Grandison der Zweite - Johann Karl August Musäus - E-Book

Grandison der Zweite E-Book

Johann Karl August Musäus

0,0

Beschreibung

Ein dreibändiger Briefroman, der den sentimentalen Roman "Geschichte des Sir Charles Grandison" von Samuel Richardson parodiert.

Das E-Book Grandison der Zweite wird angeboten von Jazzybee Verlag und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 760

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Grandison der Zweite

Oder Geschichte des Herrn v. N***

Johann Karl August Musäus

Inhalt:

Johann Karl August Musäus – Biografie und Bibliografie

Grandison der Zweite

Erster Theil

Kurze Nachricht

I. Brief.

II. Brief.

III. Brief.

IV. Brief.

V. Brief.

VI. Brief.

VII. Brief.

VIII. Brief.

IX. Brief.

X. Brief.

XI. Brief.

XII. Brief.

XIII. Brief.

XIV. Brief.

XV. Brief.

XVI. Brief.

XVII. Brief.

XVIII. Brief.

XIX. Brief.

XX. Brief.

XXI. Brief.

XXII. Brief.

XXIII. Brief.

XXIV. Brief.

XXV. Brief.

XXVI. Brief.

XXVII. Brief.

XXVIII. Brief.

XXIX. Brief.

XXX. Brief.

XXXI. Brief.

XXXII. Brief.

XXXIII. Brief.

XXXIV. Brief.

XXXV. Brief.

XXXVI. Brief.

XXXVII. Brief.

XXXVIII. Brief.

XXXIX. Brief.

XL. Brief.

XLI. Brief.

XLII. Brief.

XLIII. Brief.

XLIV. Brief.

XLV. Brief.

XLVI. Brief.

XLVII. Brief.

Zweiter Theil

I. Brief.

II. Brief.

III. Brief.

IV. Brief.

V. Brief.

VI. Brief.

VII. Brief.

VIII. Brief.

IX. Brief.

X. Brief.

XI. Brief.

XII. Brief.

XIII. Brief.

XIV. Brief.

XV. Brief.

XVI. Brief.

XVII. Brief.

XVIII. Brief.

XIX. Brief.

XX. Brief.

XXI. Brief.

XXII. Brief.

XXIII. Brief.

XXIV. Brief.

XXV. Brief.

XXVI. Brief.

XXVII. Brief.

XXVIII. Brief.

XXIX. Brief

XXX. Brief.

Avertissement

Dritter Theil

I. Brief.

II. Brief.

III. Brief.

IV. Brief.

V. Brief.

VI. Brief.

VII. Brief.

VIII. Brief.

IX. Brief.

X. Brief.

XI. Brief.

XII. Brief

XIII. Brief.

XIV. Brief.

XV. Brief.

XVI. Brief.

XVII. Brief.

XVIII. Brief.

XIX. Brief.

XX. Brief.

XXI. Brief.

XXII. Brief.

XXIII. Brief.

XXIV. Brief.

XXV. Brief.

XVI. Brief.

Grandison der Zweite , J. Musäus

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849632458

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Johann Karl August Musäus – Biografie und Bibliografie

Schriftsteller, geb. 29. März 1735 in Jena, gest. 28. Okt. 1787 in Weimar, studierte seit 1754 in Jena Theologie, wurde 1763 Pagenhofmeister am weimarischen Hof, 1770 Professor am dortigen Gymnasium. Seine erste literarische Veröffentlichung war: »Grandison der Zweite« (Eisenach 1760–62, 2 Bde.; später umgearbeitet: »Der deutsche Grandison«, das. 1781–82, 2 Bde.), womit er dem schwärmerisch-sentimentalen Enthusiasmus für den gleichnamigen Roman des Engländers Richardson satirisch entgegenwirken wollte. Dann folgten die gegen Lavater gerichtete Satire »Physiognomische Reisen« (Altenb. 1778–79, 4 Hefte) und die »Volksmärchen der Deutschen« (Gotha 1782–86, 5 Bde., u. ö.; neue Ausg. von M. Müller, Leipz. 1868, 3 Tle.; von Klee, Hamb. 1870), welche die aus dem Volksmund genommenen Märchen- und Sagenstoffe keineswegs in naiv volksmäßiger Gestalt wiedergeben, sie vielmehr in Wielands Manier mit allerlei satirischen Streif- und Schlaglichtern ausstatten, aber dennoch durch joviale Laune, liebenswürdige Schalkhaftigkeit und lebendige Anmut des Vortrags, die aus ihnen spricht, einen eigentümlichen Reiz besitzen. Unter M.' übrigen Schriften sind hervorzuheben: »Freund Heins Erscheinungen in Holbeins Manier« (Winterth. 1785), Darstellungen mehr betrachtender als erzählender Manier, und die Sammlung von Erzählungen: »Straußfedern« (Berl. 1787, Bd. 1). Seine »Nachgelassenen Schriften« wurden mit Charakteristik herausgegeben von seinem Verwandten und Zögling Aug. v. Kotzebue (Leipz. 1791). Vgl. M. Müller, Johann Karl August M. (Jena 1867); Ad. Stern, Beiträge zur Literaturgeschichte (Leipz. 1893); Andrae, Studien zu den. Volksmärchen der Deutschen' von J. K. A. M. (Dissertation, Marburg 1897).

Grandison der Zweite

Erster Theil

Kurze Nachricht

des Herausgebers,

Von den Personen, welche in gegenwärtiger Geschichte vorkommen.

von N.ein alter Edelmann, der von Jugend auf einen Ansatz gehabt hat, ins Wunderbare zu fallen. Sein blasses Gesicht, und eine angenommene Soldatenmine, nebst einem langen und hagern Körper, machen ihn etwas unleidlich. Widersprechen darf ihm keine Seele. In seinem Alter kam er über die Geschichte Sir Carl Grandisons. Es überfiel ihn, diesen Engländer nachzuahmen. Nunmehro kann er nicht geheilet werden.

Fräulein Kunigunde von N.des vorigen Schwester, ein altes Knochengebäude, die weiter kein Leben, als nur noch in der Zunge hat. Sie ist zwar erst 56. Jahr alt; will aber dennoch unverheirathet bleiben, und die Wirthschaft ihres Bruders besorgen.

Baron von F.ein heimlicher Satiricus, und Kunstrichter von dreizehn umliegenden Dörfern. Er hat seinen Scherz mit allen benachbarten Edelleuten: indessen lenkt er manchen von ein paar ausgesuchten Thorheiten ab, und verdienet dadurch den besten Neujahrswunsch seines Herrn Pfarrers.

von S.ein Neveu des Herrn von N. Sonst war er sehr munter. Er soll sich aber in fremden Ländern stark geändert haben. Gegenwärtig ist er in Londen.

Fräulein Amalia von S.des vorigen Schwester. Sie hat alle Tugenden und alle Fehler ihres Bruders, und macht sich mit ihrem Oncle lustig.

Fräulein Juliane von W.die liebenswürdigste und tugendhafteste Person, die ich kenne. Die Ränke ihrer Stiefmutter haben sie etwas gebeugt; sonst würde sie bei jeder Gelegenheit munterer erscheinen.

Herr von W.seiner ersten tugendhaften Gemahlin ihr Tirann, und der zweiten bösen ihr Sclave. Er hat einen vortreflichen Magen und die besten Zähne von der Welt.

Frau von W.des vorigen wilde und mit der ganzen Welt unzufriedene Gattin. Sie hat Muth, und versteht die Kunst, ihre reizende Stieftochter zu martern.

Magister Lampert Wilibald,ordentlicher Lehrer der Hochadlichen Jugend zu Kargfeld. An diesem theuern Rüstzeuge hat die Natur alles gethan, was sie an einem Magister thun konnte, der nicht boshaft widerstrebte. Er ist klein, aber dick, und da ich dieses schreibe, hat er drittehalb geometrische Schuh im Durchmesser. Er versteht die Kunst, einen seltsamen Katzenbuckel zu machen, und damit seinen Gegner, im Disputiren, aus der Fassung zu bringen. Uebrigens leitet er den Geschmack auf dem Hochadlichem Hofe, und schickt sich vollkommen zu seinem Principal.

Magister Wendelin,der Herr Pfarrer zu Kargfeld, ein kreuzbraver Mann. Wenn er das Podagra nicht hat, so ist er ziemlich ausgeräumt, und belustiget sich an

Jungfer Sanchen,seiner Tochter, einem angenehmen und brauchbaren Mädchen. Magister Lampert hat sie zu seiner Clementine ausersehen, und will sie gern in den Roman ziehen; bekömmt aber wider sein Vermuthen – – –.

Lorenz Lobesan,ein stöckischer Schulmeister zu Kargfeld. Er wurde gebohren, wie er sagt, da der Türke vor Wien lag. Sein Großvater starb vermöge des damaligen großen Kometens. Ob gleich unser Lorenz dem erbaren Schneiderhandwerke geweihet wurde; so hatte er dennoch erhabenere Absichten, und ein gut Theil Schelmerei in seinem Kopfe. Er lief seinen Eltern davon, und wurde bei dem Vater des Herrn von N. Laquai; welcher ihn endlich zur Belohnung seiner Dienste zum Schulmeister machte. Er führt einen sehr exemplarischen Lebenswandel und hat von Natur ein casuistisches Gewissen. Der Himmel erhalte unsern Lobesan noch lange!

Jeremias,sonst Peter Wigand genannt, ein alter lustiger Kutscher des Herrn von N. Magister Lampert hat schon verschiedene Jahre an diesem Schlingel gebessert; aber er kann ihn noch nicht recht fassen.

Nicolaus Brumhold,der Barbier zu Kargfeld. Wenn ihn ein Bauer beleidigt, so schiert er den Bösewicht Sonnabends wider den Strich. Er versteht, außer seiner Barbierkunst, die Chirurgie, und thut an Menschen und Vieh trefliche Curen.

Mehr braucht der Leser von keiner Person zu wissen, wenn er den ersten Theil dieser Geschichte lesen will. Magister Lampert würde freilich viele Züge in diesen Schildereien für falsch erklären, und sich als ein anderer Theophrast folgendergestalt darüber heraus lassen:

Sir Ehrhard Rudolph von N.ist die Blume und Zierde aller deutschen Ritter. Sein Gesicht ist männlich, und dabei doch angenehm. Ob er gleich schon viele Jahre auf dem Buckel hat; so wird er dennoch von einem heroischen Feuer belebt, das Helden eigen ist. Er liebt mich, und andere grundgelehrte Männer, von Herzen, und ist, seit einem halben Jahre, gegen das Frauenzimmer nicht unempfindlich.

Lady Kunigunde von N.ist etwas beißig, und macht ihrem Herrn Bruder und mir, mit abgenöthigten Vertheidigungen, viel Mühe. Glaubte ich die Seelenwanderung; so würde ich behaupten, daß Doctor Eckens seine Seele in die alte Kunigunde gefahren wär.

Baron von F.ist ein wenig superklug, ob er gleich weder Griechisch noch Hebräisch kann. Ich habe ihn ein paar mal zwischen den Sporen gehabt; und seitdem hat er sich nicht mehr an mich gewagt. Außerdem sind wir ganz gute Freunde.

von S.dieser junge Baron hat mir viel zu danken. Ich war sein Mentor, und wußte das natürliche Feuer bei ihm durch verschiedene Kunstgriffe zu mäßigen. In Hebräischen und andern morgenländischen Sprachen, habe ich ihm freilich nicht weit bringen können; doch kann er desto mehr lateinisch. Er schreibt manchmal mit vieler Hochachtung an mich.

Fräulein Amalia von S.ein loses, loses Ding! Sie macht so gar mit mir ihren Spaß; aber ich kann nicht böse werden: denn sie ist ein allerliebstes Fräulein; und so war sie schon ehedem, da sie noch meinen Hörsaal besuchte.

Von W.ein guter Mann, und ein guter Christ. Von Sorgen wird er niemals grau werden. Er kann in unserer Grafschaft das meiste essen und trinken, und schläft so lange, bis ihn wieder hungert. Seinen Namen kann er nicht schreiben.

Lady W.eine belebte und muntere Dame. Sie hat ein Maul wie ein Schwerd. Sie erzieht ihre Töchter sehr vernünftig, und ist in allen Dingen so billig und gerecht, wie ein Corpus iuris.

Fräulein Juliane von W.ein stilles gutes Kind: ja, ich würde sie noch mehr loben, wenn sie sich nicht zuweilen ihrer Frau Mama widersetzte. Sie ist noch jung; ein gesetzter und vernünftiger Mann kann bei ihr noch etwas ausrichten.

Magister Wendelin,Pastor Loci. In seinem Amte ist er ganz wohl zu gebrauchen; in schweren Wissenschaften aber giebt er mir den Vorzug. Ich habe indessen meine Ursachen, wenn ich mit ihm nicht disputire: denn

Jungfer Sannchenist seine Tochter, und meine Clementine. Ha! ha! ha! O Liebe, wie bezauberst du mich!Tange Chloen femel arrogantem! dulce ridentem Lalagen amabo, dulce loquentem.

Lorenz Lobesan,ein serpentischer Schulmeister. Kein Händel ist er zwar nicht; er kann aber zehn andere Kerls überschreien.

Jeremiaskönnte weit besser seyn, wenn er meinen Lehren nachlebte, und den Kutschern in Großbritannien nachahmte. Mein Commentarius über den Grandison wird meinem Herrn und ihm gute Dienste thun.

So würde Magister Lampert reden, wenn er eine Vorrede schreiben sollte.

Doch, nichts mehr von ihm! In der Geschichte wird er eine Hauptperson spielen, und sich näher zu erkennen geben.

Wir legen der Welt kein Gedichte vor Augen; so erdichtet auch die Geschichte Sir Carls ist. Die hierinne vorkommende Personen leben, und befinden sich wohl. Hat nicht Jedermann das Recht, nach seinen Grundsätzen zu handeln? Meine Freunde haben zeithero die Möglichkeit, Sir Carln nachzuahmen, bestritten.

Sie haben Recht. Niemals aber wird es an Leuten mangeln, welche dem Herrn von N. und Magister Lamperten ähnlich zu werden, fähig sind. Lorenze und Wigande giebt es ohnedem in allen Städten und Dörfern.

Es werden künftig noch mehrere Personen vorkommen, die aber dem Leser zuvor sollen geschildert werden. Am Ende will ich mich mit Namen nennen. Den 9ten Septembr. 1759

I. Brief.

Der Magister Wilibald an den Baron von S.

 Kargfeld, den 29. März.

Hochwohlgebohrner Herr,

Gnädiger Herr,

Die Ehre, die ich ehemals gehabt habe, Sie in allerlei guten Wissenschaften zu unterrichten; die Erlaubnis, welche Sie mir vor Ihrer Abreise gaben, oft an Sie zu schreiben, und der ausdrückliche Befehl meiner gnädigen Herrschaft, einen Briefwechsel mit Ihnen zu unterhalten, berechtigen mich zur Erfüllung meines eigenen Wunsches, dem Geiste nach Sie auf Ihren Reisen zu begleiten: ob ich gleich körperlich von Ihnen entfernt bin. Nun sind Sie in Amsterdam, und nun werden Sie beurtheilen können, in wie ferne ich Recht, oder Unrecht hatte, wenn ich diese berühmte Stadt die Königin aller Handelsstädte nennte. Den fürnehmsten Theil der vereinigten Provinzen haben Sie bereits besehen, und machen Anstalt, wie Sie sagen, nach Engelland, dem Vaterlande tiefdenkender Gelehrten; der Heimat großer Geister; der Quelle aller Reichthümer Europens, überzuschiffen. (Hier haben Sie in wenig Worten einen Unterricht von dem, was bey den Britten Ihre Aufmerksamkeit verdienen muß.) Seyn Sie glücklich in allen Ihren Unternehmungen! Auf Befehl meines gnädigen und hohen Patrons soll ich Ihnen von unserm motu ciuico, wie ich es nach dem Horaz nennen könnte; oder von der innerlichen Gährung, welche in unserer kleinen Republik herrschet, eine Nachricht geben. Ich will meine Erzählung von den Eiern der Leda herholen. Sie wissen noch nicht, was für ein guter Geschmack in dem Hause Ihres Herrn Oncle, meines hohen Patrons, sowohl in Ansehung der Wissenschaften; als aller übrigen Dinge anzutreffen ist. Die Scene hat sich seit Ihrer Abreise sehr geändert. Es wird niemand in die Gesellschaft, oder in den Dienst der Herrschaft aufgenommen, der nicht ein Kenner, oder ein Verehrer davon ist. Vom Hofmeister bis auf den Koch muß man nach den Regeln des Geschmacks urtheilen, oder doch darnach urtheilen lernen. Wenn ich aufgeräumt bin, nenne ich deswegen den Hochadelichen Sitz eine Akademie. Vor einigen Jahren, da Sie sich schon auf dem Carolino befanden, bekam ich von der gnädigen Herrschaft den Auftrag, bei den Winterlustbarkeiten, über ein, zu der Zeit mir unbekanntes Buch Vorlesungen zu halten; oder eigentlich zu reden, in der Versammlung des adelichen Hauses die Geschichte Herrn Carl Grandisons, die eben damals in unserer Muttersprache zum erstenmale erschienen war, bei langen Winterabenden vorzulesen. Sie wissen, daß wohlgeschriebene Bücher jederzeit eine der angenehmsten Zeitkürzungen sowohl Ihres Herrn Oncle; als auch seiner Fräulein Schwester gewesen sind. Ich gehorsamste anfangs mit einigem Widerwillen. Ich wußte, wieviel meine Lunge durch das Geräusche der Spinnräder, welches meine Stimme durchdringen mußte, und durch den schädlichen Staub von der Hechel leiden würde: ich wüßte aber noch nicht, wie viel mein Verstand davon gewinnen würde. Kein Schlaf kam den aufmerksamen Zuhörern in die Augen; aber gnug empfindliche Thränen rollten die Wangen herab, wenn ich ihnen diese rührende Geschichte las, und jedes Wort derselben durch den gemäßen Accent ihren Herzen einprägte. Wenn ich meinen Autor hinlegte, befand sich alles in einer entzückten Stille, bis wir unsere Geister wiederum gesammlet hatten: als denn wurde das vorgelesene Pensum nach den Regeln des Geschmacks beurtheilet. Niemand unterstund sich, ein Meisterstück des menschlichen Witzes (davor hielten wir es anfangs alle, bis ich durch Gründe überzeugt wurde, daß es eine wahre Geschichte wäre) dem geringsten Tadel zu unterwerfen, und wenn ja hier und da ein Dubium oder sonst eine Anmerkung gemacht wurde, so geschahe es mehr exercendi ingenii caussa, als in der Meinung, wirkliche Fehler zu entdecken. Ich kann nicht leugnen, daß mich oft der Beifall der ganzen Gesellschaft stolz machte, wenn ich mit einer entscheidenden Mine Streitigkeiten über diese oder jene Stelle schlichtete. Nur einer der allerbösgeartesten Menschen – –. Niemals soll es mir aus den Gedanken kommen – –. Wigand, der lasterhafte Wigand, ehemals ein elender Drescher, hernach Hochadelicher Leibkutscher bey meinem Herrn Principal, durfte es wagen, mir einmal öffentlich zu widersprechen. Vergeben Sie, daß ich hier eine kleine Ausschweifung begehe, und Ihnen eine Begebenheit die zu Grandisons und meiner Ehre ausschlug, bekannt mache.

Wir waren einmal des Abends in der Beurtheilung des 25sten Briefes aus dem ersten Buche begriffen, da Wigand zwischen den Federfässern in der Kajüte hervor in die Versammlung drang, und einen Haufen Scheltworte über den ehrlichen Jeremias, Sir Carl Grandisons Kutscher, aussties, daß er dem Wagen des Ehr und Tugend vergessenen Hargravens ausgewichen wär. Er bestritt nach den Gesetzen der Fuhrleute, daß ein Postillion einem eigenen Kutscher eines großen Herrn ausweichen müßte, und machte Mine, auf Sir Carln selbst loszuziehen, wegen eines unbilligen Befehls, den er seinem Kutscher sollte gegeben haben. Hier lief meinem gnädigen und von dem Character Grandisons ganz bezauberten Herrn die Galle über; er sprang auf, und ich glaubte, er würde Wiganden den Hals brechen; allein er hies ihn nur einen Galgenschwengel, und drohte, ihn sogleich aufhängen zu lassen, wenn er Sir Carln, als die Zierde der Welt nur im geringsten wieder antasten würde. Ich aber versiegelte die ganze sehr nachdrückliche Rede meines Herrn mit den Worten: ne suror vltra crepidam, welche ich ihm in einer Uebersetzung zurufte, und den Buben endlich durch verschiedene Schlüsse zur Ruhe brachte. Ich würde Bedenken getragen haben, mich soweit zu erniedrigen, und mit diesem Unverschämten in einen Wortstreit mich einzulassen, wenn nicht mein glückliches Gedächtnis mir eben zu rechter Zeit aus dem Martial zugerufen hätte: Inter Pygmacos non puder esse breuem.

Damals fieng mein Hochadelicher Herr Principal zugleich mit nur an, große Gedanken von der Geschichte des Grandisons zu hegen, und anstatt daß sich diese bei Endigung des Buches hätten verlieren sollen, so wurden sie bei uns dergestalt erhöhet, daß wir nach einer genauen Ueberlegung den Satz bey uns fest stelleten: es ist unmöglich, daß die Geschichte Herrn Carl Grandisons eine Erdichtung sei; es ist unmöglich, daß diese Geschichte aus der Erfindung eines sinnreichen Kopfes, wie eine andere Minerva aus dem Gehirn des Jupiters, entsprungen sei. Wie gesagt, diese Gedanken wurden von Tag zu Tag reifer, bis wir uns endlich stark genug fühlten, öffentlich damit hervor zu brechen. Ich that es mit Genehmhaltung meines gnädigen Herrn. Wir waren eben insgesammt in Schönthal bei Ihrem Herrn Schwager zu Gaste. Die Aufmerksamkeit der Zuhörer ermüdete nicht, obgleich eine Stunde verlief, ehe ich alle Gründe für die Wahrheit meines Satzes schicklich anbringen und ihnen die logikalische Stärke geben konte. Meine Augen waren nunmehro beschäfftiget, einen gerechten Beifall der hohen Versammlung abzufordern; da Ihr jüngeres Fräulein Schwester mit einem leichtfertigen Gelächter, als wenn sie vergessen hätte, daß ich jemals ihr Lehrmeister gewesen wär, meine Beweise seindselig anzugreifen; ja wo es möglich wär, sie umzustürzen, sich bemühete. In kurzem hatten wir zwo Partheyen an der Tafel, die mehr mit hitzigen als spitzigen Vernunftschlüssen gegen einander zu Felde zogen. Da wir uns nach Hause begaben, rühmte sich jedes des Sieges. Dero Herr Oncle und ich wurden durch die schwachen Einwürfe der Gegenparthei in unserer Hypothese treflich gestärket. Der Streit ist noch nicht beigelegt. Seitdem ich diesen Zankapfel in Ihre Hochadeliche Familie geworfen habe, fehlt es unsern Unterredungen niemals an Materie. Vor einiger Zeit sprangen beinahe alle, bei denen im Anfang meine Gründe Eingang gefunden hatten, von mir ab, und traten auf die Seite Ihres Fräuleins Schwester. Niemand als der gnädige Herr hielt noch bei mir aus. Ich war genöthiget, nach dem Beispiele des Weingottes, da er mit den Himmelsstürmern kämpfte, mich bald in einen grausamen Löwen zu verwandeln; bald eine andere Gestalt anzunehmen, um nicht von der Menge unterdrückt und zu einem schimpflichen und der Wahrheit nach theiligen Stillschweigen gebracht zu werden. Nun haben wir uns wieder einen Anhang gemacht. Hier haben Sie das Verzeichnis von den Anhängern jeder Parthei. Diejenigen, welche unter mir, dem Magister Lampert Wilibald die Geschichte Herrn Carl Grandisons als wahre Begebenheiten annehmen und vertheidigen, sind: Mein gnädiger und hoher Principal, der, wie er sagt, für die Wahrheit der guten Sache sterben will.

Fräulein Kunigunde, Schwester meines gnädigen Herrn. Junker Gangolph von R.., welcher bei hiesigem Förster die Jägerei lernt, seines Alters zwischen 18. und 19. Jahren.

Florian, der Lustgärtner und der ehemals verkehrte, nun aber belehrte Wigand.

Diejenigen, welche unter dem Hochwohlgebohrnen Fräulein Amalia von S.. die Geschichte Herrn Carl Grandisons, als einen Roman annehmen und solches andern bereden wollen, sind:

Der Herr Baron von F ... und dessen Frau Gemahlin gebohrne von S..

Fräulein Fiekgen, Pflegbefohlene meines hohen Gönners.

Unser Herr Pastor, Wendelin, den ich zum Spas manchmal meinen Senior nenne, und andere.

So dringend meine Beweise, und so bündig meine Schlüsse sind, (ich muß an der Spitze meiner Parthey kämpfen;) so wenig habe ich doch dadurch bishero gewonnen. Man hat uns zwar oft Friedensvorschläge gethan: wir können uns aber darauf nicht einlassen. Man verlangt, wir sollen unserer bessern Ueberzeugung entgegen, die mehrbesagte Geschichte für eine witzige Erfindung, und einen nützlichen Roman eines in der gelehrten Welt unbekannten Engelländers erklären. Neulich that ich den Vorschlag, man sollte Ihnen den Auftrag thun, ein Endurtheil in dieser Streitigkeit zu fällen. Ich handelte großmüthig, daß ich den Bruder zum Richter zwischen einer geliebten Schwester und mir anrufte: ich verließ mich aber auf meine gerechte Sache, und auf ihre Zärtlichkeit für die Ehre und Wahrheit. Mein Vorschlag wurde angenommen. Ich bekam Befehl, Ihnen einen kurzen Abriß unsers Processes nebst der Urtheilsfrage zu übersenden. Sehen Sie, gnädiger Herr, das ist der Verlauf der ganzen Sache. Wenn Sie in Londen glücklich angelanget sind: so erkundigen Sie sich unter der Hand, was man von der Geschichte des Grandisons urtheilet; ob das Publicum auf meiner und Ihres Herrn Oncle Seite, oder auf Ihres Fräuleins Schwester Seite ist. Vielleicht sagt man Ihnen, daß die Sache an sich wahr sey, und daß man nur die Namen und gewisse kleine Umstände erdichtet hat, um die Wahrheit in etwas zu verstecken. Wäre dieses, so würden Sie zwar einige Schwürigkeiten zu überwinden haben: diese aber würden Sie nur ämsiger machen, in der aufmerksamen Nachforschung fortzufahren. So bald Sie das geringste Licht in der Sache bekommen, und auf der rechten Spur sind: so ertheilen Sie uns davon Nachricht. Dero Herr Oncle hat dabei die größte Absicht von der Welt; aber es wird noch alles geheim gehalten. Lassen Sie sich nicht in Ihren Bemühungen zur Ehre der Wahrheit abschrecken; wenn Sie Leute in Engelland finden, die von der Geschichte des Herrn Grandisons eben so denken, als Fräulein Amalia, und ihre Parthei. Erinnern Sie sich, daß es vielerlei Arten von Freigeistern gießt. Alle Ihre Anvewandten segnen Sie so, wie

Ihr

 unterthäniger Diener

M. Lampertus Wilibald.

II. Brief.

Der Herr von S. an den Magister Wilibald.

 den 12ten. April.

Hochgeehrtester Herr Magister,

Sie hatten ein Recht, an mich zu schreiben: ja, Ihr Brief würde mir willkommen gewesen seyn, wenn Sie auch nur die Hälfte von den Bewegungsgründen, mich im Geiste zu begleiten, wie Sie sich höchst vortrefflich ausdrücken, angeführtet hätten. Ihre Freundschaft ist mir alle mal schätzbar: ich werde also Ihre Briefe in Amsterdam und Londen mit eben der Aufmerksamkeit lesen, mit welcher ich ehedem Ihre gelehrten Vorlesungen anhörte. Wie würde ich auch sonst im Stande seyn, so viel tiefsinnige Sprüche zu errathen, und so viel strenge Beweise einzusehen, mit welchen Sie die Wahrheit vortragen und befestigen, wenn ich Ihrer Sprache nicht bereits gewohnt wär.

Meine Schwester und der Pfarr werden nicht weiter mit Ihnen disputiren wollen, vielweniger der Kutscher. Sie haben Wiganden ganz gewiß mit einem Sorite zu Boden geschlagen; welches Sie mir aber aus Bescheidenheit in Ihrem Briefe verschweigen. Uebrigens bewundere ich Ihre Herablassung in Ansehung des Verweises. O hätten Sie mir die Uebersetzung davon beigefügt! Ohne fehlbar ist es eine Umschreibung gewesen. Ne sutor vltra crepidam. Welcher vortrefliche Einfall! Sie waren also der Mahler; die Geschichte mit dem Jeremias das Bild, und Wigand der naseweise Schuster. Wie hat sich aber der Bube unterstehen dürfen, einem Manne zu widersprechen, welcher gelehrter ist als Aristoteles und Confucius? Ich wünsche Ihnen unterdessen Glück, daß sie den Heiden bekehrt, und ihm die Rangordnung zwischen einem Kutscher und einem Postknechte beigebracht haben.

Die Nachricht, von dem nunmehro herrschenden Geschmack im Hause meines Oncle, vergnügt mich. Was kann doch ein Mann von Genie thun! Sie müssen mehr als eine Seele haben: wenn ich mich anders so ausdrücken darf. Mein Oncle war ja ehedem kein Liebhaber von Romanen, wenn ich den Don Quixotte ausnehme: daher auch die Heldenthaten, welche er noch als Fähndrich in Italien verrichtet, der beständige Gegenstand unserer Unterredung seyn mußten. Bey den Fräuleins aber war noch eher etwas auszurichten. Sie sind jung, und wie weiches Wachs, welches alle Eindrücke anzunehmen fähig ist. Fahren Sie indessen fort, meine Schwester nach dem Beispiele der Henriette Byron zu bilden. Ich werde Sie noch einmal so sehr lieben, wenn ich Sie einst in einem so vortrefflichen Lichte erblicken kann. Ich denke aber, Charlotte oder die vermählte Gräfin G. wird ihr besser gefallen: denn sie liebt den Scherz, und verliehrt lieber ihren Freund, als einen sinnreichen Gedanken. Der Einfall, daß Sie den alten Pastor Ihren Senior nennen, ist so spashaft nicht, als Sie wohl meinen. Ich habe schon ehedem angemerkt, daß Sie der Tochter dieses ehrlichen Mannes nicht gleichgültig sind. Sie wird von Ihnen erobert werden, ehe Sie es denkt; und wie wird sie einem Liebesantrag widerstehen können, wenn Sie solchen mit Ihrer gewöhnlichen Beredsamkeit thun, und dabei einen Schluß mit dem andern verbinden. Ich küsse Ihnen die Hände, lieber Herr Magister, wenn Sie Ihren ersten Liebesantrag entweder drücken lassen, oder doch wenigstens einen Auszug davon in den gelehrten Zeitungen bekannt machen. Mein Oncle unterstützet Sie als Kirchenpatron bey jedem Versuch, welchen Sie bey dieser Schöne zu machen willens sind: damit doch Dero Verdienste um unser Haus einiger masen vergolten werden.

Sie thun mir viel Ehre an, wenn Sie mich zu einen Schiedsrichter in der Streitigkeit zwischen Ihnen und meiner Schwester erwählen. Die Sache kann nicht seyn; die Erfahrung aber soll den ganzen Handel entscheiden. So bald als ich nach Londen komme, werde ich mich um die Wahrheit der Geschichte Sir Carl Grandisons bekümmern, und Ihnen von jeder gemachten Entdeckung getreue Nachricht geben. Sie sind zum siegen gebohren; und wer wird auch hierbei gerechter triumphiren, als Sie, Herr Magister? Künftige Woche gehe ich von hier ab. Amsterdam würde nur besser gefallen, wenn ich ein Kaufmann wär. Das schöne Geschlecht behauptet hier seinen Vorzug vor dem männlichen. Ich könnte meinen Brief noch mit einer schönen Stelle aus dem Horaz versiegeln, in welcher er uns die Sitten der Holländer schildert, ehe diese Republik errichtet würde: es mag aber unterbleiben. Weit feiner wird sich meine Zuschrift mit der aufrichtigen Versicherung endigen, daß ich zeitlebens sein werde

Dero

 ergebenster

v.S.

III. Brief.

Fräulein Amalia an ihren Bruder.

 Schönthal, den 27. April.

Der Magister Lampert weiß sich sehr viel mit dem Briefe, den er aus Amsterdam von dir erhalten hat. Gestern, da wir eben abgespeiset hatten, kam Jemand in vollem Galopp in den Schloßhof gesprengt. Wir fuhren alle an die Fenster, es war der Magister. Er kam die Treppe herauf. Der Baron, der immer seinen Spas mit ihm hat, fragte, ob der alte Pastor Wendelin gestorben wäre, daß er so aufgeräumet aussähe? Er verbeugte sich und schüttelte mit dem Kopfe. Reden konnte er noch nicht; seine Lunge war zu sehr an ausgedehnet. Er sipste und schnappte eine gute Weile nach Luft, bis die Bedienten abgeräumet hatten. Wir waren begierig, die Ursache seines außerordentlichen Bezeigen zu erfahren. Er merkte es, und zog einen Brief aus der Tasche. Er bath um Erlaubnis, uns ein gnädiges Handschreiben von dem jungen Herrn Baron v.S. vorzulesen, nachdem er sich diese in einer wohlfließenden halbstündigen Rede erbethen hatte. Wir hörten aufmerksam zu. Er las mit einer Art, die mir gefiel. Das Wasser trat ihm für Freuden in die Augen; er lächelte und wischte sie mit einer Hand um die andere, wenn er an Stellen kam, die er für spashaft hielt, oder die ihm angenehme Gedanken erweckten: manchmal aber mummelte er in den Bart, und las so geschwinde, daß Niemand wußte, was er haben wollte. Wie, sagte ich, wie war das? Noch einmal diese Stelle. Er winkte und geboth uns mit der Hand zu schweigen, und las fort. Da er fertig war, und nach seiner Gewohnheit die Augen zudrückte, um sich auf kritische Anmerkungen zu besinnen, nahm ich ihm den Brief aus der Hand. Es sind Stellen darinne befindlich, über die ich Sie nicht darf reflectiren lassen, sagte er. Erlauben Sie, gnädiges Fräulein – – Er wollte mir den Brief wiedernehmen.

Erlauben Sie, daß ich ihn nicht weggebe, bis ich ihn gelesen und darüber reflectiret habe.

Nein, nein, der junge Herr schreibt aufgeweckrund spashaft. Sie dürften an manchen Orten eine Satire finden, wo keine ist; Sie sind lose.

Sie werden ihren Brief, sagte ich, nicht eher wieder bekommen, bis ich ihn ganz gelesen und meine Anmerkungen darüber gemacht habe.

Ich las ihn laut. Da ich ihn wieder zurück gab, sagte ich, der ganze Brief ist eine Satire auf Sie.

Was? Eine Satire? Nichts weniger! Ich kenne den Charakter ihres Herrn Bruders besser.

Mein Schwager winkte mir und zog mich bei Seite. Lassen Sie den guten Mann doch bei seiner Einbildung, wir werden unser Vergnügen dabei finden. Geben Sie ihm in allem, was er saget, Beifall; der Spas wird vollkommen seyn, wenn wir dem Plane folgen, den wir neulich entworfen hatten.

Ich gieng wieder hinein in den Saal. Er fing gewaltig an, über den Brief zu disputiren. Zum Scheine hielt ich ihm in etwas Widerpart; endlich räumte ich ihm alles ein, was er verlangte. Da er weg war, wurde erst die Glocke über ihn gegossen. Schreiben Sie an unserm Bruder, sagte mein Schwager, er sollte den Magister und unsern Oncle nicht in der Einbildung, die sie von dem Grandison hätten, stören. Er sollte die Bitte des Magisters, wie er zu thun geneigt schiene, erfüllen, und entweder uns, oder ihm selbst, von dem Zustand der Personen, die in dem Grandison eine Rolle haben, Nachricht geben, wir würden uns ihm alle für dieses Vergnügen verbunden erkennen. Wir lachten, daß der Baron den Scherz so weit treiben wollte. Ich glaube aber, wir haben manche Lust zu erwarten, wenn du die Bitte unsers Schwagers statt finden lässest.

Den 28ten. Heute Nachmittage legten wir einen Besuch bey unserm Oncle ab. Mein Schwager that es mehr, mit dem Magister seinen Scherz zu treiben, als aus Begierde unsern Oncle zu sehen; den er gleichwohl sehr liebt, so lange er von seinen Feldzügen schweigt.

Mein Oncle las uns den Brief, den er gestern von dir erhalten hat. Wir wünschen unserm geliebtesten Bruder, zu der bevorstehenden Reise nach Engelland, Glück und eine dauerhafte Gesundheit. Herr Lampert sagte: wenn du einmal des Steinkohlendampfes in Londen gewohnt wärest, und in den ersten vier Wochen keinen Ansatz zur Schwindsucht bekämest, so würdest du nicht nur in Engelland beständig gesund bleiben; sondern auch in Deutschland einmal ein alter Mann werden. Er wollte heute an dich schreiben, und den Brief in den meinigen entschließen; er besonn sich aber anders, und ersuchte mich, ihn zu deiner Gewogenheit zu empfehlen, und dich für böser Gesellschaft zu warnen. Um seinetwillen, sagte er, soll der junge Herr keinen Menschen seiner Freundschaft würdigen, den nicht von dem Grandison groß denkt, oder ein Anverwandter von ihm ist. Ich biß mich in die Zunge um das Lachen zu verbergen, und versprach, seinen Auftrag bey dir auszurichten. Gleichwohl konnte ich es nicht unterlassen, einige Spöttereien über unsers Herrn Vetters und seines Orakels des Magisters Grille zu sagen, ob es mir gleich von meinem Schwager sehr nachdrücklich verbothen war. Unser Oncle wurde deswegen so sehr gegen mich aufgebracht, daß wir Mühe hatten, ihn zu besänftigen.

Ich setze mein Leben zum Pfande, fing Herr Lampert unerwartet an, und schlug mit der Hand auf den Tisch, daß die Gläser schütterten, ich setze mein Leben zum Pfande, daß es einen Grandison und eine Henriette Byron giebt. Leugnen sie diese Wahrheit nicht länger, gnädiges Fräulein, wenn Ihnen etwas an der Gewogenheit ihres Herrn Oncles gelegen ist. Unser Oncle warf einen zornigen Blick auf mich, und seine Stirn bekam mehr Falten als ein aufgezogener Vorhang. Mein Schwager bath beide, so lange sich zu beruhigen, bis zuverläßige Nachrichten aus Londen wegen dieser Sache einliefen. Er versprach dem Magister eine Hirschhaut, wenn wir erführen, daß die Geschichte des Grandisons wirkliche Begebenheiten enthielte; er sollte hingegen dem Baron ein paar Wachtelbauer verfertigen, wenn sie als eine Erdichtung befunden würde; Sie gaben einander die Hände darauf. Meine Schwester und ich versprachen ihm jede ein paar genehete Manschetten, wenn er Recht behielte; wenn wir aber den Sieg davon trügen, so verlangte meine Schwester eine Schnappweife, und mir sollte er ein Sonnenschirmgen drehen. Er ging alles ein was wir verlangten, und war seiner Sache so gewiß, daß er sich davon nicht hätte abbringen lassen, wenn man Pferde an ihn gespannet hätte. Jezt war ich im Begriffe zu schließen; aber ein Streich von dem wunderlichen Menschen, der mir eben einfällt, und wenn ich ihn nicht erzählte, mich wie ein Mühlstein auf dem Herzen drücken würde, hält mich noch davon zurück. Er hat sich vorgesetzt, in allen Dingen dem D. Bartlett nachzuahmen, und hofft ihm endlich so ähnlich zu werden, als ein Er dem andern. Neulich hat er den ersten Schritt in dieser wichtigen Unternehmung gewaget, er ist merkwürdig. Der Magister hat das große Werk von einer Perucke, worinnen er sonsten an hohen Festtagen zu stolziren pflegte, plötzlich abgeleget, und trägt sein eignes Haar. Nur Schade, daß es pechschwarz ist! Wenn ich ihm doch riethe, er sollte es schwefeln, oder an der Sonne bleichen, damit des D. Bartletts seinem ähnlicher würde, wer wüßte, was er thäte. Nun muß ich im Ernste schließen, Fräulein Julgen ist unten. Das gute Kind wird mir ihr Herz einmal ausschütten wollen. Ihre Stiefmutter plagt sie recht gottlos. Was kann denn das liebe Mädgen davor, daß sie besser gebildet ist als ihre schielende Stiefschwester. Ich werde gerufen. Unsere Anverwandten empfehlen sich dir und erwarten öftere Nachrichten. Ich bin so lange ich lebe

Deine

Amalia v.S.

IV. Brief.

Der Herr von S. an seine Schwester.

 Londen den 24. April.

Liebe Amalia,

Meine Schwester gefällt mir, wenn sie aufgeräumt ist. Sie hat eine vortrefliche Gabe zu scherzen, und ich sehne mich oft nach ihren belebenden Umgang. Der Magister, Lampert, muß, wie ich sehe, noch die nämliche Rolle spielen, die er ehedem hatte: und es ist kein Wunder, wenn seine Thorheiten mit den Jahren zunehmen, da sich Jedermann Mühe giebt, ihn darinnen zu unterhalten; wiewohl die natürliche Leichtglaubigkeit und eine stolze Einbildung von seinen seltenen Verdiensten das meiste dabei thun. Du mußt ihm inliegenden Brief selbst übergeben. Nimm ihm aber zuvor alle schädliche und tödliche Werkzeuge weg, damit, wenn er in eine Raserei verfällt, er sich nicht die Kehle abschneiden möge. Gib mir alsdenn eine getreue Nachricht von dem Ausbruch seiner Freude.

Ich habe hier in Londen eine ganz neue Welt vor mir. Gestern habe ich den König zum erstenmal gesehen. Er ist schon ein Greiß, aber voller Majestät. Empfiehl mich allen meinen Freunden und liebe

Deinen

 aufrichtigen Bruder.

V. Brief.

Der Herr von S. an den Magister Wilibald.

 Londen den 24. April.

Wie wird mein Hochgeehrtester Herr Magister die Nachricht aufnehmen, welche ich Ihnen geben muß? Bereiten Sie sich zu, meine Sache anzuhören, die Dero sonst gesetztes Herz durchbohren wird, – – Die ganze Geschichte Sir Carl Grandisons ist erdichtet. Verdammter Wind! Wem wird man doch in der Welt glauben dürfen? Niemals hat ein Grandison in Engelland gelebt; niemals eine Henriette Byron. Von der Frau Shirley und der alten Tante Lore will auch Niemand etwas wissen. Es ist ein Roman, lagt man hier; und die Ausländer sind einfältig, wenn sie unsere Erdichtungen für Wahrheiten halten. Armer Herr Magister, welcher Schmerz wird Ihr Herz durchdringen! Die Wette ist verlohren; alle schöne Anstalten, den Grandison nachzuahmen, sind vergebens, und Sie werden Ihr Ansehen sowohl bei dem Gärtner; als auch bei dem Kutscher einbüßen. Nein, das wolle der Himmel nicht! Triumph, Herr Doctor! ich habe Ihre philosophische Standhaftigkeit prüfen wollen. Vergeben Sie mir diesen Scherz! Grandison lebt; seine liebenswürdige Henriette befindet sich wohl. O, wie viel Schönes werde ich Ihnen in kurzen von diesem ädlen Paare sagen können! Damit ich aber ordentlich verfahre; so erlauben Sie, daß ich in meiner Erzählung zurück gehe.

Es war den 21. April, als ich zu Londen ankam. So müde als ich auch war, so wurden meine Lebensgeister dennoch durch den Anblick dieser außerordentlichen Stadt ermuntert und gestärket. Ich ließ mich sogleich zu den Herrn v.B. bringen, dessen Bruder bei der alliirten Armee mein besonderer Freund war. Ich übergab ihm seine Empfehlungsschreiben; und wurde von ihm und seiner Gemahlinn gütig aufgenommen. Mein Wirth ist von ädler Geburt; treibt aber, als der zweite Sohn seines Hauses, aus einem sehr vernünftigen Grundsatze der Britten, die Handelschaft in Großen. Er lebt prächtiger als mancher Graf, und ich habe bei verschiedenen Gelegenheiten die Herrlichkeit seines Hauses gesehen. Ich erkundigte mich also bald nach Sir Carln. »Sir Carl, sagte er, ist mein Freund. Jedermann liebt ihn; Das Bild, das Richardson entworfen, sieht ihm sehr ähnlich: Sie werden ihn aber noch mehr bewundern, wenn Sie ihn persönlich sprechen; in wenig Tagen werde ich nach Grandisonhall gehen; ihre Gesellschaft wird mir angenehm sein.«

Nunmehro, Theurester Herr Magister, wird die Freude bei Ihnen eben so stark, als vorher der Schmerz sein. Setzen Sie sich, wie ein römischer Held auf eine Chaise, lassen Sie alle Ihre Gegner vorher gehen; lassen Sie io triumpfe rufen, und fahren siegprangend, mit Blumen gekrönt, nach Schönthal, um daselbst neue Lorbeern einzusammlen. Mein Brief aber muß auf einem Kissen, wie ein Document, getragen werden. Nunmehro wird Ihre Scharfsinnigkeit von keinem Menschen mehr in Zweifel gezogen werden. Sie können das Wahre von dem Falschen genau unterscheiden; Sie dringen in das Innerste der Sache; und jeder große Geist wird sich eine Ehre daraus machen, wenn er nur mit Ihnen verglichen wird. Leben Sie wohl, verehrenswürdiger Freund! Der Geist der alten Chaldäer und Perser ruhe seiner auf Ihnen. Dieses ist der beständige Wunsch

Ihres

 gehorsamen Dieners

v.S.

VI. Brief.

Fräulein Amalia an ihren Bruder.

 Schönthal den 16. Mai.

Mein Bruder,

Deine Briefe haben uns ein unglaubliches Vergnügen gemacht. Der Baron war vorige Woche in der Stadt und erhielt sie da von der Post. Er setzte sich sogleich zu Pferde, um sie mir zu überbringen. Ich erbrach das Schreiben an mich, worinne ich das an den Magister eingeschlossen fand. Der Jäger mußte den Augenblick hinüber nach Kargfeld, und unsern Oncle nebst seiner Familie und den Magister zu uns einladen. Sie kamen etwas später als Herr Lampert, der sich in der Eile auf das Pferd unsers Jägers geschwungen hatte, und da war, ehe wir daran dachten. Er war ungedultig, den Brief an sich zu erbrechen; ich gab ihm aber diesen nicht eher, bis unser Oncle kam. Wir setzten uns nach den ersten Komplimenten um den Magister herum; er hatte die Stühle in einen halben Zirkel gestellet. Ich will mir einbilden, ich stünde vor dem römischen Senate, sagte er. Hier soll die Geschichte des Grandisons, wie dort das Schicksal der halben bevölkerten Welt, erwogen und beurtheilet werden. Er stund, lösete das Siegel auf, nachdem er die Aufschrift gelesen hatte, und warf einen so hastigen und begierigen Blick in den Brief, um ihn ganz zu übersehen; als wie ein heishungriger Knabe auf eine Buttersemmel schielt, um sie auf einmal zu verschlingen. Er las; aber bey dem ersten Zeilen fing er schon an zu stocken. Kaum hatte er noch so viel Kraft, die Worte herzustammlen: Die ganze Geschichte Sir Carl Grandisons ist erdichter, da fiel ihm der Brief aus der Hand. Er stund wie angenagelt; sein Gesichte war entfärbet, und die Augen gläsern. Auf einmal riß er, mit einem entsetzlichen Geprassel, wie ich glaube, nach einen Gebrauche der Alten, seine Weste auf. Die hölzernen Dorlen aus den Knöpfen flogen uns in die Augen. Unser Oncle war ohne Bewegung. Er hatte sich auf seinen Stock gelehnet; sahe mit den Augen starr vor sich nieder, und schien in dem Augenblicke hinzusterben. Der Magister rung und wund die Hände, und wiederholte oft einen lateinischen Spruch. Der Baron hat ihn gemerket: O vanitas vanitatum, heißt er, et omnia vanitas! Er ergriff darauf seine Halskrause, mir war bange, er würde sie zuziehen und sich erwürgen: er trocknete aber nur seine Thränen damit ab, die ihm in den Augen stunden.

Unterdessen hatte ich den Brief ausgehoben, und sprach dem armen trostlosen Manne einen Muth ein. Sie würden sich vor dem ganzen römischen Senate verächtlich machen, wenn Sie so wenig Standhaftigkeit zeigen wollten. Fangen Sie noch einmal an zu lesen, und lesen Sie den Brief ganz, wer weiß was er für einen Ausgang hat. Ich hatte ein wenig hinein geschielet und noch etwas von von Sir Carln erblicket.

Er setzte mit zitternder Stimme noch einmal an, und hatte so viele Standhaftigkeit, den ersten Absatz, der ihm so schrecklich war, zu lesen. Nun kam er auf den zweiten. Alle seine Gesichtszüge wurden auf einmal verändert. Ein Mann mit zwei Gesichtern in einer Minute, dachte ich, das ist der leibhafte Janus Bifrons aus unserm Orangengarten. Er vergaß sich in seiner Freude. Alle Ausschweifungen zu erzälen, würde mir mehr Mühe kosten, als sie meinen Bruder vergnügen könnten. Viele lange lateinische Sprüche, die sich alle mit Dii immortales! anfingen, mußten wir wie die tiefsinnigen Aussprüche der Orakel hören, ohne sie zu verstehen. Unfehlbar hatte er vergessen, daß mehr Personen als er in den Saale wären. Er lief hastig hin und wieder; ich sorgte für den Spiegel und seinen Kopf. Er las den Brief wiederum mit so vieler Aufmerksamkeit, als wenn er seinen Augen nicht trauen dürfte. Den Namen Grandison drückte er jedesmal mit seinen Lippen. Bei meinem Oncle hatten wir fast gleiche Erscheinungen. Er saß nachdenkend auf dem Lehnstuhle, als wenn er das Gleichgewichte von Europa zu entscheiden hätte; er schüttelte dann und wann den Kopf, und spielte mit seiner Dose zwischen den Fingern. Aller Augen sahen auf ihn und den Magister. Diese Pantomime dauerte eine gute Weile. Mein Schwager brach das Stillschweigen zuerst. Er wollte sich der Gemüthsverfassung, dieser beiden Leute bedienen, sie in ihren Irrthum tiefer einzuwicklen; Er schien eben so sehr in Erstaunen gesetzt zu seyn, als sie. Meine Schwester und ich mußten auch unsre Rolle spielen.

Der Magister foderte hierauf Jedermann, der keinen Grandison glaubte; oder noch einige Zweifel wider die Wahrheit seiner Geschichte vorzubringen hatte, zu einem gelehrten Gefechte heraus. Er sahe uns allen, und besonders mir, steif ins Gesichte.

Wie stehet es denn nun, mein naseweises Bäsgen, sagte der Oncle zu mir, wollen sie hinführo mehr über den Grandison streiten?

Ich schlug die Augen nieder, und gab mir das Ansehen, als wenn ich beschämt wäre, ich zwang mich roth zu werden. Mein Schwager rief den Jäger herein: Anton, hierdurch gebe ich ihm gemessenen Befehl, den ersten jagdbaren Hirsch, der mein Gehäge betritt, vor den Kopf zu schießen, mir den Braten in die Küche, und gegenwärtigem Herrn Magister Wilibald die Haut auf seine Studierstube nach Kargfeld zu liefern, wornach er sich zu achten hat. Meine Schwester ließ das Kammermädchen rufen, dem Magister das Maas zu den Armbindgen, woran die Manschetten kommen sollten, zu nehmen: er verbat es aber, und ersuchte uns, die Manschetten, in Halskrausen zu verwandeln. Er wird in kurzem an dich schreiben, wenn sein Gemüthe etwas ruhiger ist. Niemand hofft begieriger auf die Briefe ihres geliebtesten Bruders, als

Seine

Amalia v.S.

VII. Brief.

Der Herr v. N. an den Herrn v. S . .

 Kargfeld den 14. Mai.

Geliebter Neveu,

So ist denn die Geschichte mit Sir Carl Grandisonen wirklich wahr? Ich habe zeithero, als ein kluger Mann, noch immer daran gezweifelt: weil ich niemals gewohnt bin, alles bey der Erde weg zu glauben: allein Ihr letzter Brief an den Magister hat mich völlig convinciret. Dem will ich den verdammten Häls brechen, welcher nunmehro weiter etwas wieder die Gewisheit der Sache einwenden wird. Vor allen Dingen, sehn Sie zu, daß Sie den Mann selber sprechen. Der Kaufmann, bei welchen Sie wohnen, scheint mir nach Ihrem Berichte, ein ehrlicher Pursch zu seyn. Er wird Sie, wie der Engel den Tobias, sicher nach Grandisonhall bringen, und darauf bedacht seyn, daß Sie unterwegs kein Wallfisch frist.

Wenn Sie dort sind; so machen Sie an den Herrn Grandison und an seine Henriette von mir ein dienstfreundliches Kompliment. Merken Sie dabei auf alles, was in seinem Schlosse, an seinen Bedienten, und vornehmlich an seiner Person, anzumerken würdig ist. Ich weiß zwar einen großen Theil aus dem Buche; allein Specialia, mein lieber Vetter, Specialia sind es, die ich wissen will. Verstehen Sie mich wohl? z.E. Hält er viel Jagdhunde? was sind seine Jäger für Kerls? wer spielt die Orgel, wenn Concert ist? was macht die alte Frau Shirley? Ist der Lady G. ihr Meerkätzgen zur Meerkatze geworden? Lebt die alte poßierliche Tante Lore noch. Von allen diesen Dingen dependirt gegenwärtig gar viel: und wenn mein Vorhaben glücklich von Statten gehet; so bin ich zwischen hier und Weinachten ein zweiter Grandison: ja, vielleicht treibe ich die Sache noch höher. Lassen Sie Sich aber gegen Niemanden nichts merken. Verschwiegenheit ist das Wesentliche bei großen Unternehmungen. Der Magister Lampert thut mir hierbei gute Dienste. Er ist selbst von der ganzen Affaire so eingenommen, daß ich mir keinen drolligtern Kerl wünschen könnte, als ihn.

Mein Rath wär, Sie blieben einige Monate zu Grandisonhall –, manchmal können Sie auch nach Shirleymanor geben, wenn Ihnen die Zeit zu lang wird. Hüten Sie Sich aber für dem verdammten Greville: es ist ein Schläger. Fragen Sie doch auch nach den leidigen Vetter Eberhard, ob er vielleicht in seinem Ehestande auch untertaucht? Meinen Gruß an den Herrn Reves und Frau Reves, wie auch an den spaßhaften Oncle Selby. Den Mann möchte ich einmal hier bei mir haben, ich wollte ihm so zusaufen, daß er den drätschen Himmel nicht erkennen sollte. Adieu, lieber Vetter. Ich bin Ihr guter Freund

v.N.

VIII. Brief.

Von S. an seinen Oncle.

 Grandisonhall den 19. Junius.

Sie thun mir viel Ehre an, daß Sie an mich schreiben, und nochmehr, daß Sie mich zu Ihren Gesandten an Sir Carln machen. Ich bewundere und verehre Ihren Einschluß, diesem großen Britten nachzuahmen; und wer ist auch fähiger, auf eine ähnliche Art zu denken und zu handeln, als mein hochgeschätzter Herr Oncle? Sie werden nunmehro Ihrem alten Hause einen neuen Glanz geben, und allen unsern Ahnen eine wahre Ehre machen.

Es war den 3ten dieses, als ich zu Grandisonhall ankam. Das Schloß ist fürstlich, und völlig so, wie es Fräulein Lucia beschreibt.

Sir Carl empfing mich mit einem großen freimüthigen, aber höchst einnehmenden Wesen. Er wußte die Lobeserhebungen, die ich ihm höchst verdienter Weise, als einem berühmten Manne, machte, auf eine sehr bescheidene Art abzulehnen.

Es wurden meinen Begleiter und mir zwei Zimmer im andern Stockwerke angewiesen. Sir Carl verlangt, daß ich etliche Monate bei ihm bleiben soll; ich denke, ich werde nicht ungehorsam seyn.

Den 5ten. Wir sind heute ungemein vergnügt gewesen. Laly G. stattete nebst ihrem Gemahle und ihrer nunmehro 10jährigen Meerkatze, einen Besuch bei Sir Carln ab. Die Tochter ist das wahre Ebenbild von ihrer muntern Mutter. Wär das Meerkätzgen sieben Jahr älter; so –

Sir Carl, wendete sich während der Mahlzeit etliche mal an mich. Ihre Gesundheit wurde in einem großen Deckelglase ausgebracht, und von allen nach getrunken. Wollte der Himmel, sagte mein gütiger Wirth, daß ihr Oncle auf ein halb Jahr herüber kommen könnte! es muß ein vortreflicher Mann seyn, wie ich aus ihrer ganzen Erzählung abnehmen kann. Morgen gehn wir auf die Jagd. Sir Carl wird seinen großen Fresco mitnehmen. Der König wollte ihm ein Gut dafür geben, welches jährlich 600. Pfund einträgt, wenn er ihm diesen seltenen Jagdhund geben würde; allein er schlug es Ihro Majestät ab.

Den 6ten. Das war eine Hauptlust! Es ist was übernatürliches mit dem Fresco. Er fieng ein Schwein, welches 6 Centner wog. Doctor Bartlett, wäre beinahe aus Versehen erschossen worden. Er will nicht wieder auf die Jagd gehen.

Den 7ten war wieder große Gesellschaft hier. Sir Beauchamp und seine Aemilia, erschienen auch. Abends war Bal. Wir tanzten bis vier Uhr. Es waren einige Fräuleins aus der Nachbarschaft da, mit welchen ich tüchtig herumsprang. Von Ihnen wurde etlichemal gesprochen. Lady G. möchte Sie so gerne tanzen sehen.

Den 8ten. Nun bin ich auch in der so berühmten Bildergallerie gewesen. Hier treffe ich das Stücke an, welches Lovelcae gesehen hat. Der Ritter ist im vollen Harnische, und mit aufgehabenen Händen kniend abgemahlt. Die Gemahlin kniet gegen über, und hat sechs Mädchens mit molken haften Gesichtern hinter sich; so wie sich vier dickköpfigte und kurzöhrichte Jungens hinter ihm befinden. Das fromme Paar sieht gen Himmel, an welchem die Worte mit goldenen Buchstaben geschrieben sind: in coelo quics. Vielleicht haben sie manchen ehrlichen Zwist auf Erden gehabt.

Einer von Sir Carls Ahnen siehet Ihnen, geliebter Herr Oncle, sehr gleich. Es ist ein alter Obrister, welcher sich in den Kriegen mit den Schottländern, unter dem König Wilhelm, sehr hervorthat. Sir Grandison war außerordentlich erfreut, als ich ihm die Gleichheit zwischen Ihnen und dem alten Helden meldete. Dieses Bild, sagte er, soll mir nunmehro um desto schätzbarer seyn.

Den 9ten. Heute bin ich in der Kirche gewesen. Doctor Bartlett predigte von den verschiedenen Unglücksfällen, welche den Menschen begegnen könnten. Morgen werden wir insgesammt aufbrechen, und nach Shirleymanor gehen, welchen Rittersitz Sir Carl, nach dem Tode der rechtschaffenen Frau Shirley, geerbet hat. Sie starb den 1 August 1756. Lady Grandison und ihr Gemahl waren bei dem Ende dieser Hochachtungswürdigen Matrone gegenwärtig. Der Liebling ihres Herzens, und Sir Carl empfingen nochmals ihren zärtlichen Segen. Oncle Selby, hat weinend ganz abscheulige Gesichter gemacht, wie mir Lady G. sagte.

Den 17ten. Gestern Abends kamen wir von unserer Lustreise wieder zurück. Ich bin nunmehro mit der ganzen Familie bekannt. Oncle Selby ist noch immer wie sonsten. Er überlacht dreißig andere, und wenn sie auch noch so sehr lachen könnten. Vetter Jacob dient als Cornet unter der schweren Cavallerie; Greville aber ist Obrister unter einem Landregimente. Es soll ihn keiner von allen Officiers im Fluchen aushalten können.

Ormen, die Milchsuppe, habe ich auch gesehen. Er ist noch immer kränklich, und wird wohl schwerlich wieder hergestellt werden. Seine Schwester will ihm zu Gefallen ledig bleiben, und eine zweite Tante Lore werden. Im Vorbeigehen: Tante Lore, ist vor vier Jahren sehr ungern gestorben. Sie brachte ihr Leben auf 70 Jahr, drei Monate und 6 Tage.

Den 19ten. Heute wurde großes Concert im Musiczimmer gehalten. Viele benachbarte Edelleute, fanden sich dabei ein. Ich sehe, daß sich der Brittische Adel ungemein auf die Tonkunst legt. Sir Carl spielte den Generalbaß auf der Orgel. Zuweilen lösete ihn seine Henriette mit dem Flügel ab. Alexanders Gastmahl wurde auch aufgeführt. Sir Carl wunderte sich, daß Sie kein Instrument spielten, da Sie doch außerdem so ein vollkommener Cavalier wären.

So viel, für diesesmal. Ich habe eine bequeme Gelegenheit meinen Brief fort zusenden. Ganz Grandisonhall empfiehlt sich Ihrer Gewohnheit und besonders

Dero

 gehorsamster Diener

v.S.

IX. Brief.

Fräul. Amalia an ihren Bruder.

 Schönthal den 23. Mai.

Lieber Bruder,

Welche Veränderung in unserm Hause! Alles ist metamorphosiret! Kein Bedienter, kein Bauer darf meinen Oncle mehr gnädiger Herr, oder die alte Kunigunde gnädiges Fräulein nennen; sondern Sir und Lady müssen sie sprechen. Viele fragen den Magister um die Bedeutung dieser Titel; und dieser ist allemal bereitwillig, ihnen zu erklären, wie die Wörter a radice haben. Sein Dorf heist nicht mehr Kargfeld, sondern N. hall. Wir hatten am Montage alle Mühe, ihn darzu zu bringen, daß er einen Brief annahm, auf welchen noch a Kargfeld gesetzt war. Wiganden hat er umgetauft und Jeremias genennet. Der feinste Einfall ist die Auszierung eines alten Ganges, welchen er nunmehro mit dem prächtigen Namen einer Bildergallerie beehret hat. Du weißt, daß nur wenige Personen von unsern Ahnen abgemahlt sind, damit aber die gemeldete Gallerie ganz besetzt werden möge, so stehen unter andern zusammengeraften Gemählden, auch der weinende Petrus, Aristoteles mit einem großen Buche, von welchem der Magister berichtet, daß es seine Metaphysic wäre, die heilige Veronica, der Kasten Noä, die Zerstöhrung Jerusalem, und Thomas Münzer mit darunter. Wigand mußte sie aufstellen helffen, und war so boshaft, einige grobe Einwürfe wider diese Ahnen zu machen; allein, mein Grandisonirender Oncle versiegelte seine kurze Antwort mit einer entsetzlichen Maulschelle, daß dem Kutscher die Lust, den Streit weiter zu treiben, vergieng. Hast du Schurke jemals gehört, setzte er hinzu, daß Jeremias mit seinem Herrn so unverschämt sprechen darf? Wenn du Schlingel länger bei mir in Diensten seyn willst; so mußt du weit ehrerbietiger mit mir reden, woferne ich dir nicht deine schelmische Ohren abschneiden soll. Mit einem Worte, die Gallerie wurde fertig, und wir müssen in seiner Gesellschaft oft dahin gehen, und uns von ihm die Thaten dieser ehrwürdigen Ahnen erzählen lassen. Er selbst nimmt in Lebensgröße zu Pferde den ersten Platz ein. Damit aber sein heroisches Wesen recht natürlich gebildet wurde, so bestieg er seinen alten Fuchs, welcher drei Tage zuvor nicht eingespannt, vielmehr reichlich gefünert wurde, paradirte im Hohe herum, und der Mahler mußte die Anlage zum Bilde, unter freien Himmel verfertigen. Lampert wollte bei dieser Gelegenheit sich auch mahlen, und bei Münzern oder bei den Aristoteles stellen lassen; Allein seine Bitte wurde ihm rund abgeschlagen; doch erhielt er den Trost: ich will eine Bronze aus Sie machen lassen, und Sie in meine Bibliotheck stellen. Ich nahm mir die Freiheit, ihn wegen der Unanständigkeit des Orts einige Vorstellungen zu thun; welche auch so kräftig waren, daß er das am Ende der Gallerie befindliche heimliche Gemach, sogleich mit eigener Hand versiegelte. Hier, sprach er, ist das Medaillencabinet von der Olivia befindlich, welches ich nach und nach in eine bequemere Stelle bringen werde.

Das rühmlichste bei seiner Nachahmung ist die Bestimmung einer Stube zur Hauscapelle, worinne Abends Betstunde gehalten wird, und wobei Lampert die Stelle des Dr. Bartletts vertritt. Jedermann erfreuet sich darüber: denn du weißt, daß er sonst niemals von Beten und Singen ein großer Liebhaber gewesen.

Kargfeld, den 25. Mai, früh 7. Uhr. Den Augenblick reiset mein Oncle mit dem Jeremias fort, wir fragten ihn ganz zärtlich: wo er hin wollte; allein wir bekamen keine Antwort als diese: ich habe auf meinen Irrländischen Gütern eine Verbesserung vorzunehmen. Wir thaten während seiner Abwesenheit einen Spaziergang. 11. Uhr. Ums Himmelswillen! da kommt Jeremias mit dem Wagen. Was muß er in aller Welt aufgepackt haben? wir liefen alle an die Fenster, und Fräulein Kunigunde schrie: Wigand, was bringst du hier? Es ist eine Orgel, gnädige Lady.

Tante. Was willst du damit? du führst sie an unrechten Ort.

Wigand. Nein, Mylady, unser gnädiger Herr hat sie der Gemeine zu Daasdorf abgekauft: weil dort eine neue gebauet wird.

Indem kam Grandison der zweite auch; und da er uns insgesammt erblickte: so sagte er: nun, Kinder, soll unser Schloß bald ein Grandisonhall werden. Siehst du wohl, Schwester, daß ich ein Musiczimmer anrichten will? Friedrich, lauf sogleich zum Cantor, und hole ihn anbei, er soll die Pfeiffen vorsichtig abpacken, und die Sache in Ordnung bringen. Sie aber, Herr Magister, welcher eben stand, und in eine große Orgelpfeiffe blies, sagte er, können ihm behülflich seyn, damit ein jedes Stück recht orthodox an seinen Ort gebracht werde.

Es wurden auch sogleich zwei Bauern beordert, welche die Bälge zur Fröhne anbei fahren mußten. Das schlimmste ist, fuhr er fort, daß ich die Orgel nicht spielen kann, sonst wollte ich, wie Sir Carl, zuweilen in das Musiczimmer gehen, und eine Cantate aborgeln.

Den 26ten. Bald wird die sogenannte Kinderstube in ein prächtiges Musiczimmer verwandelt seyn. Die Mägde haben ausziehen und in eine andere Stube wandern müssen. Die Instrumente, womit selbiges ausgezieret ist, sind:

1.) Ein altes Clavier, das ist der Flügel, worauf seine künftige Henriette spielt.

2.) Eine Violine, woran die Quinte fehlt.

3.) Ein Baß, welchen mein Oncle von einen Adjuvanten für zwei Martinsgänse angenommen.

4.) Eine Trommel, diese gehört aber eigentlich zum Landregimente.

Die Orgel ist noch nicht gesetzt; der Orgelmacher aber ist verschrieben. Auf die künftige Woche soll alles im Stande seyn: da wir denn sämmtliche große Veränderung einweihen werden. Nur der Schulmeister ist mit seiner neuen Stelle, als Hoforganiste, nicht zufrieden. Du wirst seine Zweifel im beiliegenden Briefe lesen. Wir führen bei diesem reißenden Strohme der Thorheiten, welchem sich nunmehro Niemand widersetzen kann, das angenehmste Leben, und wünschen dir ein gleiches.

Amalia v.S.

X. Brief.

Der Schulmeister von Kargfeld an den Herrn v.S.

 Kargfeld, den 26. Mai.

Hochwohlgebohrner Herr, Gnädiger Herr,

Eur. Hochwohlgeb. werden verhoffentlich nicht ungnädig aufnehmen, wenn ich als ein unwürdiger Dorfschulmeister an Sie nach Engelland schreibe; wo Sie Sich, nach Aussage des Hr. Magisters, aufhalten sollen. Ich habe sonst viel von diesem Kaiserthume gehöret; und einige haben gar sagen wollen, es läg mitten auf einem großen Wasser. Wie sind Sie doch in die Welt hinüber gekommen, da Sie das Schwimmen sonst bei uns nicht gelernet haben? doch es mag seyn wie es will; wenn Sie nur nicht etwa durch verbotene Künste (dafür Sie Gott bewahre) über die große See gegangen sind. Ich hatte viel zu schreiben; ich habe es aber alles wieder vergessen. Beiläufig – – das Gedächtnis legt mir seit einigen Jahren sehr ab; und ich bin jetzo willens, bei dem Oberconsistorio in einem Schreiben anzuhalten, daß wir eine Parucke zu tragen erlaubt seyn möge. Sonst bin ich noch ziemlich gesund, Gott sey Dank! der letzte Durchmarsch von den Türken hat mich freilich sehr mitgenommen. Da sie kamen, lief ich für Angst in die Kirche, schloß hinter mir zu, und kroch hinter die Pfeiffen in der Orgel; da mir aber salsa fenia einfiel, daß ich meine Gemeine nicht verlassen dürfte; so wollte ich doch wenigstens den Durchmarsch aus dem Thurmloche mit ansehen. Daß dich der Hammer! was waren das für Kerls. Die meisten sahen aus wie die heiligen drei Könige, welche in unserer Kirche abgemahlt sind. Rothe Brustlätze, Hosen bis auf die Schuh, schreckliche Bärte, Gesichter wie die Mohren! Ich schlug ein Creuz nach dem andern vor mir; betete und sprach: Herr stürz sie in die Grube hinein.

Die sie machen den Christen dein.

Zum guten Glück blieben sie nicht im Dorfe, sondern zogen zur Mistgasse hinaus; wohin? weiß ich nicht. Einer war dabei, der saß in einer Kutsche. Niemals habe ich einen so gottlosen Bart gesehen, als der Kerl hatte. Er bedeckte seinen ganzen Leib: und ich glaubte ganz gewiß, daß er wegen diesen schweren Barte müßte gefahren werden. Mein Herr Pfarr sagte mir nachhero, es wären Createn, und keine Türken gewesen; der Schulze aber behaupte, es wären Panduren welches beides ich an seinen Ort gestellt seyn lasse.

Noch ein Punkt, welchen ich gleich Anfangs melden wollte. Unser gnädiger Herr, Ihr Herr Vetter, will auf seinem Schloß eine Orgel bauen lassen, und zwar in das Musiczimmer, wie ers nennt; welche ich denn, wenn er Concert halten würde, spielen sollte. Ich kam freilich aus meiner Gelassenheit, da er mir diesen Antrag that, und diesem meinen Eifer ist auch folgende Antwort beizumessen. Hören Sie, was ich sagte? Gnädiger Herr, die Orgeln haben schon seit der Sündfluth in die Kirchen gehört, und nicht auf die Edelhöfe. Wer nun solche heilige Dinge misbraucht, der thut eine Sünde wider das dritte Gebot, und folglich auch wider alle: wir haben ohnedem eine Landstrafe nach der am der andern; (hier zielete ich unvermerkt auf die garstigen Türken, welche durchs Dorf giengen) wollen wir noch mehrere Sünde thun, und gar bei Gastereien die Orgel schlagen? An Statt, daß er in sich gehen, und von seinem bösen Vorhaben abstehen sollte; so lachte er mich nur aus, und sagte: daß Hr. Grandison in Engelland auch eine Orgel im Hause hätte: was jenem Recht wär, das wär ihm billig, und er müßte eine Orgel im Hause haben, es möchte auch kosten, was es wollte. Was soll ich nun machen, mein lieber und gestrenger Junker? Unser gnädiger Herr ist ganz gewiß ein Heide worden. Haben die Edelleute in Engelland Orgeln, so mögen sie solche für sich haben, wir sollen uns hierinne aber christlicher aufführen. Es sind ohnedem die letzten Zeiten, wie unser Herr Pfarr spricht, da alle Laster im Schwange gehen, und also nothwendig allerlei Landplagen erfolgen müssen; wohin ich auch die garstigen Türken rechne, die durchs Dorf zogen, mir zwei Gänse todtschmissen und mitnahmen, meinem Nachbar sein Schwein ungerechnet: Wenn wir nun die Kirchensachen misbrauchen, und auf den adelichen Höfen in Musiczimmern orgeln wollen; was soll zuletzt daraus entstehen? Ich orgele nicht, und sollte er mir auch meinen grauen Kopf vor die Füße legen lassen. Melden Sie mir doch, gestrenger Junker, was es mit der Orgel des Herrn Grandisons in Ansehung der Register und Bässe für eine Beschaffenheit habe. Der Pfarr hat zwar noch nichts davon auf der Kanzel gesagt, ich glaube aber, er bricht gewiß einmal damit hervor, wenn das Werk zu Stande kommen sollte; oder weiset unsern gnädigen Herrn vom Beichtstuhl ab. Orgeln gehören in die Kirche! damit holla. Eurer Gnaden wünsche viel Glück und Segen, und bin mit aller Zucht und Erbarkeit

Eur. Gestrengen

 demüthiger und Ehrendienstwilliger

Lorenz Lobesan,

p. t. ludimoderator.

XI. Brief.

Der Herr v.N. an den Herr v.S.

 N. hall, den 10. Julius.

Lieber Vetter,

Ich habe Ihren letzten Brief richtig empfangen. Ihre Nachrichten haben mich entzückt, so, daß ich wieder jung wie ein Adler werde. Wenn meine Schwester mich nicht mit thränenden Augen gebeten hätte; so wäre ich, statt dieser Anwort, in Person nach Grandisonhall gekommen. Ich war schon reisefertig. Jeremias sollte mich nebst dem Magister begleiten, und ich wollte meine Tour über Hamburg nehmen. Aber, wie gesagt, meine Schwester, der alte Wurm, Lampert, der Pfarr und die ganze Gemeine bekamen von meinem Anschlage Wind: sie vereinigten sich miteinander, und baten mich auf den Knien, keine solche gefährliche Reise in meinen alten Tagen zu unternehmen. Was sollte ich machen? Ich konnte nicht widerstehen; und solchergestalt werde ich nun wohl hier bleiben.