Grusel und Getreide - Louisa Masters - E-Book

Grusel und Getreide E-Book

Louisa Masters

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Beschreibung

Ich dachte, meine Schwärmerei für Daniel sei eine epische Tragödie, aber dann stellte sich heraus, dass ich ein Mittler bin – jemand, der mit Wesen aus der Anderswelt kommunizieren kann –, und schon kommt mir meine unerwiderte Liebe zu meinem straighten Freund nicht mehr wie mein größtes Problem vor. Nachdem ein Geist mich vor einer nahenden Katastrophe gewarnt hat, schaltet Daniel jedoch in den Beschützermodus. Was für mich völlig in Ordnung ist, bis nach einem Missverständnis eins zum anderen führt und nun die ganze Stadt glaubt, er und ich wären ein Paar. Ups?! Doch was auch immer gerade in der Anderswelt passiert, schwappt in unsere Welt herüber, und wir müssen alle mithelfen, die Menschheit zu schützen … falls wir das können.

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LOUISA MASTERS

GRUSEL UND GETREIDE

GEISTER INKLUSIVE 3

 

 

 

Aus dem Englischen von Johanna Hofer von Lobenstein

 

 

 

Über das Buch

Ich dachte, meine Schwärmerei für Daniel sei eine epische Tragödie, aber dann stellte sich heraus, dass ich ein Mittler bin – jemand, der mit Wesen aus der Anderswelt kommunizieren kann –, und schon kommt mir meine unerwiderte Liebe zu meinem straighten Freund nicht mehr wie mein größtes Problem vor.

Nachdem ein Geist mich vor einer nahenden Katastrophe gewarnt hat, schaltet Daniel jedoch in den Beschützermodus. Was für mich völlig in Ordnung ist, bis nach einem Missverständnis eins zum anderen führt und nun die ganze Stadt glaubt, er und ich wären ein Paar. Ups?!

Doch was auch immer gerade in der Anderswelt passiert, schwappt in unsere Welt herüber, und wir müssen alle mithelfen, die Menschheit zu schützen … falls wir das können.

Über die Autorin

Louisa Masters hat früher mit dem Lesen von Liebesromanen angefangen, als nach Meinung ihrer Mutter gut für sie war. Während sich andere Teenager nachts aus dem Haus schlichen, schmuggelte Louisa tagsüber Liebesromane hinein. Als Erwachsene wollte sie erst einmal einen »vernünftigen« Beruf ergreifen und hat als Buchverkäuferin, im Personalwesen, im Ressourcenmanagement, in der Verwaltung und als Reisekauffrau gearbeitet. Inzwischen hat sie ihre Leidenschaft, das Lesen und Schreiben von Unterhaltungsromanen, zu ihrem Beruf gemacht.

Louisa führt eine lange Liste von Orten, die sie in Büchern entdeckt hat und gerne einmal besuchen möchte. Sie reist gern, um ihre Vorstellungskraft zu beflügeln, auch wenn sie sich niemals an den Jetlag gewöhnen wird. Ihr Zuhause ist Melbourne, und obwohl sie häufig über das australische Wetter jammert, ist sie insgeheim sicher, dass sie vermutlich niemals dort wegziehen wird.

Die englische Ausgabe erschien 2023 unter dem Titel »Conduit Crisis« bei World of Words.

Deutsche Erstausgabe Juli 2024

 

© der Originalausgabe 2023: Louisa Masters

© Verlagsrechte für die deutschsprachige Ausgabe 2024:

Second Chances Verlag, Inh. Jeannette Bauroth,

Hammergasse 7–9, 98587 Steinbach-Hallenberg

 

Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Die Nutzung des Inhalts für Text und Data Mining

im Sinne von § 44b UrhG ist ausdrücklich verboten.

 

Umschlaggestaltung: Frauke Spanuth, Croco Designs

unter Verwendung von Motiven von Victor, eshana_blue, alter_photo, SavingThrw, stone36, ana, Pannarai, Piotr,

alle www.stock.adobe.com

 

Lektorat: Annika Bührmann

Korrektorat: Isabel Wieja

Schlussredaktion: Daniela Dreuth

Satz & Layout: Second Chances Verlag

 

ISBN: 978-3-98906-018-0

 

 

www.second-chances-verlag.de

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Über die Autorin

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapiteal 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

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KAPITEL 1

SKYE

Warum ist mein Kaffee immer noch nicht fertig? Ich funkele die lahme Kaffeemaschine böse an, die sich mit meinem dringend benötigten Lebenselixier alle Zeit der Welt lässt – tropf, tropf, tropf. Ich habe Kopfschmerzen und brauche das Koffein, verdammt noch mal. Bei nächster Gelegenheit hole ich mir eine neue, schnellere Maschine.

Pffft. Wem will ich eigentlich etwas vormachen? Ich bin nämlich kaum zu Hause und benutze sie entsprechend selten. Denn ich liebe meinen Job so sehr, dass ich ständig länger bleibe, und ein aktives Privatleben habe ich außerdem – wie oft ich im letzten Monat zu Hause Kaffee getrunken habe, kann ich an den Fingern abzählen. Auch jetzt wäre ich ohne diese hartnäckigen Kopfschmerzen längst mit ein paar Bekannten im Café verabredet. Ich wohne schon mein ganzes Leben hier und bin extrovertiert. Ich kenne hier jeden.

Aber bevor ich dieses Hämmern im Kopf nicht loswerde, kann ich nicht unter Menschen, also will ich jetzt einfach nur Kaffee. Was für ein beschissener Start in meinen freien Tag.

Bsssss…

Ich wische genervt durch die Luft neben meinem Ohr und halte nach der Fliege Ausschau. Wann sie hereingekommen ist, ist mir ein Rätsel, aber sie nervt mich schon seit heute Morgen … auf heimtückische Weise. Gesehen habe ich sie noch nicht, doch immer, wenn ich sicher bin, dass sie weg ist, summt sie wieder an meinem Ohr vorbei. Sobald ich meinen Kaffee getrunken habe, gehe ich auf Fliegenjagd, und die wird das kleine Miststück nicht überleben.

Apropos Kaffee … endlich ist die Tasse voll, und ich greife nach dem lebensspendenden Elixier und nehme dankbar einen Schluck. Mit wohligem Seufzen lasse ich mich auf den Stuhl an dem winzigen Tisch plumpsen, der zur »Küche« meiner Einzimmerwohnung gehört. »Klein« ist noch großzügig, aber die Wohnung ist nicht teuer, mitten in der Stadt und liegt über einer Bäckerei, also riecht es hier immer gut. Da ich so wenig zu Hause bin, wäre alles größere Geldverschwendung.

Ich trinke langsam und genieße jeden Tropfen, doch meinem schmerzenden Kopf hilft der Kaffee nicht.

Ob ich Schlaf brauche? Dabei bin ich nicht mehr so früh ins Bett gegangen, seit ich ein Kleinkind war. Außer einmal während eines Partywochenendes in Fort Lauderdale, und da war ich bereits dreißig Stunden wach gewesen.

Oder ich muss etwas essen? Ich habe aber zu Mittag gegessen, also sollte ich, selbst wenn ich hungrig wäre – was ich eigentlich nicht bin – nicht so dringend Nahrung brauchen, dass mein Schädel davon so schmerzt.

Bsssss.

Ich drehe ruckartig auf der Suche nach der Fliege den Kopf, und das Geräusch wird lauter. Jetzt geht es gar nicht mehr weg, und ich schlage wild um mich, um das geflügelte Insekt zu erwischen. Herrje, ist die etwa in meinem Ohr? Das muss es sein. Eklig! Wie bekomme ich sie da wieder raus?

Ich schüttele entschieden den Kopf, was diesen zum Pochen bringt, aber das Summen nicht abstellt. Nun summt es sogar in beiden Ohren. Also … was jetzt? Ob sich da gerade eine Fliege durch mein Gehirn frisst?

Oder es ist gar keine Fliege da, und das Summen ist eine Nebenwirkung meiner Kopfschmerzen. Ob das überhaupt möglich ist, weiß ich nicht genau, aber es scheint doch plausibler als eine Fliege, die mein Gehirn frisst und von innen in beiden Ohren gleichzeitig summt.

Jedenfalls hoffe ich das.

Also … muss ich die Kopfschmerzen loswerden.

Tolle Idee, Skye. Aber wie?

Die bissigen Kommentare meines Unterbewusstseins erzeugen in mir immer den Impuls, mir selbst eine runterzuhauen, daher ignoriere ich es. Ihn? Mich selbst? Es ist tatsächlich eine gute Frage. Ibuprofen hat nicht geholfen, Essen, Wasser und Kaffee ebenso wenig.

Meditation vielleicht? Es könnten stressbedingte Kopfschmerzen sein. Nicht, dass ich in letzter Zeit viel Grund gehabt hätte, gestresst zu sein. Außer natürlich meine unerwiderte Liebe zu einem meiner besten Freunde – meinem Hetero-Kollegen.

Ah, Daniel. Seufz. Mein Unterbewusstsein, das kleine Biest, gerät schon beim Gedanken an ihn ins Schwärmen. Ich schiebe das Bild seines gut gelaunten, gut aussehenden und vollkommen ahnungslosen Gesichts beiseite und beschließe, es mit Meditieren zu versuchen.

Connor, der Dämonenjäger, der uns mit einer vertrackten Situation auf der Arbeit geholfen hat, hatte mir erläutert, dass ich ein Mittler für Schemen aus der Anderswelt bin; seither habe ich regelmäßig meditiert, um meine mentale Abschirmung zu stärken. Ich will nie wieder von einem Körperspringer besessen sein. Das hat keinen Spaß gemacht; null Sterne, würde ich nicht weiterempfehlen. Morgens und abends je zwanzig Minuten meditieren ist ein kleiner Preis dafür, um mein Gehirn vor Invasoren zu schützen.

Ich schließe die Augen, atme tief durch und lasse meinen Geist mit der vertrauten Meditation zur Ruhe kommen. Sofort lassen die Kopfschmerzen nach, und ich würde mir am liebsten einen Tritt versetzen, weil ich nicht schon früher darauf gekommen bin. Ich könnte …

»HÖRE MICH HÖRE MICH WIESO HÖRST DU MICH DENN NICHT?«

Ich zucke schockiert zusammen, als das Geschrei in meinen Ohren erklingt, stoße dabei an den Tisch und öffne gerade rechtzeitig die Augen, um zu sehen, wie sich die Reste meines Kaffees über die Tischplatte ergießen. Ich rette die Tasse, die gefährlich nahe an der Tischkante steht, und atme tief durch.

Was zur Hölle war das denn?

Meine Kopfschmerzen sind mit voller Kraft zurück und das Summen ist jetzt so laut, dass ich am liebsten schreien würde.

Das Summen.

Ach du Scheiße. Ich bin ja so was von begriffsstutzig.

Connor hatte es mir erklärt, mehrfach sogar: Wenn meine Abschirmung gut funktioniert und voll in Kraft ist, summt es bei einem Kontaktversuch eines Schemens in meinen Ohren. So hat er es wortwörtlich beschrieben.

Doch was soll ich jetzt machen?

Die Abschirmung will ich auf keinen Fall reduzieren. Con hat mir versichert, auch bei halber Stärke würde kein Schemen durchkommen, aber es gibt Risiken, die ich einfach nicht eingehen will. Andererseits versucht dieser Andersweltler schon den ganzen Tag, mit mir Kontakt aufzunehmen, und das bisschen, das ich gehört habe, klang gehörig frustriert. Ich mag vielleicht nicht allzu viel von Wesen aus anderen Welten verstehen, aber ich bezweifle doch, dass er sich dem aussetzen würde, nur um »Hallo« zu sagen. Eventuell trollt er sich auch einfach, mitsamt den Kopfschmerzen, wenn ich ihm zuhöre?

Mit einem ergebenen Seufzer versuche ich, mich zu erinnern, was Connor mir über Kommunikation mit Schemen beigebracht hat. Ich habe nicht so genau zugehört, wie ich sollte, weil ich mir so sicher war, dass ich nie wieder in meinem Leben mit einem Schemen reden wollte. Nur wenige Wochen zuvor war ich von einem Körperspringer besessen gewesen, und mein Interesse galt hauptsächlich einer superstabilen Abschirmung, um mir Dinge vom Leib zu halten.

Und – es ist mir anscheinend gelungen. Gut gemacht!

Das Summen ist jetzt besonders laut und ich zucke zusammen. »Okay, ich verstehe schon, du willst mit mir reden. Könntest du bitte einen Moment Ruhe geben, damit ich mich konzentrieren kann?« Keine Ahnung, ob er mich hören kann, aber der Kopfschmerz lässt merklich nach, und ich atme auf. Offenbar kann er es. »Danke.«

Ich konzentriere mich und sorge dafür, dass die Abschirmung etwas weniger einer stahlverstärkten Betonwand gleicht. Con meinte, ich könnte sie so einstellen, dass ich meine Fähigkeiten zwar durch meinen geistigen Schutzwall nutzen kann, aber nichts von außen durchdringen kann. Das hat überhaupt keinen Sinn ergeben, als er es gesagt hat, doch ich habe gehofft, es würde sich mir dann schon irgendwie erschließen, genau wie der Rest seiner Erklärungen. Ich dachte immer, ich verstehe es nicht, und dann klick … hat alles funktioniert.

Und so ist es auch jetzt wieder … klick. Plötzlich habe ich es kapiert.

Meine Abschirmung verändert sich leicht, und dann falle ich fast vom Stuhl, als das Bild von … etwas vor meinen Augen erscheint. Ich bin froh, dass ich schon über Schemen Bescheid weiß, denn sonst hätte ich keine Ahnung, als was ich es bezeichnen soll. Für mich sieht es aus wie eine grob viereckige Gestalt etwa in meiner Größe, aber nicht aus fester Materie. Ganz im Gegenteil, es sieht so aus, als bestünde sie aus weißen Schwaden, zwischen denen kleine goldene Lichtpunkte schweben.

»Hi«, sage ich schwach. »Äh … kann ich dir helfen?« Mein Leben ist in letzter Zeit einfach total bizarr.

Die Lichter beschleunigen ihre Bewegungen. »Du kannst mich jetzt hören?«

Es spricht nicht wirklich, aber die Worte sind trotzdem ganz klar. Außerdem ist es Englisch, was gut ist, da ich keine anderen Sprachen spreche und dieser Tag schon frustrierend genug für uns beide gewesen ist.

»Das kann ich. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Ich habe nicht begriffen, dass du hier bist.«

Eine Pause entsteht und ich habe das Gefühl, dass der Schemen die Situation überdenkt. Vielleicht fragt er sich, ob ich schlau genug bin, ihm zu helfen.

»Keiner konnte mich hören«, sagt er schließlich. »Ich bin auf der Suche gewesen … und dann habe ich dich gefunden. Aber du konntest mich nicht hören.«

Ich brauche ein paar Sekunden, um seiner sprunghaften Ausdrucksweise zu folgen. »Das tut mir leid. Ich mache das nicht so oft.« Oder überhaupt jemals. »Jetzt höre ich zu.«

»Ich habe so lange gesucht. Ich fürchtete schon, nie jemanden zu finden. Wo sind sie nur alle?« Die Lichter werden schneller und ich bekomme den deutlichen Eindruck, dass er besorgt ist.

»Wo ist wer?« Meint er Leute, die ihn hören und mit ihm sprechen können? Mittler? »Ah, ich glaube, in Kalifornien gibt es ein paar.« Möglicherweise. Jedenfalls ist dort das amerikanische Hauptquartier des Kollektivs. Also müsste es doch auch Mittler dort geben, oder nicht?

Danach sollte ich wirklich mal Connor fragen.

»Kalifornien?«

Ach so. Wie soll man einem Schemen aus der Anderswelt das Konzept von Bundesstaaten verständlich machen? Oder weiß er durchaus, was Bundesstaaten sind, nur nicht, in welcher Richtung Kalifornien liegt?

Wenn ich so darüber nachdenke: In welcher Richtung liegt Kalifornien eigentlich? Im Westen, soviel weiß ich. Aber wo ist Westen? Wenn ich dem Schemen eine Wegbeschreibung geben müsste, wohin würde ich dann zeigen? Außerdem bin ich ziemlich sicher, dass er in Nordkalifornien landen würde, wenn er von hier aus losziehen würde … oder vielleicht in Oregon. Und laut Connor befindet sich das Gelände des Kollektivs außerhalb von San Diego.

Der Schemen unterbricht meine Überlegungen. »Kannst du mir helfen? Ich habe so lange gesucht. Meine Zeit ist begrenzt.«

Ich spüre meinen Mund trocken werden. Das klingt ja gar nicht gruselig und beunruhigend. »Äh, sicher. Na ja, vielleicht. Wie genau bist du denn hergekommen?« Er muss durch ein Portal gekommen sein, aber das nächste liegt auf Mannix Estate, wo ich arbeite, und da ist er keinesfalls durchgekommen, nicht seit wir Gabe haben, unseren begnadeten Wächter. Es ist seine Aufgabe, nichts durchzulassen.

Es sei denn, Gabe ist etwas passiert und das Portal ist wieder unbewacht.

»Wie bist du hergekommen?«, frage ich erneut, während Besorgnis in mir hochsteigt. Ist ein Dämon durch den Riss zwischen den Welten gekommen? Connor und Gabe zufolge ist das so gut wie unmöglich, aber kommt doch hin und wieder vor. Und wenn das der Fall ist, sind sie wahrscheinlich beide tot, genau wie alle anderen auf dem Anwesen, und es läuft ein Dämon frei herum.

Ich bin kurz davor, mich auf den Schemen zu stürzen und ihn anzuschreien, dass er mir antworten soll, aber da sagt er: »Durch das verborgene Portal«, und ich schließe meinen Mund wieder. Also wenn er unter verborgen nicht etwas anderes versteht als ich, kann er damit nicht unseren zwischenweltlichen Durchgang meinen. Glaube ich.

Doch er könnte von dem unbekannten, noch nicht entdeckten Portal sprechen, nach dem Connor die ganze Zeit sucht. Das Portal, durch das vor fünfzig Jahren ein Dämon eingedrungen ist, das scheinbar aber nie existiert hat. »Verborgen« ist ein sehr gutes Wort, um dieses Portal zu beschreiben.

»Wo ist es? Kannst du es mir zeigen?« Ich suche nach meinem Handy. Wenn ich dem Schemen eine Karte präsentiere, wird er dann in der Lage sein, mir zu zeigen, wo das Portal sich befindet?

Die Bewegung der Lichter verlangsamt sich etwas, und ich bekomme den Eindruck, dass er verwirrt ist. »Es ist nicht sicher«, sagt er, danach ist ein knackendes Geräusch zu hören und die Lichter beginnen, sich in kleine Funken aufzulösen. Ich bekomme Angst, aber es dauert einen Moment, bis ich feststelle, dass es nicht meine Angst ist, sondern die des Schemens.

Etwas stimmt nicht. »Sie haben mich gefunden. Seid gewarnt! Sie planen Gräueltaten.« Seine »Stimme« wird schwächer, brüchiger, die Lichter erlöschen und die Schwaden lösen sich langsam auf.

»Wer hat dich gefunden? Was für Gräueltaten?« Mist! Hätte ich ihn doch ausreden lassen!

»Seid gewarnt! Seid gewarnt…« Das Geräusch verklingt, und die Präsenz des Schemens wird immer schwächer, bis nichts mehr da ist.

Was zur Hölle ist gerade passiert?

Schaudernd – und nicht vor Kälte – sehe ich mich in meiner Wohnung um. Alles ist unverändert. Ich spüre keine anderen Schemen und ganz bestimmt nichts Böses. Nach der bisher einzigen Begegnung mit einem Dämon im vergangenen Jahr werde ich nie vergessen, wie sie sich anfühlen. Es ist keiner hier.

Es klingt aber so, als würden sie kommen.

KAPITEL 2

DANIEL

»Das werde ich ihm bestimmt nicht sagen!« Connor spricht ins Leere. Zumindest kann ich, ein ganz normaler Mensch, der Geister weder sehen noch sich mit ihnen unterhalten kann, niemanden wahrnehmen. In Wirklichkeit redet er mit Carter, einem der hier auf Mannix Estate lebenden Geister. Carter war im neunzehnten Jahrhundert der Verwalter dieser Farm, und er steckt immer noch gern seine Nase überall rein. Darum hat er Connor auch nach draußen aufs Feld gezerrt, um ihm Botschaften mitzugeben, die er mir ausrichten soll.

Ich bin verblüfft, dass Connor überhaupt gekommen ist. Er ist sonst nicht unbedingt der Gutmütigste … außer wenn es um Kieran geht, seinen festen Freund, der außerdem mein Chef ist. Und was er dem alles erlaubt, will ich lieber gar nicht wissen.

Er funkelt Carter böse an – oder die Stelle, an der ich Carter vermute – und da ich Kier nicht erklären müssen will, warum sein Freund, der großartige Dämonenjäger, einen stressbedingten Herzinfarkt bekommen hat, mische ich mich ein.

»Lass mich an dem Punkt unterbrechen.« Ich drehe mich zur scheinbar leeren Stelle, an der ich Carter vermute. »Nein. Ich habe heute Morgen Nein gesagt, als du deine gesamte Manifestierungsenergie darauf verschwendet hast, mich zu nerven, und dabei bleibt es auch. Und zwar auch in Zukunft. Wir werden keine modernen landwirtschaftlichen Methoden auf diesem Anwesen einsetzen. Wir sind schließlich eine historische Erlebniswelt.« Darum geht es doch bei den Vorführungen der historischen landwirtschaftlichen Methoden – wir zeigen das Althergebrachte. Niemand würde hierherkommen und mir bei Tätigkeiten zusehen, die auf jedem Familienbauernhof im ganzen Land stattfinden.

Connors Augen werden schmal, und er wendet sich langsam zu Carter um. »Mir hast du erzählt, du könntest nicht manifestieren, weil du so lange bei den Führungen im Museum ausgeholfen hast.«

Ich muss so lachen, dass ich befürchte, mir etwas zu zerren. »Ha, weit gefehlt! Kate und Kier haben schon vor Jahren alle Geister aus dem Museum verbannt.« Sie hatten wohl Streit mit einem Besucher angefangen. Ich war selbst nicht dabei, aber es war anscheinend ein echtes Erlebnis. »Sie dürfen tagsüber noch nicht mal in die Nähe des Museums kommen, geschweige denn bei Führungen für Gäste manifestieren.«

»Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt zu verschwinden«, rät Con Carter, wesentlich freundlicher, als ich es getan hätte. »Bevor ich noch …«

»Connor! Con!«

Wir drehen uns in Richtung der Stimme, aber ich weiß auch ohne hinzuschauen, wer es ist. Skye. Einer meiner besten Freunde und gelegentlich auch meine Nemesis. Er ist der netteste, süßeste Typ, den man sich vorstellen kann – bis man sich verletzt. Dann verwandelt er sich in eine Mischung aus Feldwebel und Wärter, der dir Hose und Schuhe klaut, damit du nicht nach den Teenagern schauen kannst, die deinen Job machen, bis du wieder gesund bist. Das ist tatsächlich passiert.

Aber jetzt sieht er nicht aus wie das militante kleine Einhorn, das sich auf die Zehenspitzen gestellt und mir mit drohend ausgestrecktem Finger befohlen hat, mich auszuruhen, denn sonst setzt es was. Er sieht auch nicht aus wie der fröhliche, lebhafte Typ, der normalerweise mit freundlichem Lächeln und einem Rückgrat aus Stahl die Rezeption managt.

Er sieht aus, als ob etwas nicht in Ordnung ist.

»Hat Skye nicht heute seinen freien Tag?«, fragt Connor, und wir gehen ihm entgegen.

»Japp.«

Connors Handy klingelt, während Skye den Hügel hinunter auf uns zugerast kommt.

»Es ist Kieran«, sagt er, dann nimmt er den Anruf an. »Alles okay bei dir?«

Wir ducken uns unter dem Zaun durch, und ich nehme mir vor, die Arbeitsgeräte später zu holen. Ich habe sie noch nie auf dem Feld zurückgelassen, aber Skye saust auch normalerweise nicht in heller Aufregung durch die Gegend.

»Ja, er rennt gerade auf uns zu«, sagt Connor. »Hat er dir nicht erzählt, was …? Okay. Sicher. Ich kümmere mich darum.« Er legt auf und sagt: »Er ist einfach aufgetaucht, hat gefragt, wo ich bin, und ist dann losgerannt.«

Ach Mist. So sehr ich Connor auch mag – wenn jemand an seinem freien Tag hierherkommt und dringend den hier ansässigen Dämonenjäger sprechen will, kann das keinen guten Grund haben. Ich hoffe nur, Skye ist nicht wieder von einem Schemen besessen.

Aus dem Augenwinkel schaue ich zu der Stelle, an der ich Carter vermute. Bevor ich meinen Job hier angetreten habe, war ich überzeugt, dass Schemen das Gleiche sind wie Geister. Aber da hatte ich gehörig falschgelegen. Connor und Gabe erklären das so: Geister sind die Seelen und Erinnerungen Verstorbener, die noch nicht zur Reinkarnation bereit sind. Schemen sind ganz und gar nicht menschlich und kommen aus einer anderen Dimension, die an unsere angrenzt – der Anderswelt. Dort leben sie mit Dämonen und anderen Kreaturen, über die ich am liebsten gar nicht so viel wissen will. Gelegentlich gelangen sie durch ein Portal in unsere Welt, und dann wird es … interessant.

Skye schlittert durch den frischen Matsch, der nach dem gestrigen Regen zurückgeblieben ist – seine weißen Converse werden nie wieder sein wie vorher. Dann kommt er vor uns zum Stehen. Wie immer ist es ein Schock, ihn in Freizeitkleidung zu sehen – so sehr bin ich an seine Mannix-Estate-Uniform gewöhnt. Er beschreibt sie als eine Mischung aus verschiedenen Kleidungsstilen aus dem 19. Jahrhundert. Für mich sieht er immer so aus, als wäre er gerade einem Kostümfilm entstiegen. Abgesehen von seinen Haaren. Damals hatte niemand welche in pastelligen Regenbogenfarben.

Die besagten Haare stehen jetzt in alle Richtungen ab, anstatt wie sonst als glatter Vorhang herabzuhängen.

Das gefällt mir ganz und gar nicht, und ich schaue mich um, um nachzusehen, ob er verfolgt wird. Ich kann niemanden erkennen, aber das Eingangstor ist von hier nicht zu sehen … und außerdem sind heute Gäste auf dem Gelände.

»Con«, japst er, während er vornübergebeugt nach Luft schnappt. Sobald ich sicher bin, dass es ihm gut geht, schlage ich ihm vor, dass er ab und zu mit zum Joggen kommt, um etwas fitter zu werden. Ein Sprint vom Haus den Hügel herunter sollte ihn nicht so fertigmachen.

»Was ist los?«, fragt Connor, während ich Skye genau mustere. Seine Augen haben die gleiche Farbe wie sonst auch. Sie haben bisher nur einmal die Farbe gewechselt, und zwar als dieser Körperspringer von ihm Besitz ergriffen hatte. Sieht also nicht so aus, als wäre das der Fall.

»Schemen«, keucht er, und mehr muss ich nicht wissen.

»Komm mit ins Haus und leg dich hin«, befehle ich und packe ihn am Arm. Wie immer, wenn ich ihn berühre, spüre ich ein Kribbeln in den Fingern. »Warum rennst du denn so? Du weißt doch, dass Aufregung sie …«

Er schüttelt mich ab und stampft zornig mit dem Fuß.

»Er ist nicht besessen«, sagt Connor, der sich ein Lächeln zu verkneifen versucht. Keine Ahnung, was daran so witzig sein soll. »Skye, bitte atme einmal tief durch und erzähle, was passiert ist, bevor Daniel sich noch in die Hose macht.«

»Ich werde mir nicht in die Hose machen!« Obwohl ich mich erinnern kann, einen Artikel über die Vorzüge menschlicher Fäkalien als Dünger gelesen zu haben. Aber direkt aufs Feld würde ich das natürlich nicht machen. Das ist einfach nur eklig.

»Ich hatte Besuch von einem Schemen«, presst Skye schließlich hervor, während er ein paar Mal tief durchatmet und sich dann aufrichtet. »Er hatte schon den ganzen Tag versucht, mit mir zu reden, aber ich hatte meine Abschirmung auf voller Stärke und dachte, ich hätte nur Kopfschmerzen.«

»Okay«, sagt Connor. »Darüber sprechen wir später, denn ich schätze, du bist nicht aus diesem Grund in so einem Affenzahn hierhergerast. Warum hast du eigentlich nicht einfach angerufen? Anstatt herzufahren.«

Skye hält blinzelnd inne. »Daran habe ich gar nicht gedacht. Wahrscheinlich, weil ich einen Riesenschreck bekommen habe.«

Ich klopfe ihm auf die Schulter. »Du bist hier sicher.« Ich habe immer noch keine Ahnung, was los ist, aber er ist hier auf jeden Fall in Sicherheit. Dafür werde ich sorgen. Ich meine … wir alle werden dafür sorgen.

Er atmet zittrig durch und lehnt sich in meine Berührung. »Ich war so ein Vollpfosten«, gesteht er dann. »Ich habe ihn immer wieder unterbrochen, und dann hat er sich aufgelöst und hatte keine Gelegenheit mehr, mir etwas mitzuteilen.«

»Er hat sich aufgelöst?«, fragt Connor scharf. Besonders sanft und kuschelig ist er ja nie, aber ich habe ihn nur so angespannt erlebt, wenn es wirklich ans Eingemachte geht. »Also noch mal von vorne. Erzähl mir alles.«

Und so stehen wir am Südfeld rum, während Skye durch eine Geschichte voller Kopfschmerzen, Gesumme und flackernder Lichter stolpert … oder so. Ich muss gestehen, dass ich ein wenig den Faden verliere, aber Connor versteht offenbar alle Einzelheiten. Ich bin eher damit beschäftigt, wie wir Skye beschützen können, wenn es ein Problem geben sollte. Ob er vorübergehend hierher ins Notzimmer ziehen sollte? Connor wohnt jetzt mit Kieran in der Stadt, doch Gabe ist hier, und mir wurde versichert, dass er sich genauso gut mit Dämonen auskennt wie Con. Außerdem sind die Geister ein hervorragendes Frühwarnsystem.

Ach Mist … die Geister. Ich schaue wild um mich, aber ich kann natürlich nicht sehen, ob Carter noch hier ist. Gut möglich, dass er jedes Detail mitzubekommen versucht, um dann loszuziehen und zu tratschen; vielleicht hat er auch schon alles weitererzählt. Falls ja, kann es nicht mehr lange dauern, bis sie alle hier auftauchen.

Ich warte.

Okay, wahrscheinlich ist er noch hier.

Skye hat seine Geschichte zu Ende erzählt, und ich konzentriere mich wieder auf die beiden. Connors Miene ist besorgt.

»Bist du sicher? Er hat gesagt, er ist durch das verborgene Portal gekommen?«

»Ja«, antwortet Skye entschieden.

»Scheiße. Scheiße! Du warst so kurz davor, herauszufinden, wo es ist.« An Connors Wange zuckt ein Muskel. Er sucht jetzt schon seit fast einem Jahr dieses Portal.

»Tut mir leid …«, setzt Syke an, aber Con schüttelt den Kopf.

»Nicht deine Schuld. Du hast nichts falsch gemacht. Es ist nur …« Er schüttelt wieder den Kopf. »Wir müssen mit Gabe reden und möglicherweise auch mit dem Kollektiv. Falls du heute Abend etwas vorhast, sag es ab.«

»…bitte«, füge ich hinzu. Connor ist ein guter Freund, aber er ist auch ein Stinkstiefel, wie der Blick, den er mir gerade zuwirft, eindeutig beweist. Den ignoriere ich und frage: »Was hat das zu bedeuten?«

»Ich weiß es nicht«, gibt Con abwesend zu. »Doch eine Warnung aus der Anderswelt müssen wir auf jeden Fall ernst nehmen.«

»Ist Carter noch hier?«

Sofort wird Connors Blick wieder scharf, und sein Kopf fährt herum. »Du kommst gar nicht erst auf die Idee, loszuziehen und rumzuerzählen, was du hier gehört hast«, ordnet er an. Carter antwortet offenbar etwas – vermutlich quengelt er rum – denn Con erwidert mit zusammengekniffenen Augen: »Mir völlig wurst. Du hältst den Mund, oder ich bringe dich mit Gewalt ins Jenseits, so wahr ich hier stehe.«

Ich wünschte, so etwas könnte ich ebenfalls androhen. Normalerweise sage ich einfach »Exorzist«. Doch wenn ich selbst solche Kräfte hätte, würde das der Drohung mehr Gewicht verleihen. Ich würde das auf keinen Fall wirklich machen – ich liebe unsere Geister, auch wenn sie mich zur Weißglut treiben –, aber manchmal müssen sie daran erinnert werden, dass es nicht in Ordnung ist, unaufgefordert in meinem Schlafzimmer zu erscheinen, um mir Avancen zu machen oder mich beim Schlafen oder anderen Dingen zu beobachten. Ewan und ich sind ziemlich sicher, dass uns jemand beim Duschen zuschaut, wir wissen allerdings nicht, wer.

Nein, ich bin nicht prinzipiell gegen Zuschauer beim Duschen, aber ich würde wenigstens gern gefragt werden.

»Lass uns schauen, wo Gabe ist«, sagt Connor zu Skye. »Und … ach Mist. Ich muss noch Kieran zurückrufen.« Er hebt das Handy und starrt es missmutig an. »Er wird ausflippen.«

»Japp«, bestätigt Skye.

Ich zucke die Achseln. »Vielleicht auch nicht. Hier auf dem Anwesen ist ja nichts passiert.« Kieran wird sich Sorgen um Skye machen, aber er muss doch wissen, dass er nicht für den Mist verantwortlich ist, der nicht bei der Arbeit geschieht. Oder?

Beide schauen mich an, als hätte ich etwas Albernes gesagt, und ich hebe die Hände. »Also gut. Er wird ausflippen.« Ich sehe Skye mit hochgezogener Augenbraue an. »Bleibst du über Nacht hier?«

Er runzelt die Stirn. »Was? Nein. Wieso sollte ich?«

Connor lächelt stolz, und ich widerstehe der Versuchung, ihm in den Magen zu boxen. »Wirklich? Du willst alleine zurück nach Hause, nachdem dich ein Schemen aus der Anderswelt vor einer Gefahr gewarnt hat und danach vor deinen Augen zerrissen wurde?« Ich fühle mich ein bisschen schlecht, weil ich es so drastisch formuliere und Skye damit möglicherweise Angst mache, allerdings geht es mir ja um seine Sicherheit.

Skye wendet sich zweifelnd an Connor. »Aber bei der Warnung ging es ja nicht darum, dass ich selbst in Gefahr gerate. Glaubst du, ich bin in Gefahr?«

Con öffnet den Mund, und ich fange seinen Blick auf. Was er als Nächstes sagt, sollte besser dazu führen, dass Skye so sicher wie möglich ist. Oder … ich besitze viele Schaufeln und habe keine Angst davor, mir die Hände schmutzig zu machen.

Er schließt den Mund wieder, denkt offensichtlich nach und sagt dann: »Darüber zerbrechen wir uns später den Kopf. Erst müssen wir herausbekommen, was überhaupt los ist.«

Ich nicke zufrieden. Perfekt ist es nicht, aber vorläufig sollte es reichen. »Ich kann nach oben gehen und mit Kieran sprechen«, biete ich an. »Ich habe heute keine Vorführungen mehr, und alles andere kann warten.« Ganz davon zu schweigen, dass mir das Gelegenheit geben wird, meinen Boss von meiner Sicht der Dinge zu überzeugen.

»Das würdest du tun?« Connor klingt misstrauisch, und ich schenke ihm mein breitestes, fröhlichstes Lächeln.

»Also gut«, sagt Skye ungehalten. »Wenn du mich verarschst, werde ich es dir dreifach heimzahlen.«

»Dreifach heimzahlen?«, wiederhole ich. »Ernsthaft?«

Er hebt die Nase und packt Connor am Arm. »Komm schon, lass uns zu Gabe gehen.«

Ich sehe den beiden schmunzelnd nach.

KAPITEL 3

SKYE

Gabe starrt mich an, als ich die ganze Geschichte noch mal erzähle – dieses Mal etwas ruhiger. Dann steht er auf und geht zur Küchenzeile seines kleinen Häuschens.

»Möchte jemand Kaffee?«, fragt er, öffnet den Schrank über der Kaffeemaschine und nimmt … eine halbe Flasche Whiskey heraus. Ich schaue Connor an, den das nicht besonders zu wundern scheint.

»Das sieht aber nicht nach Kaffee aus«, sage ich vorsichtig.

»Es ist Aroma. Wie diese schicken Sirups, die Baristas verwenden.« Er schaltet die Maschine ein und nimmt Tassen aus dem Schrank, während ich mich frage, ob der Mann, der unsere Front gegen die Dämonen der Anderswelt bildet, Alkoholiker ist. Man sieht mir diese Gedanken anscheinend an, denn er lacht. »Entspann dich. Das hier ist meine Notration für brenzlige Situationen. Ich habe die Flasche nach meinem Umzug hierher noch nicht aufgemacht.«

Puh. Ich mache ein zerknirschtes Gesicht. »Tut mir leid, ich dachte nur … Moment mal, brenzlig?« Na klasse. Dass nicht alles super ist, wusste ich ja … darum bin ich auch Hals über Kopf hierhergekommen, aber ich hätte nicht gedacht, dass wir schon bei brenzlig angekommen sind.

Die beiden sehen mich fassungslos an. »Skye«, sagt Connor langsam, »was glaubst du denn, wie oft Schemen sich durch für uns nicht auffindbare Portale stehlen, um uns zu warnen, und dann von jemandem vernichtet werden, der sie daran hindern will?«

Tja, wenn er es so ausdrückt … »Vielleicht einmal pro Jahr?« In meiner Stimme schwingt eine leise Hoffnung mit. Einmal pro Jahr wäre gut. Das würde bedeuten, dass es einen Ablauf gibt, eine Verfahrensweise, einen verdammten Plan, um mit so etwas umzugehen. Und dass nicht improvisiert werden muss.

Sie schütteln gleichzeitig den Kopf.

»Her mit der Flasche.« Ich strecke die Hand aus.

Gabe lacht leise. »Nein. Die ist nicht zum Betrinken gedacht. Du bekommst einen Schuss in deinen Kaffee, um den Stress abzubauen, während wir die Sache angehen.«

»Ich habe schon Kaffee getrunken«, protestiere ich. Andererseits könnte ich noch mehr davon vertragen. Ich lebe von dem Zeug.

»Trink noch einen«, befiehlt Connor. »Das hier wird eine Weile dauern, und du bist der einzige Mittler, den wir haben.«

Ich halte in der Bewegung inne, als ich die Tasse von Gabe entgegennehme. »Wieso ist das wichtig?«

Con zuckt die Achseln. »Gabe und ich können Schemen weder sehen noch mit ihnen reden, und jemand muss versuchen, hier in der Gegend einen weiteren zu finden, sodass wir ihn befragen können.«

Und dieser Jemand bin dann wohl ich. Ich nehme die Tasse und trinke einen ordentlichen Schluck. Ich wünschte, das Verhältnis von Whisky und Kaffee wäre umgekehrt.

»Das wird schon«, versichert mir Gabe, doch so richtig überzeugt klingt er nicht. Er reicht Connor eine Tasse und nimmt auf dem Sessel Platz. »Lasst uns noch einmal rekapitulieren. Bist du sicher, dass er ›das verborgene Portal‹ gesagt hat?«

Ich bemühe mich sehr, geduldig zu sein. Aber ganz im Ernst – was sollte der Schemen denn sonst gesagt haben, das so klingt wie ›das verborgene Portal‹?

Obwohl …

»Möglicherweise hat er ›Pforte‹ gesagt hat und nicht ›Portal‹«, räume ich dann ein. »Aber ›verborgen‹ hat er auf jeden Fall gesagt, ich war nämlich erst mal ganz schön erleichtert, weil es nicht unseres sein konnte. Jetzt überlege ich allerdings, ob er gemeint haben könnte, dass es von Gabe bewacht wird? Deswegen hatte ich gerade begonnen, mir Sorgen zu machen – tja, und dann hat er sich auch schon aufgelöst.« Ich runzele die Stirn. »Obwohl er sich nicht wirklich aufgelöst hat. Das klingt eher nach einer Flüssigkeit, nicht? Er ist eher … geschmolzen, doch das trifft es auch nicht ganz.«

»Das können wir später noch besprechen«, unterbricht Gabe. »Für die anderen Mittler wird es sicher wichtig sein, aber für mich und Con spielt es keine Rolle.«

Das lasse ich auf mich wirken. Mir gefällt nicht wirklich, dass ich offenbar der Experte in dieser Angelegenheit sein soll, da ich über die Sache so gar nicht Bescheid weiß. Dann fällt mir etwas ein. »Hey, ihr habt doch gesagt, dass ihr Schemen nicht sehen oder mit ihnen sprechen könnt. Doch als der Körperspringer von mir Besitz ergriffen hatte, hast du ihn sehr wohl gesehen und mit ihm gesprochen.« Ich betrachte Connor mit zusammengekniffenen Augen. Ich helfe ja gern in bedrohlichen Situationen, aber ich lasse mich nur ungern manipulieren.

Er schüttelt den Kopf. »Das lag daran, weil er von dir Besitz ergriffen hatte. Außerhalb deines Körpers wäre ich zwar in der Lage gewesen, seine Anwesenheit zu spüren und ihn möglicherweise auch zu identifizieren, aber mehr auch nicht.« Er zögert. »Ich wollte es dir damals nicht sagen, doch in der Hinsicht war es ein Glück, dass der Körperspringer Besitz von dir ergriffen hatte.«

Ich verdrehe die Augen. »Wenn es nicht passiert wäre, wäre ich eventuell durch mein ganzes Leben gegangen, ohne je herauszufinden, dass ich ein Mittler bin. Und wir hätten dich nicht angerufen und das Portal wäre immer noch unbewacht. Ja, ja.«

»Nein. Also, ja. Das ist schon richtig. Ich meine eher, Josh und die Geister wären auch nicht in der Lage gewesen, mit ihm zu kommunizieren. Sie hätten ihn ebenfalls nur gespürt.«

Ach du Schande. »Sie wären also über das Anwesen gelaufen und hätten nach ihm gesucht, ohne ihn je zu finden, in dem Wissen, dass er irgendwo sein muss?«

»Japp.«

»Der Stress hätte Kieran umgebracht«, fügt Gabe hinzu. Ich pruste.

»Was Kieran betrifft – egal wie ruhig Daniel ihm alles verklickert hat und wie sehr er es verharmlost hat – die Spannung wird ihn panisch machen, und früher oder später kommt er hier runter. Daher sollten wir etwas zu erzählen haben, wenn er hier erscheint.« Connor sieht Gabe an. »Er kann also unmöglich durch unser Portal gekommen sein?«

Gabe schüttelt den Kopf. »Nee. Hier hat sich seit meiner Ankunft nichts getan. Es wäre auch gar nicht möglich gewesen. Ein heraufbeschworener Dämon könnte vielleicht durch ein bewachtes Portal gelangen, aber ich habe so was noch nie von einem Schemen gehört.«

»Okay. Er ist also durch das ›verborgene Portal‹ gegangen und hat jemanden gesucht, den er warnen konnte. So weit richtig?«, fragt Connor mit hochgezogenen Brauen. Ich nicke.

»Er hat stark betont, wie lange er schon gesucht und niemanden gefunden hat. Und dann habe ich mich von der Geschichte mit Kalifornien ablenken lassen.«

»Und er hat nicht genauer gesagt, wie lange er schon sucht?«, fragt Gabe nach. »Dieses Portal, das wir suchen, liegt irgendwo hier im Umkreis von fünfzig Meilen. Wenn er nicht in die entgegengesetzte Richtung gegangen ist, hätte er …« Er bricht ab und verzieht das Gesicht. »Ich wollte sagen, er hätte dich spüren müssen, aber da bin ich mir nicht ganz sicher. Es kommt darauf an, was es für ein Schemen war.«

Plötzlich wünschte ich, ich hätte doch bei einem anderen Mittler in San Diego einen Wochenend-Crashkurs über Schemen gemacht. Connor versucht zwar, mir Unterricht zu geben, wenn er Zeit hat, aber nachdem ich meine Abschirmung im Griff hatte, hat es mich nicht mehr so interessiert … und das ist auch gar nicht sein Fachgebiet.

»Wie können wir ihn identifizieren? Ich könnte versuchen, ihn zu zeichnen.«

»Kannst du gut zeichnen?«, fragt Gabe erfreut.

»Ich meine, ich bin kein Künstler, aber man kann schon erkennen, was ich gezeichnet habe.« Manchmal.

Sie wechseln einen Blick. »Das behalten wir mal im Hinterkopf. Beschreibe ihn uns noch mal.«

Gabe steht auf und holt seinen Laptop vom Tisch an der Wand.

Ich rufe mir den Schemen in Erinnerung. »Er war etwa so groß wie ich, hatte jedoch keine humanoide Form. Ich konnte durch ihn hindurchsehen – er bestand aus … so etwas wie Wolkenschwaden. Sie waren ständig in Bewegung, wie Dampf oder Rauch. Aber er hatte eine grob rechteckige Form. Es sind keine Teilchen weggeschwebt oder so. Und in all diese Schwaden waren winzige goldene Lichter gemischt.« Ich zucke die Achseln. »Das war’s so ziemlich. Er hat mit mir gesprochen, doch ich konnte keinen Mund erkennen. Und es war alles in unserer Sprache. Ist das normal?«

Gabe tippt, daher antwortet Connor mir: »Das war nicht unsere Sprache. Also nicht wirklich. Er hat telepathisch mit dir kommuniziert, und dein Gehirn hat es in unsere Sprache übertragen. Eine weitere Fähigkeit, die nur Mittler haben.«

Schlagartig bin ich wieder besorgt. »Er war in meinem Kopf? Aber ich habe doch meine Abschirmung aufrechterhalten!« Oder etwa nicht? Ich hatte sie gelockert, damit ich mit ihm kommunizieren konnte, aber ich hatte sie nicht komplett aufgelöst.

»Nicht in deinem Kopf«, verbessert Connor. »Ich weiß auch nicht ganz genau, wie es funktioniert. Vor einigen Hundert Jahren wurde mal dazu geforscht und die Mittler haben einen Bericht verfasst. Es ist eher wie … Klangwellen, die nur Mittler hören können. Nur eben keine Klänge. Es sind Schemenwellen.«

Gabe hört auf zu tippen und blickt auf. »Schemenwellen?«, fragt er ungläubig. Connor zuckt die Achseln. »Wie würdest du es denn nennen?«

»Wenn ich es recht in Erinnerung habe, kam in dem Bericht ein Name vor!«

Ich blicke zwischen den beiden Streithähnen hin und her.

»Kannst du dich vielleicht erinnern? Nein? Siehst du, ich auch nicht. Also nenne ich sie erst mal Schemenwellen.«

Gabe sieht mich kopfschüttelnd an. »Ich besorge dir eine Kopie des Berichts.«

»Äh, danke.« Gestern hätte ich noch geantwortet, dass er sich die Mühe sparen soll, doch jetzt will ich alles wissen.

Immer noch den Kopf schüttelnd tippt er weiter, dann drückt er eine Taste und dreht den Laptop zu mir. »Sah er so aus?«

Ich mustere die Abbildung auf dem Monitor. Es ist eine Zeichnung, aber wesentlich besser als alles, was ich zustande bekommen hätte, und ja, es sieht tatsächlich fast genauso aus wie der Schemen, der mir heute begegnet ist.

»Ja, das ist er. Was ist das für einer?«

Gabe dreht mit ernster Miene den Computer wieder zu sich um, um den Text lesen zu können. »Es ist ein Adjut.«

»Von denen habe ich noch nie gehört«, sagt Connor mit gerunzelter Stirn.

»Das liegt daran, dass sie selten zur Erde kommen – oder selten Kontakt aufnehmen, wenn sie es tun. Es sind Schemen mit höherer Intelligenz, und demzufolge, was hier steht, ist nur wenig über sie bekannt.« Er atmet tief durch. »Und sie arbeiten wohl meist mit Hohen Dämonen zusammen.«

Connor überläuft ein heftiger Schauer, und ich lasse wieder den Blick zwischen den beiden hin und her wandern … aber belustigt bin ich jetzt nicht mehr. »Was bedeutet das?«

Plötzlich fliegt die Tür auf, und ich springe mit einem Schrei vom Sofa auf und schleudere meine Tasse in Richtung Tür. Kaffee – und Whiskey, verdammt! – schwappen in hohem Bogen durch die Luft, und Kieran duckt sich erschrocken weg. Mit einem dumpfen Aufprall knallt die Tasse an die Tür und fällt dann sauber in zwei Hälften zerbrochen zu Boden.

Noch bevor ich begriffen habe, was gerade passiert ist, erklingt draußen ein Schrei, und Daniel poltert mit erhobenen Fäusten herein und stößt Kieran beiseite. Er sieht sich mit wildem Blick um, dreht sich um die eigene Achse und fragt: »Wo ist es?«

»Wo ist was?«, frage ich verständnislos. Connor grinst, und Gabe betrachtet die Schweinerei, die ich in seinem Häuschen angerichtet habe.

»Der Grund für deinen Schrei.« Dan blickt sich wieder suchend im ganzen Raum um, dann lässt er die Fäuste sinken.

Ich zeige auf Kieran, der sich die Schulter reibt. Wahrscheinlich tut sie weh, weil er gegen die Wand geprallt ist. »Er hat mich erschreckt.«

Dafür ernte ich einen angewiderten Blick von Daniel. »Echt jetzt? Du schreist Zeter und Mordio, wenn du Kieran siehst?«

Mir fällt die Kinnlade herunter. »Erstens habe ich nicht Zeter und Mordio geschrien. Es war ein Geräusch der leichten Erschrockenheit. Und es war nicht, weil ich Kieran gesehen habe. Wie gemein, so etwas zu sagen. Es lag daran, dass Kieran in eine sehr angespannte Unterhaltung geplatzt ist.«

Daniel verdreht die Augen. »Wie auch immer. Ich wette, das hier war deine Tasse?« Er bückt sich, um die Stücke aufzuheben, was mir einen Augenblick Zeit gibt, tief durchzuatmen und mich zu beruhigen. Warum muss er nur so gut aussehend und dominant sein? Ich meine, er hört mich schreien, denkt, es ist ein Dämon oder so, und kommt sofort zu meiner Rettung … mit bloßen Fäusten. Er ist der zum Leben erwachte Märchenprinz.

Dann fällt mein Blick auf seine verdreckten Stiefel.

Tja … eher der Bauer aus dem Märchen. Und ganz ehrlich, das ist mir sogar lieber. Schöne Prinzen sind in der echten Welt doch relativ überflüssig, und ich wüsste sowieso nicht, worüber man mit ihnen reden sollte.

Nicht, dass ich allzu viel über Landwirtschaft weiß. Aber Dan und ich haben trotzdem immer reichlich Gesprächsstoff.

»Skye?«

Ich reiße den Blick von seiner langen, kräftigen Gestalt los und schaue in sein albernes, gut aussehendes Grinsegesicht.

»Deine Tasse?«

»Und wenn schon?«, poltere ich. »Man muss sich ja wohl zur Wehr setzen.«

»Gegen Kieran?«

»Das ist ja alles ganz lustig«, unterbricht Kieran und tritt einen Schritt vor. »Aber ich bin nicht hier, um euch beim Zanken zuzuhören.«

»Warum hast du ihn dann mitgebracht?«, erwidere ich, weil ich es mir nicht verkneifen kann. Der trockene Blick, den Kieran mir zuwirft, lässt mich erröten. Verdammt noch mal, weshalb bin ich in Daniels Gegenwart immer so durcheinander?

Schon gut. Ich kenne die Antwort ja.

KAPITEL 4

DANIEL

Skye wirft mir einen grantigen kleinen Blick zu, und ich verkneife mir das Lächeln. Es macht solchen Spaß, ihn aufzuziehen. Wobei …

»Also in Zukunft«, setze ich an, während ich eintrete und die Tür hinter mir schließe, »solltest du sofort losrennen, nachdem du einen Angreifer mit einer Tasse beworfen hast. Du hättest schon halb aus der Hintertür sein müssen, als ich reingekommen bin.«

Kieran seufzt. »Daniel …«

»Hier gibt’s keine Hintertür«, sagt Skye gereizt.