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Der Transcanada Highway Der Transcanada Highway (TCH) ist die einzige Bundesstraße (Federal Highway) Kanadas, die mit einigen Verzweigungen ein Verbindungssystem durch zehn Provinzen des Landes bildet. Mit über siebentausend Kilometern stellt der TCH sowohl die einzige durchgehende transkontinentale Straßenverbindung Kanadas als auch die drittlängste Straßenverbindung der Welt dar. Die „Transsibirische Straße“ in Russland und der Highway #1 in Australien sind länger als der TCH. Der Yellowhead Highway bildet den nördlichen Zweig des TCH in den westlichen Provinzen. Der Transcanada Highway wurde zwar schon 1962 eröffnet, aber erst 1970 fertiggestellt. Zwischenzeitlich ist er größtenteils vierspurig und kreuzungsfrei ausgebaut. Gummitramp bedeutet die Klassifizierung eines Trampers, der mit dem Auto unterwegs ist, im Gegensatz zum „Leather Tramp“, der sich auf Schusters Rappen durch die Welt bewegt. Die berühmteste Tramp-Figur wurde von Charlie Chaplin verkörpert, der in seinen Filmen oft das Leben eines Tramps schilderte.
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Der Transcanada Highway (TCH) ist die einzige Bundesstraße (Federal Highway) Kanadas, die mit einigen Verzweigungen ein Verbindungssystem durch zehn Provinzen des Landes bildet. Mit über siebentausend Kilometern stellt der TCH sowohl die einzige durchgehende transkontinentale Straßenverbindung Kanadas als auch die drittlängste Straßenverbindung der Welt dar. Die „Transsibirische Straße“ in Russland und der Highway #1 in Australien sind länger als der TCH.
Der Yellowhead Highway bildet den nördlichen Zweig des TCH in den westlichen Provinzen. Der Transcanada Highway wurde zwar schon 1962 eröffnet, aber erst 1970 fertiggestellt. Zwischenzeitlich ist er größtenteils vierspurig und kreuzungsfrei ausgebaut.
Monika von Borthwick gehört der älteren Generation an und lebt im kulturell reichen Oberbayern. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit betreute sie Busreisende als Reiseleiterin im europäischen Raum. Schon damals schrieb sie ihre Erlebnisse mit Land und Leute mehr oder weniger ausführlich nieder.
Nach dem Tod ihres Mannes verlegte sie sich aufs alleinige Reisen und erforschte auf eigene Faust mit ihrem neu erworbenen Wohnmobil und ihren beiden Hunden zahlreiche Gebiete in Europa und Nordamerika. Dabei hat sie die Liebe zum Erzählen entdeckt und ausführliche Berichte per Email nach Hause gesandt.
Der Tramp ist eigentlich eine nordamerikanische Sozialfigur. Tramps waren früher Wanderarbeiter oder Tagelöhner. Der Ausdruck „to tramp“ bedeutete zunächst im Englischen so viel wie „wandern“. Der Tramp suchte meist keine feste Anstellung, sondern nur Gelegenheitsjobs.
Die berühmteste Tramp-Figur wurde von Charlie Chaplin verkörpert, der in seinen Filmen oft das Leben eines Tramps schilderte.
Gummitramp bedeutet die Klassifizierung eines Trampers, der mit dem Auto unterwegs ist, im Gegensatz zum „Leather Tramp“, der sich auf Schusters Rappen durch die Welt bewegt.
Bereits seit etlichen Jahren, genauer gesagt fünf Jahren, spukte die Durchquerung Kanadas auf dem Transcanada Highway durch meine Träume. Nach meinem Unfall 2010 in Toronto hatte ich jede Hoffnung aufgegeben. Doch wie heißt es so richtig: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Viele, teilweise groteske Umstände trugen dazu bei, dass ich diesen Traum nun verwirklichen konnte.
Unsere TCH-Reise begann auf Vancouver Island und endete in Kingston, ON. Die restlichen zweitausend Kilometer nach St. John’s auf Neufundland hatten wir bereits im Sommer und Herbst des vergangenen Jahre unter unsere Räder genommen. (siehe Reiseerzählung „Carpe Diem! Nutze die Zeit!“). Somit fuhren wir den gesamten Highway tatsächlich vollständig ab und durchliefen dabei fünf Zeitzonen.
Meine direkte Fahrstrecke umfasste rund fünftausend Kilometer, die Umwege nach Edmonton und Saskatoon nicht mit eingerechnet. Wir klammerten uns nicht starr an den Highway, sondern erkundeten etliche sehenswerte Regionen darum herum. Daher sammelten sich einige Kilometer mehr auf meinem Tacho.
Das rollende Eigenheim für unser gemeinsames
Abenteuer: Jahrgang 1991 125 000 km, Benziner, 8 m Länge
… und sehr durstig
The Lady and the Tramp
Knuffi (w) und Wurschtel (m), meine beiden
Reisegefährten - jeweils zehn Jahre
Froh schlägt das Herz
im Reisekittel,
vorausgesetzt man hat
die Mittel.
Wilhelm Busch
(1832 - 1908), deutscher Zeichner, Maler und
Schriftsteller
Busch, Bildergeschichten. Maler Klecksel, 1884
Vancouver
Vancouver Island, Hauptstadt Victoria
TCH Turn Off #1
Vancouver – Abbotsford – Hope – Merritt - Princetown – Hope
TCH Turn Off #2
Hope – Kamloops – Clearwater – Revelstoke
TCH Turn Off #3
Icefield Parkway – Jasper – Edmonton – Calgary
TCH Turn Off #4
Kananaski Valley
Red Coat Trail
Fort MacLeod – Fort Walsh
TCH Turn Off #5
Saskatchewan Tour
Regina – Winnipeg
Winnipeg – Hecla Island – Thunderbay
Endspurt
Thunderbay – Ottawa - Kingston
Vancouver war für uns mehr als erholsam. Erstens regnete es die meiste Zeit und wir waren ans Wohnmobil gebunden. Zweitens schraubte ich mein Sightseeing-Programm auf ein Minimum herunter. Die Stadt selbst hatte ich bereits vor acht Jahren ausführlich erkundet. Wir besuchten mehrere Parks, wanderten ausgiebig und hatten viele unterhaltsame Stunden mit Freunden aus früheren Tagen.
Der sauber geführte Campingplatz im Vorort Burnaby bot zu einem akzeptablen Vorsaisonpreis alle erdenklich möglichen Annehmlichkeiten, einschließlich Swimming- und Whirlpool. Zwei Parkanlagen zum Spazierengehen waren schnell erreichbar. Die Schnellverbindung mit dem Skytrain in das Stadtzentrum konnte ich in fünfzehn Gehminuten locker erreichen. Somit hielten wir uns einen längeren Zeitraum – auch jahreszeitlich bedingt – in der Stadt am Pazifik auf. Länger als in unserem mexikanischen Winterquartier Catemaco. Wir hatten das Glück, während einer viertägigen Showreise des „Cirque du soleil“ aus Montreal hier zu sein und ich erbeutete sogar eine Eintrittskarte für die Fantasiegeschichte „Varekai“. Wie erwartet super traumhaft!
Diese Stadt war uns im wahrsten Sinne des Wortes lieb und teuer. Der geringste Kostenfaktor war der Campingplatz. Zu Buche schlug ein Leihauto, welches für einen sehr günstigen Preis im Internet zu haben war. Nicht bedacht – bzw. nicht gewusst – hatte ich, dass in Kanada die Basisversicherung bei der Buchung nicht mit eingeschlossen war, wie bei uns in Europa und diverse saftige Steuern die Miete erhöhten. Nicht zuletzt hatte ich eine Standgebühr für den Flughafen von rund 300.- CAD zu bezahlen. Wer also ein Auto benötigt, sollte es lieber in der Stadt ausleihen. Aber fünf Wochen Campingplatz oder ewiges Auf- und Abbauen war mir nicht angenehm. Also biss ich in den sauren Apfel. Hätte ich von vornherein gewusst, dass es derartig viel zu Beginn meines Aufenthaltes regnete, hätte ich dieses Vorhaben abgeblasen. Hätte …!
Ich nützte die Zeit, um meine Gesundheit wieder auf Vordermann zu bringen. Dafür ließ ich mich in der bestens ausgestatteten Herzklinik von VC durchchecken. Ich hatte wieder mal symptomatische Beschwerden mit meiner alternden Pumpe und wollte sicherstellen, dass sie nicht irgendwo in Manitoba, in der Prärie die Arbeit aufgab. Es konnte Entwarnung gegeben werden und mit neuen Medikamenten und einer saftigen Rechnung entließ man mich beruhigt aus dem Hospital! Liebe Freunde in der Stadt übernahmen in dieser Zeit meine beiden Vierbeiner. Bei ihnen wusste ich sie gut aufgehoben.
Ein anderes Problem war mein Wohnmobil. Ich hatte seit meinem Kauf vor 20 000 Meilen (32 000 km) keine Überprüfung der Technik mehr veranlasst. Ergebnis: Die Bremsen waren total im Eimer, die Radlager absolut aufgearbeitet und zwei schadhafte Vorderreifen. Etliche tropfende Stellen mussten gedichtet werden. Zwei Tage hatte ich für alle anfallenden Reparaturen mein Vehikel in der Werkstatt unterzubringen. Gastfreundlich nahmen uns meine Freunde aus Pitt Meadow auf. Dank zweier Visakarten konnte ich die Rechnungen begleichen. Gut, dass ich auf einen weiten Kreditrahmen zuhause zurückgreifen konnte! Es war nun ernsthaft in Erwägung zu ziehen, das Wohnmobil mit all seinen neuen Innereien noch ein weiteres Jahr zu fahren und nicht am Ende dieser Reise zu verkaufen …
Victoria Day in Burnaby
Mit diesem Feiertag beginnt in Kanada offiziell der Sommer und die Campingsaison gilt als eröffnet. Der Feiertag erinnert an den Geburtstag von Königin Victoria (Regierungszeit: 1837 bis 1901 / geb. am 24. Mai 1819) und wird immer auf den Montag vor dem 25. Mai gelegt. Daher haben die Kanadier offiziell ein langes Wochenende. Die Anzahl der gesetzlichen Feiertage ist in Kanada wesentlich geringer als in Deutschland. Somit wird ausgiebig mit Feuerwerk und Alkohol gefeiert.
Ich war an diesem Tag in dem kleinen Museum in Burnaby Village, unweit des RV-Parks. Dort hatte man ein nettes Programm mit Parade, Dudelsack und Musikkorps auf die Beine gestellt. Sogar Queen Victoria persönlich ließ die Museumsleitung in einem antiken Auto anreisen. (Man vergleiche amüsiert das Original mit der Nachbildung!) Ihre Hoheit gab programmgemäß entsprechend Audienz und hielt eine „flammende“ Rede. Sonnenschein und Wärme stellten sich pflichtschuldig ein und lockten viele Besucher an. Meiner Schätzung nach waren bis zu fünfzig Prozent der Gäste asiatischer Abstammung. Englisch vernahm ich nur in Ausnahmefällen.
Besonders sehenswert war neben allen nachgebildeten älteren Gebäuden ein liebevoll restauriertes Karussell, der Magnet für alle Kinder und Junggebliebenen. Mir hatten es besonders die leuchtenden Farben der Pferde angetan und die liebevoll geschnitzten Details.
Unsere faule Zeit in Vancouver/ Burnaby hatte ein Ende gefunden. Wir starteten am frühen Morgen zur dritten Reisephase, dem Transcanada Highway. Dazu mussten wir zu seinem Anfangs- bzw. Endpunkt gelangen, ganz wie man es sehen wollte. Dieser lag in der Stadt Victoria (Hauptstadt von BC), auf Vancouver Island. Ich hatte die Insel bereits vor acht Jahren im späten Herbst auf meiner zweiten Nordamerikarundreise besucht und es regnete mich damals entsetzlich ein. Nach etlichen Tagen ergriff ich die Flucht und setzte mich Richtung Süden in die USA ab. („Highways und Gravel Roads II“ erzählt davon.) Von der Insel bekam ich ehedem herzlich wenig zu Gesicht. Hoffentlich war uns der Wettergott diesmal besser gesonnen.
Mein Wecker warf mich mit seinem Hahnengeschrei erbarmungslos um sechs Uhr aus den Federn. Ich musste spätestens um neun Uhr startklar sein, denn unsere Fähre ging um elf, eine Stunde hatten wir Anfahrt einzuplanen, Präsenz war sechzig Minuten vor der Abfahrtszeit gefordert. Da Sonntag war, ging es auf den Zufahrtsstraßen entsprechend ruhig zu, erst vor dem Terminal in Tsawwassen stauten sich die Fahrzeuge. Ich war gut beraten und hatte reserviert. Das kostete mich zwar einige zusätzliche Dollars, doch ich war damit auf der sicheren Seite. Für rund hundert Bucks beförderte man unser Trio samt WoMo auf die andere Seite, vorbei an zahlreichen bewohnten kleinen Inseln. Die Überfahrt nach Swartzbay nahm neunzig Minuten in Anspruch. Meine Wuffis ließ ich im sicheren Raum unter Deck, denn die vielen Beine an Bord hätten sie nur nervös gemacht. Waren die Passagiere nun hauptsächlich Touristen oder Wochenendrückkehrer? Keine Ahnung, jedenfalls war das Schiff proppenvoll.
Als heutigen Programmpunkt hatte ich die „Victoria Butterfly Gardens“ eingeplant. Mein GPS brachte mich sicher ans Ziel und wir fanden sogar für meine große Kutsche einen Parkplatz. Bevor ich jedoch die vielen exotischen Schmetterlinge zu Gesicht bekam, gönnte ich uns dreien ein Mittagessen und die passende Siesta. Uns drängte nichts und am späteren Nachmittag ließen die Besucherströme nach. Die Anlage war nicht groß, sehr ansprechend gestaltet. Es herrschte darin ein tropisches Klima mit achtzig Prozent Luftfeuchtigkeit, in dem sich auch Aras, Flamingos und Schildkröten wohlfühlten. Den Urwaldnebel konnte man förmlich greifen. In einem künstlichen Teich schwammen etliche asiatische Koifische.
Wunderschöne große und kleine, frei fliegende Schmetterlinge waren zu bewundern. Sie saßen entweder in den tropischen Bäumen oder auf angelegten Futterstellen, eingedeckt für sie mit Zitrusscheiben und Bananen. So waren sie hautnah zu beobachten und zu studieren. Manche hatten wunderschöne Flügelinnenseiten, die sie jedoch dezent für Fotografen versteckt hielten. Eine Broschüre berichtete, dass die „Gärtner“ wöchentlich zwischen sechshundert und elfhundert Schmetterlinge in die Freiheit entlassen. Etwa sechzig verschiedene Arten werden laufend importiert, denn ihre Lebenszeit ist unterschiedlich lang, bzw. kurz. Der „Giant Atlas Moth“ wird zum Beispiel nur drei bis fünf Tage alt, benötigt aber Monate, um sich vom Kokon zur Raupe bis hin zum Schmetterling zu verwandeln. Diesen Schmetterling konnten wir verständlicher Weise nur „hinter Gittern“ betrachten. Eine interessante und faszinierende Welt …
Um fünf Uhr schlossen die Tore und ich machte mich mit meinen beiden Herrschaften auf die Suche nach einem Nachtquartier. Aufgrund der vorangegangenen hohen Ausgaben in Vancouver konnte ich hier ein wenig sparen. Vor den „Gardens“ durften wir über Nacht leider nicht stehen bleiben. Zwei Walmart-Adressen hatte ich zur Verfügung. Diejenige im Vorort der Hauptstadt (Saanich) war wegen ihrer Parksituation unbrauchbar. Man versteckte alle Autos in einer Tiefgarage, mitten in einem Einkaufszentrum. Diejenige im westlichen Vorort Langford war wohnmobilfreundlicher. Mit mir tummelten sich nun am Abend mehr als fünfzehn Gleichgesinnte auf dem Parkplatz. Hierher konnte ich immer kommen, wenn alle Stricke reißen würden. Ich wollte jedoch die Straße in Victoria finden, welche mich seinerzeit so gastfreundlich und kostenlos aufgenommen hatte. Mal sehen, ob diese Parkmöglichkeit im Zentrum der Stadt immer noch existierte. Auf dem Stadtplan hatte ich sie in der Zwischenzeit bereits ausfindig gemacht. Ich wollte ein paar Tage bleiben und mir einige Sehenswürdigkeiten noch einmal ansehen oder andere ausfindig machen, welche es mir seinerzeit verregnet hatte. Für morgen fasste ich die Butcharts Gardens ins Auge. Dort hinein durfte ich sogar meine beiden Feger mitnehmen.
Programmänderung: Das Wetter schien mir für die Butcharts Gardens ungeeignet. Der Himmel war mir für Außenaufnahmen zu bedeckt – und das bereits am frühen Morgen. Meine beiden Kumpels hatten mich mitsamt Wecker (Ich hatte vergessen, ihn auszuschalten…) um sechs Uhr aus dem Bett geholt. Pfui Teufel! Es eilte doch nichts! Wir hatten hervorragend und ruhig geschlafen. Also spulte ich unser übliches Morgenprogramm ab und war bereits kurz vor neun Uhr auf dem Parkplatz des nahegelegenen „Petsmart“. (Ein Hoch meinem GPS!) Meine beiden Herrschaften benötigten dringend einen ordentlichen Haarschnitt und ein gründliches Bad. Schließlich wollte ich saubere Hunde in meiner Begleitung haben. Also meldete ich sie für morgen um 15.00 Uhr an. Das passte hervorragend, denn bis um diese Zeit hatten wir die weltberühmten Gärten hinter uns gebracht.
Das Zentrum von Victoria war mein nächstes Ziel. Ich wollte mir neue Übernachtungsmöglichkeiten erschließen. Tatsächlich fand ich die Straße von meiner vergangenen Reise wieder. Alzheimer ist doch noch nicht so weit fortgeschritten! Etliche Hinweisschilder wiesen darauf hin, dass von acht Uhr bis siebzehn Uhr die Parkmöglichkeiten den Anwohnern vorbehalten waren. Also wäre es ab fünf Uhr nachmittags kein Problem, sich dort niederzulassen. Heute jedoch zog ich aus programmtechnischen Gründen noch einmal unseren WALMART vor. Wir ließen uns beim Kilometer „0“ des Transcanada Highways nieder. Ich denke, ich habe einige nette Auswahlbilder für das hypothetische Titelbild der dritten Reise geschossen. Hier ein Beispiel. Sogar mein WoMo ist im Hintergrund noch auszumachen …
Anschließend nahm ich meine beiden Vierbeiner wie gewohnt an die Kandare. Wurschtel war besonders aktiv und in seinem Erkundungseifer nicht zu bremsen. Wahrscheinlich steckten ihm noch die vielen Freigänge vom Park in Burnaby im Gedächtnis. Normaler Weise bin ich nach etwa einer Viertelstunde Herr des Gespanns. Heute uferten die Zug- und Stoppaktionen zeitlich aus. Schließlich riss mir der Geduldsfaden und ich zwang ihn an der extrem kurzen Leine stets bei Fuß zu laufen. Das war für beide Seiten unerfreulich und anstrengend. Na ja, er wird sich wieder daran gewöhnen!
Es ging los: Beacon Hill Park entlang der Douglas Road bis zum Museum, Parlament, Uferpromenade mit Blick zum berühmten Empress Hotel, Laurel Point Park, Fisherman’s Wharf mit den Hausbooten und zurück entlang der ewig langen Dallas Road (Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe) zum Ausgangspunkt. Dieser Weg war in wenigen Zeilen skizziert, nahm jedoch mehr als drei Stunden in Anspruch! Ich hatte lange Arme und spürte kaum noch meine Beine. Jedenfalls war dieser Rundgang ein Beweis für mich, dass meine Pumpe den Anforderungen wieder gewachsen war. Das war trotz der Müdigkeit äußerst beruhigend.
Zurück im WoMo streckte ich mich erst einmal eine halbe Stunde aufs Lager aus und erholte mich. Anschließend nahm ich Fort Rodd Hill und den Leuchtturm von Fisgard in unser fortgeschrittenes Tagesprogramm auf. Beide Sehenswürdigkeiten waren „National Historic Sites“ und mit meinem noch gültigen Jahrespass kostenlos. Das musste ich ausnützen. Außerdem lagen die Lokalitäten nicht weit von unserem Schlafplatz entfernt, also außerhalb von Victoria.
Das Fort diente für den Ernstfall im ersten und zweiten Weltkrieg (1878 bis 1956) der Verteidigung Victorias. Es wurde niemals wirklich aktiv eingesetzt und dient heute als Beispiel vieler gleich konstruierter Verteidigungsanlagen entlang der Küste. Aus diesem Grunde wurden die drei Batterien kaum restauriert, waren angeblich noch voll einsatzfähig.
Das Fisgard Lighthouse (erbaut 1860) ist das älteste Bauwerk seiner Art an Kanadas Westküste. An klaren Tagen ist sein Licht bis zu sechzehn Kilometer weit zu sehen. Aufgrund meines heutigen Wandertages verzichtete ich auf das Erklimmen des Turmes und begnügte mich mit einem gemütlichen Bummel durch den Park. Den Hunden war es verwehrt, mich zu begleiten und so hatte ich einige ruhige Minuten für mich.
Die einzelnen Gebäude der Verteidigungsanlage sah ich mir nur sporadisch von außen an. Kriegsausstattungen hatten mich noch nie zu Begeisterungsstürmen hinreißen lassen.
In dieser Angelegenheit ticken die Nordamerikaner anders. Für sie ist Krieg, Heldentum und Militär noch immer mit einem Glorienschein umgeben. Dabei machen die Kanadier keine Ausnahme. Als ich eine Pause einlegte, kam gerade ein kanadischer Militärbus mit Zöglingen im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren zur Besichtigung angefahren. Ein Lehrer in Uniform begleitete die Truppe …
In gut zehn Minuten waren wir wieder an unserem Schlafplatz angelangt. Etliche bekannte Wohnmobile von gestern frequentierten erneut den Parkplatz. Schön, sich unter alten Kumpels einreihen zu können. Das Wetter hatte sich erholt und ich plante, morgen die Butcharts Gardens in Angriff nehmen zu können. Ich hatte sie vor Jahren im Spätherbst erlebt. Mal sehen, was sie zum Sommeranfang zu bieten hatten.
Nicht nur acht Jahre sind seit meinem Besuch der „Butchart Gardens“ vergangen, ich war 2007 in Begleitung eines anderen Vierbeiners (Wuschel) und zu einer unterschiedlichen Jahreszeit (Spätherbst) auf dem Gelände.
Wir waren bereits um halb zehn Uhr vor Ort und hatten (noch) wenig Besucherandrang. Nur ein paar mandeläugige Touristen waren als „early birds“ unterwegs. Das änderte sich jedoch in den nächsten beiden Stunden zusehends. Als wir gegen zwölf Uhr die Gärten verließen, stand ein Wohnmobil neben dem anderen – meist Mietfahrzeuge – auf dem Parkplatz und die Busse waren ebenfalls zahlreicher. Hinzu kamen noch die Touristenströme mit den Shuttelbussen aus Victoria. Sie spuckten die meisten Besucher aus.
Wir wanderten gemütlich auf den Wegen der Rollstuhlfahrer und ich vermied allzu viele Treppenauf- und -abgänge (siehe gestern!). Im Herbst leuchteten die Bäume in allen möglichen Schattierungen, heute strahlten die Blumen um die Wette. Obwohl der Himmel vollständig bedeckt war, tat dies der Farbenpracht keinen Abbruch. Wie zu erwarten, waren die Kompositionen gekonnt arrangiert und eine Freude für das Auge. Ich hatte zwar 31.- CAD für den Eintritt zu berappen, doch für das Geld wurde viel geboten. Auch hier erfreute man sich an einem restaurierten Karussell, wenngleich nicht mit so vielen an Einzelheiten geschmückten Tieren wie in Burnaby. Freundlicher Weise durfte ich in diesem Etablissement meine Kamerabatterien aufladen, da selbige wegen der vielen Aufnahmen nahezu ausgepowert war.
Ich denke, jede Jahreszeit hat in diesem Garten seine Besonderheit. Mich beeindruckte der Herbst mit seinen zahlreichen Laubfärbungen mehr als die sommerlichen Rabatten. Leider war der Rosengarten noch nicht zum Blühen gebracht. Wir waren jahreszeitlich zu früh dran. Dafür durfte ich vor dem gleichen Brunnen mit meinen Vierbeinern posieren, wie vor acht Jahren. Wer meine früheren Reiseberichte liest, kann die Bilder sicher vergleichen …
Verfluchter Wecker! Ich hatte wieder vergessen, ihn abzustellen. So krähte mich der Hahn erneut um sechs Uhr morgens aus dem Schlaf. Und das nach einer teilweise durchwachten Nacht. Wir hatten auf dem WALMART-Parkplatz diesmal derart rücksichtslose Nachbarn, welche ihren Generator noch um Mitternacht auf voller Tour laufen ließen. Ich ergriff im Schlafanzug die Flucht, startete durch und ließ mich etliche Reihen entfernt erneut nieder. Hier war der Lärm zwar geringer, doch immer noch störend. Erst gegen zwei Uhr fiel ich in einen dämmerhaften oberflächlichen Schlaf und träumte miserabel. Somit war ich über die frühe Morgenstunde nicht besonders erbaut. Ich holte meine beiden frisch getrimmten Hunde ins Bett, drehte mich noch einmal um und döste eine weitere Stunde, wohlig gewärmt von meinen beiden Kumpels.
Heute wollte ich versuchen, auf einem günstigen Campingplatz eine Bleibe für die kommende Nacht zu finden. Wir benötigten neue Energie für diverse Geräte und ich eine heiße Dusche. Mir schwebte der RV Park am Thetis Lake vor, nur drei Kilometer entfernt und mitten in einem Wandergebiet – Ausfahrt #10 am TC-Highway. Ich hatte so meine Zweifel mit der Verfügbarkeit, wenn ich an die vielen Wohnmobile bei der Überfahrt und in der Stadt dachte. Deutschland hatte im Augenblick Pfingstferien – Hochsaison für die westkanadischen Leihfirmen!
Ich war bereits um neun Uhr vor Ort und hatte keine Probleme mit einem schattigen Plätzchen. Der Park wird von einem Deutschen mit seiner Mutter geführt, hatte zwar nicht die höchsten Bewertungsraten und wurde von etlichen „Permanenten“ belagert. Wir fanden aber alles vor, was wir brauchten und eine Hintertüre ließ uns einen Durchschlupf, direkt zum kleinen Strand des „Lower Thetis Lakes“. Bevor der Besitzer noch gefrühstückt hatte, machten wir uns bereits auf, den Trail um den See zu entdecken. Gezahlt wurde später! Die Hunde durften ohne Leine laufen. Auf dem gut ausgebauten Weg begegneten uns viele freilaufende Artgenossen. Wurschtel war voll in seinem Element und musste jeden andern Vierbeiner ausgiebig begrüßen. Wie üblich taperte Knuffi stand auf unbekannten Wegen anhänglich hinter mir her. Wuchtige Douglaskiefern begleiteten unseren Weg, laut Literatur bis zu fünfhundert Jahre alt. Zwischen den Bäumen verstreut lagen riesige Felsen und Findlinge, mit Moos und unterschiedlichen Farnen bewachsen. Ein ansprechender Erholungspark, noch mitten im Einzugsgebiet von Victoria.
Nach neunzig Minuten Schnüffen und Rennen hatten wir die gesamte Runde um den unteren See geschafft. Beim Bezahlen (27.- CAD/Nacht) fand ich heraus, dass es einen Bus zur Stadt gab. Ich hatte zur Haltestelle zwar gut zwanzig Minuten zu laufen, doch war dies immer noch besser, als im Großstadtverkehr einen Parkplatz für meine große Kutsche zu suchen und horrende Parkgebühren zu blechen. Außerdem waren meine Vierbeiner im Camping schattig und ruhig untergebracht. So entschloss ich mich trotz einsetzender Müdigkeit, mich nach Chinatown durchzuschlagen. In Victoria ist dieses Stadtviertel im Vergleich zu anderen Chinatowns sehr klein, dafür aber die älteste Niederlassung vom westlichen Nachbarkontinent. Es waren zu Beginn chinesische Eisenbahnarbeiter, die sich hier niedergelassen hatten.
Ich sagte meinen beiden Begleitern Lebewohl. Sie protestierten nicht einmal, denn sie waren von dem langen Spaziergang geschafft und freuten sich auf ihren Schönheitsschlaf. Für 2,50 CAD chauffierte mich Bus #50 direkt ins Herz von Victoria und setzte mich in der Nähe der Fisgard-Straße ab. Von hier waren es über den Centennial Square nur ein paar Schritte bis zum Einfallstor (Gate of Harmonious Interests) nach Victorias Chinatown. Die handgearbeiteten Löwenskulpturen waren ein Geschenk der Partnerstadt Suzhou in China. Keine Ahnung, wo diese lag …!
Ich streifte ein wenig durch die bunten, überfüllten Geschäfte und schlängelte mich durch die angeblich engste Straße Nordamerikas, die Fan Tan Alley. Dort waren allerdings etliche Restaurierungsarbeiten zugange, welchen das Flair dieser Gasse erheblich beeinträchtigte. Ein Reiseführer erzählte mir, dass noch bis zur 20. Jahrhundertwende in dem Bezirk dreiundzwanzig Fabriken arbeiteten, die unter anderem jährlich neunzigtausend Pfund Opium produzierten und eine der wichtigsten Industrien British Columbias waren. Bis zu dieser Zeit war die Verarbeitung des Mohnsaftes legal.
Mich hungerte, es ging gegen späten Mittag. Zur Auswahl standen die Traditionsbrauerei „Swan“ mit hübschem Interieur an First Nation Kunst oder ein einfaches chinesisches Restaurant mit erschwinglichen Preisen. Ich befragte meine Barschaften und entschied mich für letzteres. Für 10.- CAD wurde ich reichlich satt und trat meinen Heimweg an. Mir grauste bereits jetzt vor dem langen Rückweg von der Bushaltestelle.
Die Sonne war inzwischen durchgebrochen und ich hatte meinen wetterbewährten Hut zuhause vergessen. Die Beine schmerzten vom Laufen und ich war hundemüde – im Gegensatz zu meinen Vierbeinern, die mich schwanzwedelnd und ausgeruht erwarteten. Schnell eine kurze Runde und dann ab auf das Sofa! Siestazeit war angesagt! Tief und fest schlief ich an der Seite von Wurschtel, der sich keinen Millimeter die ganze Zeit über bewegte und glücklich war, seine Mam‘ wieder zu haben.
Noch hatte ich keinen detaillierten Plan für den kommenden Tag. Ich würde aus dem Bauch heraus entscheiden. Das war das Schöne am Vagabundenleben! Mit Sicherheit verließen wir Victoria Richtung Süden. Die Strecke nach Sooke gehörte zwar nicht zum TCH, lag aber in seinem Einzugsbereich. Wie bereits früher erwähnt, diente mir die kanadische Querverbindung nur als roter Faden für meine Erkundungen.
Wir fuhren heute zu unserer Abschiedstour an den Pazifik. Werden wir das Gewässer jemals wiedersehen? In diesem Leben wahrscheinlich nicht mehr…
Nach unseren morgendlichen Arbeiten verabschiedeten wir uns von Victoria und fuhren auf der #14 Richtung Sooke in den Südwesten der Insel. Schlagartig wichen die Bauten zurück und machten einer dicht bewaldeten Natur Platz. Sooke mit seinen zahlreichen Buchten war das letzte „Einkaufs-Paradies“ für die nächsten hundertfünfzig Kilometer. Außerdem sollte ich meinen Tank auffüllen, denn auf den folgenden achtzig Kilometern gab es keinen Sprit mehr. Die West Coast Road bis Port Renfrew war den Wanderern und den Naturliebhabern vorbehalten. Ein Provincial Park reihte sich dabei an den anderen – frei stehen war so gut wie unmöglich. Also suchten wir uns etwas Billiges und fanden ein Übernachtungsplätzchen am Jordan River, mit Blick zum Pazifik und einer knöchelbrecherischen „Pebble Beach“, d.h. viele ausgewaschene grobe Kieselsteine. Selbst den Hunden war es zu mühsam, darüber ins Wasser zu rutschen.
Bevor wir jedoch unser Tagesziel erreichten, brachten wir eine anstrengende, wunderschöne Wanderung hinter uns. Mich lockte der Sooke Potholes Regional Park. Hier schliffen die Eiszeit und der Fluss tiefe Gumpen in die Felsen, welche dankbar in der heißen Jahreszeit von der Bevölkerung zum Baden genutzt wurden. Da ich mit meinen beiden Vierbeinern laufen wollte, parkte ich am unteren Ende der Straße und gönnte meinen Freunden die erste Erfrischung im glasklaren Wasser. Niemand warnte mich, dass die Straße mächtig bergauf ging. Ich wollte jedoch bis zu den kleinen Wasserfällen kommen und schnaufte daher wie ein Walross mit vielen Pausen in die Höhe. Manchmal ging es der Straße entlang, dann wieder auf angelegten Pfaden durch den Wald. Die Hunde konnten frei laufen und genossen jeden neuen Geruch und jedes neue Geräusch. Sie parierten stets aufs Wort, wenn ich sie aus irgendwelchen Gründen zu mir rief. Das war beruhigend.
Nach einer Stunde hatten wir den zweiten Aussichtspunkt erreicht. Tief unter uns rauschten zwei kleine Wasserfälle malerisch durch die Felsen. Das Wasser glitzerte smaragdgrün. Es führte ein Pfad in die Tiefe. Ich verkniff mir jedoch den Abstieg, denn noch einmal musste ich nicht auf diese Höhe klettern. Mir genügte der Ausblick hinreichend. Außerdem machte sich langsam der Hunger breit. Für die Hunde hatte ich Leckerlis dabei. An mich hatte ich nicht gedacht.
Den Rückweg schafften wir in der halben Zeit – bergab! Nicht nur im Butterfly Garden bekam ich schöne Schmetterlinge und seltene Blumen zu Gesicht. Auch hier in der Wildnis tummelte sich sehenswertes Leben.
Mittagessen und Siesta – schnell war es drei Uhr! Jetzt machten wir uns auf den kurvigen Weg entlang der Küste – der West-Coast-Road. Meistens führte die Straße durch bewaldetes Gebiet, nur selten mit einem Blick zum Pazifik durchbrochen. Einen kurzen Informationshalt legten wir am French Beach PP ein. Der Park war gepflegt, der Campingplatz zu teuer, der Strand beschwerlich zu erobern – zu viele grobe Steine! Wir fuhren zehn Kilometer weiter zu einem einfachen Camping der Forstwirtschaft. Die Lage war wunderschön an der Küste, das Meer mit leichtem Wellengang und einem mutigen und ausdauerndem Surfer auf seinem Brett – sonst nichts. Ach ja, einige Plumpsklos standen zur Verfügung. Trotzdem war der Platz für 15.- CAD/Nacht gut besucht, vornehmlich mit großen Bussen. Wir schmuggelten uns freundlich dazwischen und bekamen sofort netten Kontakt. Langsam kam die Flut herein. Rechts von mir knisterte ein Feuerchen und links von mir wurde eifrig gegrillt. Wenn der Duft mir noch länger in die Nase stieg, musste ich wohl oder übel noch einmal den Kochlöffel schwingen.
Eigentlich hatte ich heute gar keine Lust zum Schreiben. Ich saß in Duncan am TCH #1 und hatte gerade meine Mails und meine Konten abgerufen. Jemand hatte eine meiner Sparkassenkarten geknackt und in Teilbeträgen knapp siebenhundert Euro von meinem Kanadakonto erbeutet. Meine aufmerksamen Finanzberater bekamen dies spitz und sperrten sofort meine Karte. Wahrscheinlich musste ich mit dem Verlust leben. Das tat weh, nachdem ich bereits etliche hohe unkalkulierte Ausgaben hatte. Schei …! Ich dachte immer, mir als Kleinfinanzler passierte das nicht! Doch die „Plicht“ rief und wenn ich heute nicht schrieb, hatte ich morgen vielleicht noch weniger Lust dazu! Außerdem brachte mich der Bericht auf andere Gedanken…
Wir waren früh ausgeschlafen, denn gestern lockte mich das Bett bereits um zehn Uhr. Heute kam um sechs Uhr der Sonnenschein durch den Morgennebel. Wie überall am Pazifik konnte die undurchdringliche Suppe allgegenwärtig sein. Doch die Schwaden waberten draußen auf dem Meer und berührten uns nicht. Wir fuhren zehn Kilometer zum nächsten Strand. Der war ein heißer Tipp meiner Nachbarn. Sandstrand! Wohlweislich verschwiegen sie mir, das man zwanzig Minuten den Berg hinunterwandern musste – und später natürlich wieder aufwärts! Kaum ein Problem! Wir brauchten unser tägliches Fitnesstraining sowieso!
Es war tatsächlich ein herrliches Fleckchen Erde, dieser China Beach. Nur ein paar Jugendliche waren zugegen, welche auf dem beliebten „West-Coast-Trail“ unterwegs waren und dort im Sand genächtigt hatten. Schuhe aus, rein in die kalten Zuläufe und am Strand getobt. Meine beiden Vierbeiner waren glücklich und ich auch! Mit dem Rückweg bergauf hatten wir demnach eineinhalb Stunden Sport hinter uns gebracht. Ich weiß, das hört sich nicht viel an, doch für mich reichte dieses Quantum. Ich hatte ja noch andere Pflichten den Tag über zu erledigen.
Der weitere Straßenverlauf der Küstenstrecke war enttäuschend. Es ging auf zweihundert Höhenmetern immer durch Laubwald, meist kurvig und es gab so gut wie keinen Ausblick auf den Pazifik, beziehungsweise die Meeresenge „Strait of Juan de Fuca“ und den Blick zum Nachbarstaat Washington/USA. Die Bremsen hinab nach Port Renfrew begannen wegen der langen Gefälle leicht zu qualmen. Ich stieg daher auf den zweiten Gang um. Der Verkehr war nicht überwältigend und so störte niemanden meine Bedächtigkeit. Port Renfrew selbst ist unbedeutend und spielt nur als Ausgangspunkt für die beiden langen Küstenwanderungen eine Rolle. Es gibt ein kleines Geschäft, ein größeres Hotel, einen Campingplatz der First Nation und etliche Unternehmen für den touristischen Fischfang. Das war es auch und wir hielten uns nicht lange auf.
Interessanter war die Fahrt durch das Innere der Insel. Eigentlich war diese Ecke von Victoria Island mit einem Spinnennetz von Staubstraßen überzogen, welche alle im Nirgendwo endeten. Nur eine geteerte Verbindung gibt es bis Lake Cowichan und Duncan. Die Staubstraßen waren den Holzfällertrucks vorbehalten und nicht öffentlich zugänglich. Die Teerstraße wand sich durch das gebirgige Innere der Insel und kam mit etlichen kleinen Passstraßen auf gut dreihundert Höhenmetern. Sie war tatsächlich interessanter, abwechslungsreicher und anspruchsvoller zu fahren als die Küstenstrecke. Das häufigste Verkehrszeichen war „Achtung Engstelle“ – da ging es dann einspurig über einen Bach oder einen Canyon. Das zweithäufigste Schild war „Achtung Holzlaster“! Das Gelb dieser Schilder leuchtete mit dem klaren Gelb von zahlreichen Ginsterbüschen um die Wette, ab und zu von blauen Königskerzen unterlegt.
Zahlreiche kleine Seen luden auf der Strecke zur Rast ein. Beim ersten konnte ich noch „Nein“ sagen (Fairy Lake), beim zweiten plagten mich Hunger und Müdigkeit. So hielten wir am Lizard Lake für eine längere Mittagspause und entdeckten tatsächlich einen Eisbären (!) im kühlen Gewässer.
Dass Knuffi als Erste im erfrischenden Wasser war, brauche ich wohl nicht zu betonen. Ich besah mir den Campingplatz für eine eventuelle Übernachtung. Er hatte große Stellplätze, jedoch keinen direkten Zugang zum See. Also entschloss ich mich nach Duncan weiterzufahren.
Duncan ist eine durchschnittliche kanadische Kleinstadt, hätte sie nicht die Besonderheit der zahlreichen Totem Poles zu bieten. Überall in der Stadt sind diese geschichtsträchtigen Säulen der First Nation aufgestellt und man kann sie auf einem kleinen Rundgang alle besichtigen. Ich finde es nur schade, dass manche so wirkungslos irgendwo vor einem Gebäude aufgestellt sind, in einer Ecke kauern oder dem Verkehr ausgeliefert sind. Dazu sind sie eigentlich viel zu schade und wertvoll. Deshalb war es kaum möglich, sie wirklich wirkungsvoll ins Bild zu setzen. Irgendetwas störte immer. Aber ein paar Glanzlichter sind mir doch gelungen.
Ganz bewusst fuhren wir heute den TCH bis Nanaimo. Von dort führt er über die Sea of Georgia zur Horseshoe Bay nach Vancouver. Das packten wir am kommenden Sonntag an.
Heute ließ ich mich erst einmal beim Walmart-Frisör schön machen. Ich benötigte dringend wieder einen ordentlichen Haarschnitt nach über drei Monaten. Den Hunden gönnte ich diese Kur, bei mir war ich immer mehr zurückhaltend, bis es nicht mehr ansehnlich war.
Unser erster Halt war der kleine Ort Chemainus. Ich hatte ihn noch von meiner zweiten Tour in guter Erinnerung, obwohl es damals wie aus allen Kübeln gegossen hatte. Heute war uns der Himmel besser gesonnen und wir liefen viele Straßen mit den bekannten Wandmalereien ab.
Als irgendwann einmal der Ort wegen des Rückganges der Holzverarbeitung zum Sterben verurteilt war, kamen ein paar clevere Stadtväter auf den glorreichen Gedanken, die Geschichte des Ortes auf die Häuserwände zu bannen. Das Unternehmen wurde ein Erfolg und die Touristen kamen.
Nun lebt der Ort wieder auf, schreibt anscheinend schwarze Zahlen und existiert hauptsächlich von den durchreisenden Besuchern.
Nach einer guten Stunde hatte ich die Faxen dick, meinen sturen, grauen, haarigen Bock immer an der Kandare zu haben und ich gab auf. Das war jedoch kein Problem, denn ich hatte ausreichend Material gesammelt.
Vierspurig trug uns der lebhafte Wochenendverkehr rund um die Hafenstadt Nanaimo. Von dort würden wir am kommenden Sonntag wieder auf das Festland nach Vancouver übersetzen.
Weiter ging es nach Norden bis Parkersville und anschließend auf der #4 in den Westen nach Port Alberni. Wir hatten bis dahin hundertvierzig Kilometer zurückgelegt und waren gegen zwei Uhr vor Ort. WALMART abgecheckt: kein Übernachtungsverbot – Infobüro wegen Schiffsreise besucht (davon später!) – uns im Sproat Lake PP für den Rest des Nachmittags niedergelassen …
Dieser See liegt idyllisch von Bergen umgeben und sein Provincial Park verfügt über zwei einfache Campingplätze. Doch wozu bezahlen? Wir hielten uns bis gegen Abend am See auf. Mutige Schwimmer waren bereits im Wasser, obwohl man auf den Bergen noch Reste von Schnee wahrnahm.
Die Nachmittagswanderung fiel kürzer aus (siehe Vormittag!) und wir besuchten lediglich die Stelle, wo einige Petroglyphen der ersten Indianer zu sehen waren. Diese zeigten bereits deutliche Verwitterungsspuren und nur den mystischen Wal konnte man wirklich noch gut erkennen. Abgesehen von den Steinritzungen fühlte ich mich wie am Schliersee in Oberbayern: Berge, Wasser, kühles Lüftchen, etliche Badegäste!
Für die Nacht nahm uns der hiesige WALMART freundlich auf. Für morgen plante ich Tofino an der Küste. Es war mal wieder ein Campingplatz fällig. Da morgen Sonntag war, hoffte ich die Wochenendurlauber ausbooten zu können und einen Platz im National Park zu ergattern. Die kommerziellen RV Parks waren sündhaft teuer und frei stehen durfte in diesem Naturschutzgebiet (Pacific Rim NP Reserve) unmöglich sein.
Hundertfünfzig Kilometer HWY #4 durch das Innere der Insel lagen heute vor uns. Noch hielt das Wetter. Die Vorhersagen für die nächsten Tage waren allerdings nicht besonders rosig. Nun ja, auf diesem Vorposten zum Pazifik musste man immer mit feuchter Witterung rechnen. Die erste Hälfte der Straße war breit und super ausgebaut. Ab dem Kennedy River begann es kurvig und eng zu werden. Oftmals waren Begrenzungen auf 40 km/ h angegeben. Der Fluss war reich an Kiesel, mit etlichen breiten malerischen Bänken gesegnet. An einer Stelle ging es besonders felsig zu. Dort hatte man eine ZIP-Line-Konstruktion als Touristenmagnet hingestellt. Meiner Ansicht nach völlig deplatziert.
Eine Menge Motorhomes kamen mir um die Mittagszeit entgegen. Ich frohlockte bereits, denn das würde Platz für mich im Nationalpark schaffen. Die Enttäuschung ließ nicht lange auf sich warten: „Wegen Bauarbeiten bis Ende Juni geschlossen!“ So, nun galt es den billigsten Campingplatz unter den teuren zu finden. Frei stehen war absolutes tabu in dieser Ferienregion. Ich entschied mich nach Literaturstudium für Tofino und das Angebot am Golfplatz. Hier durfte ich ohne Service für 32.- (!) CAD mitten im Wald stehen. Entsorgen erlaubte man mir an einem freien Hook-up-Platz. Na ja, ohne Strom konnte ich einige Tage auskommen, wenn ich leere/volle Tanks hatte. Ich ärgere mich immer grün und blau, wenn ich für nichts einen Haufen Dollar hinblättern muss, nur um stehen zu können. Aber es half nichts! Ich wollte mir ja die Gegend ansehen. Also checkte ich notgedrungen für zwei Nächte ein.
Gemütliche Mittagspause und dann ab nach Tofino! Ich hatte mir den „Tonquin Trail“ an die gleichnamige Bucht für unseren Nachmittagssport ausgesucht – angeblich mit schönen Blicken auf das Wasser und die Berge. Es war ein Weg von zweieinhalb Kilometer in der Runde. Das konnte gerade passen. Wir parkten beim Gemeindehaus mit seinem riesigen Indianer davor und machten uns auf den Weg. Hunde diesmal an der Leine …
Es ging wie erwartet ständig rauf und runter! Ein Highlight für meinen Rückweg … Keine „view points“ weit und breit! Zugewachsen mit Baumbestand… Alle zwei Meter ein Stopp, weil einmal der eine Hund, dann wieder der andere irgendetwas in seine Nase bekam. Wir kamen nur schleichend vorwärts und meine Geduld wurde ausreichend strapaziert. Endlich näherten wir uns der Bucht und Stufen führten in die Tiefe.
Der Strand war wirklich hübsch, nicht besonders groß, mit dunklem Sand bedeckt. Hier hieß es „Leinen los“ und acht Beine stürzten sich in die seichten Fluten. Entweder wurden die Villen auf den Felsen noch vor dem Touristenboom erbaut oder es gab jemanden mit viel überflüssigem Geld, der sich dieses Fleckchen Erde teuer erkaufte. Beneidenswert? Wie mag es hier im Winter bei Sturm und Hochwasser sein? Für uns jedenfalls schien die Sonne und nach etlicher Zeit setzten wir unseren Rundweg fort. Mit dem ewigen Auf und Ab waren wir wieder einmal volle zwei Stunden unterwegs und meine Lunge auf „tief durchatmen“ eingestellt.
Die Fortsetzung des Rundweges führte uns durch einen absolut naturbelassenen Urwald, störende Baumstämme wurden nur abgesägt und zum Zerfallen an die Seite transportiert. Es gab Wurzelstrukturen, welche an abstrakte Skulpturen erinnerten und alles war überwuchert mit Farnen und wasserresistenten Pflanzen. Uralte Verwitterung trug neues Leben. Ob das mit uns auch mal passierte?