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Vor dreißig Jahren hat Erling Kagge seine erste Kunst gekauft. Eine signierte und nummerierte Litographie, die ein bisschen nach Edvard Munch aussah. Die porträtierte Schwarzhaarige erinnerte ihn an seine erste Freundin. Und weil er nicht viel Geld dabei hatte, tauschte er das Kunstwerk gegen zwei Flaschen Bordeaux ein. »Die Flaschen leerten wir noch am gleichen Abend. Den Druck habe ich immer noch.« Dessen Wert ist in all den Jahren nicht gestiegen – anders als bei der »Surfing Nurse« des amerikanischen Malers Richard Prince, einem Bild, das Kagge in einer New Yorker Galerie entdeckte und für 50.000 Dollar kaufte. Er hätte es gerne behalten, aber dann sah er, dass »alle reichen Russen, Chinesen und Afrikaner unbedingt auch Richard Prince haben wollten«, also verkaufte er das Bild vier Jahre später für das Hundertfache.
Ja, man kann sehr viel Geld auf dem Kunstmarkt ausgeben und erlösen, man muss aber nicht, sagt Kagge. Wer neugierig bleibt, seinem Urteil traut, eine gute Portion Geschmack mitbringt, sich Trends widersetzt und ein bisschen Glück hat, kann auch als Einsteiger zum erfolgreichen Sammler werden. Genau wie Erling Kagge.
Der amüsante und anekdotenreiche Wegweiser liefert erhellende Einblicke in den Kunstbetrieb. Er zeigt, dass nicht der Smalltalk auf der nächsten Party, sondern der lange und manchmal abenteuerliche Weg durch die Welt der Kunst das eigene Kunstverständnis prägt – und zu einer ganz persönlichen und exquisiten Sammlung führt.
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Seitenzahl: 107
INSEL
ERLINGS ZIMMER
Das erste Mal stieß ich auf Erling Kagge in seiner Rolle als Verleger. Wenig später hörte ich von seinen Alpin- und Bergsteigerabenteuern sowie seinen Extremleistungen, die zeigen, wie natürliche und meteorologische Phänomene als ungreifbare Einflüsse unsere Haut und Seele unmerklich verändern.
Im Zentrum des Ganzen aber steht natürlich : sein Sam-meln. Erling Kagge ist ein Pionier unter den Kunstsammlern, einer, der viele Künstler sammelt, die am Beginn ihrer Karriere stehen, und sie auf ihrem Weg begleitet.
Dabei gibt es etwas, das all diese verschiedenen Dimen-sionen miteinander verbindet, und die großartige Künstlerin Etel Adnan hat es auf den Punkt gebracht : »Es ist das, was wir unsere Persönlichkeit nennen. Es ist eine Verbindung, die du nicht beabsichtigst, die einfach da ist, in deinem Empfinden, in deiner Identität … Es ist eine Person, in ver-schiedenen Räumen.«
Hans Ulrich Obrist
Man muss schon sehr abenteuerlustig, mutig, entschieden und zielstrebig sein, um die Expeditionen zu unternehmen, von denen mir Erling Kagge berichtet hat – und wenn man sich die Kunst ansieht, die er gesammelt hat, kann man da-rin genau diese Qualitäten wiederentdecken, das bedin-gungslose Engagement für die Künstler und ihre Werke im Angesicht der Unsicherheiten unseres heutigen Lebens.
Beatrix Ruf
Roe Ethridge
Louise Blowing a Bubble(2011)
C-print
111.8 × 83.8 cm
Edition: 1/5 + 2AP
Photo: Ina Hagen
Wolfgang Tillmans
Gruppe 10(2007)
C-print
Installed dimension: 280 × 400 cm
Consists of 5 singly framed photographs: Anders (Brighton Arcimboldo)ed. 2/3, Paper Drop (Shadow)ed. 8/10, Alstroemeriaed. 1/3, Plant Lifeed. 2/3, Untitled (Flight)ed. 2/10, Photo: Vegard Kleven
Olafur Eliasson
Striped eye lamp(2005)
Colour effect filter glass, wire, light bulb (60W), tripod
300 × 95 cm
Edition: 3/10 + 2 AP, Photo: Vegard Kleven
Kristian Blystad
Torso (2000)
Diabas
99 × 84 × 49 cm
Franz West
Sitzskulptur / Sitting sculpture
Aluminium lacquered
97 (H) x 280 x 95 cm
Mark Handforth
Mr. Maccarone (2008)
Stainless steel, aluminium, polyurethane paint
343 × 275 × 240cm
Photo: Ina Hagen
Lari Pittman
Untitled (2008)
Acrylic, cel vinyl, spray lacquer over gessoed canvas over wood panel
132 × 101.6 cm
Photo: Vegard Kleven
Raymond Pettibon
Group of 11 drawings
Richard Prince
Untitled (Cowboy)(2003)
Ektacolor photograph
168.3 × 127 cm
Edition 2/2 + 1 AP
Photo: Vegard Kleven, Courtesy: Erling Kagge Collection
Erling Kagge
Große Kunst für kleinesGeld
Eine Anleitung
Mit Abbildungen
Aus dem Englischen von
Moritz Müller-Schwefe
Insel
Photo: Ina Hagen
Claire Fontaine
Quarter Piece 2
Modified Object: Quarter, steel box cutter blade, solder, and rivets
einleitung13
GROSSE KUNST FÜR KLEINES GELD
Mein erstes Kunstwerk, eine signierte und nummerierte Lithografie, kaufte ich mir vor dreißig Jahren. Die Arbeit war von meinem Landsmann Edvard Munch inspiriert und zeigte eine schöne, melancholische Schwarzhaarige, die ein wenig wie die von ihm porträtierte Eva Mudocci aussah. Vor ihr, in roter Luft, schweb-ten drei eifersüchtige Männer. Die Frau erinnerte mich an meine Exfreundin. Ich vermisste sie und musste die Lithografie haben.
Ich hatte nicht viel Bargeld dabei, aber der Künstler wollte sowieso nur Wein. Also tauschte ich die Lithografie gegen zwei Flaschen eines eher dürftigen Bor-deaux. Den Druck habe ich immer noch : Es ist eine mäßig gute Arbeit von einem mäßig guten Künstler. Die Flaschen leerten wir noch am selben Abend.
Um die Jahrhundertwende gab ich mein Geld nicht für Autos, Kleidung oder Sommerhäuser aus, sondern für Kunst. Bei einem Besuch des Astrup Fearnley Museum fiel mir das Diptychon Untitled (Cowboy)von Richard Prince ins Auge. Es war nicht nur das Bild, das mich beeindruckte, sondern auch die Tatsache, dass ein Norweger in der Lage war, so ein großartiges Kunstwerk zu kaufen. Für mich war das ein entscheidender Moment : Wenn Hans Rasmus Astrup solche Werke sammeln konnte, konnte ich das auch.
Dass ich nicht einen einzigen Menschen aus der Welt der internationalen Ge-genwartskunst kannte, sollte dabei zu einer der größten Herausforderungen wer-den. Doch begriff ich schnell, dass die Arroganz und das Desinteresse der meis-ten Galeristen bloße Fassade ist. Im Gegenteil : Sie sehnen sich geradezu nach ehrgeizigen Sammlern, die bereit sind, etwas auszugeben.
Für mein erstes großes Kunstwerk, Surfing Nurse, von – klar – Richard Prince, zahlte ich 50 000 Dollar. Kurz nach meinem Ausflug ins Astrup Fearnley Museum war ich mit dem Galeristen Atle Gerhardsen in New York unterwegs, wo wir es in einer Galerie entdeckten. Es war die Zeit, in der sich Museen und renommierte Sammler für die Nurse Paintingszu interessieren begannen. Vier Jahre später ver-kaufte ich das Bild für fünf Millionen Dollar. Zwar liebte ich es noch immer, aber bei dieser Summe wurde ich schwach.
Den unverhofften Geldsegen hatte ich dabei nicht meiner etwaigen Clever-ness zu verdanken, sondern allein den Prinzipien des Kunstsammelns, um die es in diesem Buch gehen soll. Viele Experten halten Richard Prince für einen der größten Künstler seiner Generation. Und auch wenn seine Arbeiten in den wichtigsten Sammlungen der Welt zu finden sind, spiegelten die Preise, die seine Werke erzielten, seinen Erfolg lange Zeit nicht wider. Ich profitierte lediglich da-von, dass sich die Preise irgendwann seinem Ruf anpassten, und ich wäre naiv zu glauben, dass mir so was regelmäßig passieren wird.
14 grosse kunst für kleines geld
Die meisten Sammler von Gegenwartskunst sind Lichtjahre entfernt von der Sphäre der wirklich reichen Sammler, den 0,001 Prozent, den, in alphabetischer Reihenfolge, Aarons, Abramowitschs, Allens, Arnaults, Astrups … Doch über die letzten zwanzig Jahre habe ich mir mit jedem einzelnen Stück mehr Kenntnis über das Sammeln von Gegenwartskunst angeeignet, und wie mein Beispiel mit Richard Prince zeigt, ist es auch mit einem kleinen Budget durchaus möglich, den Megasammlern dieser Welt voraus zu sein.
Um als Sammler erfolgreich zu sein, muss man lernen, den eigenen Instink-ten zu vertrauen. Man muss sich viel Kunst anschauen, zuhören, wenn andere über Kunst sprechen, lesen, was andere über Kunst schreiben, kaufen und ab und zu auch verkaufen. Man muss seine Erfahrungen mit der Kunstwelt machen und lernen, sich sein eigenes Urteil zu bilden. Es wird Zeiten geben, in denen es bes-ser ist, einfach dem Markt zu folgen, und Zeiten, in denen man sich den Trends widersetzen oder sie einfach ignorieren sollte. Neugier und Entscheidungsfreu-digkeit sind meiner Meinung nach die wichtigsten Talente beim Kunstsammeln. Und überhaupt. Es ist die Neugier, die uns antreibt.
Klar kann man die Kaufentscheidungen auch den Mittelsmännern überlas-sen, den Beratern, die einem bereitwillig alles erklären, auf die Schulter klop-fen und die Zweifel nehmen. Es gibt einen Haufen solcher Art Sherpas – wie der ebenso wunderbare wie schlagfertige Journalist AAGill sie genannt hat –, und es spricht nichts dagegen, sich auf sie zu verlassen ; viele von ihnen sind sehr gut. Die besten Berater verfügen nicht nur über die richtigen Kontakte, sondern auch über das nötige Wissen. Ihre Klienten wollen ihr Geld in Kunst investieren, haben aber Aufholbedarf in Sachen kulturelles Kapital. Eine gute Kombination, wenn auch ein bisschen langweilig. Natürlich kann man auch in einen Kunstfonds in-vestieren, aber das ist noch langweiliger.
Kunst ist nicht demokratisch : Manche Arbeiten sind einfach besser und wich-tiger als andere. Ein Kunstsammler ist dann erfolgreich, wenn es ihm gelingt, Kunstwerke von hoher Qualität zu einem guten Preis zu bekommen. Aber es fällt mir schwer, klar zu benennen, was ich mit Kunstwerken von hoher Qualität mei-ne. Wie ich auch nur schwer erklären kann, warum ich ein ganz bestimmtes Mu-sikstück liebe. Ich könnte sagen, dass es bewegend ist, herausfordernd, unange-nehm, unerklärbar, verführerisch, schön, einzigartig, komisch, seltsam, fordernd oder skurril, aber all das würde die Qualität eines Kunstwerks nur ansatzweise beschreiben. Gute Kunst ist wie ein guter Roman : Manches wird ausgesprochen, manches nicht und einiges bleibt unerklärt. Als Sammler, Verleger und Abenteu-rer habe ich mich oft auf mein Bauchgefühl verlassen. Ich weiß nicht warum, aber immer wenn ich großartige Kunst betrachte und zu verstehen versuche, was der Künstler sagen wollte, überkommt mich Stille. Ein gutes Kunstwerk ist eine
erling kagge15
Art Denkmaschine, die Ideen, Hoffnungen, Liebeskummer, Fehler, Intuitionen und andere Erfahrungen und Gefühle des Künstlers aufzeigt. Vielleicht bin ich still, weil ich nicht die richtigen Worte finde, weil ich jeden Tag aufs Neue fest-stelle, wie klein die Blase ist, in der ich mich bewege. Es gibt so vieles, was ich nicht verstehe, hinter das ich nicht komme, Kunst macht mir das bewusst. Ich werde ehrlicher, bin wacher bei allem, was ich tue, ich kann das Geschehen der Welt für kurze Zeit ausschließen. In diesen Momenten der Stille kann ich mich nicht mehr länger von dem distanzieren, was ich tue.
Wenn ich mir ein Kunstwerk ansehe, versuche ich bei den Rändern anzufan-gen, zum Beispiel links unten, um mich dann mit meinen Augen und meinem Verstand langsam an den Seiten der Arbeit entlangzubewegen, bevor ich mich zur Mitte bewege. Beginne ich dagegen in der Mitte, und das tue ich oft ganz auto-matisch, habe ich ständig das Gefühl, etwas zu übersehen. Und wahrscheinlich ist das wirklich so. Denn dann geht alles viel zu schnell. Kunstbetrachtung geht langsam. Es ist, als begäbe man sich auf eine innere Entdeckungsreise.
Die letzten paar Jahrhunderte haben gezeigt, wie es den meisten Künstlern ergeht – man vergisst sie. Und dazu gehören auch etliche der derzeit geschätz-testen und teuersten Künstler. Es ist also gut möglich, dass du ihnen als Sammler gleich zweimal begegnest: auf ihrem Weg nach oben und auf ihrem Weg nach unten. Welches Kunstwerk hat Qualität? Für mich hat ein Kunstwerk Qualität, wenn ich es immer wieder betrachten kann und dabei immer wieder etwas Neues entdecke. Manchmal gefällt mir ein Werk auf den ersten Blick, aber beim dritten lässt die Spannung bereits nach. Es mag trotzdem eine gute Arbeit sein, nur nicht für mich. Bestimmte Kunst mag ich sogar im Schlafzimmer– Cathrin Opies Foto von einem Sonnenaufgang über dem Pazifik zum Beispiel und ein kleines abs-traktes Gemälde von Hanneline Røgeberg – ich kann sie mir täglich anschauen, ohne dass ich ihrer überdrüssig werde. Für mich ein gutes Zeichen.
Ich hoffe, dass dir dieses Buch dabei hilft, die Fallen auf deinem Weg zum Sammler zu umgehen und dass du dich zumindest an diesen einen Grundsatz hältst : Eine Sammlung aufzubauen, ist im Grunde nichts anderes, als zu leben oder sein Leben aufzuschreiben – es ist etwas zutiefst Persönliches. Was bei mir funktioniert, wird bei dir vielleicht nicht ganz so gut klappen. Sva marga – du musst deinen eigenen Weg gehen.
Beim Golf oder Sex fühlen wir uns manchmal wie Gewinner, auch wenn un-sere Leistung weit unter Par ist. Die Fehler des Arztes werden auf dem Friedhof vergraben, und die des Rechtsanwalts landen im Gefängnis. Gegenwartskunst zu sammeln aber ist etwas anderes : Denn deine Fehler werden an deinen vier Wän-den hängen.
Hanneline Røgeberg
In The Field (for Glenn) 2016
Oil on linen, 61 × 91 cm
Courtesy: the Artist
Olafur Eliasson
Reality Compass (2010)
Stainless Steel, magnet, wood, nylon
Compass: 150 × 100 ø × 100 cm
Photo: Jens Ziehe, Berlin, © Olafur Eliasson, Courtesy: the Artist and Neugerriemschneider, Berlin
Sergej Jensen
Untitled (2009)
Sewn cloth
180 × 160 cm
Courtesy: the Artist and Galerie Neu, Berlin
Sergej Jensen
Untitled(2007)
Dyed and sewn cloth
310 × 280 cm
Courtesy: the Artist and Galerie Eva Presenhuber, Zürich
Vibeke Tandberg
Princess Goes to Bed with a Mountain Bike #1-8(2001)
C-print
Each 166 × 126 cm
Courtesy: Gerhardsen Gerner, Berlin / Oslo
Nick Relph
Disciplina(2013)
Polyester / rayon
121.9 × 76.2 cm
Courtesy: Herold ST LTD, London
Nick Relph
I (SO) ISO + 150(2011)
Four chrome stanchions
98 × 545 × 313 cm
Photo: Vegard Kleven, Oslo, Norway. Courtesy: Gavin Brown’s Enterprise, NY; STANDARD (OSLO), Oslo
Shintaro Miyake
Color pencil, pencil on cardboard on wood
1 A Mothership D4-WS (2004)
91 × 118 × 0.5 cm
2 Mars Dweller(2004)
76 × 54.5 × 0.5 cm
3 Mars Dweller(2004)
74.5 × 48 × 0.5 cm
4 Mars Dweller(2004)
78.5 × 48 × 0.5 cm
5 Mars Ride (Jellyfish Mode)(2004)
108.5 × 76.5 × 0.5 cm
6 Mars Dweller (2004)
53 × 42.5 × 0.5 cm
1
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Courtesy: Gerhardsen Gerner, Berlin / Oslo
4
6
5
Courtesy: the Artist and Galerie Neu, Berlin
Jana Euler
From private to public painting and the street light on the way(2013)
Oil and eye shadow on canvas
80 × 60 cm
Carroll Dunham
Dead Space (Inside) (2005)
Acrylic on canvas
152.7 × 122.2 cm
Photo: Hans-Georg Gaul, Courtesy: Gladstone Gallery,