Gruselband: 3 Horror-Kurz-Romane - Willi Bieske - E-Book

Gruselband: 3 Horror-Kurz-Romane E-Book

Willi Bieske

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Beschreibung

Gruselband: 3 Horror-Kurz-Romane! Horror aus Wismar Dieses Band umfasst 3 Horror-Kurzromane. Geschichten, bei denen man sich richtig gruseln kann. Tauchen Sie ein, in die Welt des Übernatürlichen!

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Gruselband: 3Horror – Kurz –Romane

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Gruselband: 3Horror – Kurz –Romane

WILLI BIESKE

© 2022 Willi Bieske

Buchsatz von tredition, erstellt mit dem tredition Designer

ISBN Softcover: 978-3-347-60712-5

ISBN Hardcover: 978-3-347-60718-7

ISBN E-Book: 978-3-347-60723-1

ISBN Großschrift: 978-3-347-60728-6

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort:

DER PUPP-PUPP

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

50. Jahre SPÄTER

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

36.

37.

38.

39.

DIE INVASION DER RATTEN: TEIL 1: BERLIN

Vorwort

Prolog:

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

NACHT-ANGST: HORROR-KURZGESCHICHTEN

BAND 1

Der kleine Mann-

Die goldene Klinge

Die Spiegel-Frau

Das Ding vom Dachboden

Camgirl

Der Gruselkeller

Teufelszeug

Schlusswort

Vorwort:

Liebe Leserinnen, liebe Leser:

Ich freue mich recht herzlich, dass Sie sich für dieses Buch entschieden haben.

Folgende Horror-Geschichten sind in einem Buch zusammengefasst:

1 – Der Pupp-Pupp: Teil 1- Heimsuchung

2 – Die Invasion der Ratten: Teil 1: Berlin

3 – Nacht-Angst Band 1 (Horror-Kurzgeschichten)

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

DER PUPP-PUPP

TEIL 1:HEIMSUCHUNG

Prolog

Der Tag, der unser Denken, unsere Träume und die gesamte Welt für immer verändern sollte, war gekommen. Keiner ahnte, was für ein Grauen sich über uns legen sollte, etwas Teuflisches, das nicht zu fassen war. Inmitten des kleinen Dorfes Siegberg im Allgäu, das an jenem Tage in Nebel und Feuchtigkeit gehüllt war, begannen die unheimlichen Vorfälle.

Hier lebte auch Familie Carlsson. Ihr Haus stand an einer vielbefahrenen Hauptstraße, der Bergstraße. Es wurde erst vor zwei Jahren erbaut, doch beim Bauen des Hauses mussten die Arbeiter gepfuscht haben. Der Keller war feuchter als ein Biotop. Dabei hatte es von außen gar nicht den Anschein.

Es war eine moderne Villa, weiß gestrichen, auf altmodisch gemachte hellbraune Fenster, mit schön anzusehenden hellblauen Dachziegeln. Eigentlich glänzten sie in der Sonne, doch heute sah man sie kaum.

Das eine Detail des Hauses aber, das trotz des grauen Wetters ein Blickfang war, war der kleine überdachte Glasturm, ganz oben, in der Mitte des Daches.

Hier hatte Louis Carlsson sein paradiesisches Kinderzimmer. Die Eltern hatten ihn extra von einem Architekten einplanen lassen, für ein Wunschkind, versteht sich, doch er war alles andere als ein Wunschkind. Er war der einzige Sohn und auch das einzige Kind von den Carlssons. Sie waren mit einem Kind am Limit ihrer Fähigkeiten. Mutter Carlsson, Heidi genannt, und Vater Carlsson, Hubertus genannt, arbeiteten beide bei der Polizei und hatten nur wenig Zeit.

An schlechten Tagen waren sie stark am Zweifeln, ob sie sich hätten ein Kind anschaffen sollen, denn Louis hatte frühkindlichen Autismus und der Umgang mit ihm war nicht einfach. Sie zeigten es nicht vor ihm, aber sie dachten es.

Kein einziger Schulkamerad hatte je das Haus der Carlssons besucht, da Louis alleine bleiben wollte. Er mochte niemanden sehen und bevorzugte es, in seinem, nennen wir es mal »Loft«, zu lesen. Er war zehn Jahre alt und verschlang ein Buch nach dem anderen.

Die Eltern waren überfordert, denn er war unterentwickelt und sprach kaum ein Wort. Seine Inselbegabung galt dem Lesen und nichts weiter interessierte ihn. So hofften Heidi und Hubertus, dass er irgendwann normal sein würde, wie alle anderen Kinder, doch dieses »Irgendwann«, sollte nie kommen.

Louis wusste, dass es im feuchten Keller der Villa spukte, aber er verlor nie ein Wort darüber, denn ihm hätte sowieso niemand geglaubt. Doch jede Nacht vernahm er Geräusche und fürchtete sich. Seine Eltern schienen davon nichts mitzubekommen, aber in seinem ausgebauten Dachgeschosszimmer, war es klar und deutlich zu hören. Eine flüsternde Stimme, aus tausend Alpträumen erschaffen. Er bildete es sich nicht ein. Jede Nacht wurde zu Qual, als diese unheimliche Stimme ihn rief. Er solle in den Keller kommen. Louis war noch nie in diesem Keller, aber er ertrug es auch nicht mehr. Irgendwann musste er darunter, vielleicht hörte der Spuk dann auf.

Am Abend des ersten Januars, machten sich Heidi und Hubertus wie jeden Abend fertig für den Nachtdienst im Streifenwagen. Louis saß oben in seinem Bett und las. Er freute sich regelrecht, wenn seine Eltern zur Arbeit fuhren, denn dann konnte er ganz er selbst sein. Von außen hin schien er die Welt nicht zu verstehen, aber innerlich kochte er und hasste seine Eltern dafür, dass sie ihn nicht ausstehen konnten.

»Tschüss Louis«, rief Heidi.

Louis antwortete nicht und hörte nur die Tür zuknallen.

Jetzt war er alleine und die Stimmen würden wieder kommen. Doch heute Nacht, so schwor er sich, würde er in diesen gruseligen Keller gehen, egal was passieren würde. Was hatte er schon zu verlieren, als unerwünschtes Kind?

Er legte das Buch beiseite, als er das Geklapper im Keller vernahm. Es begann, als seine Eltern das Haus verließen und hörte auf, als sie wieder heimkehrten.

Louis stand auf und ging langsam in Richtung seine Zimmertür. Er öffnete sie und ließ sie offen stehen. Es hörte sich an, als wäre dort jemand unten, jemand, der auf ihn wartete. Hinter ihm flog die Tür zu, Louis erschrak sich und begann zu zittern. Was war nur mit ihm los? Er las doch sonst auch Gruselgeschichten, warum hatte er jetzt Angst? Er lief weiter und erreichte die hellbraune lackierte Holztreppe, die in das Erdgeschoss führte. Langsam stieg er herab. Mit wackeligen Beinen erreichte er den unteren Bereich, und da war sie, die stählerne Kellertür. Sie war gräulich und strahlte Kälte aus, ein purer Gegensatz zu der Treppe, die hoch zu seinem Zimmer führte.

»Louis«, flüsterte es.

Das war die flüsternde Stimme, die er jede Nacht hörte. Nie folgte er ihrem Befehl, doch heute war ihm alles egal. Er wollte in diesen Keller.

»Komm«, flüsterte sie.

Louis berührte die kalte Türklinke und öffnete sie. Eine unheimliche schwarze Dunkelheit war zu sehen, die ihn so fürchtete, dass er nicht mehr klar denken konnte, doch er musste in diese Hölle, heute war der Tag.

Das Geklapper verstummte und Louis schloss die Augen. Er ging Schritt für Schritt nach unten, Stufe für Stufe. In seiner Angst vergaß er, das Licht einzuschalten. Stufe für Stufe, Stufe für Stufe. Dann erreichte er den harten Betonboden. Er war noch nie hier unten, er musste sich voran tasten, an den kalten, feuchten Wänden.

»Komm, na komm«, flüsterte es wieder.

Louis seine Hände waren schon nass, doch irgendetwas leitete ihm den Weg. Er stolperte und fiel hin. Etwas stand ihm im weg. Er fühlte um sich und es roch nach modrigem Holz. Was war das? Ein alter Schrank?

Ein Licht, gleich des silbernen Licht des Mondes, erhellte den Bereich, in dem er stand. Es war eine verschimmelte Holztruhe, in der ein Schlüssel steckte. Sollt er er sie aufmachen?

»Mach schon, du wirst es nicht bereuen.«

Louis kniete sich hin und öffnete die Truhe, fühlte vorsichtig hinein und merkte, dass dort Papier drinnen war, weiches Papier, weicher als die Seiten seiner Bücher. Im Schimmer dieses unheimlichen silbernen Lichtes erkannte er, um was es sich handelte. Es waren verschwommene wässerige Bilder, gezeichnet, mit verdünnten Pastellfarben. Etwas, das wie Augen aussahen, grinste ihn an.

»Das ist noch nicht alles Louis«, sagte die Stimme.

Louis kramte weiter und tastete auf eine Art Pulver, das aber zur gleichen Zeit fest war. So etwas hatte er noch nie gespürt. Was war das? Es klebte.

»Na mach schon.«

Wer hatte das gezeichnet? Das waren die fürchterlichsten Bilder, die er je gesehen hatte. Sie überstiegen selbst seine Fantasie, die blühend war, durch die Bücher und die unheimlichen Geschichten.

Louis bemerkte, wie eine eiskalte kalte Hand ihn berührte und in die Kiste zog.

»Loslassen«, rief er.

»Niemals!«

»Mama, Papa!«

Diese Hand packte so hart zu, dass ihn vor Angst die Kräfte verließen. Jetzt sehnte er sich nach Mama und Papa wie nie zuvor. Er zappelte, kämpfte um sein Leben.

»Hilfe!«

Es war zu spät. Sein Körper versank langsam in diesem weißen Pulver, aus der eine silbern schimmernde Hand ragte und ihn immer mehr in die Kiste zog. Letzte verzweifelte Versuche, sich zu Wehr zu setzen, scheiterten. Die Kiste schloss sich wieder. Louis war verschwunden.

1.

Ich konnte nicht mehr. Ich konnte wirklich nicht mehr.

Seit meinem achtzehnten Lebensjahr, seit Ende der Ausbildung zur Bibliothekarin, arbeite ich in der großen Stadtbibliothek in Kronshagen und meine Arbeit war mein Leben. Ich war dreiundvierzig Jahre alt, hatte zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter und einen treuen Ehemann. Mein Name war Luise Kremer, eine aufgeschlossene Frau mittleren Alters, mit langen braunen Haaren, einer fülligen Statur und mit ganz viel Lebensfreude.

Wir wohnten am Rande von Kronshagen, in einer Eigentumswohnung mit fünf großen Zimmern und einer schnuckeligen gemütlichen Terrasse. Ich war mitten im Leben, liebte meine Kinder und meinen Mann. Nichts konnte mich stoppen, oder erschüttern, so schien es.

In letzter Zeit verließ mich aber zunehmend die Kraft. Schreckliche Alpträume plagten mich und ich konnte nicht mehr richtig schlafen. Ich musste ehrlich zugeben, dass sich mein mentaler Zustand erheblich verschlechtert hatte. Ich schien langsam den Verstand zu verlieren. Doch im tiefsten Herzen war ich eine Kämpfernatur und wollte nicht aufgeben. Jetzt schon aufhören zu arbeiten? Das kam mir nicht in den Sinn. Ich versuchte mich deshalb so gut es ging, auf die Arbeit zu konzentrieren. Bücher in Empfang nehmen, Bücher sortieren und die Leserinnen und Leser beraten.

Eines Tages sollte mich aber das Teuflische aus meinen Träumen bis hin zur meiner Arbeit verfolgen. Es war morgens, kurz nach Öffnung der Bibliothek. Ich stand am Tresen der Kasse und ein Kunde namens Herr Reden, übergab mir seine ausgeliehen Bücher. Es waren fünf Stück. Sie waren nicht sonderlich benutzt oder beschädigt, darum ging es nicht, sie waren voll silbernem Pulver, das ebenso silbern schimmerte.

In meiner Furcht bemerkte ich nicht, wie Herr Reden die Bibliothek verließ und auch meine Kolleginnen und Kollegen waren nicht zu sehen. Da waren nur diese fünf Bücher vor mir, dann dieses… . Ich konnte es nicht beschreiben. Es war dieses Pulver aus meinen Träumen, das weder zerfiel noch fest war. Jede Nacht für Nacht verschlang es mich und dann wurde ich wach. Nun klebte es an diesen Büchern. Ich holte tief Luft und begann zu den Regalen zu laufen, um sie wieder einzusortieren.

Das Schimmern hörte auf und wie aus dem Nichts tauchte Sibylle auf, meine Lieblingskollegin, vierzig Jahre alt, schlanke Statur und kurze schwarze Haare, mit der ich auch privat befreundet war.

»Du siehst so blass aus«, sagte sie und berührte meine Schulter.

»Ich weiß nicht, ich drehe langsam durch.«

»Gehe zum Arzt und lass dich zwei Wochen krankschreiben, du brauchst eine Pause, deine Nerven sind am Ende.«

»Das sollte ich wirklich mal machen. Ich muss aber offen mit dir reden. Ich habe Alpträume, und da ist immer dieses Pulver.«

»Was für ein Pulver?«

»Ich kann es dir nicht beschreiben, ich will es auch nicht.«

»Gehe am besten nach Hause und gehe morgen zum Arzt.«

Ich hörte auf Sibylle, sie hatte Recht, vielleicht hatte ich mich doch nur überarbeitet.

Nach dem Anruf bei meiner Chefin Frau Rosenthal, konnte ich offiziell nach Hause und ging auch am nächsten Morgen zum Arzt.

Mein Hausarzt Dr. Schäbl schob die Alpträume auf den Stress, der vielleicht sich unbewusst nun bemerkbar machte. Eine mentale Störung wollte er noch ausschließen. Ich bekam eine Krankschreibung für zwei Wochen und mein Körper entspannte sich allmählich. Die Alpträume schienen verschwunden, bis zu jenem Tag.

Als ich zu Bett ging, an diesem Tag, der mich für immer begleitete, war alles anders. Gernot, mein Mann, hatte Nachtschicht. Er arbeitete in einem Druckereibetrieb. Franziska und Leonhardt, meine beiden Kinder, schliefen schon, als ich wieder diese Wachträume bekam. Es waren weiß-silbern schimmernde Hände, die mich festhielten, ans Bett fesselten und meinen Hals zuschnürten. Ich konnte mich nicht wehren.

In unserem Bett, in dem völlig dunklen Schlafzimmer, leuchte es und dieses Pulver war auf meinem Bettbezug. Das hatte ich noch nie, sonst habe ich es immer nur Gefühlt, gespürt und eingeatmet. Ich schien verrückt zu sein, wahnsinnig. Das konnte doch nicht die Wirklichkeit sein.

»Nacht Schatzi«, ertönte eine Stimme.

Ich drehte mich um und schrie auf. Gernot lag neben mir, aber nicht in menschlicher Gestalt, sondern erschaffen aus diesem Pulver. Ich begann zu schreien, wollte das Schlafzimmer verlassen. Gernot hielt mich aber zu stark fest, das war nicht er, so viel Kraft hatte er nicht. Ich kreischte, so dass Franziska und Leonhardt an der Tür standen.

»Mami, wach auf«, rief Franziska.

Dann war Ruhe. Gernot war verschwunden und nur Franzi und Leon, so nannte ich sie immer, versuchten mich zu beruhigen. Das Pulver war verschwunden, Gernot und auch dieses silberne Schimmern.

»Du hattest wieder einen bösen Traum«, sagte Leon.

»Trink etwas, Mami, das hilft«, versuchte mich Franzi zu beruhigen und reichte mir mein Wasserglas, das auf meinem Nachttisch stand.

Ich stand auf und nichts war mehr zu sehen. Das Bett war ordentlich gemacht und alles schien friedlich. Ich entschloss mich, erneut einen Arzt aufzusuchen.

Der zweite Besuch bei Dr. Schäbl, endete mit einer Überweisung in eine psychotherapeutische Praxis. Ich sollte zu einem gewissen Diplom- Psychologen Hans Feldt, der für Alträume und Hypnose-Therapie spezialisiert war.

Nächste Woche Montag hatte ich einen Termin, doch die Wachträume wurden immer schlimmer. Jede Nacht ereignete sich das gleiche Schauspiel. Immer diese Hände, Gernot und das weiße Pulver. Und jedes Mal kamen Franzi und Leon in das Schlafzimmer. Es war nun wirklich allerhöchste Zeit, sich Hilfe zu holen.

Nach sechs grausamen Nächten, war der ersehnte Montag endlich gekommen. Ich lief durch Kronshagen und sah das gelbe Ärztehaus, mit der frisch gestrichenen und renovierten Fassade und dem stählernen Gerüst, auf dem die Maler ihre letzten Pinselstriche machten. Herr Feldt war nun meine letzte Hoffnung, den Spuk endlich zu beenden. Ich betrat das Ärztehaus und las an dem Schild, dass er im ersten Stock seine Praxis hatte.

»Praxis für Psychotherapie und Hypnose Jens Feldt«, stand dort in schwarzer Schrift und voller Hoffnung lief ich die Steintreppe nach oben. Vor der braunen Tür war ein Wartebereich und ich nahm dort Platz.

Nach einigen Minuten öffnete sich die Tür:

»Frau Kremer bitte.«

Es war ein großgewachsener Mann, graue Haare, einen schwarzen Anzug und schwarze Schuhe. Er wirkte vertrauensvoll und beruhigend, obwohl sein Äußeres eher an einen Firmen-Manager erinnerte, als an einen Psychologen. Ich wollte mich aber überraschen lassen und betrat die Praxis, die mit schwarzem Teppichboden und modernen hell hölzigen Möbelstücken und Regalen ausgestattet war. Vor dem hellen Tisch, stand ein brauner Lederstuhl, auf den ich mich setzte. Herr Feldt nahm auf seinem schwarzen Schreibtischsessel Platz und sah mich besorgt an:

»Sie sehen krank aus, kann ich ihnen weiterhelfen«, sagte er fragend mit angenehmer und sogar müde machender Stimme.

»Ich habe ganz furchtbare Wachträume, ich denke langsam, dass sie Wirklichkeit sind.«

»Entspannen sie sich Frau Kremer, denn nur so kann ich ihnen helfen.«

»Okay, okay.«

»Ich werde in meiner Therapie versuchen, den Alpträumen auf den Grund zu gehen. Wann kommen diese Träume immer?«

»In der Nacht.«

»Am Tage haben sie keine?«

»Deshalb bin ich hier, ich hatte sie auch am Tage.«

»Das scheint sie fertigzumachen, Frau Kremer. Was geschieht dort?«

»Da ist immer dieses weiße Pulver, jede Nacht, es formt sich zu meinem Mann. Es ist weder fest noch flüssig, es ist wie aus einer anderen Welt.«

»Und Ihr Hausarzt hatte eine psychiatrische Erkrankung ausgeschlossen?«

»Ja, hatte er.«

»Ich denke, dass Sie unter Wahnvorstellungen leiden, dagegen gibt es Medikamente.«

»Ich bin skeptisch gegenüber diesen Medikamenten.«

»Frau Kremer, ich schlage vor, dass wir es beim nächsten Termin mit der Hypnose probieren. Sollte das nicht klappen, rate ich Ihnen dringend, einen Psychiater aufzusuchen.«

»Bitte probieren Sie es erst mal mit Hypnose, ich möchte keine Medikamente nehmen.«

»Dann sehen wir uns nächste Woche Montag.«

2.

Der Kreisstadt Sieversdorf sollte bald etwas Grauenvolles widerfahren.

Herr Lehmke, Lehrer an der Sieversdorfer Grundschule, war auf dem Weg mit Auto zu seiner Arbeit. Die Klasse 4-A, war seine Klasse und er hatte dort, so konnte man sagen, ein Glücksgriff gemacht. Keiner der Schülerinnen und Schüler war schlechter als die Note Drei und alle waren von Hause aus wohlerzogen.

Herr Lehmke freute sich jeden Tag aufs Neue, dass er diese Klasse unterrichten durfte. Er war sportlich, hatte kurze graue Haare und trug immer eine blaue Jeans, von denen er genau fünf Stück in seinem Kleiderschrank hatte. Immer die gleiche Marke und das gleiche Aussehen. Eine für Montag, eine für Dienstag und so weiter und natürlich für Freitag. Als Oberteil trug er ein rotes T-Shirt, stets auch für jeden Arbeitstag das Gleiche.

So erkannte man Herrn Lehmke immer und Sprüche von den »bösen Kindern«, wie er sie nannte, er wasche sich nicht und hat kein Geld, ignorierte er. Herr Lehmke war ein gepflegter Mensch, stets ohne Bart und Schweißgeruch.

Darauf war er stolz und jedes Mal, auch an jenem Tag, stieg er lächelnd aus seinem Auto, einem alten roten Ford Escort, und wurde schon von Weitem von seinen Schülern begrüßt. Es machte ihm Mut, gab ihm Kraft und verbarg einen ganzen Schub Motivation für den Tag.

Er betrat die alte Marienschule, die aus roten Backstein-Ziegeln erbaut war und deren Klassenzimmer mit modernen, zeitgenössischen Tischen und Stühlen eingerichtet waren. Raum Dreiundfünfzig war sein Klassenzimmer und er liebte es. Gleich würden die Schülerinnen und Schüler kommen. Herr Lehmke bereitete sich vor, als der Direktor Herr Hahnewich in das Klassenzimmer kam.

»Herr Lehmke, die halbe Klasse wird heute ausfallen.«

»Was ist passiert?«

»Elf Schüler klagen über Schlaflosigkeit und furchtbare Alpträume. Sie kommen heute nicht.«

»Ach du Schande, dann wird es ja heute ein ruhiger Tag.«

Herr Lehmke mochte keine ruhigen Tage, denn er liebte und wertschätzte seine Klasse.

»Machen Sie das Beste daraus.«

Herr Hahnewich verließ das Zimmer und Herr Lehmke wartete auf die restlich verbleibenden acht Schüler. Als sie langsam sich im Klassenzimmer versammelten, räusperte er sich.

»Elf eurer Klassenkameraden fallen heute aus. Sie hatten Alpträume. Hattet ihr auch welche?«

Die elf Schüler verneinten und Herr Lehmke startete den Unterricht.

»Ulf«, flüsterte es, so hieß er mit Vornamen.

Er war der festen Überzeugung, dass er eine Stimme gehört hatte. Er sah in das Klassenzimmer und alle acht Schüler waren verschwunden, nicht mehr da. War schon Pause? Er sah auf den Pausenhof und er war leer, keine Schüler weit und breit. Eine unheimliche Stille erfüllte den Raum, ja sogar das gesamte Schulgebäude. Ulf lief aus dem Klassenzimmer und alles war menschenleer.

»Hallo«, rief er.

Es kam keine Erwiderung, nur ein dumpfes Echo seiner eigenen Stimme war zu hören. Was war passiert? Er konnte sich das ganze Szenario nicht erklären. Dann sah er weiß schimmernde Arme, aber keine Gestalt, sie verschwanden.

3.

Ich hatte intensiv mit Gernot gesprochen und heute war der Tag der Entscheidung. War ich nun verrückt, total wahnsinnig, oder konnte die Hypnose helfen?

Ich betrat wie letzte Woche die Praxis von Herrn Feldt.

»Schön, dass Sie hier sind.«

»Danke, ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich riesige Angst habe, als verrückt abgestempelt zu werden.«

»Wir hoffen mal das Beste.«

»Bitte, lass es klappen.«

Herr Feldt nahm eine entspannte Position ein.

»Ich werde jetzt versuchen, sie in Hypnose zu versetzen, damit wir diesen Alpträumen auf den Grund gehen können. Dazu müssen sie sich tiefenentspannen, sind sie dazu bereit?«

»Ich versuche es, so gut es geht.«

»Schließen sie die Augen, atmen sie tief ein und lassen sie sich innerlich fallen.«

Ich konnte der angenehmen Stimme von Herrn Feldt nicht ausweichen. Ich wurde richtig müde und entspannt.

Dann kam ich langsam wieder zur Besinnung. Ich rieb mir die Augen und war vollkommen entspannt. Aber irgendwas war anders. Herr Feldt saß schlafend auf seinem Lederstuhl… . Ich war wieder in einem Wachtraum, das musste so sein.

»Hilfe!«

Herr Feldt hörte es nicht und ich lief zu ihm. Als ich ihn berührte, zerfiel sein Körper wie Pulver.

»Frau Kremer, wachen Sie auf!«

Mein ganzer Körper fühlte sich leer an, ich zitterte und mir war eiskalt. Um mich herum piepte es monoton. Als ich langsam die Augen öffnete, standen drei Personen im weißen Kittel um mich herum und atmeten erleichtert auf.

»Sie lebt, Gott sei Dank.«

Ich sah mich verdutzt um und erkannte, dass ich in einem Krankenhaus sein musste. Ich lag auf einer Liege und war an dutzende Kabel angeschlossen. Kurz darauf sah ich einen Monitor, der auch dieses Piepen verursachte.

»Sie müssen eine Weile hierbleiben, sie waren über einen Tag ohnmächtig und im Koma«, sagte ein Arzt mit schwarzen Haaren und einem Stethoskop in der Brusttasche.

»Ich war bei einem Psychologen, Herr Feldt, das weiß ich noch.«

»Das ist jetzt zweitrangig, Hauptsache sie leben.«

»Wo ist Herr Feldt?«

»Wissen wir nicht.«

Ich konnte es nicht glauben, ich war doch bei ihm. Doch da fiel mir ein, dass er zerfallen war, einfach so. Aber ich traute es mich nicht auszusprechen. Sie würden mich sonst für verrückt erklären, das konnte ich nicht riskieren, dann würde ich meinen Job verlieren.

»Sie müssen sich auskurieren, bis wir herausgefunden haben, was die Ohnmacht und das Koma verursacht hat. Sie brauchen jetzt viel Ruhe Frau Kremer.«

Die Ärzte und die Krankenschwester verließen den Raum, dann war ich alleine. Ich musste mich auf der Intensivstation befinden. Ich war erschreckt, wie fertig ich mit den Nerven war. Wie ging es Gernot, Franzi und Leon? Machten sie sich Sorgen? Ich konnte die Ungewissheit nicht ertragen, wollte aufstehen, doch ich zitterte zu sehr, konnte mich kaum auf den Beinen halten. So betätigte ich die Klingel, woraufhin einen Augenblick später die Krankenschwester in das Zimmer kam.

»Alles in Ordnung Frau Kremer?«

»Ich muss sofort mit meinem Mann und meinen beiden Kindern sprechen, haben Sie ein Telefon?«

»Selbstverständlich, warten sie kurz.«

Die Schwester kam kurze Zeit später mit einem schnurlosen Telefon in den Raum und reichte es mir.

»Ihr Mann und ihre Kinder wissen bereits Bescheid. Wir haben sie informiert.«

Ich wählte die Nummer und spürte schlagartig Erleichterung, als ich Gernot seine Stimme hörte, mit Franzi und Leon im Hintergrund, die glücklich spielten und lachten.

»Luise, schön, dass es dir bessergeht.«

»Geht es euch auch gut.«

»Uns geht es gut, wir sind so glücklich, dass du wieder lebendig bist. Wir dachten, du stirbst. Schön, deine Stimme zu hören.«

»Ich weiß nur noch, dass ich wieder diese Alpträume hatte, von denen ich dir erzählt hatte.«

»Lass dich am besten richtig durchchecken, wir haben dich lieb. Warte, hier sind Franzi und Leon.«

»Hallo Mama«, sagte Franzi und lachte.

»Na Mami«, sagte Leon.

Das Hören der Stimmen von den beiden, trieb mir eine Freudenträne über die Wangen. Es war vielleicht nur alles ein böser Traum.

»Ich komme bald wieder zu euch, dann spielen wir wieder zusammen.«

»Wir freuen uns.«

»Wir haben dich lieb«, sagte Gernot.

»Ich euch auch.«

Ich legte erleichtert auf und gab der Schwester das Telefon zurück.

»Schlafen sie ein wenig, Frau Kremer.«

Das Wort Schlafen, merkte ich, jagte mir Angst ein. Ich wollte gar nicht schlafen, denn ich wusste, dass sie wiederkommen würden, diese furchtbaren Träume.

Irgendwann schlief ich aber ein und wachte am nächsten Tag auf, als eine andere Schwester zum Blutabnehmen kam.

»Wie haben sie geschlafen?«

»Gut, ich bin einfach weg genickt.«

Kurz darauf schrie ich auf, denn aus meinen Adern kam kein rotes Blut, sondern dieses silbern schimmernde Pulver, oder war auch immer es war. Die Schwester lachte finster und grinste böse. Sie war nicht mehr sie, sie sah aus…, wie ein Monster.

Ich schrie, schrie lauter, noch lauter und wollte mich befreien.

»Ist gleich fertig, Frau Kremer.«

4.

Herr Lehmke war zu Tode erschreckt und lief in die Richtung, von der er diese silbern schimmernden Arme sah. Das musste alles nur ein böser Traum sein!

»Was ist das hier«, schrie er.

Es kam keine Antwort, nur ein finsteres Gelächter, das aus dem Schulkeller zu kommen schien. Er lief runter in das Erdgeschoss, sein Furcht verschwand und er wollte diesen Traum nun leben, richtig leben, das Böse besiegen. Er öffnete die Kellertür, schaltete das Licht ein. Er war gähnend leer und er hörte nichts, außer absolute Stille.

»Ich bekomme dich«, schrie er.