Spuk und Schmied - Louisa Masters - E-Book

Spuk und Schmied E-Book

Louisa Masters

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Beschreibung

Die Geister sind da, seit ich denken kann. Ich habe zeit meines Lebens tote Menschen gesehen und mit ihnen sprechen können, aber so getan, als könnte ich es nicht, weil die Lebenden das einfach nicht verstehen. Und keiner will sich mit dem Freak abgeben, der behauptet, er könne Geister sehen. Bis ich nach Mannix Estate kam. Ursprünglich war es ein privater Landsitz, dann ein Luxushotel, das nach einem verdächtigen Vorfall geschlossen werden musste – und heute bietet es historischen Erlebnistourismus. Hier spukt es, was das Zeug hält, und das weiß auch jeder. Endlich habe ich einen Arbeitsplatz, an dem ich leben und nützlich sein kann. An dem ich tatsächlich erwünscht bin. Es gibt nur zwei Probleme: Ich habe eine heiße Nacht mit Ewan, dem Schmied, verbracht, bevor mir klar war, dass wir Kollegen sein würden. Dass man mit Arbeitskollegen nichts anfangen sollte, ist allgemein bekannt, oder? Auch wenn er der muskulöseste Softie der Welt ist. Und die Geister verschweigen etwas. Hier geht etwas vor sich, das nicht ganz normal ist, selbst für ein Spukhaus. Ich habe den Verdacht, dass meine Probleme bald rapide zunehmen werden …

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LOUISA MASTERS

SPUK UND SCHMIED

GEISTER INKLUSIVE 1

Aus dem Englischen von Johanna Hofer von Lobenstein

Über das Buch

Die Geister sind da, seit ich denken kann. Ich habe zeit meines Lebens tote Menschen gesehen und mit ihnen sprechen können, aber so getan, als könnte ich es nicht, weil die Lebenden das einfach nicht verstehen. Und keiner will sich mit dem Freak abgeben, der behauptet, er könne Geister sehen.

Bis ich nach Mannix Estate kam.

Ursprünglich war es ein privater Landsitz, dann ein Luxushotel, das nach einem verdächtigen Vorfall geschlossen werden musste – und heute bietet es historischen Erlebnistourismus. Hier spukt es, was das Zeug hält, und das weiß auch jeder. Endlich habe ich einen Arbeitsplatz, an dem ich leben und nützlich sein kann. An dem ich tatsächlich erwünscht bin.

Es gibt nur zwei Probleme: Ich habe eine heiße Nacht mit Ewan, dem Schmied, verbracht, bevor mir klar war, dass wir Kollegen sein würden. Dass man mit Arbeitskollegen nichts anfangen sollte, ist allgemein bekannt, oder? Auch wenn er der muskulöseste Softie der Welt ist.

Und die Geister verschweigen etwas. Hier geht etwas vor sich, das nicht ganz normal ist, selbst für ein Spukhaus. Ich habe den Verdacht, dass meine Probleme bald rapide zunehmen werden …

Über die Autorin

Louisa Masters hat früher mit dem Lesen von Liebesromanen angefangen, als nach Meinung ihrer Mutter gut für sie war. Während sich andere Teenager nachts aus dem Haus schlichen, schmuggelte Louisa tagsüber Liebesromane hinein. Als Erwachsene wollte sie erst einmal einen »vernünftigen« Beruf ergreifen und hat als Buchverkäuferin, im Personalwesen, im Ressourcenmanagement, in der Verwaltung und als Reisekauffrau gearbeitet. Inzwischen hat sie ihre Leidenschaft, das Lesen und Schreiben von Unterhaltungsromanen, zu ihrem Beruf gemacht.

Louisa führt eine lange Liste von Orten, die sie in Büchern entdeckt hat und gerne einmal besuchen möchte. Sie reist gern, um ihre Vorstellungskraft zu beflügeln, auch wenn sie sich niemals an den Jetlag gewöhnen wird. Ihr Zuhause ist Melbourne, und obwohl sie häufig über das australische Wetter jammert, ist sie insgeheim sicher, dass sie vermutlich niemals dort wegziehen wird.

Die englische Ausgabe erschien 2022 unter dem Titel »Spirited Situation« bei World of Words.

 

Deutsche Erstausgabe November 2023

 

© der Originalausgabe 2022: Louisa Masters

© Verlagsrechte für die deutschsprachige Ausgabe 2023:

Second Chances Verlag, Inh. Jeannette Bauroth,

Hammergasse 7–9, 98587 Steinbach-Hallenberg

 

Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

Umschlaggestaltung: Frauke Spanuth, Croco Designs

unter Verwendung von Motiven von nattapon, Uladzimir, eshana_blue, melnikofd und ana

 

Lektorat: Annika Bührmann

Korrektorat: Isabel Wieja

Schlussredaktion: Daniela Dreuth

Satz & Layout: Second Chances Verlag

 

ISBN: 978-3-98906-016-6

 

www.second-chances-verlag.de

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Über die Autorin

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Epilog

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KAPITEL 1

EWAN

Ich stütze die Ellbogen auf den Tresen und ignoriere die klebrige Oberfläche. Gerade sonne ich mich in dem Wissen, dass ich morgen nicht um fünf Uhr früh raus muss. Ich liebe meinen Job und alles, was er mit sich bringt, aber manchmal ist ein freier Abend – und, was noch wichtiger ist, der freie Vormittag danach, genau das Richtige. Anstatt früh ins Bett zu gehen, gibt es für mich einen Burger, ein paar Drinks und hoffentlich nette Gesellschaft für einen Abend. Aufgrund meiner komplizierten Wohnsituation ist mein letzter Höhepunkt, der nichts mit meiner Hand und Internetpornografie zu tun hatte, schon eine Weile her; ich hätte wirklich mal wieder Lust auf Sex mit einem Partner.

Diese Kleinstadt bietet für unverbindlichen Sex nicht allzu viel Auswahl, aber ich wollte nicht extra nach Chicago reinfahren, denn dann würde ich morgen doch wieder früh aufstehen müssen, um rechtzeitig zurück zu sein. Insofern muss ich einfach das Beste hoffen.

Das ist ein Grund, warum ich hier bin, in Rusty’s Bar. Es ist eine ziemliche Absteige, aber die Drinks sind gut und das Essen super. Da ich nicht mit meiner Grandma zu Abend esse, ist es wurst, ob der Fußboden klebt und das Vinyl der Barhocker eingerissen ist. Dass die Motorradjungs am Billardtisch so laut sind, weshalb ich kaum einen klaren Gedanken fassen kann, auch. Der Mann hinter dem Tresen bringt mir sofort ein Bier, der Burger kommt zehn Minuten später, und der Spiegel hinter der Bar ist vielleicht angelaufen, aber gut genug, um einen Blick auf die anderen Gäste zu werfen. Besser gesagt, das wird er sein, sobald ich aufgegessen habe.

Ich bin beim zweiten Bier und tunke den Ketchup mit meinen Pommes auf, als der Barkeeper mir ein Schnapsglas hinstellt. Scheint, als ob ich mich heute gar nicht groß bemühen muss.

»Von wem?«, frage ich mit hochgezogenen Augenbrauen. Bitte lass es einen Mann sein. Ich bin wirklich nicht in der Stimmung, einer total netten Frau zu verklickern, dass sie leider nicht mein Typ ist.

Der Barkeeper, der schon mit dem nächsten Gast beschäftigt ist, deutet nur mit einem Nicken zum anderen Ende des Tresens, und ich drehe mich um.

Es ist ein Mann. Und er trifft genau meinem Geschmack: schlank. Zerzauste, dunkle Haare. Große Augen. Er lächelt fragend, hebt sein Glas in meine Richtung, und ich proste ihm zu, bevor ich den Schnaps runterkippe. Als ich das leere Glas auf dem Tresen abstelle, sitzt er schon auf dem Hocker neben mir. Verwundert registriere ich, wie viel kleiner als ich er ist – zugegeben, die meisten Leute sind kleiner als ich, aber dieser Kerl ist höchstens eins siebzig oder eins dreiundsiebzig.

»Suchst du Gesellschaft?«, fragt er, immer noch mit vorsichtigem Lächeln.

»Japp. Du auch?«

»Ja. Bin aber nur über Nacht hier.«

Ich schiebe den wehmütigen Stich beiseite, den der Gedanke mir versetzt, dass das kein richtiges Kennenlernen ist, und stelle mich stattdessen auf die Möglichkeit einer Nacht voller Spaß ein.

»Mein Name ist Ewan«, sage ich, just als die Motorradjungs in fröhliches Johlen ausbrechen. Er schüttelt den Kopf.

»Nichts verstanden, aber egal!«, ruft er über das Getöse, obwohl mich etwas in seinem Gesichtsausdruck vermuten lässt, dass er cooler tut, als er ist. »Bist du so weit?«

Sehnsüchtig betrachte ich meine restlichen Pommes. Ich kann darauf verzichten, wenn ich dafür Sex bekomme, doch lieber wär’s mir, wenn ich es nicht müsste.

Zum Glück lacht er. »Iss ruhig auf. Noch einen Kurzen?«

»Na klar«, antworte ich fröhlich. »Möchtest du Pommes?«

Er antwortet nicht, sondern winkt dem Barkeeper mit einer Hand, während er mit der anderen ein paar Pommes nimmt. Ein Mann, der Multitasking beherrscht. Das mag ich. »Noch mal das Gleiche?«, fragt er mit einem Seitenblick. Ich nicke, und er sagt zur Bedienung: »Zwei, bitte.«

Der Barkeeper grunzt – er ist nicht für seinen Charme bekannt, aber Arissa, meine Kollegin, behauptet, er sei ein Meister der Margarita. Ein paar Sekunden später stehen zwei Schnäpse vor uns.

Mein neuer Freund stößt mit mir an, dann kippt er den Inhalt seines Glases weg. Ich folge seinem Beispiel und genieße die Wärme des Alkohols in meiner Brust. Als ich das Glas abstelle, ertappe ich ihn beim Blick auf meinen Bizeps.

Also spanne ich ihn an. Es ist nicht das erste Mal, dass jemand mein Aussehen attraktiv findet. Ich war immer schon kräftig, aber seit ich als Schmied arbeite, sind noch ein paar Muskeln dazugekommen … dementsprechend gut in Form bin ich, und vielen gefällt das.

Er atmet einmal tief durch, dann sieht er mir in die Augen und lacht leise. »Sorry. Du bist einfach … beeindruckend.«

Ich lächele geschmeichelt und nehme noch ein paar Pommes. »Schon okay. Wenn es mich stören würde, würde ich ein Sweatshirt anziehen.« Es ist kein Zufall, dass mein T-Shirt heute sehr gut sitzt. Ich wünsche mir zwar einen festen Freund, der gerne Zeit mit mir verbringt und mehr von mir will als meinen Körper, aber ich habe auch kein Problem damit, den besagten Körper dafür zu nutzen, vielversprechende Kandidaten zu treffen … oder auch nicht ganz so vielversprechende. Es spricht nichts dagegen, Zeit mit dem Mann der Stunde zu verbringen, während man nach dem Mann fürs Leben Ausschau hält. »Besuchst du jemanden hier, oder bist du nur auf der Durchreise?«

Er zuckt die Achseln. »Ich bin zu Besuch, könnte man sagen. Morgen früh habe ich einen Termin.« Er sagt nichts weiter dazu. Das Vinyl knarzt unter ihm, als er auf dem Hocker herumrutscht, und ich frage nicht weiter. Vielleicht will er keine persönlichen Dinge mit dem Fremden besprechen, den er gerade angebaggert hat. Das ist schon okay.

Zehn Minuten später sind wir auf dem Weg nach draußen. Rusty’s war früher am Stadtrand, doch der Ort ist in den letzten zehn Jahren ziemlich gewachsen, und jetzt liegt die Bar in der »Neubaugegend«, obwohl es sie seit über dreißig Jahren gibt. Das heißt, das Motel ist nur ein paar Blocks entfernt, und wir laufen darauf zu. Es ist ein schöner Abend, ein bisschen kühl, aber nicht ungewöhnlich für den Frühling. Der leichte Wind fühlt sich erfrischend an.

Wir laufen am Supermarkt vorbei, und mein Begleiter hält inne. »Müssen wir was besorgen? Ich bin auf PrEP.«

Das bin ich auch. »Nur wenn du kein Gleitgel hast.« Ich habe zwar ein paar Tütchen in der Brieftasche, aber bisschen mehr hat noch nie geschadet.

Er lächelt schief und läuft wieder los. »Also bitte. Ich wusste nicht, ob ich alleine auf meinem Zimmer mit einem schlechten Fernsehprogramm festhängen würde. Natürlich hab’ ich Gleitgel.«

Ein Kerl, der vorausplant. Ein Pluspunkt.

Ich folge ihm auf sein Zimmer und lasse die Tür hinter mir zufallen. Der einzige Hinweis auf seine Anwesenheit ist die Reisetasche, die auf dem langweiligen Sessel in der Ecke liegt. Er schaut sich um, dann geht er schnell ins Bad und kommt mit einer Flasche Gleitgel wieder. »Tja, also …« Er hält sie hoch. »Da ist es. Dann mal ausziehen, oder?«

Ich muss lachen, ziehe mir das T-Shirt über den Kopf und streife die Schuhe ab. »Was willst du machen?«

Er sieht mir lächelnd zu, während ich meine Jeans öffne und sie auf den Boden fallen lasse. »Ich will das da in mir drin haben. Der Rest ist mir egal.«

Ich trete zu ihm und beuge den Kopf, um seinen Schmollmund zu küssen, anschließend lege ich den Arm um ihn und kneife ihn in den Po. »Dann würde ich sagen, nichts wie Hose runter.« Ich lasse ihn los und klettere aufs Bett, stapele die Kissen in meinem Rücken und lehne mich zurück, um ihm beim Ausziehen zuzusehen. Das Bett ist überraschend bequem.

»Du siehst aus, als würdest du eine Show erwarten«, meint er, zieht sich das Hemd aus und setzt sich auf die Bettkante, um die Schuhe abzustreifen. Während ich beginne, mich langsam zu streicheln, bewundere ich seinen glatten, schlanken Rücken. Die Muskeln sind erkennbar, aber nicht allzu definiert. Auf diesem Rücken will ich Spuren hinterlassen.

»Nicht meine Schuld, dass du so lange brauchst.«

Er lacht, steht wieder auf und lässt Hose und Unterhose fallen, dann klettert er auch aufs Bett, kniet sich rittlings über mich und lässt sich auf mich sinken. Der erste Hautkontakt schickt elektrische Schocks durch meinen ganzen Körper.

Und schon ist er wieder weg.

»Was …«

»Gleitgel«, erinnert er, gibt etwas in seine Handfläche, und reicht mir die Flasche. Ich nehme sie und sehe wie hypnotisiert dabei zu, wie er sich bereit macht. Er merkt es und grinst. »Das gefällt dir wohl?«

Ich lehne mich wieder an und lasse den Blick über ihn wandern. »Und wie.« Ich bin so hart wie noch nie. Als ich knapp unter meiner Eichel zudrücke, tritt schon ein Tropfen aus. Er beugt sich sofort vor und leckt ihn ab, und mir stockt der Atem.

Das muss ich ihm heimzahlen.

Ich lasse meinen Schwanz los und greife stattdessen nach seinem. Er ist lang und schlank, die Eichel rot angelaufen, und als ich ihn mit festem Griff nach oben streichle, schließt er die Augen und stöhnt.

»Fuck, fühlt sich das gut an«, keucht er. »Ist viel zu lange her.«

»Ich weiß genau, was du meinst.«

Er schlägt die Augen auf und hält meinen Blick. »Wenn wir diese Runde schnell machen, kannst du danach noch mal?«

Jaaaaa.

Ich mustere ganz langsam seinen Körper, die helle Haut mit den dunklen Nippeln, und folge mit dem Blick der Spur dunkler Haare bis zu seinem Schwanz in meiner Hand. »Na klar. Das wird überhaupt kein Problem.«

Er beugt sich vor und leckt an einer meiner Brustwarzen, umfasst sie mit seiner heißen, feuchten Zunge, und ich kriege am ganzen Körper eine Gänsehaut. Mein Kopf sinkt wie von selbst zurück und berührt die Wand hinter mir, aber mir ist das gleich. Ich fühle gar nichts außer seinem Mund an mir.

Und auf einmal ist er wieder weg, und ich spüre kühle Luft an der nassen Haut, doch noch bevor ich protestieren kann, ist er wieder da und beißt mich in den Brustmuskel. Ich wimmere wegen der Kombination aus Lust und Schmerz, und meine Hoden ziehen sich zusammen. Normalerweise habe ich nicht so schnell das Bedürfnis, zu kommen; es ist einfach viel zu lange her, dass eine andere Person mich angefasst hat.

Dann bewegt er sich wieder, lockert sanft meinen Griff um seinen Schwanz und schiebt sich nach vorne auf die Knie. Ich öffne die Augen und sehe zu, wie er meinen Schwanz in die Hand nimmt und sich darüber in Stellung bringt.

»Mmmm.« Das kehlige Geräusch, das er von sich gibt, als er sich herabsinken lässt, vibriert durch meinen ganzen Körper, dann spüre ich nur noch, wie er sich erst eng, dann langsam entspannter anfühlt, während ich in die heiße Umklammerung seines Körpers gleite.

Bis ich endlich ganz in ihm stecke.

Wir atmen beide schwer. Ich fühle die Muskeln in meinen Oberschenkeln beben, so stark ist der Impuls, in ihn zu stoßen. »Okay?«, keuche ich und bewege mich leicht, und ihm bleibt die Luft weg.

»Gott, ja!«

Sofort fängt er langsam und gleichmäßig an, mich zu reiten, und ich beobachte ihn, während sich alles in mir anspannt. Er hat den Kopf in den Nacken geworfen, atmet durch den offenen Mund und sieht dabei so sexy aus, dass ich alleine schon vom Anblick seiner Lust kommen könnte.

Dann öffnet er die Augen, hält meinen Blick und flüstert: »Nimm mich.«

Mehr Ermutigung brauche ich nicht.

Ich schnelle hoch, schlinge die Arme um ihn und drehe uns so, dass er mit dem Rücken auf der Matratze zu liegen kommt. Er zieht die Beine an, ich schiebe meine Unterarme darunter und stütze mich auf meinen Knien ab. Ein kurzer Blick sagt mir, er findet es gut, also stoße ich kraftvoll in ihn.

»Ja, fester!«, ruft er und biegt sich mir entgegen, und dann versinkt die Welt in einem Konzert aus Sinneseindrücken und Geräuschen, Stoßen und Keuchen und Lust, bis ich das Gefühl habe, als könnte ich es keinen Augenblick länger aushalten.

»Bist du kurz davor?«, krächze ich, und er greift nach seinem Schwanz. Einmal, zweimal auf und ab, und er kommt, ergießt sich über unsere Oberkörper und schreit wortlos auf, während sein Muskel mich umklammert.

Ich habe das Gefühl, zu explodieren, und meine Sicht wird unscharf, so intensiv ist es.

Als ich wieder denken kann, stelle ich fest, dass ich auf ihm liege und ihn in die Matratze drücke.

»Sorry«, murmele ich, ziehe mich aus ihm zurück und lasse mich neben ihn plumpsen. Wir sind beide außer Atem – ich will ihm das Luftholen nicht noch schwerer machen durch mein Gewicht.

»Du musst dich für nichts entschuldigen, was hier passiert ist. Du hast unglaubliche Talente.«

Ich lache atemlos auf. »Danke schön. Du bist auch nicht von schlechten Eltern.«

Ein paar Minuten liegen wir einfach nur da, während unsere Atmung wieder langsamer wird und unsere Haut auszukühlen und das Sperma anzutrocknen beginnt.

»Und?«, sagt er schließlich, während er sich auf die Seite rollt. »Wie lange brauchst du noch, bis du wieder kannst?«

Ich schaue seine geröteten Wangen und die großen Augen an und erinnere mich, wie sie geglänzt haben, als ich in ihm war. »Nicht so lang, wie ich dachte.«

KAPITEL 2

JOSH

Verschlafen blinzele ich ins Sonnenlicht, das durch das Fenster meines Motelzimmers fällt – warum nur habe ich die Vorhänge offengelassen? Ich versuche, dahinterzukommen, wie viel Uhr es ist und wieso ich mich fühle, als wäre ich gestern einen Marathon gelaufen.

Die Antwort auf die zweite Frage dreht sich um, schmiegt sich von hinten an mich und legt mir einen muskelbepackten Arm um die Taille. In mir steigen Erinnerungen an unsere mit Sex verbrachte Nacht auf. Das kleine, selbstzufriedene Schmunzeln kann ich mir nicht verkneifen. Mir tut vielleicht alles weh aufgrund der körperlichen Anstrengung, aber diesen Preis zahle ich gerne. Mein letzter Sex ist so lange her, ich hatte schon fast vergessen, wie es geht.

Ich kann bestätigen, dass das nicht der Fall ist. Und die quälende Nervosität, als ich ihm den ersten Schnaps spendiert habe, hat sich so was von ausgezahlt. Ist wohl doch nicht so schwer, mit einem Fremden anzubandeln.

Wobei es natürlich hilft, dass in der Kneipe noch nie jemand gestorben ist.

Ich lasse die Augen wieder zufallen und kuschele mich in mein Kissen. Noch ein kleines Schläfchen, dann wacht Wieauchimmererheißt vielleicht auf und will ein weiteres Mal, bevor ich zu meinem …

Mist!

Ich reiße die Augen auf und sitze schon, als mein Bettgenosse noch protestierend stöhnt. Die Sonne scheint. Also, sie scheint. Es ist nicht mehr früh, das heißt ich bin womöglich schon zu spät dran.

In meiner Hast schubse ich mein Handy vom Nachttisch, dann beuge ich mich zum Boden hinunter, um danach zu tasten. Natürlich liegt es zu weit weg. Ich strecke mich noch ein kleines bisschen weiter …

… und schon bin ich aus dem Bett gefallen und liege auf der Nase.

Keine Zeit, mein geprelltes Gesicht zu pflegen. Ich greife nach dem Handy und schaue nach der Uhrzeit.

»Scheiße!« Mein Vorstellungsgespräch findet in genau fünfzehn Minuten statt. Zum Glück ist das Café, in dem wir uns treffen, nur einen Block entfernt, aber ich habe überall Sperma, sogar in den Haaren. Nie im Leben kann ich heute auf die Dusche verzichten, nicht, wenn ich einen guten Eindruck machen will.

Und das muss ich. Denn ich brauche diesen Job.

Meine lädierten Muskeln protestieren, als ich aufspringe und zum Bad eile, während ich über die Schulter rufe: »Hey, äh … Mann! Zeit zu gehen.« Ich verspüre einen schuldbewussten Stich, aber ich habe jetzt keine Zeit für Diplomatie. Allerdings sollte ich beim nächsten Mal, wenn ich jemanden aufgabele, doch wenigstens seinen Namen erfragen. Es ist irgendwie unhöflich, jemanden rauszuwerfen, ohne seinen Namen zu nennen. Oder? Besonders, wenn er so nett war wie dieser Kerl.

Er gibt Laute von sich, vielleicht sind es Worte, aber ich bin schon im Bad und ziehe die Tür hinter mir zu. Ich warte nicht ab, bis das Wasser warm ist, sondern springe in die Dusche und zische unter dem kalten Strahl. Dann entferne ich, so schnell ich kann, das getrocknete Sperma, während ich mich geistig auf das Gespräch einstelle.

Der Job wäre toll, und er würde mich aus der Großstadt rausbringen. Danach sehne ich mich so sehr, dass es mir in der Seele wehtut. An genau so einem Ort wie diesem will ich leben: eine Kleinstadt, überwiegend neu und nicht allzu dicht besiedelt. Ein Ort, wo ich mich entspannen und endlich ich selbst sein kann.

Ein Ort wie Mannix Estate, ein alter Landsitz, der zum Hotel umfunktioniert wurde und den Wohlhabenden vor hundert Jahren als Refugium diente. In den 1970ern wurde das Hotel geschlossen – warum, konnte Google mir nicht verraten. Dann stand es dreißig Jahre leer, und jetzt wurde es renoviert und nach der Jahrtausendwende als Museum und historische Erlebniswelt wieder eröffnet. Schulen machen Ausflüge hierhin, und Geschichtsvereine kommen zu Forschungswochenenden. Es gibt ein kleines Museum, interaktive Workshops (Lernen, wie man Butter selbst macht!), ein weitläufiges Gelände, auf dem man faulenzen und Krocket spielen kann, etwas Landwirtschaft und Unterkünfte. Einschließlich einer Wohnung für einen Verwaltungsmitarbeiter, der nachts auch für die Gäste zuständig ist.

Und das Allerbeste? Das Allerbeste ist: Allen Berichten zufolge strotzt dieser ganze Ort nur so vor Geistern. Es steht sogar auf der Website. Sie werben damit. Wenn also ein Mitarbeiter zufällig mit »Nichts« redet, könnte er einfach sagen, dass er mit einem Geist plaudert – zwinker, zwinker – und die Gäste würden vermutlich denken, es sei Teil der Erlebniswelt.

Solche Sachen passieren mir nämlich. Richtig oft. Ich sehe Geister, ich höre sie sprechen und manchmal werde ich regelrecht in Gespräche verwickelt. Es ist extrem anstrengend, aber was noch schlimmer ist: Es hat mein Leben verpfuscht. Bisher habe ich keinen Job lange behalten, denn in Großstädten sind die bekloppten Geister einfach überall. Besonders, wenn die Stadt so alt ist wie Chicago. Und wenn die Kollegen ein paarmal mitbekommen haben, dass man mit Geistern redet – also ihrer Meinung nach natürlich mit dem Nichts –, oder man etwas verbockt, weil einen die Geister erschrecken, dann dauert es nicht lange, bis man plötzlich nicht mehr »ins Team passt«. Von Wohnungen will ich gar nicht erst anfangen. Ich kann mir keine Wohnung teilen, weil logischerweise jeder Mitbewohner die Nerven verliert wegen der Geistersache – siehe die vorhergehende Bemerkung zu mit dem Nichts reden – oder dem Erschrecken. Entweder das, oder sie finden es gruseligerweise cool, und ich werde aus dem Schlaf gerissen, weil sie mitten in der Nacht über meinem Bett eine Séance veranstalten.

Das ist schon zweimal vorgekommen.

Und die Vermieter sind auch nicht viel besser. Sie hassen das Salz. Ich benutze eine Menge Salz, denn es ist eine der wenigen Möglichkeiten, meine Ruhe zu haben und meine Privatsphäre zu schützen. Ich versuche, den Verbrauch einzuschränken, aber es ist schwer, alle Körnchen mit dem Staubsauger wegzukriegen, und aus irgendwelchen Gründen hassen Vermieter und Hausverwaltungen es, wenn ich die Zimmer mit Salz ausstreue. Ich habe sogar versucht, das nur im Schlafzimmer und im Bad zu machen – also bitte, mir steht es ja wohl zu, mein großes Geschäft alleine zu machen. Trotzdem wurde mein Mietvertrag mysteriöserweise bei inzwischen fünf Wohnungen nicht verlängert. Einmal habe ich versucht, es anzufechten, aber es ist erstaunlich schwer, Leumundszeugen zu finden, wenn man sich regelmäßig mit Geistern unterhält.

Also … bin ich auf der Suche nach einem Job an einem Ort, an dem meine Eigenheiten nicht auffallen. Ich brauche eine Unterkunft und eine Stadt mit niedriger Geisterpopulation, um ein einigermaßen normales Leben führen zu können. Ist das so viel verlangt?

Scheint so. Das ist der Grund, warum dieses Vorstellungsgespräch wirklich gut laufen muss.

Ich brause mich noch einmal ab, trockne mich mit dem groben Motelhandtuch ab und wickle es um die Hüften, bevor ich in einer dampfenden Wolke das Bad verlasse. Mein Bettgenosse ist Gott sei Dank weg. Zeit für ausgedehnte Verabschiedungen habe ich heute nicht. Wenn ich den Job bekommen sollte und hierher umziehe, dann kann ich ja versuchen, ihn aufzuspüren – die Nacht war wirklich mega.

Ich ziehe mich schnell an und schaue aufs Handy – fünf Minuten noch. Mist. Ein kurzer Blick in den Spiegel bestätigt, dass meine Haare kein Notstandsgebiet sind, dann schlüpfe ich in die Schuhe und schnappe mir meine Brieftasche und den Schlüssel. Nichts wie raus hier. Vorsichtig trete ich über die mit Salz bestreute Schwelle. Im Motel habe ich bisher keine Geister bemerkt, vermutlich, weil es erst ein paar Jahre alt und auf einem ehemaligen Feld gebaut ist, aber es ist leichter, sie auszusperren, als sie wieder loszuwerden, wenn sie erst mal da sind. Zum Glück hat mein Bettgenosse die Linie aus Salz nicht verwischt, als er gegangen ist, sonst hätte mich vielleicht ein neugieriger Geist empfangen, als ich aus der Dusche kam.

Ich beeile mich, zum Coffeeshop zu kommen, und zwar in diesem komischen Tempo irgendwo zwischen gehen und rennen. Ich will ja nicht außer Atem und verschwitzt zum ersten Gespräch erscheinen. Zu spät will ich aber auch nicht kommen. Also – ganz ausgeglichen. Zum Glück ist es nicht weit.

Vor dem Coffeeshop bleibe ich stehen, um meine Kleidung zu ordnen und einmal tief durchzuatmen. Durchs Fenster versuche ich, Kieran zu erspähen, mit dem ich das Gespräch führen werde. Eigentlich ist es schon das zweite Gespräch. Wir hatten letzte Woche bereits ein Treffen auf Zoom. Dafür hatte ich einen Salzkreis um mich gestreut und darum gebetet, dass der fromme Geist vom Treppenabsatz unter mir sich nicht in meine Wohnung geschlichen hatte und gleich auftauchen würde, um mich zu fragen, ob ich schon von Jesus Christus, unserem Retter, gehört hätte. Es grenzt direkt an ein Wunder, dass Kieran mich zum Folgegespräch eingeladen hat.

Ich sehe ihn nirgends, aber der Laden ist größer als gedacht, und ich kann nicht alle Tische erkennen. Ich tue so cool, wie ich kann, und stoße die Tür auf.

Innen sehe ich mich nochmals um und trete an den Tresen. Dann erblicke ich Kieran, der in der Ecke an einem Vierertisch sitzt. Es sitzt jemand bei ihm. Braucht er Unterstützung bei dem Gespräch? Davon hatte er nichts erwähnt. Oder es gibt noch weitere Bewerber? Ich will nicht stören, wenn das so sein sollte; so etwas macht man nicht.

Aber … er sieht die andere Person gar nicht an. Er scrollt nur auf seinem Handy und trinkt einen Kaffee, als wäre er allein.

Seufz.

Ich schaue genauer hin. Und, na klar, es ist ein beknackter Geist. Eine Frau. Die mit meinem (hoffentlich) zukünftigen Chef am Tisch sitzt. Wo sie mir die Chance auf den Job vermasseln kann.

Ich fasse mir ein Herz und gehe auf die beiden zu. Es hilft ja nichts. Wenn ich den Job will, muss ich das Vorstellungsgespräch führen. Ich muss nur darauf achten, nicht auf den Geist zu reagieren. Wenn ihm klar wird, dass ich ihn sehen und hören kann, wird er quatschen wollen, und das ist dann der Anfang vom Ende. Hoffentlich sitzt die Frau die nächste halbe Stunde einfach nur da und denkt sich ihren Teil.

Kieran blickt auf, als ich näher komme, und lächelt. Er legt das Handy weg, steht auf und gibt mir die Hand.

»Ich hoffe, ich bin nicht zu spät«, setze ich an, aber er schüttelt den Kopf.

»Nein, pünktlich auf die Minute. Ich hätte es nur keine Sekunde länger ohne Kaffee ausgehalten.« Er verdreht selbstironisch die Augen. Sie sind leuchtend grün, und ich überlege kurz, ob er Kontaktlinsen trägt. Doch seine Haare sind flammend rot, und er hat eine porzellanhelle Haut, übersät mit Sommersprossen, wie sie oft bei Rothaarigen vorkommt. Vielleicht ist es seine echte Augenfarbe. »Möchtest du auch einen Kaffee?«

Ich zögere, weil ich wirklich nur zu gerne Ja sagen will. Andererseits will ich weder mir noch Kieran heißen Kaffee über den Schoß gießen, falls der Geist, der uns fasziniert zu beobachten scheint, mich mitten im Gespräch erschrecken sollte.

»Na komm schon«, lockt er. »Ich sehe es dir an. Was möchtest du? Geht auf mich«, fügt er verständnisvoll hinzu.

Ach du lieber Gott. Er denkt, dass ich zögere, weil ich mir keinen Kaffee leisten kann. Sicher, das Geld ist ein bisschen knapp – aber ein paar Dollar für einen schicken Kaffee hier und da sind schon noch drin.

Doch das kann ich ihm nicht sagen, ohne die Situation schlimmer zu machen, und dann muss ich auch noch erklären, warum ich mir nicht bereits selbst einen bestellt habe, also lächele ich schwach und antworte: »Das ist ja nett, danke. Ein Cappuccino wäre schön.« Eine milchige Frühstücksleckerei.

»Kein Problem. Nimm Platz.« Er winkt in Richtung der freien Stühle, dann dreht er sich zum Tresen um und ruft: »Hey, Mindy!«

Mindy – und die Hälfte der Gäste – drehen sich um. »Was gibt’s?«

»Können wir einen Cappuccino für Josh haben, bitte? Setz es auf meine Rechnung.«

Mindy hält den Daumen hoch, und Kieran setzt sich zu mir an den Tisch.

»Du kommst wohl öfter hierher?«, frage ich, dann würde ich mir am liebsten einen Tritt geben. Das klingt wie die letzte Anmache.

Zum Glück scheint Kieran meinen Humor zu verstehen, denn er lacht. »Fast jeden Tag. Manchmal zweimal pro Tag. Könnte sein, dass ich ein wenig süchtig bin.«

»So geht es mir mit Nagellack«, scherze ich, dann wünsche ich mir sofort, es zurücknehmen zu können, denn jetzt schaut er meine Hände an. Kein Nagellack. »Ich wollte heute einen guten Eindruck machen, darum hab ich ihn weggelassen.« Mist. Das klingt so, als würde ich denken, er hätte Vorurteile. Seit dem Zoom-Meeting denke ich das zwar nicht mehr, aber ich wollte trotzdem alles richtig machen.

Dieses Vorstellungsgespräch läuft nicht besonders gut, obwohl es noch nicht mal richtig angefangen hat. Ich bin viel zu nervös. Muss mich unbedingt runterfahren.

»Wir sehen das nicht allzu eng mit dem Dresscode«, sagt er, scheinbar nicht beleidigt. »Sauber und ordentlich, keine Kraftausdrücke. Wenn wir eine Veranstaltung mit Motto haben, wirst du gebeten, das entsprechende Kostüm zu tragen – das wir zur Verfügung stellen –, und die Führer und Ausbilder tragen Kleidung aus der Epoche. Wir anderen achten einfach darauf, dass wir präsentabel aussehen. Was du heute anhast, wäre völlig in Ordnung. Und das gilt auch für Nagellack oder andere kosmetische Produkte, die du vielleicht gerne tragen möchtest.«

»Gut zu wissen.« Und sicher würde er das mit der Kleiderordnung nicht erwähnen, wenn ich meine Chancen schon vertan hätte. »Ich wollte mich übrigens bedanken, dass wir uns hier treffen und nicht auf dem Gelände.«

Er lächelt. »Kein Problem. Ich wohne hier in der Stadt. Ich gehe heute einfach später zur Arbeit. Als ich hörte, du kommst mit dem Bus, schien es mir am praktischsten so. Ohne Auto kommt man ja kaum zum Anwesen.«

Ich hatte noch nie ein Auto, weil ich es nicht geschafft habe, die Fahrprüfung zu bestehen. Ich möchte Sie mal in der Fahrstunde sehen, wenn ein Geist auf der Rückbank vor sich hin jammert … oder Ihnen ein anderer Geist einfach vors Auto läuft, sodass Sie fast einen Herzinfarkt bekommen. Aber ich hätte natürlich ein Uber zum Anwesen nehmen können. So klein ist die Stadt nun auch wieder nicht. Doch wie gesagt: Dort spukt es heftig. Ich wollte dieses Gespräch keinesfalls von Geistern umgeben führen müssen. Schlimm genug, dass mich einer gerade von der Seite fixiert.

Kieran sprach weiter. »…also könntest du wahrscheinlich auch ohne klarkommen, wenn du dich von jemandem mitnehmen lassen kannst. Sonst frage ich gerne für dich in der Stadt, ob jemand eines günstig zu verkaufen hat, wenn du willst. Sag mir einfach Bescheid.«

»Das ist wirklich nett, danke, aber ich habe gar keinen Führerschein. Hab noch nie einen gebraucht in Chicago. Da komme ich mit den Öffentlichen überall hin. Es könnte allerdings Spaß machen, fahren zu lernen«, füge ich fröhlich hinzu, als Mindy meinen Kaffee bringt.

»Bitte sehr. Wie toll, dass Sie in Ihrem Alter noch etwas Neues lernen wollen.«

In … meinem Alter?

»Danke?« Ich blinzele ihren Rücken an, dann sehe ich zu Kieran rüber, der hinter seiner Tasse ein Lächeln versteckt. »Bin ich irgendwie in den letzten zwei Minuten fünfzig Jahre gealtert ...?«

»Nein. Mindy ist achtzehn. Für sie ist alles über fünfundzwanzig alt.«

»Dann muss ich ihr mit achtundzwanzig ja uralt vorkommen!«

Er hebt die Tasse und prostet mir zu. »Was glaubst du denn, wie ich mich mit fünfunddreißig fühle? Außerdem habe ich früher in den Semesterferien auf sie aufgepasst. Sie denkt, ich bin so alt wie ihr Vater. Womit sie noch nicht mal ganz falschliegt.«

Wir müssen beide lachen, und insgeheim bin ich Mindy sehr dankbar dafür, dass sie das Eis gebrochen hat.

Kieran wiederholt erst mal, was er schon auf Zoom zum Job gesagt hat, dann fragt er nach meinen bisherigen Anstellungen. Darauf antworte ich vorsichtig. Mir ist klar, die meisten Arbeitgeber schätzen so eine … vielfältige Berufserfahrung nicht besonders. Vermutlich ist der einzige Grund, warum ich überhaupt im Rennen bin, dass es eigentlich ein 24-Stunden-Bereitschaftsjob ist, zwei Stunden von Chicago und zehn Minuten Autofahrt von der nächsten Ortschaft entfernt. Er wird kaum Tausende Kandidaten haben. Und er interessiert sich auch tatsächlich mehr für die Pflichten, die ich bisher hatte, insbesondere die mit Kundenkontakt, als für die Länge meiner Anstellungen. Langsam entspanne ich mich.

Es läuft doch gar nicht so schlecht. Ich schaffe es noch mal, ihn zum Lachen zu bringen. Ich glaube, er mag mich wirklich, was gute Aussichten sind, wenn ich für ihn arbeiten soll.

Der Geist sitzt weiterhin da und starrt mich an. Es macht mich mehr als nervös, und es kostet mich extreme Kraft, die Frau zu ignorieren. Immerhin schweigt sie. Blicke sind einfacher auszublenden als Worte, besonders, da sie sich nur am Rande meines Blickfeldes befindet.

Kieran lehnt sich zurück und schiebt die leere Kaffeetasse von sich. »Hast du denn Fragen an mich?«

Ah, das ist meine Chance, einen klugen und intelligenten Eindruck zu machen. »Ja, die habe ich. Beim ersten Gespräch hattest du ja erwähnt, dass von mir erwartet wird, auszuhelfen, wenn ich gerade nicht beschäftigt bin, und das ist auch okay. Ich wüsste nur gerne, was das für Tätigkeiten wären.«

Er lächelt schief. »Ach, das kann alles Mögliche sein. Gestern Vormittag zum Beispiel stand ich knöcheltief im Matsch und musste Daniel beim Ernten des Brokkoli helfen. Daniel ist für unsere Landwirtschaft zuständig«, fügt er hinzu. »Hatte ich davon schon erzählt?«

»Nein, aber ich wusste, dass es auf dem Gelände welche gibt. Es gibt Präsentationen zu traditioneller und ökologischer Landwirtschaft, richtig?«

Er nickt strahlend, offensichtlich angetan, dass ich das nachgelesen habe. »Ja. Die Nutzflächen sind nicht sonderlich groß, etwa vier Hektar, aber Daniel nutzt jeden Quadratzentimeter. Das, was er anbaut, ist eine wunderbare Ergänzung für die Speisen, die das Restaurant den Hotelgästen anbietet. Genau genommen …«

Sein Handy klingelt, und er runzelt beim Blick aufs Display die Stirn. »Tut mir leid, Josh, da muss ich rangehen.«

»Kein Problem«, versichere ich und nehme die Tasse mit dem Rest meines Cappuccinos zur Hand. Er nimmt das Gespräch an und geht nach draußen. Ich lehne mich zurück und lasse den Blick über das Kunstwerk an der Wand hinter dem Geist wandern. Die perfekte Gelegenheit, mir den Geist näher anzuschauen.

Ich trinke einen Schluck und betrachte das wahrscheinlich hässlichste Gemälde, das ich je gesehen habe. Dabei nehme ich den schweigenden, aber dennoch störenden Geist in Augenschein.

Sie sieht aus wie meine Großmutter. Glatte, kurz geschnittene weiße Haare, Twinset, Perlenohrringe und eine Brille an einer Kette um den Hals. Ich wünschte, das alles würde mir mehr über sie verraten, aber Geister tragen nicht für alle Ewigkeit die Kleider, in denen sie mal verstorben sind. Ihre äußere Erscheinung, die kaum jemand sehen kann, besteht im Grunde aus reiner Energie, sodass sie aussehen können, wie sie wollen. Es kann wirklich schräg sein, wenn ein Geist, der wie ein Statist aus einem Punk-Musikvideo gekleidet ist, sich wie ein englischer Graf alter Schule ausdrückt, mit allen vor dreihundert Jahren gängigen Wendungen.

Ich habe also keine Ahnung, ob diese Geisterdame im 20., 19. oder sogar diesem Jahrhundert geboren wurde. Allerdings machen junge Geister sich normalerweise nicht extra älter, wenn sie es irgendwann langweilig finden, jung zu sein.

Ich wende den Blick von dem hässlichen Bild ab und trinke den Cappuccino aus. Keine Ahnung, was die Frau hier will, doch sie wirkt harmlos. Vielleicht mag sie einfach diesen Tisch und wir sind hier in ihrem Revier.

Kieran kommt wieder herein und lässt sich seufzend auf seinen Stuhl fallen. »Tut mir leid. Wir sind etwas unterbesetzt im Moment – logisch, sonst wäre ich nicht hier. Aber es bedeutet auch, ich kann keine Anrufe ignorieren, für den Fall, dass ich gebraucht werde.«

»Das ist völlig okay.« Ich lächele ihn an.

»So, dann will ich mal sehen, ob ich nichts vergessen habe«, sagt er und tippt auf sein Handy.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie der Geist sich zu ihm beugt. »DEN SOLLTEST DU EINSTELLEN! ER HAT EINE GUTE AURA!«, schreit sie.

Ich zucke zusammen und stoße gegen den Tisch, was die Tassen zum Klappern bringt.

Kieran und der Geist sehen mich an.

Ich versuche, nicht zu schwitzen.

»Alles okay?«, fragt Kieran.

»Ja. Sorry. Mein Bein hat gezuckt.« Oh Gott, hoffentlich sehe ich nicht schuldbewusst aus.

Er verzieht das Gesicht. »Oh, ich hasse so was.«

»STELL IHN EIN! STELL IHN EIN! KOMM ZUM ENDE UND STELL IHN EIN, DAMIT WIR NACH HAUSE FAHREN KÖNNEN!«

Unwillkürlich schaue ich sie an.

Sie merkt es, richtet sich auf und mustert mich aufmerksam, obwohl ich sofort wieder den Blick abwende und versuche, mich zu beruhigen.

Was noch schlimmer ist … Kieran hat es gemerkt. Er studiert meinen Gesichtsausdruck, dann huscht sein Blick zur Geisterfrau, fast so, als wüsste er, dass sie hier ist, dann sieht er wieder mich an.

Mist. Was läuft hier eigentlich?

»KÖNNEN SIE MICH HÖREN?«, fragt die Frau. Mir ist völlig unklar, warum sie immer noch so brüllt. Ich schlucke den Kloß im Hals herunter, fest entschlossen, mir diese Chance nicht zu verderben. Ich werde sie ignorieren, egal was passiert.

Kieran beugt sich vor. »Das klingt jetzt vielleicht seltsam, aber kannst du sie hören?«

Oh mein Gott.

Oh mein Gott.

Hat er …?

Ist er …?

Er hat »sie« gesagt, oder nicht? Ein spezifischer Bezug auf eine Frau. Er hat nicht nur gefragt, ob ich etwas gehört habe.

Vielleicht … kann er sie etwa auch hören?

Ich verschränke die Hände, damit er nicht sieht, wie sehr sie zittern. »Äh, h-hören … wen denn?«

Enttäuschung zeichnet sich auf seinem Gesicht ab, dann schüttelt er den Kopf. »Egal ...«

»GLAUB IHM KEIN WORT! ER KANN MICH HÖREN! HAT IHNEN IHRE MUTTER NICHT BEIGEBRACHT, DASS LÜGEN EINE SÜNDE IST?«

Jetzt zucke ich am ganzen Körper zusammen. Warum kann ich nie vortäuschen, normal zu sein?

Kieran kneift die Augen zusammen.

Dann sitzen wir verlegen schweigend da. Ich spüre, wie die Frau mich anfunkelt, doch ich werde den Teufel tun und mich zu ihr umdrehen.

»Du hast dich ja über das Anwesen informiert«, sagt Kieran, bemüht beiläufig.

Ich räuspere mich. »Ja. A-also, nichts Besonderes, aber ich habe mir die Website angesehen und ein paar Bewertungsplattformen.«

»Dann weißt du, dass es bei uns spukt. Das ist für viele Bewerber ein Ausschlusskriterium.«

»Ach ja?«, quieke ich, dann räuspere ich mich nochmals. »Ich meine, das ist erstaunlich. Die Leute lieben doch gute Geistergeschichten, oder? Haha.« Mein gezwungenes Lachen ist so was von nicht überzeugend.

»Ist es ein Hinderungsgrund für dich? Du würdest ja auf dem Gelände wohnen und müsstest dich relativ viel mit ihnen auseinandersetzen.«

»Überhaupt nicht!« Das klang etwas zu begeistert. »Äh, also das heißt, ich habe nicht viel Erfahrung mit Geistern – Stöhnen, Kettenrasseln, oder so?« Ich greife nach dem größten Geisterklischee, und Kieran scheint mir zu glauben.

Der Geist dagegen räuspert sich lautstark. Damit habe ich mir keine Freunde gemacht.

»Nein, kein Stöhnen. Also nicht so, wie du meinst. Sie quengeln allerdings ganz schön viel.«

Wie bitte?

»Sie … sie reden mit dir?« Ein winziges Körnchen Hoffnung keimt in mir auf.

Er nickt. »Manchmal schon. Wir wissen nicht ganz genau, wie es funktioniert, aber es gibt etwas auf dem Gelände, das ihnen … Kräfte verleiht? Energie? Was immer es ist, es erlaubt ihnen manchmal, den meisten von uns zu erscheinen.«

»E-echt jetzt?« OhmeinGottohmeinGottohmeinGott.

»Ja. Also wäre es Teil deiner Aufgabe, die Gäste zu beruhigen und … na ja, Geister zu bändigen, könnte man vielleicht sagen.«

Okay, damit hatte ich nicht gerechnet. »Wie bitte?«

Er seufzt und wirft dem Geist einen Seitenblick zu –also genau genommen, dem Stuhl, auf dem er sitzt. Er schaut nicht exakt die Stelle an, an der die Frau sitzt. Eventuell kann er sie nicht sehen? Will er mich verarschen?

Aber er hat sie »sie« genannt. Das wird mir zu kompliziert.

»Ich werde bestimmt später Ärger bekommen für das, was ich gleich sagen werde. Doch Geister können etwas … enthusiastisch sein. Unsere Geister sind alle so glücklich darüber, dass das Anwesen restauriert wurde und wir so viele Besucher bekommen. Also die meisten jedenfalls. Und sie versuchen, zu helfen. Die ganze Zeit. Aber … hast du Erfahrung mit kleinen Kindern?«

Nicht so wirklich. »Ich hatte vor ein paar Jahren eine Nachbarin mit Zwillingen. Auf die habe ich aufgepasst, als sie bei einem Vorstellungsgespräch war.« Und das ging ziemlich in die Hose.

Doch ganz offensichtlich ist es das, was Kieran hören wollte. »Toll! Also genau so musst du dir die Geister vorstellen. Sie sind begeistert und wollen unbedingt alles machen, aber manchmal gelingt es ihnen nicht.«

»ERLAUBE MAL, JUNGER MANN! WIE KANNST DU ES WAGEN, UNSERE FÄHIGKEITEN SO ZU VERLEUMDEN?«

Dieses Mal gelingt es mir, meine Reaktion zu unterdrücken, bis auf ein ganz kleines Zucken. Kieran mustert mich.

»Ja, also hinter den Geistern aufräumen wäre etwas, auf das du dich einstellen müsstest. Im Übrigen haben wir gemerkt, dass manche der etwas stärkeren Geister das Anwesen auch verlassen können, aber wir können sie immer schlechter wahrnehmen, je weiter sie sich davon entfernen. Hier in der Stadt sehe und höre ich gar nichts von ihnen, doch wenn sie sich deutlich genug äußern, bekomme ich eine Ahnung von ihren Gefühlen.« Er zuckt leicht zusammen und deutet mit dem Kopf Richtung Geist. »Ich merke zum Beispiel, dass Hattie gerade nicht begeistert von mir ist.«

Ich kann es nicht verhindern: Mein Blick wandert wieder hinüber zu dem Geist. Hattie? Sie sieht in der Tat nicht begeistert aus, nickt aber widerwillig.

»ES STIMMT. ICH MUSS HIER IMMER SO SCHREIEN, DAMIT ER MICH HÖRT. ZU HAUSE IST ES VIEL EINFACHER.«

Wow. Okay. Wow. Das ist … ich blinzele, denn mir stehen die Tränen in den Augen. Dies könnte mein Leben verändern.

Dann atme ich tief durch. »Du kannst tatsächlich Geister sehen und mit ihnen sprechen, wenn du auf dem Gelände bist?«

Er lacht tonlos. »Ja. Und du bist schon drauf und dran, vor dem Sonderling davonzurennen, stimmt’s? Ich versichere dir, mit mir ist alles in Ordnung. Ich hatte wirklich gedacht, dass du sie vielleicht hören kannst, aufgrund deiner Reaktion vorhin. Es wäre so toll, wenn jemand es könnte.«

»ES WÜRDE DIESEN PROZESS JEDENFALLS SEHR VEREINFACHEN«, fügt Hattie hinzu, und jetzt kann ich mich nicht mehr zurückhalten.

»Ma’am – Hattie – würde es Ihnen etwas ausmachen, nicht so zu brüllen, bitte?«, frage ich so höflich wie möglich.

Beide starren mich an wie vom Donner gerührt. »Du kannst sie wirklich hören?«, fragt Kieran dann flüsternd.

»Sie können mich hören?«, wiederholt Hattie, glücklicherweise im normalen Dezibelbereich.

Ich schlucke und nicke.

»Du hast den Job«, verkündet Kieran. »Willst du sofort anfangen?«

Ich muss laut lachen, dann schlage ich die Hände vors Gesicht und meine Augen brennen. Ich hatte es so lange so schwer.

Ich spüre eine vorsichtige Berührung am Unterarm. »Kann ich dir noch was bestellen?«, fragt Kieran leise, und ich schüttele den Kopf, reibe mir das Gesicht und lasse dann seufzend die Hände sinken. Ich sehe ihm in die Augen.