten hatte auch noch niemand geantwortet.

Wollten sie nicht mit mir sprechen? Waren sie sauer, weil ich entschieden hatte, nicht gleich zu arbeiten, sondern ein Jahr lang um die Welt zu reisen?

Dabei hatte ich ihnen noch nicht von meinem Plan erzählt, Cris zu fragen, ob er mitkommen wollte. Er stammte aus England und hatte, wie ich, gerade sein Studium abgeschlossen. Vielleicht war das zu spontan, aber wir hatten in den letzten Tagen viel Spaß gehabt, eine Weltreise mit ihm klang verlockender, als allein zu sein, und …

›Du darfst ihm nicht trauen‹, flüsterte eine seltsam vertraute Stimme in mein Ohr, doch als ich mich umdrehte, stand niemand hinter mir.

»Ich habe wohl doch einen Cocktail zu viel erwischt«, versuchte ich mich selbst zu beruhigen. Es gelang mir nicht wirklich, vermutlich auch, weil ich selbst wusste, dass der letzte Cocktail schon zu lange zurücklag.

Denn in Wahrheit hörte ich schon seit Tagen beim Einschlafen Stimmen, die mir teilweise unverständliche Worte zuflüsterten. So klar wie gerade eben hatte ich allerdings noch nie etwas wahrgenommen.

Manchmal gelang es mir, ein einzelnes Wort zu verstehen. Einmal meinte ich, den Namen »Hades« zu hören. Aber was sollte ich mit dem Namen einer Figur aus der Mythologie anfangen?

Mein Vater hätte mir gesagt, dass ich vermutlich einfach nur überarbeitet war. Ich hatte so hart gelernt und war direkt nach meiner Abschlussprüfung nach Hawaii geflogen. Wahrscheinlich entlud sich der Stress jetzt auf diese Weise, als ich endlich zur Ruhe kam.

Ich hätte gerne mit meinen Eltern gesprochen, aber … sie gingen ja nicht ran. Das tat schon weh. Meine Familie war mir unheimlich wichtig. So lange nichts von ihnen zu hören, beunruhigte mich und irgendwie war ich enttäuscht. Interessierte es sie denn wirklich nicht, wie es mir ging?

»Ich sollte am besten schlafen.« Ich gähnte und wollte das Handy wieder beiseitelegen.

Doch dann scrollte ich erneut durch meine Fotos. Einfach, weil mir meine Familie fehlte und ich Bilder von ihnen sehen wollte. Aber irgendwie war aus der Zeit vor meinem Urlaub kaum ein Foto zu finden. Ältere Fotos, etwa von unserem Aufenthalt in Griechenland vor fünf Jahren, befanden sich sehr wohl in meinem Speicher. Aber von der Zeit dazwischen konnte ich keine Aufnahme finden.

»Seltsam«, seufzte ich. »Offenbar stimmt etwas mit meinem Handy nicht.«

Ich streckte mich noch einmal und lächelte, als eine Antwort von Cris auf meinem Display auftauchte.

 

Gute Nacht, Prinzessin. Ich bin schon auf dein Hula-Outfit gespannt. Kann es nicht erwarten, mit dir zu tanzen.

 

Ja, so richtig Schmetterlinge kamen bei mir nicht auf, wenn ich an ihn dachte. Aber er war ein guter Gesprächspartner. Das war doch schon mal eine gute Basis für eine Freundschaft. Immerhin war aus meiner Freundschaft mit Lukas auch eine lange Beziehung geworden. Zumindest dachte ich das, obwohl ich mir dann doch nicht mehr sicher war. Im Nebel meiner Verwirrung meinte ich, dass wir nur wenige Monate ein Paar waren. Aber … Das passte auch irgendwie nicht.

Diesmal legte ich das Handy wirklich beiseite und seufzte tief. Dieser Urlaub war bitter nötig. Ich hatte ständig das Gefühl, etwas zu vergessen, aber sobald ich versuchte, mich daran zu erinnern, dröhnte mein Kopf, als hätte ich zu nah an den Lautsprechern einer Disco gestanden.

Um nicht noch einmal dieses Dröhnen zu provozieren, schloss ich die Augen und malte mir den kommenden Tag aus. Cris würde ich gleich in der Früh sehen, weil wir surfen gehen wollten. Darauf freute ich mich sehr, denn das Meer hatte ich immer schon geliebt.

Ein stechender Schmerz zog sich durch meine Schläfe, als ich eine tiefe Traurigkeit verspürte, weil ich an einem Ort lebte, an dem es kein Meer gab. Den ich nicht verlassen konnte. Der dunkel war, aber so voller Liebe.

»Verflucht!«, zischte ich und setzte mich auf.

Was war das nur mit diesen höllischen Kopfschmerzen? Und wieso sollte ich an einem dunklen Ort leben, an dem es kein Meer gab und den ich nicht verlassen konnte?

Mein Herz schlug plötzlich schneller. Etwas fehlte hier. Ich wusste, dass mir etwas fehlte. Aber ich hatte keine Ahnung, was es war, und das versetzte mich mit einem Schlag in Panik.

Es musste wichtig gewesen sein … Wieso konnte ich es dann nicht richtig erkennen?

»Stress, Pen. Das ist nur der Stress«, murmelte ich und sank auf mein Bett zurück.

Ich nahm mir vor, in Zukunft keine Cocktails kurz vor dem Schlafengehen zu trinken. Offenbar vertrug ich keinen Alkohol mehr. Genau, daran lag es. Oder vielleicht an dieser schwülen Hitze, die ich nicht gewohnt war. In Griechenland hatte ich damals ja auch die Besinnung verloren …

Ich schloss die Augen. Hoffentlich träumte ich diese Nacht nicht wieder so seltsam. Von einem klaren Sternenhimmel am Strand und diesen Augen, die mich so verzweifelt ansahen, und einem Mann, der mir etwas zurief, das ich einfach nicht verstand. Aber er hielt meine Hand und allein bei der Erinnerung kribbelte mein ganzer Körper.

»Wenn ich doch nur wüsste, was du mir sagen willst.« Ich seufzte und spürte, wie meine Gedanken schwerer wurden. »Oder warum ich nicht aufhören kann, an dich zu denken.«

Ich sah diese Augen vor mir und fühlte mich unendlich traurig, bevor ich in einen traumlosen Schlaf sank.

Kapitel 2

 

Das Wasser umspülte meine Füße, während ich den purpurfarbenen Himmel bewunderte. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und der Horizont lag in Farben vor mir, die ich an ihm nie vermutet hätte. In den schönsten Lilatönen bereitete sich die Welt hier auf den neuen Tag vor.

Ich seufzte und ließ mein Kinn auf meine aufgestellten Beine sinken. Der Sand war zwar noch feucht, aber es störte mich nicht. Denn ich würde ohnehin gleich ins Wasser laufen.

»Guten Morgen, Pen«, raunte Cris, den ich nicht kommen gehört hatte, mir ins Ohr. Ein Schauer lief mir über den Rücken, aber es war kein wohliger. Beinahe so, als müsste ich diesen Mann, der so etwas wie mein Freund war, fürchten. Aber er schien es nicht zu bemerken. »Entschuldige, dass ich zu spät bin. Irgendwie habe ich es einfach nicht geschafft, aus dem Bett zu kommen.«

»Schon in Ordnung«, erwiderte ich und lächelte ihn an, als er sich neben mich setzte.

Anders als ich, die in einem grauen Langarmshirt, kurzer Hose und mit Surfschuhen ins Meer wollte, trug er nur lange Badeshorts. Seine Haare wirkten jetzt bereits, als wäre er aus dem Wasser aufgetaucht, und sein durchtrainierter Körper war richtig sexy. Trotzdem schlug mein Herz nicht schneller, obwohl Cris echt gut aussah und sich offenbar etwas aus mir machte.

»Ist wirklich ein schönes Fleckchen Erde«, murmelte er und legte dabei verstohlen seine Hand auf meine.

Es war eine unschuldige Geste, die ich zuließ. Obwohl ich nicht das Bedürfnis hatte, ihn zu berühren.

»Ja, ich bin froh, hier zu sein. Ich wünschte nur, meine Eltern würden sich endlich melden. Ich habe gestern wieder versucht, sie zu erreichen, aber sie heben nicht ab.«

»Vielleicht hast du die falsche Vorwahl«, überlegte Cris laut. »Ist mir auch mal passiert. Es hat geklungen, als würde ich ganz normal anrufen, aber ich bin nie durchgekommen. Überprüf doch mal deine Einstellungen.«

»Okay«, erwiderte ich und hatte das Gefühl, dass Cris plötzlich angespannt wirkte. Aber … wieso? »Waren wir eigentlich schon mal an diesem Strand?«, fragte ich, als ich den Blick schweifen ließ. »Er kommt mir so bekannt vor …«

Noch während ich diese Worte aussprach, fühlte ich erneut einen stechenden Schmerz in meiner Schläfe. Zischend hob ich meine Hände an den Kopf.

Ein Bild von einem Nachthimmel und einem Mann, der mich an sich zog, tauchte vor meinen Augen auf. Er hielt mich, als wollte er mich vor etwas oder jemandem beschützen.

»Pen«, hauchte er, aber der Rest seiner Worte verschwamm in unendlichen Schmerzen.

»Pen, ist alles in Ordnung?«, fragte Cris und sah mich besorgt an.

»Ja, ich … ich habe nur manchmal solche Kopfschmerzen«, murmelte ich und atmete gegen das Stechen an. Atmen half mir fast immer, aber in dem Fall gewann der Schmerz.

»Hast du heute schon etwas getrunken?«, wollte Cris wissen.

»Ja, Kaffee. Der ist hier echt gut.« Ich ließ die Hände sinken. »Ganz anders als der in Griechenland …«

Wieso dachte ich denn schon wieder an Griechenland? Da war ich vor Jahren zuletzt gewesen!

Einen Moment lang meinte ich, seine Augen würden sich weiten, doch ich musste mich geirrt haben, denn Cris lächelte und schnalzte mit der Zunge. »Kaffee entzieht dem Körper Flüssigkeit und du hast gestern vier Mai Tais gehabt. Eigentlich solltest du viel Wasser trinken.«

»Das Zeug war aber auch zu lecker.« Ich schmunzelte bei dem Gedanken, weil der Schmerz endlich verschwunden war.

»Trotzdem habe ich dir nach dem Zweiten gesagt, du solltest aufhören.« Cris lachte und zog eine Flasche aus seinem Rucksack. »Hier, trink das. Danach gehen wir surfen.«

»Danke«, sagte ich, als ich die Flasche entgegennahm. Ich wollte sie gerade an meine Lippen setzen, als ein Fisch aus dem Wasser sprang.

Jawohl, ein Fisch. Etwa so groß wie mein Arm und er klatschte mir mitten ins Gesicht. Vor Schreck ließ ich die Flasche fallen. Sie rollte ins Meer, also sprang ich auf und fischte sie heraus. Bis auf wenige Tropfen war sie leer.

Lachend drehte ich mich zu Cris. »Hast du das ges…«, begann ich und hielt inne, als ich den zornigen Ausdruck auf seinem Gesicht sah, während er wie wild um sich trat. »Was machst du?«

»Ich versuche, das blöde Vieh zu zertreten!«, fauchte er und gab einen triumphierenden Laut von sich, als der Fisch im nassen Sand auf der Seite lag und panisch mit der Schwanzflosse schlug. »Jetzt bist du fällig!«

»Halt!«, brüllte ich und zog ihn zurück. »Tu das nicht. Er ist ein unschuldiges Lebewesen.«

»Er ist dir ins Gesicht gesprungen! Er hätte dich verletzen können.«

»Bitte, Cris«, hauchte ich. »Das ist nur ein Fisch. Kein Monster.«

Cris schnaubte und wandte sich ab.

Langsam ging ich zu dem zappelnden Fisch zurück. Seine Schuppen glänzten milchig weiß und seine riesigen Augen waren so dunkel wie die Nacht. Behutsam fuhr ich mit den Fingern unter seinen glitschigen Körper und warf ihn ins Wasser zurück. Ich hatte erwartet, dass er schnell das Weite suchen würde. Aber er blieb in meiner Nähe und musterte mich, als wollte er sich mit mir unterhalten.

»Du hast recht, ich sollte keine Cocktails mehr trinken«, sagte ich an Cris gewandt.

»Ausgerechnet heute willst du damit anfangen?« Er lachte wieder, als hätte er nicht gerade versucht, einen Fisch zu zertrampeln. Diese schnellen Stimmungswechsel ließen ihn etwas sonderbar wirken. »Ich dachte, unser Plan war, uns auf diesem Blumenfest in deinem Resort zu betrinken und ausgelassen zu tanzen.«

»Ja, richtig. Dann vielleicht ab morgen«, stimmte ich zu und wandte mich von dem Fisch ab, der mich immer noch zu beobachten schien. »Wollen wir uns in die Wellen stürzen?«

»Nach dir, Prinzessin«, meinte Cris.

Ich schlang die Schlaufe, mit der das Board an einer Schnur an mir befestigt wurde, um mein Fußgelenk, hob das Brett auf und lief ein paar Schritte ins Wasser. Dann legte ich mich auf das Board und begann, mit den Armen gegen die Wellen zu paddeln.

Cris hatte mir beigebracht, wie man aufstand. Er hatte es selbst erst kurz zuvor gelernt und wir waren beide blutige Anfänger. Aber auf den Wellen zu reiten, fühlte sich wie pure Freiheit an. Überhaupt, wenn der Wind um meine Ohren pfiff und ich die Wärme der Sonne spürte. Ich sog all das Licht und die Luft in mich auf. Fast so, als wäre ich ewig in Dunkelheit gefangen gewesen.

Wieder pochten meine Schläfen, also dachte ich nicht darüber nach, warum ich diesen Vergleich gezogen hatte. Vermutlich waren mir die Wochen, in denen ich für meine Abschlussprüfung gelernt hatte, wie jahrelange Gefangenschaft in einem dunklen Verlies erschienen.

An einer Stelle, die ich für geeignet hielt, hörte ich auf, zu paddeln, und wendete das Brett. Cris kam zu mir.

»Dann los, wer näher an den Strand herankommt.«

»Herausforderung angenommen.« Ich grinste und wollte schon die erste Welle nehmen, als Cris sich räusperte.

»Wenn ich gewinne, küsst du mich. Einverstanden?«

»Du spinnst«, sagte ich lachend. »Ich dachte eher an ein Bier heute Abend.«

»Bekommst du, wenn du gewinnst.«

Etwas loderte in seinen Augen auf und ich hatte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen. Wieder pochten meine Schläfen und ich kniff die Lider zusammen. Mit mir stimmte doch irgendetwas nicht.

»Du hast gegen mich sowieso keine Chance«, verkündete ich siegessicher, weil ich ihm meine Schwäche nicht zeigen wollte.

»Oh, wenn es um einen Kuss von dir geht, werde ich nicht verlieren.« Er zwinkerte, aber da war etwas in seiner Miene, das mir Angst einflößte.

Kälte legte sich um mein Herz und die Worte ›Du darfst ihm nicht trauen‹ schlichen sich wieder in meine Gedanken.

Ich schüttelte den Kopf und machte mich bereit, als ich den Sog der Welle spürte.

Mit all meiner Kraft paddelte ich, nahm Geschwindigkeit auf und fühlte, wie mein Brett vom Meer getragen wurde. Ich kam auf die Knie, brachte mein linkes Bein nach vorne und stand geschmeidig auf.

Wie oft war ich heruntergefallen bei dem Versuch, hochzukommen. Aber diesmal klappte es ohne Mühe und ich verstärkte den Druck auf mein hinteres Bein, um schneller zu werden.

Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Cris an mir vorbeizog. Da es nicht um Geschwindigkeit, sondern um Distanz ging, störte es mich nicht. Allerdings merkte ich, wie die Welle, auf der ich ritt, abschwächte, während seine immer stärker zu werden schien.

»Verdammt«, murmelte ich.

Ich wollte ihn nicht küssen. Das war doch ein Zeichen, dass ich mich nicht in ihn verlieben konnte, oder? Sonst hätte ich mich über diese Wette gefreut. Oder nicht?

Noch während ich das dachte, erfasste mich eine neue Welle und trieb mich an. Um ein Haar wäre ich vom Brett gekippt, konnte aber mein Gleichgewicht halten und zog an Cris, der gerade von seinem Board gefallen war, vorbei.

Jubelnd legte ich mich auf den Bauch zurück und paddelte zu Cris, der die Kiefer so fest aufeinandergepresst hatte, dass es knackte.

»Gut, du gibst mir heute Abend ein Bier aus«, scherzte ich und hielt den Atem an, als sich unsere Blicke trafen.

Er konnte offenbar nicht verlieren und dass ausgerechnet ich ihn besiegt hatte, wo es um einen Kuss ging, ließ ihn wie eine verletzte und verzweifelte Raubkatze aussehen. Ich schluckte.

Cris räusperte sich und fuhr sich durch die Haare. Dann lächelte er und kam zu mir. »Warst wirklich gut, Pen. Ich werde wohl noch üben müssen, um dich zu besiegen.« Er legte seine Hand in meinen Nacken. »Vielleicht bekomme ich den Kuss ja heute Abend? Denn du gehst mir einfach nicht mehr aus dem Kopf, Pen.«

»Wir werden sehen«, murmelte ich und war froh, als er die Hand sinken ließ.

»Ich versuche dann mal, die nächste Welle zu erwischen«, meinte er und schwang sich auf sein Surfbrett.

Ich sah ihm zu, wie er wegschwamm, und zitterte, als ich die Finger an jene Stelle legte, die er berührt hatte.

Er war in mich verliebt, oder? Nur … ich fand ihn nett und ich verbrachte gerne Zeit mit ihm, aber verliebt war ich definitiv nicht.

Als auch ich wieder weiter hinauspaddeln wollte, bemerkte ich einen Fisch und wusste irgendwoher, dass es sich um jenen handelte, der mich angesprungen hatte. Er schwamm um mich herum, als würde er auf mich aufpassen.

Ich stieß den Atem aus. Vielleicht hatte ich einen Sonnenstich. Wie sonst kam ich auf die Idee, dass ein Fisch mich beschützen wollte. Vor allem … vor was denn?

Kapitel 3 - Ajax

 

Er schlug die Augen auf, als sein Handy vibrierte. Es dauerte einen Moment, bis er sich orientiert hatte, aber dann wusste er wieder, wo er sich befand. In seinem luxuriösen Hotelzimmer direkt am Strand von Lahaina, einer Stadt auf Maui.

Schnaubend rieb er sich über das Gesicht und blinzelte, um sich an die Lichtverhältnisse im Raum zu gewöhnen. An sich machte er keinen Urlaub, denn er war der CEO eines Pharmakonzerns. Sein Leben bestand aus Arbeit.

Allerdings hatte man ihn nach einem Gefühlsausbruch auf Zwangspause geschickt. Er war wohl einem Investor gegenüber ausfällig geworden und da er genug Urlaubstage angehäuft hatte, um drei Jahre dem Büro fernzubleiben, hatte man ihn vor die Wahl gestellt: einen Monat Erholung ohne Firmentelefon oder Entlassung.

Wieder vibrierte das Handy auf dem Nachttisch und er tastete immer noch liegend danach. Auf dem Display erkannte er, dass er unzählige Nachrichten erhalten hatte. Von Nicole. Ziemlich eindeutige Nachrichten.

 

Hey Süßer, ich liege gerade in meinem Bett und überlege, was ich wohl mit dir machen würde, wenn du hier wärst. Vorschläge?

 

Hey Sexy, ich habe vergessen zu erwähnen, dass ich nackt bin. Nackt und eingeölt.

 

Guten Morgen, Sexy, ich habe die ganze Nacht von dir geträumt und wie du mich zum Schnurren bringst. Miau.

 

Er legte das Telefon weg und schloss brummend die Augen. Seit fünf Tagen befand er sich in seinem ›Urlaub‹. Nicole hatte er am ersten Abend an der Bar getroffen. Sie hatte sich zu ihm gesetzt und mit ihm geflirtet. Ihr Gesicht sah aus, als hätte ein Maler sie erschaffen. Sie war atemberaubend schön, mit ihren vollen Lippen und den großen Augen, die so dunkel waren wie der Himmel um Mitternacht. Ihre langen blonden Haare sahen aus wie Seide und ihre Figur war mehr als perfekt. Sie war schlank, aber nicht dürr, hatte Rundungen an den richtigen Stellen und Beine, so lang, dass es einem die Sprache verschlug.

Für gewöhnlich waren solche Frauen teure Escorts, besonders wenn sie so kurze, eng anliegende Kleidchen wie Nicole trugen. Aber falls sie eines war, hatte sie wohl keine Aufträge, denn sie verbrachte fast jede Minute des Tages an seiner Seite und versuchte, ihn zu umgarnen.

Dafür schien ihr jedes Mittel recht zu sein, denn sie kam ihm sehr bald ziemlich nahe und ließ keinen Zweifel daran, was sie von ihm wollte. Nur … er sprang nicht auf diese Art an. Sie war schön, keine Frage, aber mehr auch nicht. Und wäre er nicht so allein gewesen in diesem Urlaub, hätte er keine fünf Minuten mit ihr verschwendet. So durfte sie ihm Gesellschaft leisten, solange es für ihn passte. Denn Frauen wie Nicole waren keine dauerhaften Partnerinnen.

Schließlich war er Ajax Talanos. Seine Familie stammte aus Griechenland, er lebte allerdings in London. Er war es gewohnt, dass jeder nach seiner Pfeife tanzte in seinem Büro und auch privat. Wenn eine Beziehung für ihn nicht mehr von Vorteil war, beendete er sie. Das tat er immer.

Aber … schon allein bei dem Gedanken fühlte er ein seltsames Ziehen in seinem Kopf. Immer, wenn er daran dachte, wie er für gewöhnlich war, dröhnte sein Schädel und er verdrängte die Überlegungen. Obwohl es ihm vorkam, als wäre er eben nicht so, wie er sich gerade eingeredet hatte.

Ajax stand auf und ging ins Bad. Er stützte sich auf dem Waschbecken ab, nachdem er das Wasser aufgedreht hatte, um sich das Gesicht zu waschen. Das leichte Dröhnen in seinem Kopf hörte nicht auf, denn er musste an seinen Traum denken.

Sie war wieder darin vorgekommen … nicht Nicole, sondern eine Frau, deren Gesicht er nicht sehen konnte. Sie hatte seine Hand gehalten und er fühlte immer noch ihre Wärme auf seiner Haut, bevor die Erinnerung an den Traum endgültig verblasste. Jede Nacht träumte er von ihr und konnte sie dennoch nicht richtig erkennen. Manchmal sagte sie etwas, aber er verstand die Worte nicht, und am Morgen fühlte er die Sehnsucht nach ihr, als wäre sie ein Teil seines Lebens.

Was unmöglich war. In seinem Leben gab es keinen Platz für tiefe Gefühle. Er hatte Partnerinnen an seiner Seite gehabt, mit denen er auf Galadinner ging und manchmal die Nacht verbrachte. Aber nach keiner sehnte er sich. Nach keiner, nur nach dieser Unbekannten, die er weder erkannte noch richtig hörte.

Er tauchte seine Hände unter das eiskalte Wasser und spritzte es sich ins Gesicht. Das Gefühl der Wärme dieser Frau war immer noch da. Also drehte er die Regenwalddusche an und zog seine Boxershorts, in denen er schlief, aus.

Das kalte Wasser lief über seinen Körper, aber die letzte Sehnsucht, die auch dieser Traum in ihm zurückgelassen hatte, konnte es nicht wegspülen. Vielleicht wurde es Zeit, die Nacht mit Nicole zu verbringen, um zumindest einen Morgen nicht mit diesem seltsamen Gefühl aufzuwachen. Er war nicht er selbst, seit er sich auf Maui befand. Überhaupt zweifelte er immer mehr an sich.

All das passte nicht zu ihm. Der Job, für den er lebte, kam ihm nur vier Tage nach dem Beginn seines Zwangsurlaubs so vor wie eine Geschichte, die ihm jemand erzählt hatte. Nicht wie sein eigenes Leben. Und diese Frau … Warum kam sie ihm so vertraut vor, obwohl er noch nicht einmal ihr Gesicht gesehen hatte?

Ajax drehte die Dusche ab und stieg hinaus.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es schon weit nach Mittag war. Er schlief, als hätte er Jahrzehnte keinen Schlaf abbekommen. Auch das kam ihm seltsam vor. Aber Menschen veränderten sich, wenn sie im Urlaub waren, und er schlief eben viel.

Nicole würde ungeduldig werden, doch das kümmerte ihn nicht. Sollte sie doch. Falls sie dachte, er würde sich in sie verlieben, irrte sie sich. Frauen wie sie reizten ihn nur, bis er sie gehabt hatte. Wobei … er erinnerte sich nicht wirklich an die Frauen, mit denen er zusammen gewesen sein musste. Die einzige, an die er sich erinnerte, war die Frau aus seinem Traum.

»Lächerlich«, brummte er, trocknete sich ab und zog sich an.

Es war ziemlich warm auf Hawaii, aber er trug dennoch seine dunkle Jeans und ein helles Hemd. Er war nicht der Typ, der in kurzen Bermudashorts und knalligem Shirt durch die Gegend lief.

Sein Handy vibrierte wieder.

 

Ajax, ich bin in der Lobby und … ich habe nichts unter meinem Kleid an. N

 

Er schüttelte den Kopf und setzte sich auf sein zerwühltes Bett. Nicole war ihm in dieser Hinsicht zu aufdringlich, aber andererseits lenkte sie ihn zumindest von seinen Träumen ab. Allerdings beanspruchte sie ihn zu viel, als wollte sie ihm das Tempo vorgeben. So konnte es nicht weitergehen. Also tippte er eine Nachricht.

 

Du bist zu früh. Wir sehen uns erst in drei Stunden, bevor wir in diesen Club gehen. Ich bin beschäftigt. Wir treffen uns um fünf in der Lobby. A

 

Es kam keine Antwort zurück und er wusste, dass ihr diese Abfuhr nicht schmeckte. Aber sie hatte zugestimmt, nach seinen Regeln zu spielen. Deswegen würden sie heute auch nicht in den Club gehen, den sie ausgesucht hatte, sondern auf ein Fest in einem benachbarten Resort, von dem er über Flyer erfahren hatte. Sie wusste es noch nicht und vermutlich würde sie toben. Dann war er sie wenigstens los. Und falls sie doch mitkam, würde er die Nacht mit ihr verbringen. Mit ihr und jeder Menge Tequila, denn er wollte endlich aufhören, sich so leer zu fühlen, wenn er von der Frau geträumt hatte, die er nie bekommen würde.

Kapitel 4

 

Ich betrachtete mich im Spiegel, nachdem ich meinen Lipgloss aufgetragen hatte. Eigentlich war ich schon recht spät dran für meine Verabredung mit Cris, aber ich wollte sichergehen, dass nicht irgendein undefinierbarer Fleck auf meiner Kleidung prangte. So was passierte mir nämlich manchmal.

Für die Feier heute hatte ich ein schulterfreies grünes Kleid gewählt, das sich beim Drehen schön aufbauschte. Grün stand mir am besten, fand ich, und ich hatte von der Sonne eine wunderbare Bräune bekommen – nachdem mein Sonnenbrand abgeklungen war –, weswegen ich gerne Haut zeigen wollte. Meine Haare hatte ich zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden und goldene Kreolen angelegt. Auch meine Sandalen mit kleinem Absatz waren goldfarben.

»Fast wie eine Göttin.« Ich kicherte und hielt mir zischend die Schläfen, als mein Kopf zu zerspringen drohte. »Verfluchter Mist.«

Ich sank auf den Rand der Badewanne nieder und atmete tief durch.

Wieso hatte ich ständig Kopfschmerzen?

Gerade überlegte ich, ob ich Cris absagen sollte, als ich eine Nachricht bekam.

 

Habe dein Bier bereits bestellt, freue mich auf dich. Cris.

 

Absagen wäre jetzt herzlos gewesen und außerdem löste sich das pochende Stechen gerade wieder auf. Ich schnappte mir meine Handtasche mit den Notfalltropfen, Kopfschmerzmitteln und Zimmerkarte, stopfte mein Handy hinein und verließ mein großzügiges Ferienapartment, um zum Haupthaus des Resorts zu gehen.

Hawaiianische Klänge lockten mich bereits und es roch von Weitem nach gegrilltem Fleisch. Ich schmunzelte und überlegte, was ich mir wohl zu essen holen würde, als mein Blick von etwas Dunklem angezogen wurde. Genauer gesagt von jemand Dunklem.

An der Bar stand ein Mann und als ich ihn ansah, wusste ich, dass ich ihn irgendwoher kannte. Sein Gesicht, die Art, wie er redete und sich bewegte … all das war mir so unglaublich vertraut. Hatte ich ihn schon einmal gesehen?

In dem Moment, als ich mein Gedächtnis nach einer flüchtigen Begegnung mit ihm durchging, drehte er den Kopf in meine Richtung und ich schluckte. Seine grünen Augen weiteten sich, als er mich bemerkte und musterte. Eine seltsame Art Wehmut lag in seinem Blick …

Irgendwoher kannte ich ihn, ganz bestimmt! Diese Augen würde ich niemals vergessen.

Ich stöhnte und hielt mir den Kopf. Ausgerechnet jetzt musste der Schmerz zurückkommen. Ich taumelte und stieß gegen etwas. Oder vielmehr jemanden. Und als ich aufsah, stand der fremde Mann vor mir und hielt mich am Oberarm fest.

»Alles in Ordnung?«, fragte er und seine Stimme jagte einen Schauer durch meinen Körper.

»Ich … Ja, ich bin nur etwas müde.«

Gedanklich schlug ich mir auf die Stirn. Da stand ein heißer Typ vor mir mit den grünsten Augen, die ich je gesehen hatte, hielt mich fest und ich erklärte ihm, dass ich müde sei, obwohl allein seine Nähe mich um Atem ringen ließ.

Dafür waren die Kopfschmerzen wie weggeblasen. Genau wie meine gesamte Umgebung. In diesem Augenblick gab es nur ihn und mich.

Er betrachtete mich eindringlich und ein kaum erkennbares Lächeln huschte über sein Gesicht, während meine Wangen glühten. Normalerweise musterten mich Männer nicht so intensiv wie er. Und obwohl es seltsam war, fühlte es sich … gut an.

»Darf ich dich auf ein Getränk einladen?«

»Ich … also ich bin eigentlich«, stammelte ich und straffte dann die Schultern. Ich fühlte mich nicht mehr wie das schüchterne Küken von früher, als ich mit Lukas zusammen gekommen war. Selbstbewusstsein war angesagt! »Eigentlich sollte ja ich dich einladen, immerhin hast du mich vor einem Sturz bewahrt.«

Er zog eine Augenbraue hoch. Verdammt, sah das sexy aus. »Und jetzt sorge ich dafür, dass du wach wirst.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung einer Sitzgruppe. »Lass uns dort Platz nehmen, bevor meine Begleiterin mich findet.«

Das Kribbeln, das gerade in meinem Bauch geherrscht hatte, erstarb. Er war nicht allein hier. Natürlich nicht. Jemand wie er, der selbst in dieser Schwüle in dunklen Jeans und weißem Hemd perfekt aussah, blieb nicht lange allein.

»Ich will ganz sicher nicht stören«, murmelte ich und versuchte, den Rückzug anzutreten.

Aber er ließ mich nicht los. »Du störst nicht. Ich versuche, ihr aus dem Weg zu gehen«, erklärte der Fremde.

Er führte mich zu der Sitzgruppe und ich folgte ihm artig. So viel zum Thema Selbstbewusstsein. Aber irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, von ihm bevormundet zu werden. Wirklich eigenartig.

Ich bekam Schnappatmung, als er sich so nah zu mir setzte, dass sich unsere Knie berührten. Nicht weil es unangenehm war, sondern weil es sich unglaublich gut anfühlte.

Er winkte einem Kellner und ich bestellte ein Bier, genau wie er. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen wegen Cris. Aber ich hatte ihn noch nirgendwo entdeckt. Da sich die Party über das gesamte Resort erstreckte, befand der sich vielleicht an einer anderen Bar …

»Verrätst du mir deinen Namen?«, wollte der Fremde wissen und betrachtete mich interessiert.

Konnte es sein, dass ich ihm gefiel? So wie er … mir? Wieso dachte ich eigentlich darüber nach? Wir waren uns doch gerade erst begegnet. Oder nicht?

»Oh, wie unhöflich.« Ich räusperte mich und hielt ihm meine Hand hin. »Penelope. Aber eigentlich nennt mich jeder Pen.«

»Ajax«, erwiderte er und ergriff meine Hand.

Diesmal sah er aus, als würde er Schmerzen haben, und kniff die Augen zusammen. Als er auch noch stöhnte und sich krümmte, bekam ich es mit der Angst zu tun.

»Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte ich und wollte ihm meine Hand entziehen.

Er hielt sie fest und richtete sich auf. »Nein. Ich glaube, ich bin einfach überarbeitet. Entschuldige, Pen, ich wollte dir keine Angst machen.«

»Hast du nicht«, wiegelte ich ab und war erleichtert, als er mir ein Lächeln schenkte.

Es verschwand allerdings, als er zur Bar zurückblickte. »Pen, ich weiß, das klingt jetzt nach einem Anmachspruch übelster Art, aber … würdest du mir deine Nummer geben?«

Erst wollte ich ablehnen. Mal ehrlich, wir kannten uns fünf Minuten, und ganz gleich, wie sehr er mir gefiel, wollte ich wirklich, dass er meine Nummer hatte? Aber etwas in mir nickte heftig, also zückte ich einen Stift, den ich immer in meiner Tasche mit mir herumschleppte.

»Was das jetzt über mich aussagt, dass ich auf so einen ›Anmachspruch‹ anspringe …« Ich grinste und hielt den Atem an, als er mich anlächelte. Verdammt.

Hastig kritzelte ich meine Telefonnummer auf eine Serviette.

Ich hielt ihm das Papier hin, das er mit einem Nicken entgegennahm. »Ich melde mich, wenn ich darf?«

»Sonst hätte ich dir meine Nummer nicht gegeben«, versuchte ich, neckisch zu erwidern. Es klang allerdings eher zittrig.

Er steckte die Serviette in seine Brusttasche und stand auf. »Übrigens finde ich es schön, dass du auf meinen Anmachspruch angesprungen bist.« Er zwinkerte. »Ich denke deswegen nicht schlecht von dir. Ich hoffe, du auch nicht von mir?«

Ich schüttelte den Kopf und beobachtete, wie er aufstand. Ein ungewöhnlicher Duft stieg mir in die Nase und ich fragte mich, ob das sein Parfum sein konnte.

»Hat mich gefreut, Pen.«

»Mich auch, Ajax«, hauchte ich und sah ihm nach.

Er ging zur Bar zurück und sprach eine Frau an, die in ihrem engen schwarzen Kleid einfach umwerfend aussah und offensichtlich nach ihm gesucht hatte. Sie lächelte gewinnend, als er sich zu ihr setzte, und legte eine Hand auf seinen Arm. Er ließ es zu.

Was wollte er mit mir, wenn er eine Blondine wie sie haben konnte? Meine Kehle schnürte sich zu. Gegen diese Frau hatte ich doch keine Chance. Wieso störte mich das so?

»Hier steckst du«, hörte ich Cris, der ein wenig verärgert klang.

In dem Moment stellte der Kellner zwei Bierflaschen vor mir ab. Ich sah von den Flaschen zu Cris, der ebenfalls zwei Bier in den Händen hielt.

»Entschuldige, mir war kurz schwindelig und ich habe mich hier hingesetzt und bestellt. Hast du auf mich gewartet?«

»Ich habe dir eine Nachricht geschickt«, meinte Cris und setzte sich neben mich. »Hier.« Er hielt mir das Bier vor die Nase.

›Trink das nicht‹, murmelte eine Stimme in meinem Ohr.

Das war jetzt das zweite Mal, dass ich die Stimme so deutlich und noch dazu im Wachzustand gehört hatte. Sollte ich mir langsam Sorgen machen, dass ich den Verstand verlor?

Ich wusste nicht, warum ich der Stimme vertraute, aber ich griff nicht nach dem Bier, das Cris mir hinhielt, sondern nach dem, das ich bestellt hatte. »Entschuldige, ich mag diese Sorte lieber.« Ich lächelte, weil er mir einen finsteren Blick zuwarf.

Cris schnaubte und nickte. »Für das nächste Mal merke ich es mir.« Er stieß mit mir an. »Auf deinen Sieg, Prinzessin. Und auf einen schönen Abend.«

Ich prostete ihm zu und drehte dann den Kopf leicht, um zur Bar zu blicken. Ajax und seine blonde Freundin waren verschwunden. Vielleicht war das auch besser so.

»Und jetzt trinken wir etwas, essen und feiern bis in die Morgenstunden«, verkündete Cris und zog mich auf die Beine. »Du siehst atemberaubend aus, Prinzessin.« Er hielt meine Hände fest und betrachtete mich von Kopf bis Fuß.

Irgendwie war mir das unangenehm. Anders als bei Ajax. »Danke. Du siehst aber auch schick aus.«

Cris trug zur Abwechslung lange Jeans und ein dunkles T-Shirt. Sonst kleidete er sich ziemlich bunt und vor allem eher ohne Oberteil.

Ein Lächeln umspielte seine Lippen und er zog mich enger an sich. »Lass uns heute Abend Spaß haben«, flüsterte er mir ins Ohr.

Etwas sagte mir, dass er damit nicht die Party meinte. Um gleich klarzustellen, dass wir die Nacht nicht miteinander verbringen würden, stieß ich mich von ihm ab. »Auf der Tanzfläche können wir Spaß haben, Cris. Aber ich würde heute gerne früher schlafen gehen. Irgendwie fühle ich mich nicht so wohl.«

»Es wäre auch in Ordnung, wenn wir den Abend in deinem Zimmer verbringen«, erklärte er und lachte, als ich ihm einen entrüsteten Blick zuwarf. »Schon gut, heute nicht. Alles klar. Wir holen dir mal was zu essen, du siehst blass aus.«

Obwohl er mich anlächelte, wusste ich, dass er zornig war. Er gab sich Mühe, es nicht zu zeigen, doch ich konnte die Wut spüren, als er einen Moment lang seine Fäuste ballte und scharf die Luft einzog.

Oder bildete ich mir das nur ein? Warum sollte er wütend sein? Wenn er mehr von mir wollte, dann tat es mir leid, denn ich fand ihn bis jetzt zwar nett, aber richtig hingezogen fühlte ich mich zu ihm immer noch nicht.