Grimms gedrehte Geschichten - William Nordlicht - E-Book

Grimms gedrehte Geschichten E-Book

William Nordlicht

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Beschreibung

Starke Prinzessinnen, mitfühlende Männer, böse Zauberer und ein Happy End. Das war es was ich meiner Tochter gerne vorlesen wollte, doch die alten Märchen waren da leider etwas anders gestrickt. Gefesselt von den alten Geschichten und der Motivation eines „modernen“ Papas habe ich kurzerhand einige meiner alten Lieblingsmärchen für meine Tochter umgedreht. Das Ergebnis erwies sich doch als äußerst unterhaltsam und auch wenn es hin und wieder verwirrend ist, weil sie ihren Freunden von Rapunstin oder Schneefritzchen erzählt, sind die Geschichten der starken Prinzessinnen mit ihren äußerst emotionalen Männern auch für uns große sehr amüsant (sagt auch meine Frau). PS: Einige der Prinzessinnen brauchen noch Namen, sie können mir gerne Vorschläge und Bilder per Mail zukommen lassen, ich würde mich sehr darüber freuen diese in das Buch mit aufzunehmen, viel Spaß!

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Inhaltsverzeichnis

Rapunstin

Aschenpeter

Die neuen Kleider der Kaiserin

Die gestiefelte Katze

Die tapfere Schneiderin

Dornbübchen

Die Froschkönigin

Hännchen im Glück

Hanni und Henri

Herr Holle

Prinz auf der Erbse

Rotbübchen

Schneefritzchen

Tischlein deck dich

Rapunstin

Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die wünschten sich schon lange vergeblich ein Kind. Endlich machten sich die beiden Hoffnungen, denn das Glück lächelte ihnen zu. Die Leute hatten in ihrem Hinterhaus ein kleines Fenster, daraus konnte man in einen prächtigen Garten sehen, der voller schöner Blumen und Kräuter war. Er war aber von einer hohen Mauer umgeben, und niemand wagte hineinzugehen, weil er einem Zauberer gehörte, der sehr mächtig war und von allen gefürchtet wurde.

Eines Tages stand der Mann an diesem kleinen Fenster und sah in den Garten hinab, da erblickte er ein Beet voll wunderschöner und schmackhafter Rapunzeln. Sie sahen so frisch und grün aus, dass er große Lust empfand, von den Rapunzeln zu essen. Das Verlangen nahm jeden Tag zu, und da er wusste, dass er keine davon bekommen konnte, so ging es ihm immer schlechter, er sah blass und elend aus. Da erschrak die Frau und fragte: "Was fehlt dir, mein lieber Mann?" - "Ach," antwortete er, "wenn ich keine Rapunzeln aus dem Garten hinter unserm Hause zu essen kriege, so weine ich."

Die Frau, die ihn sehr liebhatte, dachte: "Eh du deinen Mann weinen lässt, holst du ihm von den Rapunzeln, koste es was wolle." In der Abenddämmerung stieg sie also über die Mauer in den Garten des Zauberers, stach in aller Eile eine Handvoll Rapunzeln und brachte sie ihrem Mann.

Er machte sich sogleich einen Salat daraus und aß sie voller Genuss auf. Sie hatten ihm aber so gut geschmeckt, dass er am nächsten Tag noch viel mehr Lust auf Rapunzeln bekam. Wollte sie Ruhe haben, so musste die Frau noch einmal in den Garten steigen.

Also machte sie sich in der Abenddämmerung wieder hinab. Als sie jedoch die Mauer herabgeklettert war, erschrak sie gewaltig, denn sie sah den Zauberer vor sich stehen. "Wie kannst du es wagen," sprach er mit zornigem Blick, "in meinen Garten zu steigen und wie eine Diebin mir meine Rapunzeln zu stehlen? Das soll dir schlecht bekommen." – "Ach," antwortete sie, "Verzeiht mir bitte! Ich habe mich nur aus Not dazu entschlossen: mein Mann hat Eure Rapunzeln aus dem Fenster erblickt, und hatte so viel Lust, dass er weinen würde, wenn er nicht davon zu essen bekäme."

Da ließ der Zauberer in seinem Zorne nach und sprach zu ihr: "Wenn es so ist, wie du sagst, so will ich dir gestatten, Rapunzeln mitzunehmen, soviel du willst, aber unter einer Bedingung: Du musst mir dein erstes Kind geben. Es wird ihm gut gehen, und ich werde für es sorgen wie ein Vater." Die Frau rief trotz großer Angst: "Nein, nicht mein Kind", doch der Zauberer verzauberte sie und als ihr Kind kam, so erschien er sogleich und gab dem Kind den Namen Rapunstin und nahm es mit sich fort…

Rapunstin wurde das schönste Kind unter der Sonne. Als er zwölf Jahre alt wurde, schloss ihn der Zauberer in einen Turm, der in einem Wald lag, und weder Treppe noch Türe hatte, nur ganz oben war ein kleines Fensterchen. Wenn der Zauberer hineinwollte, so stellte er sich hin und rief:

"Rapunstin, Rapunstin, lass‘ deinen Bart herunter."

Rapunstin hatte einen langen, prächtigen Bart, fein wie gesponnenes Gold. Wenn er nun die Stimme des Zauberers hörte, so band er seinen Bart los, wickelte ihn oben um einen Fensterhaken, und dann fiel der Bart zwanzig Meter tief herunter, und der Zauberer kletterte daran hinauf.

Nach ein paar Jahren trug es sich zu, dass eine Prinzessin durch den Wald ritt und an dem Turm vorüberkam. Da hörte sie einen Gesang, der war so lieblich, dass sie still wurde und zuhörte.

Das war Rapunstin, der in seiner Langeweile sich die Zeit vertrieb, indem er mit seiner süßen Stimme ein Lied sang. Die Prinzessin lauschte noch eine ganze Weile und wollte dann vorsichtig zu ihm hinaufsteigen. Sie suchte nach einer Türe des Turms, aber es war keine zu finden, da ritt sie heim, doch der Gesang hatte ihr so sehr das Herz gerührt, dass sie jeden Tag hinaus in den Wald ging und zuhörte.

Als sie einmal so hinter einem Baum stand, sah sie, dass ein Zauberer zum Turm ging, und hörte, wie er hinaufrief:

"Rapunstin, Rapunstin, lass‘ deinen Bart herunter."

Da ließ Rapunstin den Bart herab, und der Zauberer stieg zu ihm hinauf.

"Jetzt habe ich wohl die Leiter zur Turmspitze entdeckt! Nun will ich einmal mein Glück versuchen.", rief die Prinzessin aus. Und den folgenden Tag, als es anfing dunkel zu werden, ging sie zu dem Turm und rief:

"Rapunstin, Rapunstin, lass‘ deinen Bart herunter."

Sogleich fiel der Bart herab, und die Prinzessin kletterte hinauf. Anfangs erschrak Rapunstin gewaltig, als eine Frau zu ihm hereinkam, mit ihrer Rüstung und ihrem Schwert, doch die Prinzessin fing an, ganz freundlich mit ihm zu reden. Sie erzählte ihm, wie wundervoll sein Gesang war, und dass sie diesen einfach nicht vergessen konnte. Sie musste ihn einfach sehen.

Da verlor Rapunstin seine Angst und freute sich unglaublich. Sie redeten und spielten die ganze Nacht, und als die Prinzessin ihn am Morgen fragte, ob er nicht mit ihr ins Königreich wollte, sprach Rapunstin:

"Ich will gerne mit dir gehen, aber ich weiß nicht, wie ich herabkommen kann. Wenn du kommst, so bringe jedes Mal einen Strang Seide mit, daraus will ich eine Leiter flechten, und wenn die fertig ist, so steige ich herunter und du nimmst mich auf deinem Pferd mit." Und die Prinzessin sagte, "Ich bringe eine Leiter mit, das geht schneller" und so verabredeten sie sich für den nächsten Abend, denn am Tage kam der alte Zauberer.

Der Zauberer merkte auch nichts davon, bis einmal Rapunstin anfing und zu ihm sagte: "Sagen Sie mir doch, Herr Zauberer, wie kommt es nur, dass ihr so viel schwerer heraufzuziehen seid als die junge Prinzessin, sie ist federleicht." –

"Ach du gottloses Kind," rief der Zauberer, "was muss ich von dir hören! Ich dachte, ich hätte dich von aller Welt getrennt, und du hast mich doch betrogen!"

In seinem Zorne packte er den schönen Bart des Rapunstins, schlug ihn ein paarmal um seine linke Hand, griff eine Schere mit der rechten, und ritsch, ratsch war er abgeschnitten, und der schöne Bart lag auf der Erde.

Und er war so unbarmherzig, dass er den armen Rapunstin in die Wüste zauberte, wo der arme in großem Jammer und Elend leben musste.

Am selben Tag noch machte abends der Zauberer den abgeschnittenen Bart oben am Fensterhaken fest, und als die Prinzessin am Abend kam und rief:

"Rapunstin, Rapunstin, lass‘ deinen Bart herunter."

so ließ er den Bart hinab. Die Prinzessin stieg hinauf, aber sie fand oben nicht ihren liebsten Rapunstin, sondern den alten Zauberer, der sie mit bösen und giftigen Blicken ansah.

"Aha," rief der Zauberer wütend, "du willst meinen Rapunstin holen, aber du wirst ihn nie finden! Ich habe ihn weit in die Wüste gezaubert und dich schnapp ich mir auch!“ und der Zauberer sprang auf die Prinzessin, doch diese schnappte sich den Zauberstab und Bart, und hüpfte aus dem Fenster, so dass der Zauberer nun im Turm feststeckte. Sie wollte auf ihrem Pferd landen, doch stieß sich beim Sprung den Kopf und vergaß plötzlich alles. Ihr Pferd, ihre Eltern und sogar Rapunstin, hatte sie vergessen.

"Wer bin ich, Was mache ich hier“, sprach sie ganz wirr und fing einfach an zu laufen. So wanderte und wanderte sie einige Jahre ganz verwirrt umher. Endlich geriet sie auf ihrer Wanderung in die Wüste, wo auch Rapunstin mit seinen Tieren, die er gepflegt hatte, einer Katze und einem Hund, traurig lebte.

Die Prinzessin hörte plötzlich eine Stimme, eine wundervolle Stimme. Sie klang ihr so bekannt, doch sie konnte sich nicht erinnern. Sie ging darauf zu, und wie sie herankam, sah Rapunstin die Prinzessin und rannte zu ihr, er fiel ihr um den Hals und weinte.

"Ich wusste, dass du mich rettest" sagte Rapunstin mit Tränen in den Augen und eine seiner Tränen fiel auf den Kopf der Prinzessin und plötzlich wurde sie wieder klar. Sie erinnerte sich an alles. Die Prinzessin führte ihn in ihr Reich, wo er mit Freude empfangen wurde. Sie feierten ein großes Fest und lebten noch lange glücklich und vergnügt.

Aschenpeter

Einer reichen Frau, der wurde ihr Mann krank, und als er fühlte, dass sein Ende herankam, rief er sein einziges Söhnelein zu sich ans Bett und sprach: „Liebes Kind, bleibe fromm und gut, so wird dir die Welt immer beistehen, und ich will vom Himmel auf dich herabblicken, und will um dich sein.“

Darauf tat er die Augen zu und verschied. Der Junge ging jeden Tag hinaus zu dem Grabe des Vaters und weinte; und blieb fromm und gut. Als der Winter kam, deckte der Schnee ein weißes Tüchlein auf das Grab, und als die Sonne im Frühjahr es wieder herabgezogen hatte, nahm sich die Frau einen anderen Mann.

Der Mann hatte zwei Söhne mit ins Haus gebracht, die schön und freundlich von Angesicht waren aber garstig und böse von Herzen. Da ging eine schlimme Zeit für das arme Söhnelein an. „Soll der dumme Vogel bei uns in der Stube sitzen!“ sprachen sie, „wer Brot essen will, muss es sich verdienen: hinaus mit dem Küchenbub.“

Sie nahmen ihm seine schönen Kleider weg, zogen ihm einen grauen, alten Kittel an und gaben ihm hölzerne Schuhe. "Seht einmal den stolzen Prinzen, wie er geputzt ist!“ riefen sie, lachten und führten ihn in die Küche. Da musste er von Morgen bis Abend schwer arbeiten, früh vor der Sonne aufstehen, Wasser tragen, Feuer anmachen, kochen und waschen.

Obendrein taten ihm die Brüder alles ersinnliche Herzeleid an, verspotteten ihn und schütteten ihm die Erbsen und Linsen in die Asche, so dass er sitzen und sie wieder auslesen musste.

Abends, wenn er sich müde gearbeitet hatte, kam er in kein Bett, sondern musste sich neben den Herd in die Asche legen. Und weil er darum immer staubig und schmutzig aussah, nannten sie ihn Aschenpeter. Es trug sich zu, dass die Mutter einmal auf den Markt gehen wollte, da fragte sie die beiden Stiefsöhne, was sie ihnen mitbringen sollte. "Schöne Kleider," sagte der eine, "Perlen und Edelsteine," der zweite. "Aber du, Aschenpeter," sprach sie, "was willst du haben?" - "Mutter, den ersten Zweig, der Euch auf Eurem Heimweg an den Hut stößt, den brecht für mich ab!" Sie kaufte nun für die beiden Stiefbrüder schöne Kleider, Perlen und Edelsteine, und auf dem Rückweg, als sie durch einen grünen Busch ritt, streifte sie ein Haselstrauch und stieß ihr den Hut ab. Da brach sie einen Ast ab und nahm ihn mit.

Als sie nach Haus kam, gab sie den Stiefsöhnen, was sie sich gewünscht hatten, und dem Aschenpeter gab sie den Ast von dem Haselbusch. Aschenpeter dankte ihr, ging zu seines Vaters Grab und pflanzte den Ast darauf, und weinte so sehr, dass die Tränen darauf niederfielen und ihn begossen.

Er wuchs schon bald und ward ein schöner Baum. Aschenpeter ging alle Tage dreimal darunter, weinte und erzählte, und allemal kam ein weißes Vöglein auf den Baum, und wenn er einen Wunsch aussprach, so warf ihm das Vöglein herab, was er sich gewünscht hatte. Es begab sich nun, dass die Königin ein Fest anstellte, das drei Tage dauern sollte, und wozu alle schönen jungen Männer im Lande eingeladen wurden, damit sich seine Tochter einen Bräutigam aussuchen konnte. Die zwei Stiefbrüder, als sie hörten, dass sie auch erscheinen sollten, waren guter Dinge, riefen Aschenpeter und sprachen: "Kämm uns die Haare, bürste uns die Schuhe und mache uns die Schnallen fest, wir gehen zur Hochzeit auf das Schloss der Königin."

Aschenpeter gehorchte, weinte aber, weil er auch gern zum Tanz mitgegangen wäre, und bat den Stiefvater, er möchte es ihm erlauben. "Aschenpeter," sprach er, "Du bist voll Staub und Schmutz, und willst zur Hochzeit? Du hast keine Kleider und Schuhe, und willst tanzen!" Als er aber mit Bitten anhielt, sprach er endlich: "Da habe ich dir eine Schüssel Linsen in die Asche geschüttet, wenn du die Linsen in zwei Stunden wieder ausgelesen hast, so sollst du mitgehen."

Der Junge ging durch die Hintertür in den Garten und rief: "Ihr zahmen Täubchen, ihr Turteltäubchen, all ihr Vöglein unter dem Himmel, kommt und helft mir aufzulesen,

Die guten sollen euer sein, die anderen in das Töpfchen rein."

Da kamen zum Küchenfenster zwei weiße Täubchen herein, und danach die Turteltäubchen, und endlich schwirrten und schwärmten alle Vöglein unter dem Himmel herein und ließen sich um die Asche nieder.

Und die Täubchen nickten mit den Köpfchen und fingen an pick, pick, pick, pick, und da fingen die übrigen auch an pick, pick, pick, pick, und lasen alle guten Körnlein in das Töpfchen. Kaum war eine Stunde herum, so waren sie schon fertig und flogen alle wieder hinaus. Da brachte der Junge das Töpfchen dem Stiefvater, freute sich und glaubte, er dürfte nun mit auf die Hochzeit gehen.

Aber der Stiefvater sprach: "Nein, Aschenpeter, du hast keine Kleider, und kannst nicht tanzen: du wirst nur ausgelacht." Als er nun weinte, sprach er: "Wenn du mir zwei Töpfe voll Linsen in einer Stunde aus der Asche rein lesen kannst, so sollst du mitgehen," und dachte: "Das kann er ja nimmermehr." und schüttete die zwei Töpfe Linsen in die Asche.

Da ging der Junge durch die Hintertür nach dem Garten und rief:

"Ihr zahmen Täubchen, ihr Turteltäubchen, all ihr Vöglein unter dem Himmel, kommt und helft mir auflesen,

Die guten ins Töpfchen hinein,

die anderen sollen euer sein."

Da kamen zum Küchenfenster zwei weiße Täubchen herein und danach die Turteltäubchen, und endlich schwirrten und schwärmten alle Vöglein unter dem Himmel herein und ließen sich um die Asche nieder. Und die Täubchen nickten mit ihren Köpfchen und fingen an pick, pick, pick, pick, und da fingen die übrigen auch an pick, pick, pick, pick, und lasen alle guten Körner in die Töpfchen. Und ehe eine halbe Stunde herum war, waren sie schon fertig, und flogen alle wieder hinaus.

Da trug der Junge die Töpfchen zu dem Stiefvater, freute sich und glaubte, nun dürfte er mit auf die Hochzeit gehen. Aber er sprach: "Es hilft dir alles nichts: du kommst nicht mit, du hast keine Kleider und kannst nicht tanzen; wir müssten uns deiner schämen." Darauf kehrte er ihm den Rücken zu und eilte mit seinen zwei stolzen Söhnen fort.

---ENDE DER LESEPROBE---