Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Ein Schauspiel. Textausgabe mit Anmerkungen/Worterklärungen - Johann Wolfgang Goethe - E-Book

Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Ein Schauspiel. Textausgabe mit Anmerkungen/Worterklärungen E-Book

Johann Wolfgang Goethe

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Beschreibung

Johann Wolfgang Goethes 1773 zuerst anonym veröffentlichtem und 1774 uraufgeführtem Schauspiel "Götz von Berlichingen mit der eisernen Faust" ging der zwei Jahre zuvor entstandene "Urgötz" voraus (veröffentlicht 1832). Die Hauptquelle für Goethe war die 1731 erschienene Autobiographie des Reichsritters Götz (Gottfried) von Berlichingen (1480-1562). Als Historiendrama spiegelt der "Götz" die Zersplitterung des Deutschen Reiches zu Beginn der Neuzeit wider und verknüpft das private und das öffentliche Schicksal des Protagonisten. Die Wirkung von Goethes Schauspiel beruhte auf der erstmals im Sturm und Drang auftretenden radikalen Aufhebung der klassischen Einheit von Ort, Zeit und Handlung - ständig wechseln im "Götz von Berlichingen" die Schauplätze der mehr als fünfzig Einzelszenen. Markant ist auch die Charakterisierung der Repräsentanten verschiedener Schichten und Institutionen durch einen jeweils unterschiedlichen sprachlichen Ausdruck. Text aus Reclams Universal-Bibliothek mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe.

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Seitenzahl: 143

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Johann Wolfgang Goethe

Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand

Ein Schauspiel

Reclam

Zu diesem Text gibt es eine Interpretationshilfe:

Johann Wolfgang Goethe, Götz von Berlichingen.

Lektüreschlüssel (Nr. 15331)

 

1993, 2019 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2023

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-960016-1

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-000071-7

www.reclam.de

Inhalt

Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand.

Editorische Notiz

Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand.

[4]Personen

KAISER MAXIMILIAN

GÖTZ VON BERLICHINGEN

ELISABETH

, seine Frau

MARIA

, seine Schwester

CARL

, sein Söhnchen

GEORG

, sein Bube

BISCHOF VON BAMBERG

an des Bischofs Hofe

WEISLINGENADELHEID VON WALLDORFLIEBETRAUT

ABT VON FULDA

OLEARIUS

, beider Rechte Doktor

BRUDER MARTIN

HANS VON SELBITZ

FRANZ VON SICKINGEN

LERSE

FRANZ

, Weislingens Bube

KAMMERFRÄULEIN

der Adelheid

METZLER, SIEVERS, LINK, KOHL, WILD,

Anführer der rebellischen Bauern

HOFFRAUEN, HOFLEUTE

am bambergschen Hofe

KAISERLICHE RÄTE

RATSHERRN

von Heilbronn

RICHTER

des heimlichen Gerichts

ZWEI NÜRNBERGER KAUFLEUTE

MAX STUMPF

, pfalzgräflicher Diener

EIN UNBEKANNTER

Bauern

BRAUTVATERBRÄUTIGAM

BERLICHING’SCHE, WEISLING’SCHE, BAMBERGSCHE

Reiter

HAUPTLEUTE, OFFIZIERE, KNECHTE

von der Reichsarmee

SCHENKWIRT

GERICHTSDIENER

HEILBRONNER BÜRGER

STADTWACHE

GEFÄNGNISWÄRTER

BAUERN

ZIGEUNERHAUPTMANN

ZIGEUNER, ZIGEUNERINNEN

[5]Erster Akt

Schwarzenberg in Franken. Herberge.

Metzler, Sievers, Bauern am Tische. Zwei Reutersknechte beim Feuer. Wirt.

SIEVERS.

Hänsel, noch ein Glas Branntewein, und mess christlich.

WIRT.

Du bist der Nimmersatt.

METZLER

(leise). Erzähl das noch einmal, vom Berlichingen, die Bamberger dort ärgern sich sie möchten schwarz werden.

SIEVERS.

Bamberger? Was tun die hier?

METZLER.

Der Weislingen ist oben auf’m Schloss beim Herrn Grafen schon zwei Tage, dem haben sie das Gleit geben, ich weiß nicht wo er herkommt, sie warten auf ihn, er geht zurück nach Bamberg.

SIEVERS.

Wer ist der Weislingen?

METZLER.

Des Bischofs rechte Hand, ein gewaltiger Herr, der dem Götz auch auf’n Dienst lauert.

SIEVERS.

Er mag sich in Acht nehmen.

METZLER.

Ich bitt dich erzähl’s doch noch einmal! (Laut.) Seit wann hat denn der Götz wieder Händel mit dem Bischof von Bamberg? Es hieß ja, alles wäre vertragen und geschlichtet.

SIEVERS.

Ja, vertrag du mit den Pfaffen. Wie der Bischof sah, er richt nichts aus, und zieht immer den Kürzern, kroch er zum Kreuz, und war geschäftig, dass der Vergleich zu Stand käm. Und der getreuherzige Berlichingen gab unerhört nach, wie er immer tut, wenn er im Vorteil ist.

METZLER.

Gott erhalt’ ihn! Ein rechtschaffner Herr!

SIEVERS.

Nun denk, ist das nicht schändlich? Da werfen sie ihm einen Buben nieder, da er sich nichts weniger versieht. Wird sie aber schon wieder dafür lausen.

[6]METZLER.

Es ist doch dumm, dass ihm der letzte Streich missglückt ist; er wird sich garstig erbost haben.

SIEVERS.

Ich glaub nicht, dass ihn lang was so verdrossen hat. Denk auch, alles war aufs genauste verkundschaft, wann der Bischof aus dem Bad käm, mit wie viel Reutern, welchen Weg; und wenn’s nicht wär durch falsche Leut verraten worden, wollt’ er ihm das Bad gesegnet und ihn ausgerieben haben.

ERSTER REUTER.

Was räsoniert ihr von unserm Bischof? Ich glaub ihr sucht Händel.

SIEVERS.

Kümmert euch um eure Sachen. Ihr habt an unserm Tisch nichts zu suchen.

ZWEITER REUTER.

Wer heißt euch von unserm Bischof despektierlich reden?

SIEVERS.

Hab ich euch Red und Antwort zu geben? Seht doch den Fratzen!

ERSTER REUTER

(schlägt ihm hinter die Ohren).

METZLER.

Schlag den Hund tot.

(Sie fallen übereinander her.)

ZWEITER REUTER.

Komm her, wenn du’s Herz hast.

WIRT

(reißt sie voneinander). Wollen ihr Ruh haben! Tausend Schwerenot: Schert euch ’naus, wenn ihr was auszumachen habt. In meiner Stub soll’s ehrlich und ordentlich zugehen. (Schiebt die Reuter zur Tür hinaus.) Und ihr Esel was fangen ihr an?

METZLER.

Nur nit viel geschimpft Hänsel, sonst kommen wir dir über die Glatze. Komm Kamerad wollen die draus plauen.

Zwei Berlichingische Reuter kommen.

ERSTER REUTER.

Was gibt’s da?

SIEVERS.

Ei guten Tag Peter! Veit, guten Tag! Woher?

ZWEITER REUTER.

Dass du dich nit unterstehst zu verraten, wem wir dienen.

SIEVERS

(leise). Da ist euer Herr Götz wohl auch nit weit.

ERSTER REUTER.

Halt dein Maul! Habt ihr Händel?

[7]SIEVERS.

Ihr seid den Kerls begegnet draus, sind Bamberger.

ERSTER REUTER.

Was tun die hier?

METZLER.

Der Weislingen ist droben auf’m Schloss, beim gnädigen Herrn, den haben sie geleit.

ERSTER REUTER.

Der Weislingen.

ZWEITER REUTER

(leise). Peter! das ist ein gefunden Fressen. Wie lang ist er da?

METZLER.

Schon zwei Tage. Aber er will heut noch fort, hört ich einen von den Kerls sagen.

ERSTER REUTER

(leise). Sagt ich dir nicht er wär daher? Hätten wir dort drüben eine Weile passen können. Komm Veit.

SIEVERS.

Helft uns doch erst die Bamberger ausprügeln.

ZWEITER REUTER.

Ihr seid ja auch zu zwei. Wir müssen fort. Adies. (Ab.)

SIEVERS.

Scheißkerle die Reuter, wann man sie nit bezahlt, tun sie dir keinen Streich.

METZLER.

Ich wollt’ schwören sie haben einen Anschlag. Wem dienen sie?

SIEVERS.

Ich soll’s nit sagen. Sie dienen dem Götz.

METZLER.

So! Nun wollen wir über die draus. Komm, solang ich einen Bengelhab, fürcht ich ihre Bratspieße nicht.

SIEVERS.

Dürften wir nur so einmal an die Fürsten, die uns die Haut über die Ohren ziehen.

Herberge im Wald.

Götz vor der Türe unter der Linde.

GÖTZ.

Wo meine Knechte bleiben. Auf und ab muss ich gehen, sonst übermannt mich der Schlaf. Fünf Tag und Nächte schon auf der Lauer. Es wird einem sauer gemacht, das bisschen Leben und Freiheit. Dafür, wenn ich dich habe Weislingen, will ich mir’s wohl sein lassen. (Schenkt ein.) Wieder leer! Georg! Solang’s daran nicht mangelt, und an frischem Mut, lach ich der Fürsten Herrschsucht und Ränke. Georg! Schickt ihr nur euren gefälligen [8]Weislingen herum zu Vettern und Gevattern, lasst mich anschwärzen. Nur immerzu. Ich bin wach. Du warst mir entwischt Bischof! So mag denn dein lieber Weislingen die Zeche bezahlen. Georg! hört der Junge nicht! Georg! Georg!

Der Bub im Panzer eines Erwachsenen.

GEORG.

Gestrenger Herr!

GÖTZ.

Wo stickst du! Hast du geschlafen? Was zum Henker treibst du für Mummerei? Komm her du siehst gut aus. Schäm dich nicht Junge. Du bist brav! ja, wenn du ihn ausfülltest. Es ist Hansens Kürass?

GEORG.

Er wollt ein wenig schlafen, und schnallt’ ihn aus.

GÖTZ.

Er ist bequemer als sein Herr.

GEORG.

Zürnt nicht. Ich nahm ihn leise weg, und legt ihn an, und holt meines Vaters altes Schwert von der Wand, lief auf die Wiese und zog’s aus.

GÖTZ.

Und hiebst um dich herum? Da wird’s den Hecken und Dornen gut gegangen sein. Schläft Hans?

GEORG.

Auf Euer Rufen sprang er auf und schrie mir, dass Ihr rieft. Ich wollt ihn ausschnallen, da hört ich euch zweidreimal.

GÖTZ.

Geh! bring ihm seinen Panzer wieder, und sag ihm, er soll bereit sein, soll nach den Pferden sehen.

GEORG.

Die hab ich recht ausgefüttert, und wieder aufgezäumt. Ihr könnt aufsitzen wann ihr wollt.

GÖTZ.

Bring mir einen Krug Wein, gib Hansen auch ein Glas, sag ihm, er soll munter sein, es gilt. Ich hoffe jeden Augenblick meine Kundschafter sollen zurückkommen.

GEORG.

Ach gestrenger Herr!

GÖTZ.

Was hast du?

GEORG.

Darf ich nicht mit?

GÖTZ.

Ein andermal Georg, wann wir Kaufleute fangen und Fuhren wegnehmen.

GEORG.

Ein andermal, das habt Ihr schon oft gesagt, o diesmal, diesmal. Ich will nur hintendrein laufen, nur auf der [9]Seite lauren. Ich will Euch die verschossene Bolzen wiederholen.

GÖTZ.

Das nächste Mal Georg. Du sollst erst einen Wams haben, eine Blechhaube, und einen Spieß.

GEORG.

Nehmet mich mit. Wär ich letzt dabei gewesen, Ihr hättet die Armbrust nicht verloren.

GÖTZ.

Weißt du das?

GEORG.

Ihr warft sie dem Feind an Kopf, und einer von den Fußknechten hub sie auf, weg war sie. Gelt ich weiß.

GÖTZ.

Erzählen dir das meine Knechte?

GEORG.

Wohl. Dafür pfeif ich ihnen auch, wenn wir die Pferde striegeln, allerlei Weisen, und lerne sie allerlei lustige Lieder.

GÖTZ.

Du bist ein braver Junge.

GEORG.

Nehmt mich mit, dass ich’s zeigen kann.

GÖTZ.

Das nächste Mal, auf mein Wort. Unbewaffnet wie du bist, sollst du nicht in Streit. Die künftigen Zeiten brauchen auch Männer. Ich sage dir Knabe, es wird eine teure Zeit werden, Fürsten werden ihre Schätze bieten um einen Mann den sie jetzt hassen. Geh Georg, gib Hansen seinen Kürass wieder, und bring mir Wein. (Georg ab.) Wo meine Knechte bleiben! Es ist unbegreiflich. Ein Mönch! Wo kommt der noch her?

Bruder Martin kommt.

GÖTZ.

Ehrwürdiger Vater, guten Abend! woher so spät? Mann der heiligen Ruhe, Ihr beschämt viel Ritter.

MARTIN.

Dank Euch edler Herr! Und bin vorderhand nur demütiger Bruder, wenn’s ja Titul sein soll. Augustin mit meinem Klosternamen, doch hör ich am liebsten Martin meinen Taufnamen.

GÖTZ.

Ihr seid müd Bruder Martin, und ohne Zweifel durstig! (Der Bub kommt.) Da kommt der Wein eben recht.

MARTIN.

Für mich einen Trunk Wasser. Ich darf keinen Wein trinken.

[10]GÖTZ.

Ist das Euer Gelübde?

MARTIN.

Nein gnädiger Herr, es ist nicht wider mein Gelübde Wein zu trinken; weil aber der Wein wider mein Gelübde ist; so trinke ich keinen Wein.

GÖTZ.

Wie versteht Ihr das?

MARTIN.

Wohl Euch, dass Ihr’s nicht versteht. Essen und trinken mein ich, ist des Menschen Leben.

GÖTZ.

Wohl!

MARTIN.

Wenn Ihr gessen und trunken habt, seid Ihr wie neu geboren. Seid stärker, mutiger, geschickter zu Eurem Geschäft. Der Wein erfreut des Menschen Herz, und die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden. Wenn Ihr Wein getrunken habt, seid Ihr alles doppelt, was Ihr sein sollt, noch einmal so leicht denkend, noch einmal so unternehmend, noch einmal so schnell ausführend.

GÖTZ.

Wie ich ihn trinke, ist es wahr.

MARTIN.

Davon red ich auch. Aber wir –

GEORG

(mit Wasser).

GÖTZ

(zu Georg heimlich). Geh auf den Weg nach Dachsbach, und leg dich mit dem Ohr auf die Erde, ob du nicht Pferde kommen hörst, und sei gleich wieder hier.

MARTIN.

Aber wir, wenn gessen und trunken haben, sind wir grad das Gegenteil von dem, was wir sein sollen. Unsere schläfrige Verdauung stimmt den Kopf nach dem Magen, und in der Schwäche einer überfüllten Ruhe erzeugen sich Begierden, die ihrer Mutter leicht über den Kopf wachsen.

GÖTZ.

Ein Glas, Bruder Martin, wird Euch nicht im Schlaf stören. Ihr seid heute viel gegangen. (Bringt’s ihm.) Alle Streiter!

MARTIN.

In Gottes Namen, (sie stoßen an) ich kann die müßige Leut nicht ausstehen, und doch kann ich nicht sagen, dass alle Mönche müßig sind, sie tun was sie können. Da komm ich von St. Veit, wo ich die letzte Nacht schlief. Der Prior führte mich in Garten, das ist nun ihr Bienenkorb. Fürtrefflicher Salat! Kohl nach Herzens Lust! Und besonders Blumenkohl und Artischocken, wie keine in Europa!

[11]GÖTZ.

Das ist also Eure Sache nicht. (Er steht auf sieht nach dem Jungen und kommt wieder.)

MARTIN.

Wollte, Gott hätte mich zum Gärtner oder Laboranten gemacht, ich könnte glücklich sein. Mein Abt liebt mich, mein Kloster ist Erfurt in Sachsen, er weiß ich kann nicht ruhn, da schickt er mich herum, wo was zu betreiben ist. Ich geh zum Bischof von Konstanz.

GÖTZ.

Noch eins! Gute Verrichtung!

MARTIN.

Gleichfalls!

GÖTZ.

Was seht Ihr mich so an, Bruder?

MARTIN.

Dass ich in Euren Harnisch verliebt bin.

GÖTZ.

Hättet Ihr Lust zu einem? Es ist schwer und beschwerlich ihn zu tragen.

MARTIN.

Was ist nicht beschwerlich auf dieser Welt, und mir kommt nichts beschwerlicher vor, als nicht Mensch sein dürfen. Armut, Keuschheit und Gehorsam. Drei Gelübde, deren jedes, einzeln betrachtet, der Natur das unausstehlichste scheint, so unerträglich sind sie alle. Und sein ganzes Leben unter dieser Last, oder der weit drückendern Bürde des Gewissens mutlos zu keichen! O Herr! was sind die Mühseligkeiten Eures Lebens, gegen die Jämmerlichkeiten eines Stands, der die besten Triebe, durch die wir werden, wachsen und gedeihen, aus missverstandner Begierde Gott näher zu rücken, verdammt.

GÖTZ.

Wäre Euer Gelübde nicht so heilig, ich wollte Euch bereden einen Harnisch anzulegen, wollt’ Euch ein Pferd geben, und wir zögen miteinander.

MARTIN.

Wollte Gott, meine Schultern fühlten sich Kraft, den Harnisch zu ertragen, und mein Arm die Stärke, einen Feind vom Pferd zu stechen! – Arme schwache Hand, von jeher gewöhnt Kreuze und Friedensfahnen zu führen, und Rauchfässer zu schwingen, wie wolltest du Lanze und Schwert regieren? Meine Stimme, nur zu Ave und Halleluja gestimmt, würde dem Feind ein Herold meiner Schwäche sein, wenn ihn die Eurige überwältigte. Kein [12]Gelübde sollte mich abhalten, wieder in den Orden zu treten, den mein Schöpfer selbst gestiftet hat.

GÖTZ.

Glückliche Retour!

MARTIN.

Das trinke ich nur für Euch. Wiederkehr in meinen Käfig, ist allemal unglücklich. Wenn Ihr wiederkehrt Herr, in Eure Mauren, mit dem Bewusstsein Eurer Tapferkeit und Stärke, der keine Müdigkeit etwas anhaben kann, Euch zum ersten Mal nach langer Zeit, sicher für feindlichem Überfall, entwaffnet auf Euer Bette streckt, und Euch nach dem Schlaf dehnt, der Euch besser schmeckt, als mir der Trunk, nach langem Durst; da könnt Ihr von Glück sagen!

GÖTZ.

Davor kommt’s auch selten.

MARTIN

(feuriger). Und ist wenn’s kommt, ein Vorschmack des Himmels. – Wenn Ihr zurückkehrt mit der Beute Eurer Feinde beladen, und Euch erinnert: den stach ich vom Pferd, eh er schießen konnte, und den rannt ich samt dem Pferd nieder, und dann reitet Ihr zu Eurem Schloss hinauf, und –

GÖTZ.

Was meinet Ihr?

MARTIN.

Und Eure Weiber! (Er schenkt ein.) Auf Gesundheit Eurer Frau! (Er wischt sich die Augen.) Ihr habt doch eine?

GÖTZ.

Ein edles fürtreffliches Weib!

MARTIN.

Wohl dem, der ein tugendsam Weib hat! des lebet er noch eins so lang. Ich kenne keine Weiber, und doch war die Frau die Krone der Schöpfung.

GÖTZ

(vor sich). Er dauert mich! Das Gefühl seines Standes frisst ihm das Herz.

GEORG

(gesprungen). Herr! ich höre Pferde im Galopp! Zwei! Es sind sie gewiss.

GÖTZ.

Führ mein Pferd heraus, Hans soll aufsitzen. Lebt wohl teurer Bruder, Gott geleit’ Euch. Seid mutig und gedultig. Gott wird Euch Raum geben.

MARTIN.

Ich bitt um Euren Namen.

GÖTZ.

Verzeiht mir. Lebt wohl. (Er reicht ihm die linke Hand.)

[13]MARTIN.

Warum reicht Ihr mir die Linke? Bin ich die ritterliche Rechte nicht wert?

GÖTZ.

Und wenn Ihr der Kaiser wärt, Ihr müsstet mit dieser vorlieb nehmen. Meine Rechte, obgleich im Kriege nicht unbrauchbar, ist gegen den Druck der Liebe unempfindlich. Sie ist eins mit ihrem Handschuh, Ihr seht, er ist Eisen.

MARTIN.

So seid Ihr Götz von Berlichingen! Ich danke dir Gott, dass du mich ihn hast sehen lassen, diesen Mann den die Fürsten hassen, und zu dem die Bedrängten sich wenden. (Er nimmt ihm die rechte Hand.) Lasst mir diese Hand, lasst mich sie küssen.

GÖTZ.

Ihr sollt nicht.

MARTIN.

Lasst mich. Du mehr wert als Reliquienhand, durch die das heiligste Blut geflossen ist, totes Werkzeug, belebt durch des edelsten Geistes Vertrauen auf Gott!

GÖTZ

(setzt den Helm auf und nimmt die Lanze).

MARTIN.

Es war ein Mönch bei uns vor Jahr und Tag, der Euch besuchte, wie sie Euch abgeschossen ward vor Landshut, wie er uns erzählte, was Ihr littet, und wie sehr es Euch schmerzte, zu Eurem Beruf verstümmelt zu sein, und wie Euch einfiel, von einem gehört zu haben, der auch nur eine Hand hatte, und als tapferer Reutersmann doch noch lange diente. Ich werde das nie vergessen.

Die zwei Knechte kommen.

GÖTZ

(zu ihnen. Sie reden heimlich).

MARTIN

(fährt inzwischen fort). Ich werde das nie vergessen, wie er im edelsten einfältigsten Vertrauen auf Gott sprach: und wenn ich zwölf Händ hätte, und deine Gnad wollt’ mir nicht, was würden sie mir fruchten, so kann ich mit Einer –

GÖTZ.

In den Haslacher Wald also. (Kehrt sich zu Martin.) Lebt wohl werter Bruder Martin. (Er küsst ihn.)

MARTIN.

Vergesst mein nicht, wie ich Eurer nicht vergesse. (Götz ab.) Wie mir’s so eng ums Herz ward, da ich ihn sah. [14]Er redete nichts, und mein Geist konnte doch Seinigen unterscheiden. Es ist eine Wollust, einen großen Mann zu sehn.

GEORG.

Ehrwürdiger Herr, Ihr schlaft doch bei uns?

MARTIN.

Kann ich ein Bett haben?

GEORG.

Nein Herr! Ich kenne Better nur vom Hörensagen, in unsrer Herberg ist nichts als Stroh.

MARTIN.

Auch gut. Wie heißt du?

GEORG.

Georg, ehrwürdiger Herr!

MARTIN.

Georg! da hast du einen tapfern Patron.

GEORG.

Sie sagen er wäre ein Reuter gewesen, das will ich auch sein.

MARTIN.

Warte. (Er zieht ein Gebetbuch hervor, und gibt dem Buben einen Heiligen.) Da hast du ihn. Folge seinem Beispiel, sei brav und fürchte Gott. (Martin geht.)

GEORG.

Ach ein schöner Schimmel, wenn ich einmal so einen hätte! – und die goldene Rüstung! – Das ist ein garstiger Drach – Jetzt schieß ich nach Sperlingen – Heiliger Georg! mach mich groß und stark, gib mir so eine Lanze, Rüstung und Pferd, dann lass mir die Drachen kommen.

Jagsthausen. Götzens Burg.

Elisabeth, seine Frau. Maria, seine Schwester. Carl, sein Söhnchen.

CARL.

Ich bitte dich, liebe Tante, erzähl mir das noch einmal vom frommen Kind, ’s is gar zu schön.

MARIA.

Erzähl du mir’s kleiner Schelm, da will ich hören ob du Acht gibst.

CARL.