Vampire sind die besseren Liebhaber - Louisa Masters - E-Book

Vampire sind die besseren Liebhaber E-Book

Louisa Masters

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Beschreibung

Es ist nicht leicht, der einzige Mensch beim Community of Species Government zu sein – ganz besonders nicht, wenn man selbst mal gerettet werden musste. Vor zwei Jahren wollte ich aufs College gehen, mich amüsieren und danach ein normales Leben haben. Stattdessen wurde ich entführt, monatelang als Versuchskaninchen missbraucht, fast ein Jahr lang versteckt und musste dann herausfinden, dass meine gesamte Existenz ein Wissenschaftsexperiment der bösen Jungs ist. Es ist definitiv an der Zeit, meine Prioritäten zu ordnen. Meine Retter vom CSG waren großartig … die meisten wenigstens. Sie haben mir einen Job, ein Zuhause und viel Unterstützung gegeben. Aber an diese ganze Dämonen-Vampire-Gestaltwandler-Sache habe ich mich immer noch nicht gewöhnt. Vor allem ein bestimmter Vampir sorgt ständig dafür, dass ich mir gern Pfahl-Schnitzen als Hobby zulegen würde. Die Sache ist leider die: Auch wenn er sich oft wie ein Teenager verhält, ist Andrew ein echt guter Beschützer, der seine Aufgabe ziemlich ernst nimmt. Und da die bösen Jungs immer noch auf freiem Fuß sind, brauche ich jemanden wie ihn an meiner Seite. Außerdem … Hab ich schon erwähnt, dass er echt heiß aussieht? "Vampire sind die besseren Liebhaber" ist der zweite Band der vierteiligen Reihe "Teufel sind auch nur Menschen".

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LOUISA MASTERS

VAMPIRE SIND DIE BESSEREN LIEBHABER

TEUFEL SIND AUCH NUR MENSCHEN 2

Aus dem Englischen von Johanna Hofer von Lobenstein

Über das Buch

Es ist nicht leicht, der einzige Mensch beim Community of Species Government zu sein – besonders dann nicht, wenn man selbst mal gerettet werden musste. Vor zwei Jahren wollte ich aufs College gehen, mich amüsieren und danach ein normales Leben haben. Stattdessen wurde ich entführt, monatelang als Versuchskaninchen missbraucht, habe mich fast ein Jahr lang versteckt und musste dann herausfinden, dass meine gesamte Existenz ein Wissenschaftsexperiment der bösen Jungs ist. Es ist definitiv an der Zeit, meine Prioritäten zu ordnen.

Meine Retter vom CSG waren großartig … die meisten wenigstens. Sie haben mir einen Job, ein Zuhause und viel Unterstützung gegeben. Aber an diese ganze Dämonen-Vampire-Gestaltwandler-Sache habe ich mich immer noch nicht gewöhnt. Vor allem ein bestimmter Vampir sorgt ständig dafür, dass ich mir gern Pfahl-Schnitzen als Hobby zulegen würde.

Leider ist es so: Auch wenn er sich oft wie ein Teenager verhält, ist Andrew ein echt guter Beschützer, der seine Aufgabe ziemlich ernst nimmt. Und da die bösen Jungs immer noch auf freiem Fuß sind, brauche ich jemanden wie ihn an meiner Seite. Außerdem … Hab ich schon erwähnt, dass er echt heiß aussieht?

Über die Autorin

Louisa Masters hat früher mit dem Lesen von Liebesromanen angefangen, als nach Meinung ihrer Mutter gut für sie war. Während sich andere Teenager nachts aus dem Haus schlichen, schmuggelte Louisa tagsüber Liebesromane hinein. Als Erwachsene wollte sie erst einmal einen »vernünftigen« Beruf ergreifen und hat als Buchverkäuferin, im Personalwesen, im Ressourcenmanagement, in der Verwaltung und als Reisekauffrau gearbeitet. Inzwischen hat sie ihre Leidenschaft, das Lesen und Schreiben von Unterhaltungsromanen, zu ihrem Beruf gemacht.

Louisa führt eine lange Liste von Orten, die sie in Büchern entdeckt hat und gerne einmal besuchen möchte. Sie reist gern, um ihre Vorstellungskraft zu beflügeln, auch wenn sie sich niemals an den Jetlag gewöhnen wird. Ihr Zuhause ist Melbourne, und obwohl sie häufig über das australische Wetter jammert, ist sie insgeheim sicher, dass sie wohl niemals dort wegziehen wird.

Die englische Ausgabe erschien 2021 unter dem Titel »One Bite With A Vampire«.

 

Deutsche Erstausgabe November 2021

 

© der Originalausgabe 2021: Louisa Masters

© für die deutschsprachige Ausgabe 2021:

Second Chances Verlag

Inh. Jeannette Bauroth, Steinbach-Hallenberg

 

Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

Cover: Frauke Spanuth, Croco Designs

unter Verwendung von Motiven von deviddo, TAW4, guroolga,

lumikk555, Ilya, korrakot sittivash; alle stock.adobe.com

 

Lektorat: Annika Bührmann

Korrektorat: Anabelle Stehl

Satz & Layout: Second Chances Verlag

 

ISBN: 978-3-948457-96-9

 

 

www.second-chances-verlag.de

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Über die Autorin

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

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KAPITEL 1

NOAH

»Ich hab gehört, er ist hier, weil sie testen wollen, ob eine Abteilung mit Menschen überhaupt funktionieren würde.«

»Echt? Ist Sam da nicht Beweis genug? Er arbeitet doch schon seit fünf Jahren hier.«

»Sam ist ein Spezialfall. Ich meine, er hat’s irgendwie geschafft, Gideon Bailey zu zähmen. Das schafft doch kein normaler Mensch.«

Ich verdrehe die Augen, was allerdings nur mein Monitor sehen kann. Sam ist gar kein Mensch – was Klatschtante Nr. 1 in dem Moment klar wird, als sie die Worte ausgesprochen hat.

»Na ja, er ist ja auch kein Mensch … mehr. Weiß eigentlich jemand, was da genau los war? Ich könnte schwören, dass er fünf Jahre lang ein Mensch war. Und dann wird er vor sechs Monaten plötzlich zum feliden Shifter? Wie ist so was überhaupt möglich?«

Ha. Du hast ja keine Ahnung. Und mehr Glück, als dir klar ist.

»Tja, alle, die Bescheid wissen, halten es unter Verschluss. Wir haben nur die offizielle Version zu hören bekommen. Dass Sam angeblich schon immer ein Shifter war und nur durch einen Geburtsfehler Latenz eingetreten ist. Und dass ein Ärzteteam das in Ordnung gebracht hat.«

Die Story ist echt dünn. Das hatte ich Sam und den anderen auch schon gesagt. Aber es gab keine richtige Alternative, denn die Wahrheit wurde als zu riskant angesehen.

Die beiden Klatschtanten schweigen einen Moment. Dann sagt Klatschtante Nr. 1: »Das glaubt doch sowieso keiner, oder? Latenz bei Shiftern ist doch unmöglich. Shiftergene sind immer dominant.«

Tja, gute Frau, du weißt eben auch nicht alles. Wobei … letztendlich war es wohl so, denn Sam ist kein Mensch mehr.

»Na ja, jedenfalls glaube ich nicht, dass der da hier ist, um eine Menschen-Abteilung zu gründen. Er ist viel zu jung, selbst für einen Menschen. Ist er überhaupt schon volljährig?«

»Wozu sollte er denn sonst hier sein? Es sei denn … glaubst du, er spioniert für den Luzifer?«

»Was sollte er denn ausspionieren? Er redet doch nie mit uns. Er kommt, macht, was man ihm sagt, dann verschwindet er wieder. Und wenn der Luzifer einen von uns ausspionieren wollte, würde er das einfach mit der Magie machen.«

Als würden ihre Worte sie herbeizaubern, fühle ich die Magie – das Gefüge der Existenz – plötzlich an meiner Haut. Es ist das abgefahrenste Gefühl überhaupt, und das sage ich, obwohl ich das Büro mit einem Dämon, der am Schreibtisch neben meinem sitzt, und einem Vampir, der drüben am Fenster steht und telefoniert, teile. Als ich sie das erste Mal gespürt habe …

Das Gefühl der Magie um mich herum wird deutlicher, verdichtet sich fast schon. Wie Wasser an meiner Haut. Mannomann, das ist vielleicht unheimlich.

Genervt und beunruhigt drehe ich mich um und schaue die Tratschtanten direkt an. Ich erkenne sie wieder – die arbeiten noch nicht mal auf diesem Stockwerk. Sie sind buchstäblich nur hier, um mich anzuglotzen und zu spekulieren.

»Ihr wisst schon, dass ich euch hören kann? Ich bin ein Mensch, nicht taub. Würdet ihr eure neugierigen Hintern jetzt bitte woanders hinbewegen?«

Die linke macht schuldbewusst einen kleinen Schritt nach hinten, als ob sie sich zum Gehen wenden will, aber die andere sagt höhnisch: »Vielleicht solltest du nicht private Unterhaltungen belauschen, du Mensch.«

Schweigen. Alle in Hörweite spitzen plötzlich die Ohren, sind aber gleichzeitig bemüht, dabei möglichst unauffällig auszusehen. Das liegt teilweise daran, dass Klatschtante Nr. 1 (ich glaube, sie heißt Nikita) gerade das Wort »Mensch« wie ein Schimpfwort benutzt hat, und bei der CSG gibt es sehr strenge Regeln gegen Diskriminierung.

Der andere Grund ist wahrscheinlich, dass ich mich ihnen allen gegenüber schon mehrfach wie ein Arschloch benommen habe, und sie wissen, was jetzt kommt.

Ich stehe auf und mustere sie von oben bis unten. Ich bin ziemlich sicher, dass sie ein Sukkubus ist. Manchmal – meistens – habe ich immer noch Mühe, zwischen den Spezies zu unterscheiden. Aber es gibt Beleidigungen, die bei allen ins Schwarze treffen.

»Ich kann ja verstehen, dass jemand mit so schwachen Fähigkeiten wie du kein besonders gutes Gehör hat, aber die unter uns, die stärker oder einfach Menschen sind, haben dieses Problem nicht. Wenn du also laut redest, dann hören wir dich, und zwar alle.« Dabei erhebe ich die Stimme, als ob sie schwerhörig ist. »Und ich weiß genau, dass alle unter …« Verdammt. Wann fangen Community-Mitglieder eigentlich an zu altern? »… tausend für eine reife Frau wie dich bestimmt wie Kinder wirken, aber ich kann dir versichern, dass ich erwachsen bin. Ich versuche außerdem, meine Arbeit zu erledigen, also könntest du dich jetzt vielleicht wieder zum Verein für Demente verziehen und uns hier in Ruhe lassen, anstatt unsere Zeit mit dummem Getratsche zu verschwenden?« Ich lasse mich wieder auf meinen Stuhl fallen und drehe mich zum Bildschirm. Meine Haut kribbelt, während ich die vielen Blicke ignoriere, die auf mir ruhen, als sich Totenstille breitmacht.

Die einzige Vorwarnung kommt durch die plötzliche Berührung durch die Magie, dann wird mein Drehstuhl herumgerissen und Nikita beugt sich drohend über mich. Jetzt ist sehr deutlich, wie anders sie ist. Die meisten Mitglieder der Community könnten locker auch als Menschen durchgehen – Sie sind garantiert schon an Hunderten vorbeigelaufen, ohne es zu merken. Vielleicht haben Sie Nachbarn oder Kollegen, die keine Menschen sind. Aber wenn sie sich wirklich auf ihr inneres Selbst einlassen, dann ist es so unglaublich offensichtlich, dass sie keine Menschen sind, selbst wenn sie ihr Äußeres nicht verändern.

Sie ist definitiv ein Sukkubus – von ihren Zügen geht eine magnetische Anziehungskraft aus, obwohl sie mich gerade abgrundtief böse anschaut. Ich merke außerdem, dass sie die Pheromone hochgeschraubt hat, denn mein Körper reagiert entsprechend. Ich stehe noch nicht mal auf Frauen, und trotzdem habe ich eine Erektion. Das ist eine rein körperliche Reaktion, und mich überkommt eine Übelkeit erregende Abscheu, dass sie das ohne mein Einverständnis macht – Lust als Waffe zu benutzen, nur wegen eines harmlosen Zanks im Büro.

Gleichzeitig bin ich ziemlich sicher, dass ich gar nicht mehr so klar denken können sollte. Sollte ich nicht so eine Art mentale Euphorie empfinden, wenn sie ihre Sukkubus-Wirkung auf mich abfeuert? Das soll ja ein Teil der Attraktion sein, jedenfalls wenn ich meine ersten Recherchen richtig verstanden habe.

»Was ist hier los?« Die eisige Stimme schneidet wie ein Peitschenschlag durch die Spannung im Raum, Nikita taumelt rückwärts von meinem Drehstuhl weg, und die Kollegen verfallen in plötzlichen Aktionismus.

Ich schaue zu dem Mann, der mit langen Schritten auf mich zueilt. Das übliche spöttische Grinsen fehlt, und auf seinem Gesicht liegt ein wütender Ausdruck, der ihn ehrlich gesagt ernsthaft Furcht einflößend wirken lässt. Vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass ich weiß, dass er ein Jahrhunderte alter Vampir ist, und Mitglied des tödlichen Senior-Ermittlerteams, das direkt dem Luzifer untersteht.

»Nun?« Er bleibt einen halben Meter vor mir stehen und starrt Nikita und mich abwechselnd an.

Ausnahmsweise halte ich meinen Mund. Erstens nervt Andrew, wieso sollte ich also freiwillig mit ihm reden? Zweitens bin ich keine Petze.

Er hebt fragend eine Augenbraue, dann verdreht er die Augen, als ich trotzig die Lippen zusammenpresse, und wendet sich an die Sukkubus-Frau, die gerade versucht, sich davonzustehlen. Sie erstarrt und fängt an, Entschuldigungen zu stammeln. Man kann kaum verstehen, was sie sagt, so abgehackt und zitternd spricht sie. Ich kann ihr nicht verübeln, dass sie Panik schiebt. Wenn ich mich recht entsinne, arbeitet sie in der Buchhaltung, und gerade steht die Entsprechung eines Navy SEALs oder Green Berets oder wie diese militärischen Spezialeinheiten sonst heißen vor ihr. Und ihr ist klar, dass sie soeben gegen einen ganzen Haufen Vorschriften verstoßen hat.

Andrew verliert die Geduld. »Sie gehen wieder an Ihre Arbeit«, befiehlt er. »Man wird sich sicher später mit Ihnen befassen.«

Sie rennt im wahrsten Sinne des Wortes weg. Wenn ich nicht so genervt davon wäre, dass Andrew mir so nahe auf die Pelle rückt, hätte es Spaß gemacht, das zu beobachten.

Inzwischen hat sich Mr Großer Böser Vampir den anderen Kollegen im Großraumbüro zugewandt, die alle ihr Bestes tun, seinem Blick auszuweichen. »Wenn sich herausstellen sollte, dass sie ihre Fähigkeiten benutzt hat, um Noah einzuschüchtern, denn genau danach hat es ausgesehen, und dass Sie alle tatenlos dabei zugesehen haben, wird es ernsthafte Disziplinarstrafen geben. Ich kann Ihnen nur raten, sich Ihre nächsten Schritte sehr genau zu überlegen.«

Danke auch – war das wirklich nötig, ein Dutzend Leute zu bedrohen, mit denen ich zusammenarbeiten muss, du Idiot? Na ja, zusammenarbeiten ist vielleicht zu viel gesagt. Ich arbeite mit denen im selben Raum.

Jetzt wird das Rascheln um uns herum unruhig. Mit einem Seufzer stehe ich also auf und deute mit dem Zeigefinger in seine Richtung.

»Wie wäre es, wenn du aufhören würdest, alle rumzukommandieren, und uns weiterarbeiten lässt? Wieso bist du überhaupt hier unten?« Er und der Rest des Luzifer-Superteams, zu dem auch Sam gehört, der sich selbst zu meinem Mentor ernannt hat, arbeiten auf einem ganz anderen Stockwerk.

Er schaut auf meinen Finger herunter und lächelt sein blödes Lächeln. Oh Mann. Ob er wirklich denkt, dass ein Jahrhunderte alter Silberfuchs, der sich wie ein Teenager verhält, attraktiv ist? Nicht zu fassen. Es ist ein bisschen so, wie wenn dein Dad versucht, cool zu sein.

Na ja, also nicht mein Dad. Der von anderen Leuten. Meiner hat sich um so’n Scheiß nie bemüht.

Und er ist ja nicht mal mein echter Dad.

Und der aalglatte, elegante Andrew erinnert mich null an ihn.

»Wir haben ein Meeting, und Percy möchte, dass du daran teilnimmst«, sagt er.

Seufzend sperre ich den Computer. Percy ist der Luzifer, und da ich seinem Wohlwollen meinen Praktikumsplatz-Schrägstrich-Job und eine Wohnung zu verdanken habe, versuche ich, es mir nicht mit ihm zu verscherzen. Außerdem ist er nett. Mir fällt es nach den Ereignissen der letzten paar Jahre etwas schwer, Vertrauen zu anderen zu haben, aber Percy wäre ein Kandidat, bei dem ich es versuchen würde.

»Dann komm schon.« Ich stakse voraus, und höre ihn etwas vor sich hinmurmeln, während er mir nachläuft. Was er sagt, kann ich aber nicht ausmachen.

Und? Können Sie noch folgen? Brauchen Sie einen Spickzettel? Dann will ich Ihnen mal die Kurzfassung meines Lebens geben, beginnend mit meinem achtzehnten Geburtstag.

Mein Name ist Noah Cage. Aber nicht wirklich, denn die Leute, die ich für meine Eltern gehalten hatte, haben mich nur im Auftrag einer terroristischen Organisation, der Coalition for Community Advancement, kurz CCA, großgezogen. Vor etwa 45 Jahren hatte die CCA beschlossen, die Menschheit zu versklaven – aber ich sollte lieber eins nach dem anderen erzählen. Zunächst also meine Geschichte.

Zwei Tage nach meinem achtzehnten Geburtstag, ungefähr drei Wochen vor dem Highschool-Abschluss, kam ich aus der Schule nach Hause. Dort warteten drei riesige Männer, die so aussahen, als würden sie gerne zum Spaß Leute in Stücke reißen. Meine Eltern waren dabei, ihre Sachen zu packen. Die Männer teilten mir mit, dass ich mit ihnen kommen würde. Ich fragte meine Mutter, was los war. Sie sagte nur: »Ich bin nicht deine Mom. Du bist jetzt achtzehn, und wir haben unser Geld bekommen.«

Ich bin ausgeflippt. Darauf waren die furchterregenden Typen anscheinend vorbereitet, denn als ich wieder zu mir kam, war ich auf einem Labortisch festgeschnallt.

Ist Ihnen das schon mal passiert? Also ich kann es nicht empfehlen.

Während ich noch darüber nachdachte, ob meine Eltern mich verkauft hatten oder so, und wenn ja, an wen und warum, kam mein Kinderarzt rein. Ja, im Ernst. Meine Eltern waren immer megapingelig, was Kontrolluntersuchungen betraf. Dr. Tish war regelmäßig einmal pro Monat bei uns, um mich zu untersuchen. Rückblickend ist das natürlich schräg, aber wenn man damit aufwächst, ist es ganz normal. Also war ich erst einmal erleichtert, den Arzt zu sehen, den ich schon mein ganzes Leben kannte – bis mir klar wurde, dass er die Wurzel meiner ganzen Probleme war.

Es folgten acht furchtbare Monate. Die meisten Tests waren minimalinvasiv – Seh- und Hörtests, Ausdauer- und Belastungs-EKGs und die ganzen Blutproben natürlich. So megaviele Blutproben. Tag für Tag immer wieder das Gleiche, manchmal mit zunehmenden Reizen, die Stress verursachen sollten. Die Ärzte und Laborassistenten sprachen immer ganz offen vor uns. Das lag daran, dass sie nicht davon ausgingen, dass wir je wieder mit jemand anderem über das sprechen würden, was wir da hörten. Als mir das klar wurde, bekam ich ernsthaft Angst. Dafür weiß ich heute jede Menge über diese Tests, allerdings nichts darüber, warum sie gemacht wurden. Über die Wissensgrundlagen sprachen sie nie, und ich war schwer frustriert, nicht zu erfahren, warum sie uns das antaten.

Denn, ja, genau, ich war nicht der Einzige dort. Wie viele es wirklich waren, weiß ich nicht genau, aber in der Zelle alias dem Schlafsaal, wo ich untergebracht war, waren außer mir drei andere Jungs, und im Flur reihte sich Tür an Tür. Heute könnte ich sicher die genaue Zahl herausbekommen – es gibt ja Unterlagen. Aber ich würde mich nicht besser fühlen, wenn ich wüsste, wie viele Opfer es insgesamt waren.

Ich drücke den Fahrstuhlknopf und versuche, Andrews Unterhaltung mit … wem auch immer auszublenden.

»… ich sage ihnen immer wieder, dass ich die Kekse nur esse, weil sie sie mitbringen. Es liegt doch auf der Hand, Rania. Es ist ja kaum meine Schuld, dass sie köstliche Kekse mitbringen, die mich dazu verführen, sie zu essen!«

Oh Mann. Ernsthaft? Am liebsten würde ich die Treppe nehmen. Ich befürchte aber, dass er viel fitter ist als ich, und dann würde er den ganzen Weg nach oben auf mich einreden.

Glücklicherweise – unglücklicherweise? – sind wir nicht die einzigen Leute im Fahrstuhl, also muss ich zwar weiterhin seine Stimme hören, aber immerhin redet er nicht mit mir.

Also. Wo war ich? Gefangen genommen von meinem Kinderarzt, damit Versuche an mir vorgenommen werden konnten, deren Sinn und Zweck ich nicht verstand. Als ob das nicht schon schlimm genug gewesen wäre, waren die ganzen Leute in dem Laborkomplex sehr merkwürdig. Also, noch merkwürdiger, als man sowieso schon von Leuten erwarten würde, die an nichts ahnenden Teenagern medizinische Tests durchführen. Erst dachte ich, es wäre eine Art Cosplay, mit künstlichen Reißzähnen und Hörnern, oder dass ich bei einem dieser gruseligen Vampirkulte gelandet wäre. Oder vielleicht einem satanischen Kult – ich meine, wenn man den Teufel anbeten wollen würde, hätte man wahrscheinlich auch kein Problem damit, sich künstliche Hörner aufzusetzen, oder? Aber dann hat sich vor meinen Augen eine der Wachen in einen riesigen Hund verwandelt. Wenn es also Gestaltwandler wirklich gab, konnte das nur bedeuten, dass das auch für Vampire und Dämonen galt. Was die ganzen Versuche umso gruseliger machte.

Und dann kam der Tag, an dem einer der Laborassistenten mit zwei Wachen in unseren Schlafsaal kam und anfing, uns irgendein Zeugs zu spritzen. Das war nicht das erste Mal – meist mussten wir nach der Injektion irgendwelchen Sport machen, und dann wurde uns Blut abgenommen. Aber es war das erste Mal, dass einer meiner Zimmergenossen nach der Spritze ohnmächtig wurde. Megagruselig, oder? Also habe ich mich in einem Moment, als alle von etwas, das draußen auf dem Flur passierte, abgelenkt waren, auch fallen lassen und so getan, als wäre ich ebenfalls bewusstlos. Was auch immer in der Spritze drin war – ich wollte es nicht gespritzt bekommen. Und ich kann gar nicht genug betonen, wie viel Glück ich an diesem Tag hatte, denn ungefähr zwanzig Sekunden später habe ich kapiert, dass die anderen gar nicht ohnmächtig waren, sondern tot. Die Tests waren abgeschlossen, und man brauchte uns nicht mehr.

Sind Sie schon mal in ein Krematorium gebracht worden? Auch nichts, was ich unbedingt noch mal haben muss.

Meine Glückssträhne hielt an. Die Wachen beschlossen nämlich, alle toten Testobjekte nach und nach zu sammeln, um sie später gleichzeitig zu verbrennen. Ich habe mich verdrückt, sobald die Typen weg waren. Zuvor hatte ich nie das Gefühl gehabt, ein Glückspilz zu sein, aber ich kann nicht bestreiten, dass an diesem Tag etwas auf meiner Seite gewesen sein muss.

Und das ganze folgende Jahr. Denn obwohl es mir gelungen war, der Verbrennung zu entgehen, habe ich es nicht geschafft, an den Wachen vorbeizukommen, die den Eingang des ganzen Komplexes bewachten. Aber es war ein großes Gelände. Ich schlief immer nur kurz und blieb nie lange am gleichen Ort, und so bekam keiner mit, dass ich da war. Ein paarmal war es recht knapp, und jedes Mal, wenn eine Wache oder ein Wissenschaftler von »Menschengestank aus der Belüftungsanlage« sprach, fing ich an zu schwitzen. Aber sie waren zu arrogant, darauf zu kommen, dass ihnen eines ihrer Testobjekte entwischt sein könnte.

Die Fahrstuhltür geht auf und ich steige vor Andrew aus. Er weiß, wo wir hinmüssen, und ich muss nicht mit ihm abhängen und mir die Geschichte, wie er mal beim Keksebacken »aus Versehen« Salz statt Zucker genommen – und die Kekse mit zur Arbeit gebracht und den Höllenhunden in einem der Ermittlerteams hingestellt hat –, zu Ende anhören. Allerdings würde ich, jetzt, da ich solche Höllenhunde selbst erlebt hatte, sogar Geld dafür ausgeben, um das zu sehen.

Ich trabe den Flur runter, spähe in alle Besprechungszimmer, bis ich das richtige gefunden habe, und klopfe an.

»Hi. Ähm, Sie wollten mich sprechen?«

Percy lächelt mich an. »Ja. Danke, dass Sie gekommen sind, Noah.«

Ich trete ein und setze mich auf einen leeren Platz, zufälligerweise neben Sam, der mich unter seine Fittiche genommen hat, ob ich das nun will oder nicht. Und ich kann ihm auch nicht sagen, dass er mich in Ruhe lassen soll, denn seinFreund ist sogar für einen Dämon beängstigend. Gideon lächelt nie, außer wenn er Sam anschaut. Ansonsten macht er ein Gesicht, bei dem sich meine Hoden zusammenziehen. Also werde ich mich hüten, seinen Freund zu kränken und Gideons Zorn zu riskieren.

David, ein weiteres Mitglied des Seniorteams, schaut zur Tür. »Wo bleibt Andrew?«

»Muss sich noch über Kekse unterhalten.« Ich kann die Verachtung in meiner Stimme nicht ganz unterdrücken, und beiße mir auf die Lippe. Diese Leute mögen Andrew.

Alistair knurrt. »Ich kann nur hoffen, dass er nicht die Geschichte erzählt, wie er versucht hat, uns zu vergiften. Dieser hinterhältige Schuft.«

Tja, vielleicht mag Alistair ihn ja auch nicht. Die beiden zanken ganz schön oft, wenn ich so darüber nachdenke.

Auf einmal ist Alistair mir supersympathisch.

»Ich hole ihn«, murmelt David, aber er schmunzelt beim Rausgehen.

Sam beugt sich zu mir. »Alles okay? Du machst einen angespannten Eindruck.«

Das trägt nicht gerade dazu bei, dass ich mich entspanne. In dieser Community gibt es so etwas wie Privatsphäre quasi gar nicht. Entweder riechen sie, was man gerade gemacht hat oder wie man sich fühlt. Oder sie spüren es irgendwie. Ich wusste nicht, dass Anspannung einen Geruch hat, bis ich diese Leute kennengelernt habe.

Ich zwinge mich zu lächeln. Sam ist zwar manchmal etwas zu besorgt um mich, aber immerhin ist er der Grund dafür, dass ich jetzt hier bin und nicht mehr in dem Labor. Und er hat das Herz am rechten Fleck.

Außerdem sitzt Gideon neben ihm und hört zu.

»Alles gut«, murmele ich also. »Nur, äh, Büropolitik da unten.«

Er runzelt die Stirn, aber ich muss nichts weiter sagen, denn David kommt wieder, mit Andrew im Schlepptau. Sie schließen die Tür und setzen sich – und plötzlich schauen alle mich an.

»Noah, wir haben über Ihre Situation gesprochen, und ich möchte Ihnen noch mal für die ganzen Informationen danken. Ich weiß, dass es eine traumatische Zeit für Sie war, und ich wollte, es wäre nie passiert, aber was Sie alles aufgeschnappt haben, während Sie auf dem Versuchsgelände waren, ist unschätzbar wertvoll gewesen.«

Keine Ahnung, was ich dazu sagen soll. Ich nicke einfach verlegen. Diese Leute haben mich aus einem unterirdischen Laborkomplex befreit und mir einen Job und ein Zuhause gegeben. Ihnen zu erzählen, was ich während meiner Gefangenschaft aufgeschnappt habe, ist ja wohl das Mindeste, was ich tun kann.

Percy lächelt auf seine sanfte Art, bei der ich immer das Gefühl habe, ich müsste ein besserer Mensch werden, und fährt dann fort. »Wir sind auch dankbar, dass Sie uns erlaubt haben, die Testergebnisse und anderen Informationen aus der Akte, die Dr. Tish und sein Team über Sie zusammengestellt haben, einzusehen.«

Ich zucke mit den Achseln, immer noch verlegen. »Damit hätte ich sowieso nichts anfangen können, und ich wollte gerne verstehen, was … Ich wollte gerne verstehen.«

Denn das tue ich nicht. Nach wie vor nicht. Obwohl es mir schon mehrfach erklärt wurde, ist es mir immer noch ein Rätsel.

Die CCA wollte die Menschheit versklaven.

Um das zu tun, musste die Fruchtbarkeitsrate der diversen Spezies in der Community erhöht werden, damit die Menschen später nicht mehr in der Überzahl sein würden. Die Fruchtbarkeit in der Community ist sehr viel niedriger als bei Menschen.

Mithilfe von Zauberei wurden die Föten von Paaren, von denen ein Partner menschlich war und der andere einer anderen Spezies angehörte, im Mutterleib modifiziert.

Zwei Jahrzehnte später wurden diesen genetisch modifizierten Leuten Eizellen und Sperma entnommen, um die nächste Generation – meine Generation – zu züchten, und festzustellen, ob wir als Menschen geboren werden.

Anscheinend ging es bei den ganzen Tests genau darum: zu sehen, ob etwas von unseren Community-Genen überlebt hatte. So wie es mir erklärt wurde, ist das genetische Material der Community grundsätzlich dominant. Wenn dein Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßvater ein Dämon war, wirst du ein Dämon, auch wenn seine Partnerin ein Mensch war und all seine Nachkommen sich immer nur mit Menschen fortgepflanzt haben.

Das bedeutet, dass die Tatsache, dass ich zu einhundert Prozent Mensch bin, obwohl ich einen Großvater habe, der Vampir war, gegen die Naturgesetze verstößt. So wie die Welt funktioniert, hätte ich ein Vampir werden müssen.

Keine Ahnung, wie ich mich dabei fühlen soll. Ich hasse die ganzen Versuche, die an mir vorgenommen wurden, und mir gefällt es definitiv nicht, das Produkt eines Experimentes zu sein. Aber ich bin als Mensch aufgewachsen, und die Vorstellung, dass ich eigentlich ein Vampir sein müsste – oder hätte sein müssen –, finde ich … gruselig.

Die ganze Situation ist für den Arsch.

Das Gute ist, dass die CCA nahezu aufgelöst wurde. Die meisten Wissenschaftler sind im Gefängnis und erwarten ihren Prozess. Alle zur CCA gehörenden Stützpunkte sind durchsucht, Besitz und Unterlagen sind beschlagnahmt und die Gelder eingefroren worden. Nur Dr. Tish und ein paar seiner hochrangigen Zauberer und Wissenschaftler sind noch auf freiem Fuß.

Ganz ehrlich? Das macht mir eine Scheißangst.

Dieser Mann war mein ganzes Leben eine Vertrauensperson für mich. Dann stellte sich raus, dass er ein Ungeheuer ist – und zwar noch nicht mal, weil er ein Zauberer ist. Und jetzt, da ich frei bin und die Chance habe, mein verpfuschtes Leben wieder neu zu starten … ist er immer noch irgendwo da draußen.

Man hat keinen Pieps mehr von ihm gehört, also ist auch unklar, wo er sich aufhält und was er treibt. Sam versichert mir, dass sie ihn aufspüren werden, dass Tish nirgendwohin fliehen kann. Außerdem hat er sowieso keine Ahnung, dass ich noch am Leben bin. Trotzdem wache ich nachts panisch auf und befürchte, dass er mich finden wird.

Sam tätschelt mir beruhigend das Knie, also hat er irgendwie mitgekriegt, dass meine Laune umgeschlagen ist. Wahrscheinlich riecht er es oder so. Ich hasse diesen Mangel an Privatsphäre.

»Jetzt, da wir mehr über die Forschung von Tish und der CCA wissen, sind wir ganz sicher, dass es für Sie keine Spätfolgen haben wird, Noah. Sie sind natürlich traumatisiert, aber physisch sollte es keine Nachwirkungen geben. Und wenn Sie wegen irgendetwas in Sorge sind, irgendwelche Veränderungen an sich feststellen – das CSG wird sich um Ihre medizinische Versorgung kümmern. Sie müssen nur Bescheid sagen.«

Ich spüre eine eisige Faust im Magen. »Das klingt ja, als würden Sie nicht damit rechnen, dass ich bleibe«, sage ich dann vorsichtig. Also langfristig will ich ja selbst nicht hierbleiben, das stimmt schon, aber ich bin noch nicht ganz dahinter gestiegen, was Normalität für mich eigentlich bedeutet. Ich bin noch nicht bereit, mein Sicherheitsnetz zurückzulassen – besonders nicht, solange Tish noch auf freiem Fuß ist.

Percy schüttelt sofort den Kopf. »Nein, nein. So meine ich das nicht. Sie machen einen super Job hier beim CSG, und wenn Sie bleiben möchten, helfen wir Ihnen sehr gern dabei, offizielle Qualifikationen zu erwerben und Ihre Karriere voranzutreiben.« Sein Blick sagt mehr als deutlich, dass er weiß, dass ich das nicht anstrebe. »Wir wollen nur deutlich machen, dass das CSG sich um alle Auswirkungen Ihrer Erlebnisse bei der CCA kümmern wird, egal, welchen Weg Sie einschlagen.«

Na, so was. Das ist … sehr nett von ihnen. Sam ist schließlich auch erst mit fast vierzig Shifter geworden. Percy sagt, dass das bei mir nicht passieren wird – er konnte genau sehen, dass Sam eigentlich ein Shifter sein sollte, und dass ich komplett menschlich aussehe.

Aber man weiß ja nie.

»Danke. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Ich hoffe allerdings, dass ich es nie in Anspruch zu nehmen brauche.« Warum muss das hier unbedingt ein Gruppenmeeting sein? Es ist mir voll unangenehm, dass die anderen alle zuhören, wenn es um meine zukünftigen medizinischen Bedürfnisse geht. Um meine Zukunft generell.

Percy fährt lächelnd fort: »Was mich zum eigentlichen Grund für diese Sitzung bringt. Wir haben ja schon darüber gesprochen, dass die Magie Ihre Entwicklung sehr genau verfolgt, seit Sie hier sind. Die Tatsache, dass Sie die Magie spüren können, ist äußerst ungewöhnlich.«

Ich kann mein Schnauben gerade noch unterdrücken. Das erste Mal, dass ich die existenzielle Magie, die Kraft, die das gesamte Universum steuert, gespürt habe, war an dem Tag, als Sam ins Labor gebracht wurde. Es war total komisch, aber sobald ich in die Nähe des Labors kam, in dem er war, und versucht habe, die Techniker zu belauschen, habe ich … etwas gespürt. Es fühlt sich so an wie Wasser auf der Haut, nur dass der Widerstand etwas geringer ist. Ich fand’s erst mal unangenehm. Tja, und seither bin ich es nicht mehr losgeworden. Percy hat mir erklärt, was es ist. Als Luzifer hat er eine besondere Verbindung zur Magie. Er hat so nebenbei erwähnt, dass die Magie mich zu mögen scheint, weil sie mich irgendwie unter ihre metaphysischen Fittiche genommen hat, und als ich das ein bisschen hohl mit: »Ach so, das ist es also« kommentierte, waren plötzlich alle ganz aus dem Häuschen. Anscheinend spüren Menschen die Magie sonst nicht so ohne Weiteres. Man muss diese Fähigkeit trainieren und sich Mühe geben. Also haben sie daraus geschlossen, dass meine Community-DNA doch dominant sein muss.

Mit anderen Worten: Ich bin einfach ein Mensch mit Fabrikationsfehler.

»Äh, ja. Es scheint so, als ob … sie noch da ist.«

»Wir sind inzwischen ganz sicher, dass Sie ein Mensch sind, aber jetzt vermuten wir, dass es sein kann, dass Sie ein paar rezessive Eigenschaften Ihrer Vampirvorfahren geerbt haben, und dass Sie deswegen die Magie so spüren können, als wären Sie als Vampir auf die Welt gekommen.«

Wie jetzt? »O-kayyyy …«

Sein Lächeln wird breiter. Er findet mein Zögern anscheinend amüsant. Ernsthaft. Diese Leute …

»Diese Theorie würden wir gerne erhärten …«

Ich habe schon den Mund aufgemacht, um zu protestieren – keine Tests mehr für mich, nein danke –, als er die Hand hebt.

»Nein, keine medizinischen Untersuchungen. Wir wollen nur ausprobieren, ob Sie sich vielleicht irgendwelche Vampirfähigkeiten aneignen können. Sie müssten dafür meditieren und bestimmte Übungen machen, wie ein heranwachsender Vampir das auch tun würde, während er seine Fähigkeiten entwickelt.«

Hm. Das klingt ja nicht so schlimm. Aber … »Müsste ich dazu Blut trinken?«

Andrew schnaubt. »Nur wenn du Verlangen danach verspürst.«

Ich bin ziemlich sicher, dass das nicht passieren wird. Ich habe es nicht an die große Glocke gehängt, aber ich ekle mich vor Blut. Nach all den Tests bin ich zwar daran gewöhnt, aber das bedeutet noch lange nicht, dass es mir gefällt.

»Okay, das klingt machbar.«

Sam tätschelt wieder mein Knie, dieses Mal anerkennend. »Hoffentlich finden wir ein paar latente Fähigkeiten bei dir. Mir wäre so viel wohler, wenn du eine angeborene Möglichkeit hättest, dich zu verteidigen.«

Daran hatte ich ja überhaupt noch nicht gedacht, aber, verdammt, er hat total recht. Ein Vampir will ich zwar nicht sein, aber sogar ich muss zugeben, dass ich vor Vampiren einen mega Respekt habe. Wenn ich das Charisma der Vampire oder ihre Geschwindigkeit oder ihre Kraft haben könnte, oder meinetwegen auch nur die schärferen Sinne, würde es mir viel leichter fallen, mich zu verteidigen, falls Tish zurückkehrt. Vielleicht könnte ich dann auch mal wieder länger als dreißig Minuten am Stück schlafen.

»Na klar. Klingt gut.« Ich bin voll dabei.

»Wunderbar. Die Details kannst du mit Andrew besprechen. Aber ich denke, es wird einfacher für dich, wenn du deine ersten Versuche nicht vor Publikum machen musst.«

Und da ist sie wieder, die Arschkarte. Andrew? Ich werfe einen Blick auf sein blödes, selbstzufriedenes Gesicht. Ich hätte es wissen müssen. Natürlich ist er derjenige, der das übernehmen wird. Schließlich ist er der einzige Vampir in diesem Team. Irgendwie habe ich das Ganze nicht richtig durchdacht.

»Ähm, hat Andrew denn Erfahrung damit, ein Mentor für junge Vampire zu sein?« Das war mein verzweifelter Versuch, die Situation zu retten. »Vielleicht könnte jemand, der eigene Kinder hat …« Mist. Vielleicht hat Andrew sogar Kinder. Schließlich ist er schon über 800 Jahre alt, wenn die Gerüchte stimmen. Vielleicht sind sie alle längst erwachsen. Am Ende hat er Dutzende. Ich meine, ich kann ihn zwar nicht ausstehen, aber das soll nicht heißen, dass er nicht total sexy ist. Natürlich ist er für andere Leute attraktiv. Wenn er geknebelt wäre und eine Tüte über dem Kopf hätte, würde sogar ich Sex mit ihm haben wollen. Alles, was ich so höre, deutet zwar darauf hin, dass er auf Männer steht, aber wenn ich Hunderte Jahre alt wäre, hätte ich es vielleicht auch mal mit einer Frau ausprobiert, um zu sehen, wie es ist.

Alle starren mich an.

»Möchtest du denn nicht, dass ich dir helfe?«, fragt Andrew. Nach außen klingt er besorgt und ein bisschen gekränkt, aber das Zucken um seine Mundwinkel und das Blitzen in seinen Augen verraten mir, dass er uns verarscht.

Sackgesicht.

»Aber du bist doch so beschäftigt«, sage ich, die Unschuld in Person – obwohl ich bezweifle, dass irgendjemand in diesem Raum darauf reinfällt. So gut kennen sie mich inzwischen auch, sogar Percy. »Ich will dich auf keinen Fall von wichtigen Dingen abhalten.«

So wie ich es ausgesprochen habe, weiß ich, dass ich verloren habe.

Er schüttelt mit breitem Lächeln den Kopf. »Aber nein, Noah. Derzeit ist nichts wichtiger als du. Ich opfere gern meine Freizeit, um dich zu unterstützen.«

Ich denke kurz darüber nach, zu widersprechen, aber hätte das wirklich Sinn? Stattdessen ringe ich mir ein gequältes Lächeln ab und sage: »Super. Danke. Ich freu mich drauf.«

Sam hustet, und David räuspert sich und presst die Lippen zusammen, als wollte er sich das Lachen verkneifen.

Andrew, der Arsch, klatscht in die Hände. »Wunderbar! Ich kann es kaum erwarten. Am besten fangen wir gleich heute an!«

»Du bist so ein Blödmann«, teilt Alistair ihm mit. Dann wendet er sich an mich. »Falls du ihn aus Versehen verstümmelst, ist das okay.«

»Gut zu wissen.« Ja, Alistair mag ich definitiv.

»Überhaupt nicht gut zu wissen«, sagt Sam vorwurfsvoll. »Meine Güte, es ist auch so schon schwierig genug, diesen Haufen im Zaum zu halten. Mach es bitte nicht noch schlimmer, Noah.« Aber er lächelt, und ich habe das Gefühl, dass er sich freut, dass ich mich im Team wohlfühle. Wie gesagt, Sam hat sich selbst zu meiner Mentoren- und Vaterfigur ernannt. Er möchte, dass ich glücklich bin, und er gibt sich alle Mühe, dafür zu sorgen.

Ich habe ehrlich gesagt null Ahnung, wieso.

Percy räuspert sich. »Dann verbleiben wir so. Noah, wir geben dieser Theorie etwas Zeit. Sollte sich jedoch herausstellen, dass sie nicht valide ist, habe ich noch ein paar weitere Ideen, warum die Magie Sie so ins Herz geschlossen hat.«

Ich nicke. »Danke schön.« Das meine ich ernst. Percy ist wirklich super. Als ich zum ersten Mal zu ihm gebracht wurde, hatte ich mega Schiss. Sie hatten gesagt, dass sie danach wissen würden, was sie mit mir machen sollen. Aber er war einfach nur nett und geduldig, und nachdem er bestätigt hatte, dass die Magie für meine Geschichte gebürgt hat, waren alle auf meiner Seite. Das hier mag zwar eine fremde Welt sein, aber diese wildfremden Personen sind alle um Längen netter zu mir als meine angeblichen Eltern es je waren.

Das Meeting löst sich auf, und während alle aufstehen und plaudernd ihre Siebensachen zusammenpacken, versuche ich, unauffällig zu verschwinden. Vielleicht schaffe ich es, mich rauszuschleichen, solange sie alle abgelenkt sind, und Andrew auszuweichen …

Eine Hand auf meiner Schulter signalisiert das Ende meiner Hoffnungen.

»Du versuchst wohl, abzuhauen?«, fragt eine weibliche Stimme, und ich drehe mich zu Elinor um, die mich angrinst.

»Du schaffst es noch, mich dazu zu bringen, dass ich dich hasse«, gebe ich zurück, und sie lacht.

»So schlimm wird es nicht werden. Und wer weiß? Vielleicht macht es dir sogar Spaß?«

Spaß? Wenn ich mit Andrew Zeit verbringen muss? Ist das ihr Ernst?

Ach so. Sie meint wahrscheinlich die Übungen. Ja. Klar, das ist möglich.

»Noah, bist du so weit?«, fragt der Blödmann – danke, Alistair, für diese passende Bezeichnung –, während er mit Percy neben mich tritt. Ich versuche, meinen Mund zu etwas zu verziehen, das als Lächeln durchgehen könnte.

»Aber ja. Kann’s kaum erwarten.«

Elinor lacht wieder und klopft mir im Weggehen auf die Schulter. Percy lächelt und folgt ihr. Aber bevor ich auch nur daran denken kann, meinerseits abzuhauen, gesellen sich Sam und Gideon zu uns.

»Wo wollt ihr das machen?«, fragt Sam, und Andrew zuckt mit den Achseln.

»Ich bin nicht ganz sicher, ehrlich gesagt. Ich dachte erst, vielleicht im Fitnessraum, aber wahrscheinlich ist es besser, wenn wir es erst mal geheim halten. Bei mir vielleicht? Oder bei Noah zu Hause.«

Nur über meine Leiche.

»Wie wär’s mit einem Konferenzraum?«, frage ich leicht verzweifelt. »Wie viel Platz brauchen wir denn überhaupt? Meine Wohnung ist ziemlich klein.«

Andrew grinst, als wüsste er genau, dass ich ungern das Büro mit ihm verlassen will. »Wahrscheinlich nicht allzu viel. Aber die Konferenzräume sind alle ein bisschen zu klein«, fügt er mit einer Geste hinzu. Er hat recht. Mit dem Tisch und den Stühlen kann man sich hier drin wirklich kaum bewegen.

Allerdings habe ich keine Ahnung, wie viel Platz wir tatsächlich brauchen werden.

»Vielleicht im großen Konferenzraum?«, schlägt Gideon vor, und ich zucke leicht zusammen. Er spricht nicht viel, jedenfalls nicht mit mir, und ich bin immer überrascht, wenn er es tut.

Andrew legt den Kopf schief und spitzt nachdenklich die Lippen. Er sieht dabei so bescheuert aus, dass ich lachen muss.

Also sehen jetzt alle mich an.

Ich tue so, als müsste ich husten. »Sorry. Hab mich verschluckt.«

Sam seufzt, und Gideon hebt eine Augenbraue. Unwahrscheinlich, dass einer von ihnen mir glaubt.

»Das könnte gehen«, meint Andrew. »Wenn wir den Tisch ein bisschen beiseiteschieben. Komm, Noah.« Er macht kehrt und geht, während meine Kinnlade nach unten klappt. Erwartet er ernsthaft von mir, dass ich ihm wie ein Hündchen folge?

Aber da er tatsächlich losgetrabt ist, scheint es so zu sein.

»Noah?« Sam legt mir eine Hand auf den Arm, und ich schaue zu ihm runter. Ich bin kein Riese, aber er ist wirklich klein. »Versuch, Geduld zu haben. Ich weiß, Andrew kann ein bisschen … anstrengend sein. Aber er will dir tatsächlich helfen.«

Das gibt mir einen Stich. »Ja, sorry. Ich weiß schon. Es ist nur …« Dass er ein gigantisches Arschloch ist? Aber er tut mir gerade wirklich einen Gefallen. »Ich gebe mir Mühe.«

Sam lächelt.

»Na wird’s bald, Menschlein? Bei deiner begrenzten Lebenszeit hast du nicht mehr so viele Jahre zu verschwenden!« Man hört ihn den ganzen Flur runter bis hierher, wahrscheinlich auf der ganzen Etage.

Sam schließt die Augen.

Oh, geht mir dieser Typ auf den Sack!

KAPITEL 2

ANDREW

Ich lehne mich an die Wand im Flur und lasse mit einem Lächeln den Zauberer aus der Personalabteilung vorbei. Bestimmt saust er gleich in sein Büro und reicht eine Beschwerde über mich ein. Vielleicht wegen Lärmbelästigung oder weil es unpassend ist, menschliche Kollegen auf die Kürze ihrer Lebensspanne hinzuweisen.

Nicht, dass wir viele von der Sorte hätten. Eigentlich nur Noah. Früher gab es Sam, aber dann kam seine Shifter-Natur bei ihm durch. Eine lange Geschichte. Jedenfalls ist Noah jetzt der einzige Mensch, der beim CSG arbeitet.

Und es macht so viel Spaß, ihn aufzuziehen.

Ja, mir ist bewusst, dass ich ihm auf den Geist gehe. Und ja, meist tue ich das sogar absichtlich. Ob ich ein schlechtes Gewissen deswegen habe? Nicht wirklich. Noah ist weder scheu noch zurückhaltend. Anfangs hatte ich schon befürchtet, dass er nicht darauf einsteigen würde, aus Angst, seinen Status bei uns aufs Spiel zu setzen. Dann habe ich ihn in Aktion gesehen und war nicht mehr besorgt. Meine Güte, kann er austeilen!

Es ist bezaubernd.

Das sollte ich ihm mal sagen. Ich bin sicher, es würde ihn so richtig auf die Palme bringen.

Jedenfalls ist Noah nicht auf den Mund gefallen. Er hält sich nur in Percys Gegenwart zurück, und bei Gideon ist er extrem vorsichtig. Ich finde das sehr witzig. Sam kümmert sich rührend um Noah, und Gideons wichtigster Lebenszweck ist es, Sam glücklich zu machen. Wenn man im Wörterbuch »Brechreiz erregend« nachschlagen würde, wäre die Definition sicher »Gideons und Sams Beziehung«.

Jetzt verliere ich langsam die Geduld, und bin kurz davor, noch mal meine Stimme zu erheben, aber da kommt Noah schon aus dem Besprechungsraum und funkelt mich böse an, während er den Flur entlang auf mich zustapft. Wenn Blicke töten könnten oder er eine Waffe in der Hand hätte, würde ich mir tatsächlich Sorgen machen. Stattdessen richte ich mich auf und schenke ihm mein strahlendstes, enervierendstes Lächeln.

»Da bist du ja! Ich hatte mich allmählich gefragt, ob deine Lebensspanne schon abgelaufen ist.« Sicher, das ist ein bisschen dämlich, aber ich habe festgestellt, dass Älterwerden ein wunder Punkt bei Menschen ist.

Er läuft weiter, an mir vorbei, und murmelt dabei etwas über blöde geriatrische Vampire vor sich hin, die nicht in Würde tot bleiben können. Das bringt mich einen Moment aus dem Konzept, bis mir einfällt, dass es unter den Menschen diesen Mythos gibt, dass Vampire Untote sind.

Was soll das überhaupt heißen, untot? Tot ist tot. Und wenn man nach dem Tod neu inkarniert, dann ist man eben … wieder am Leben. Oder?

Menschen sind seltsam. Sie haben eine völlig absurde Kultur aufgebaut, um die Realität unserer Existenz zu leugnen. Und dann glauben sie auch die nicht.

Ich hole ihn bei den Fahrstühlen ein und räuspere mich.

»Es ist schon in Ordnung, wenn du mich als untot bezeichnest«, sage ich leise und starre geradeaus, »denn mir ist das total egal, außerdem beleidige ich dich ja auch absichtlich. Aber das solltest du lieber zu keinem anderen sagen. Die meisten Vampire hören es gar nicht gerne.«

Eine Sekunde scheint es so, als wollte er mich ignorieren, aber dann nickt er kurz. »Sorry.« Er dreht noch nicht mal den Kopf zu mir um, sonst würde er sehen, dass ich wieder grinse.

»Schon gut«, sage ich dann großzügig. »Ich verstehe ja, dass das menschliche Gehirn nicht so viel Zeit hat, sich zu entwickeln, wie das bei anderen Spezies der Fall ist.«

Er schlägt mit der Faust auf den Fahrstuhlknopf.

Ein Punkt für mich.

Die Fahrt im Aufzug verläuft schweigend, und er sagt nichts, bis wir den Konferenzraum erreicht haben. Buchstäblich keinen Pieps, noch nicht mal, um die anderen auf dem Flur zu grüßen – er nickt ihnen nur zu. Jetzt mal ehrlich, ist es zu viel verlangt, Hallo zu sagen? Kein Wunder, dass alle ihn für einen Arsch halten.

Nicht, dass wir beim CSG besonders wenige davon hätten. Ihr König ist sicher Gideon. Der Unterschied ist nur, dass die anderen keine Baby-Menschen sind. Niemand würde je auf die Idee kommen, Gideon vorzuwerfen, dass er unhöflich ist, weil sie viel zu beschäftigt damit sind, sich dafür zu entschuldigen, dass sie auf der Welt sind, und ihm aus dem Weg zu gehen. Aber Noah ist verwundbar, und wenn er die falsche Person verärgert, wird ihn seine Fauchendes-Kätzchen-Nummer nicht retten können.

Darum habe ich Percy vorgeschlagen, mit ihm zu trainieren.

Uns beunruhigt schon eine ganze Weile, wie stark die Magie an Noah hängt. Das tut die existenzielle Magie sonst einfach nicht. Die einzige Person, mit der sie »Zeit verbringt«, ist Percy, und das liegt daran, dass er der Luzifer ist, das Oberhaupt unserer Community hier auf der physischen Ebene. Die Magie hat ihn für diese Aufgabe auserwählt und sie wird ihn dabei unterstützen, solange sie es für richtig hält.

Aber wir anderen … wir sind für die Magie nur unbedeutende Wesen. Also ist die Tatsache, dass sie Noah die ganze Zeit umgibt, sodass er gar nicht anders kann, als sie zu spüren, etwas besorgniserregend. Hoffentlich geht es nur darum, unsere Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken, das Noah von uns braucht. Daher der Plan, mit ihm zu arbeiten, um zu sehen, ob er von seinen Ahnen irgendwelche Fähigkeiten mitbekommen hat.

Im Konferenzraum sehe ich mich um und überlege, wie ich die Möbel am besten wegrücke, um uns Platz zu verschaffen. Allzu viel Raum werden wir nicht brauchen, aber wenn Noah doch Vampirfähigkeiten haben sollte und sie zum Tragen kommen, soll er sich nicht eingeengt fühlen. Das könnte zu Panik führen.

»Lass mich mal kurz den Tisch zur Seite schieben, dann kann es losgehen.« Ich stemme die Hände gegen die Mitte des Tisches.

»Warte, das schaffst du doch nie im Leben allein.« Noah klingt, als würde er gleich die Geduld verlieren. »Geh du an die Seite, ich nehme die hier.«

Oh, kleines Menschlein.

Mit einem spöttischen Blick über die Schulter schubse ich den Tisch – ein massives, viereinhalb Meter langes Monstrum aus Eiche – leicht an, und er rutscht auf dem Teppich bis an die Wand. »Vampirstärke«, erkläre ich, obwohl mir der kummervolle Ausdruck auf seinem Gesicht schon sagt, dass ihm das klar ist. »Und schau mal, die ganzen Stühle sind gleich mit rübergerutscht! Jetzt müssen wir nur noch ein paar wegstellen.« Es sind etwa sieben, aber das lässt sich auch schnell anders lösen.

Ich setze mich auf einen der Stühle und stoße mich ab. Er hat Rollen, also sause ich durch den ganzen Raum, rufe »Huiii!«, und greife zwei weitere, während ich an ihnen vorbeirolle. Als ich auf der anderen Seite des Raumes ankomme, ist schon fast alles erledigt. Zwei Stühle werden wir schließlich noch zum Sitzen brauchen.

Ich bin so was von gut!

Aber Noah funkelt mich wieder an, also ist er offenbar nicht meiner Meinung. Ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, womit er diesmal ein Problem hat. Seufzend stehe ich auf und schubse noch zwei Stühle zu ihren Freunden hinüber. Das Scheppern ignoriere ich. Dann setze ich mich auf einen der übrig gebliebenen und deute auf den anderen.

»Komm schon, lass uns anfangen.«

Er setzt sich hin und rollt ein paar Zentimeter weg, obwohl wir nun wirklich nicht so nah voreinander sitzen. Jetzt werde ich aber wirklich langsam ungehalten – was denkt er denn? Dass ich Läuse habe oder so etwas? Bitte. Ich habe meinen Körper schon gepflegt, als seine Vorfahren noch der Meinung waren, dass Dreck sie vor Krankheiten schützt.

Allerdings … er stammt ja von Vampiren ab, das stimmt also gar nicht. Jedenfalls nicht hundertprozentig.

»Was weißt du denn alles über Vampirfähigkeiten?« frage ich ihn in der Hoffnung, dass er dadurch etwas lockerer wird. Wenn er so verkrampft bleibt, ist das hier zum Scheitern verurteilt.

Er zuckt die Achseln. »Nur das, was ich gelernt habe, seit ich hier bin. Hauptsächlich musste ich alles, was ich vorher gelernt hatte, wieder verlernen.«

Ich nicke. »Die Menschen haben eine lebhafte Fantasie. Du weißt also, dass wir nicht wirklich tot sind« – das kann ich mir nicht verkneifen – »und dass wir keine Probleme mit Sonne, religiösen Artefakten und Knoblauch haben und so?«

»Ja. Äh. Würde es dir etwas ausmachen, wenn … Also ich hätte ein paar Fragen, wollte aber niemanden beleidigen.«

Ich muss laut herausplatzen. »Aber wenn du mich beleidigst, ist es egal?«

Einen kurzen Moment sieht er aus, als ob er zustimmt. »Nein, das hab ich nicht gemeint«, sagt er dann schnell, aber es besteht kein Zweifel daran, dass sein Ton viel zu höflich ist, um aufrichtig zu sein.

»Das ist okay. Du kannst mich alles fragen.« Ich winke ab. »Es hat ja keinen Sinn zu versuchen, dir zu helfen, wenn du dabei keine Fragen stellen kannst.«

Er zögert einen Augenblick, dann traut er sich: »Also in den Legenden der Menschen ist ja immer die Rede von Holzpflöcken und dass man Vampire köpfen muss, um sie umzubringen.«

»Ah. Also, es ist ja für kein lebendes Wesen schön, wenn man ihm einen angespitzten Holzpflock ins Herz rammt. Aber die meisten dieser Mythen besagen ja, dass Vampire zu Staub zerfallen, wenn man ihnen mit etwas das Herz durchbohrt, oder? So ist es nicht. Tatsache ist, dass wir aufgrund unserer Fähigkeit zur schnellen Heilung gar nicht unbedingt sterben würden, solange der Pflock schnell genug entfernt wird und wir mit Blut und medizinisch versorgt werden. Anders ist es beim Köpfen. Ich kenne aber auch keine Kreatur, die ohne Kopf überleben könnte. Ein Regenwurm vielleicht? Da fällt mir ein, einer meiner Verflossenen hat mich mal einen Wurm geschimpft. Vielleicht würde ich es ja doch überleben, geköpft zu werden.«

Er blinzelt mich an, offenbar von meinem Witz geblendet. »Du zerfällst also nicht sofort zu Staub, wenn du stirbst?«

»Nein.«