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Die Autorin hat gerade ihren runden Geburtstag gefeiert. Schafft man diesen Schritt so einfach in einen neuen Lebensabschnitt? Ist vielleicht mit dem Titel des Buches gar die englische Fahrweise gemeint? Oder bezieht sich die Zahlenangabe auf die britische Geschwindigkeitsbegrenzung in Meilen? Das lässt sich herausfinden, wenn man sich auf die Spuren der MoWuKnuffels begibt, welche auf dieser Reise ihre englischsprachigen Nachbarn ins Visier nehmen. In gewohnter amüsanter und kritischer Weise schildert die Autorin auch hier in ihrem neuesten Tagebuch persönliche Eindrücke von Land und Leuten. Der Reisebericht dient in erster Linie der Unterhaltung, dem Erleben unserer kontinentalen Nachbarn in einer Zeit noch vor dem Brexit und erhebt keinen Anspruch auf Ausführlichkeit in Bezug auf einen offiziellen Reiseführer. Vielmehr stehen die Erlebnisse einer weiblichen 60+ als Einzelreisende im Wohnmobil, begleitet von den beiden Hunden Wuschel und Knuffi im Vordergrund.
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Seitenzahl: 230
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Sechzig mit links?
Die Autorin hat gerade ihren runden Geburtstag gefeiert. Schafft man diesen Schritt so einfach in einen neuen Lebensabschnitt? Ist vielleicht mit dem Titel des Buches gar die englische Fahrweise gemeint? Oder bezieht sich die Zahlenangabe auf die britische Geschwindigkeitsbegrenzung in Meilen?
Das lässt sich herausfinden, wenn man sich auf die Spuren der MoWuKnuffels begibt, welche auf dieser Reise ihre englischsprachigen Nachbarn ins Visier nehmen. In gewohnter amüsanter und kritischer Weise schildert die Autorin auch hier in ihrem neuesten Tagebuch persönliche Eindrücke von Land und Leuten.
Der Reisebericht dient in erster Linie der Unterhaltung, dem Erleben unserer kontinentalen Nachbarn in einer Zeit noch vor dem Brexit und erhebt keinen Anspruch auf Ausführlichkeit in Bezug auf einen offiziellen Reiseführer. Vielmehr stehen die Erlebnisse einer weiblichen 60+ als Einzelreisende im Wohnmobil, begleitet von den beiden Hunden Wuschel und Knuffi im Vordergrund.
Monika von Borthwick gehört der älteren Generation an und lebt im kulturell reichen Oberbayern. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit betreute sie Busreisende als Reiseleiterin im europäischen Raum. Schon damals schrieb sie ihre Erlebnisse mit Land und Leute mehr oder weniger ausführlich nieder.
Nach dem Tod ihres Mannes verlegte sie sich auf das alleinige Reisen und erforschte auf eigene Faust mit ihrem neu erworbenen Wohnmobil und ihren beiden Hunden zahlreiche Gebiete in Europa und Nordamerika. Dabei hat sie die Liebe zum Erzählen entdeckt und ausführliche Berichte per Email nach Hause gesandt. Diese Dokumente bilden die Basis zu ihren persönlichen Geschichten aus dem jeweiligen Gastland.
Sechzig mit links
Ein wenig Statistik zu Beginn
Anreise aus Bayern gesamt
Englands Süden bis Nottingham
Birmingham über die schottische Grenze (Hadrians Wall)
Edinburgh und durch das Hinterland an die Westküste
Erste Inselerfahrungen (Arran, Halbinsel Kintyr, Islay)
Innere und Äußere Hebriden
Warum unsere englischsprachigen Nachbarn in diesem Sommer? Ist uns das nicht zu nahe, nachdem wir dreimal hintereinander Amerika und Mexiko bereist hatten?
Wuschel wird in diesem Jahr zehn Lenze und ich will sie nicht mehr dem Flugstress aussetzen. Sie ist eine so außerordentlich zuverlässige und sensible Hündin, dass ich gerne Rücksicht übe. Knuffi würde mit ihren sieben Jahren noch alles mitmachen, auch wenn ihr manchmal die Seele flattert.
Nach meinem Unfall in Toronto ist meine Gehfähigkeit noch immer nicht hundertprozentig hergestellt. Also suche ich mir weniger anstrengende Ziele im europäischen Raum aus.
Das geplante Großprojekt Griechenland, Türkei und Israel fällt wegen der politischen Ereignisse und des kriegerischen Flächenbrandes aus. Man muss nicht unbedingt seine Existenz aufs Spiel setzen.
Warum nicht also die Nachbarinseln bereisen und den Leuten offen begegnen, auch wenn sie mehr links (verkehrsmäßig) orientiert sind? Die Fahrweise wird sicher für mich zu einer neuen Herausforderung werden.
Das Frühjahr im milden Süden des Landes, der Sommer in Schottland und Irland – und wenn alle verreisen, machen wir es uns wieder zuhause bequem.
Mit diesen Aufzeichnungen laden die MoWuKnuffels nun alle ein, unsere Reise zu verfolgen und ein wenig subjektive Landeskunde seitens der Autorin zu schnuppern. Viel Vergnügen!
Omar Khayyam, persischer Mathematiker, Philosoph und Dichter:
Das Leben ist eine Reise. Reisen ist doppeltes Leben.
Reisedauer: April bis einschließlich Juni / 3 Monate
7000 km einfache Fahrtstrecke ohne Fährverbindungen auf die Inseln
Fährkosten gesamt
1200 Liter Diesel Kraftstoffverbrauch
Treibstoffkosten
Übernachtungskosten
Wir haben es geschafft und überquerten um 10.00 Uhr kontinentaler Zeit den Kanal in zwei Stunden von Dünkirchen (Frankreich) nach Dover. Die rund neunhundert Kilometer fuhren wir von Bayern aus an die französische Kanalküste in drei Etappen.
Zwei Wochen zuvor hatte ich mein deutsches Wuschelmobil wieder aus seinem Dornröschenschlaf erweckt. Die lange Ruhepause von eineinhalb Jahren nahm es mir allerdings übel und rächte meine lange Abwesenheit mit allerhand Reparaturforderungen. Ausgaben, welche ich sinnvoller woanders eingesetzt hätte!
Die strengen britischen Regelungen für die Mitnahme von Hunden sprach ich mit der Tierärztin ab und dachte, dass nichts schiefgehen könne. Irrtum vorbehalten! Am Check-in zur Fähre entdeckte man, dass im Heimtierpass eine Zeitangabe fehlte und so musste ich in Dünkirchen kehrt machen und einen französischen Veterinär aufsuchen. Dieser gab mir ohne viel Bedenken seinen neuen Stempel und kassierte dafür fünfzehn Euro. Ich werde sie meiner Tierärztin bei Rückkehr in Rechnung stellen!
Gott sei Dank war es einfach, die Überfahrt ohne Kosten zu verschieben und so starteten wir statt um 8.00 Uhr erst zwei Stunden später. Wir würden eine Stunde durch die Zeitverschiebung wettmachen. Die Überfahrt war etwas unruhig und verregnet. Dovers weiße Kreidefelsen hatten bei unserer Ankunft Grau angelegt und die größte Festungsburg Europas war nur durch einen Regenschleier sichtbar.
Im Augenblick hatte ich jedoch andere Sorgen. Ich musste mich dem Linksverkehr anpassen. Das ging nur mit viel Konzentration und Überlegung. Dabei kam ich mir vor wie in meinen ersten Fahrstunden und sagte mir immer wieder laut vor: Links, links, links, und langsam! Solange ich im Verkehrsfluss war ging es prima, doch beim Abbiegen und im Kreisverkehr flüsterte ich mir die Regeln immer wieder vor und versuchte, verkehrt herum zu denken. Das würde sich hoffentlich in den nächsten Tagen und Wochen einschleifen!
Mein GPS war in dieser Situation Gold wert und bereitete mich immer rechtzeitig auf eine neue Streckenführung vor. Mit Kartenlesen und dem Linksverkehr wäre ich wahrscheinlich absolut überfordert gewesen, meinen ersten Übernachtungsort zu finden.
Da es in Großbritannien für eine Wohnmobile so gut wie unmöglich ist, frei zu übernachten, blieben nur Campingplätze. Stellplätze wie bei uns in Europa stehen nicht zur Verfügung oder wurden abgeschafft. Campingplätze gibt es eine Unzahl, mit unterschiedlichstem Komfort. Ich hatte bereits zuhause für die ersten Tage preisgünstige Möglichkeiten ausgekundschaftet und landete heute westlich von Hythe nach einem gekonnten Wendemanöver, im sogenannten „New Beach Holiday Park“.
Grauenvoll für meine Begriffe! Hunderte von Mobilheimen, dicht an dicht, mit geringer Ellbogenbreite zum Nachbarn. Das Areal für die Touring-Gäste, dem fahrenden Volk, war etwas weitläufiger und grüner – noch dazu, da um diese Zeit kaum Camper unterwegs waren. Ich wollte nicht meckern und trauerte insgeheim den wunderschönen State Parks in den USA nach. Der Blick zum Meer fiel aus, denn der Küstenabschnitt war durch eine hohe Kaimauer mit nur wenigen Zugängen von der Uferstraße getrennt. Man konnte zwar auf der Betonmauer spazieren, doch war das Meer diesen ersten Abend zu ungnädig gestimmt, uns einen erfreulichen Anblick zu gewähren. Von Vorteil war allerdings, dass meine beiden vierfüßigen Damen kein Meerwasser zu trinken bekamen und mir deshalb (vorerst) ein Dünnpfiff erspart blieb.
Den Rest des verbliebenen Tages verbrachte ich mit Ausruhen, Umorganisieren der Ladung und kleineren Spaziergängen. Wuschel und Knuffi gewöhnten sich langsam an die neue Situation und arrangierten sich mit ihren Liegeplätzen. Zwei Meter kürzer und zwanzig Zentimeter schmaler bedeuteten einen erheblichen Verlust an Bewegungsfreiheit im Innenraum, im Verhältnis zu unserem amerikanischen Wohnmobil. Es würde auch diesmal klappen. Immerhin hatten wir schon ein gemeinsames halbes Jahr Portugal hinter uns (siehe „Winterflügel!). Dies war im Winter 2009 vor unserer letzten Amerikareise.
Der kommende Tag war für mich einen (Fahr-)Ruhetag und ein weiteres Eingewöhnen in den Linksverkehr. Der öffentliche Bus nach Hythe fuhr alle zwanzig Minuten fast vor der Haustüre ab. Warum sollte ich mir für zwei Pfund den Stress antun und durch enge Gassen manövrieren? Die Hunde hatten zuhause ihre wohlverdiente Ruhe.
Strahlender Sonnenschein heute beim Aufwachen! Es war verflixt früh, denn meine beiden Damen standen zur Kontinentalzeit vor meinem Bett – und das war halb sieben Uhr Ortszeit! Etwas verschlafen erledigte ich alle morgendlichen Notwendigkeiten und widmete mich der Tagesplanung.
Wie vorgenommen, wollte ich Hythe besichtigen, doch meine Spontaneität machte mir einen Strich durch die Rechnung. Eigentlich könnte ich bei diesem Wetter mit der kleinsten öffentlichen Schmalspurbahn der Welt zwanzig Kilometer nach Süden fahren, durch die sogenannte Romney Marsch. Das ist ein weitläufiges Flachland, welches unter dem Meeresspiegel liegt. Das 20 000 ha umfassende Areal wäre im strengen Sinne ein Naturschutzgebiet. Trotzdem hat es das Militär geschafft, sich ein ausgedehntes Übungsgelände abzuzwacken und der Atomlobby gelang es, in Dungeness ein brutales Atomkraftwerk zu errichten. Soviel zum praktizierten Umweltschutz!
Bevor ich jedoch in die Miniaturbahn steigen durfte, die ein tatsächliches öffentliches Verkehrsmittel war und nicht nur reine Touristenattraktion, musste ich mir eine knappe Stunde um die Ohren schlagen. Ins Stadtzentrum zu gehen war es mir mit meinem schwachen Knöchel zu weit und so bummelte ich den Royal Military Canal in einer hübschen Parkanlage einmal rauf und runter. Diese kleine Wasserstraße ist ehemals angelegt worden, um die Franzosen davon abzuhalten, Hythe zu überrumpeln. Doch wer den Ärmelkanal überwand, für den war doch dieser bessere Wassergraben „Peanuts“!
Endlich war es so weit und ich konnte in die blitzblank geputzte Spielzeugbahn klettern. Größere Fahrgäste, so wie ich, hatten ihr Problem mit dem Sitzplatz, denn man stieß beim aufrechten Sitz an der Decke an. Nun gut, die Fahrt an sich war nicht besonders aufregend. Es ging an vielen Hinterhausgärten vorbei, in denen es aussah wie bei „Hempels unterm Bett“, über etliche Entwässerungsgräben, vorbei an einer Unzahl von Mutterschafen, welche jeweils ihre beiden Lämmer betreuten – eine wenig aussagekräftige Gegend.
Das Ende der Fahrt führte durch eine ebene Kieslandschaft, welche von den Gezeiten gebildet wird. Regelmäßig muss der Kies abtransportiert werden, da sonst irgendwann einmal die beiden Atommeiler von der Umwelt abgeschnitten (verschüttet?) wären. So kam man auf die glorreiche Idee, die kleinen Steine tonnenweise für den Bau des Kanaltunnels zu verwerten. Was nach Beendigung der Bauarbeiten mit diesem Kiesmaterial nun passiert, war nicht in Erfahrung zu bringen.
Am Wendebahnhof Dungeness hatten wir eine Stunde Aufenthalt. Ich nützte die Zeit, um von einem Leuchtturm zum anderen zu bummeln und mir die kleinen Fischerbuden zu betrachten, welche heute zum Teil von schrägen Künstlern bewohnt werden. Ich hatte Hunger und mir war nach „Fish and Chips“. Im Bahnhofsrestaurant – genauso schnuckelig wie der Zug – servierte man mir eine Portion, die nicht von schlechten Eltern war. Ich bin wirklich keine Kostverächterin, doch die Hälfte davon ließ ich mir für meine beiden Damen einpacken. Diese jedoch zogen zuhause nur die Nase hoch und widmeten sich anderen Dingen. Wohl keine britische Geschmacksader vorhanden!
Den Rest des Nachmittags konnte ich tatsächlich im Liegestuhl im Freien verbringen. Während Wuschel meine Füße mit ihrer gewohnten Hingabe bearbeitete, widmete ich mich der weiteren Reiseplanung. Zu einem sinnvollen Ergebnis war ich bis dato nicht gekommen, da es eine Unmenge an interessanten Details entlang der Küste zu besichtigen gab.
Überraschungen vorprogrammiert! Ich musste irgendwie Prioritäten setzen. Jedenfalls stand morgen definitiv Hythe auf dem Programm.
Auch heute war das Wetter vielversprechend und wir krabbelten alle zusammen gegen sieben Uhr aus den Federn. Lag es nun an meinen sechzig Jahren oder an meinem überstandenen Unfall, dass ich immer mehr Zeit benötigte, bis ich um die Runden kam. Sonst war ich meistens in zwei Stunden startbereit, heute benötigte ich fast drei …
So erwischte ich den Bus nach zehn Uhr und fuhr bis zur verkehrsberuhigten Fußgängerzone der Kleinstadt. Keine großen Sehenswürdigkeiten, dachte ich mir und bummelte los. Einen Besuch bei „ALDI“ konnte ich mir nicht verkneifen, denn ich wollte das Preisniveau zwischen unseren beiden Ländern vergleichen. Die Preise aus Deutschland hatte ich etwa im Kopf. Generell konnte man sagen, dass der Kaufwert eines Euros zuhause mit dem Kaufwert eines englischen Pfundes zu dieser Zeit vergleichbar war. Das bedeutete allerdings, dass die Preise höher waren, da das Pfund in diesem Augenblick den Euro überflügelte. Leider war es das Gleiche mit dem Sprit. Diesel war teurer als Normalbenzin und man bezahlte für einen Liter etwa £ 1,42. Also bitte zuhause nicht meckern!
Die einzige belebte Hauptstraße war schnell abgelaufen – soweit man mein Tempo als schnell bezeichnen konnte. Meine beiden Damen jedenfalls konnte ich in der nächsten Zeit nicht auf längere Spaziergänge mitnehmen. Das wäre mir zu anstrengend geworden, habe ich bedauerlicher Weise erkannt.
Ein richtig kleines, gemütliches Städtchen mit vielen Coffee- Shops stellte ich fest, die sehr gut besucht waren. Einige alte Häuser und Inns – nicht unbedingt Baedeker geeignet, aber nett anzusehen. Mich zog es zur Kirche auf den Hügel hinauf. Rundblicke liebe ich über alles! Dort kam ich später in der Krypta mit einer deutschen Forensikerin ins Gespräch. Eine Gruppe von jungen Forschern hat sich hier zusammengetan, um die vielen Gebeine in dieser Krypta zu katalogisieren, zu untersuchen und zu beschreiben. Mit dieser Arbeit wollten sie u.a. verhindern, dass der eine oder andere mittelalterliche Schädel oder Knochen in Privathände abwanderte. Seit drei Jahren arbeiteten sie bereits an dieser Klassifizierung und es würden noch etliche Jahre vergehen, bis all die 1100 Schädel und 8000 Oberschenkelknochen von rund 4000 Menschen erfasst und im Computer abgelegt worden seien. Die junge Dame erklärte mir mit Begeisterung, was man alles aus so alten Überresten über den Menschen erfahren konnte und wie unterschiedliche Formen und Fragmente zu deuten waren. Ich kam mir vor wie zu Schliemanns Zeiten, als dieser seine Ausgrabungen tätigte. Eine wahrhaft akribische Tätigkeit, die viel Liebe zum Objekt erforderte. Heute konnte die Crew wenigstens im Freien arbeiten und nicht in der feuchten Kühle der Krypta. Sie erzählte mir außerdem, dass es nur zwei Orte in England gäbe, die so ein Beinhaus vorzuweisen hätten. Leider habe ich vergessen, wo Nummer zwei zu finden war. Ich bewunderte die Einsatzbereitschaft und das Fachwissen dieser Studenten. Im Stillen fragte ich mich allerdings, wie lange so eine Begeisterung anhielt und ob noch viel davon bei Schädel 935 und Oberschenkelknochen 6598 übrig blieb.
Mit Informationen gefüttert und reichlich müde drehte ich noch eine kleine Runde im verfallenen Friedhof mit alten Grabsteinen, bevor ich mich wieder auf den Weg nach Hause machte. Unterwegs erstand ich noch einen kitschigen Tea Pot mit englischer Flagge und rotem Herz. Was sein muss, muss sein! Gläserne Teekannen kann jeder haben und mir ist meine draufgegangen!
Müde und hungrig erreichte ich gegen halb zwei Uhr wieder meinen Heimathafen und wurde von zwei haarigen Damen überschwänglich begrüßt. Heute waren sie nicht so lange alleine wie gestern. Mittagessen gab es im Freien und später eine gesegnete Siesta. Da ich von dem langen Rundgang immer noch geschafft war, entschied ich mich alternativ für den Liegestuhl und nicht für das Schwimmbad. Aber wie las man bei einem lauen Lüftchen vernünftig ein Buch, wenn man gleichzeitig von zwei Hunden belagert wurde, die jeder für sich eine Hand zum Streicheln forderten?
Wir werden morgen hier unsere Zelte abbrechen und weiter nach Westen vordringen. Rye, Hastings und Bodiam Castle standen auf meinem Programm. Es fehlte uns nur noch eine nächtliche Bleibe in dieser Ecke. Bei meinen Billiganbietern hatte ich nichts gefunden. Vertrauten wir uns also auf unser Glück!
Uns weckte ein strahlend blauer Himmel gegen halb sieben Uhr. Das frühe Aufwachen war nicht schlimm, denn ich fand gestern bereits um zehn Uhr in die Federn.
Meine Damen drückte die Blase gewaltig und so startete ich mit halb offenen Augen raus auf die Grünflächen. Frühstücken und Zusammenräumen klappte heute schneller als gestern und gegen neun Uhr waren wir bereits unterwegs.
Vergeblich versuchte ich im Hauptgebäude ins Internet zu kommen. Mein neuer Laptop stellte sich quer! Keine Verbindung zur weiten Welt! Da musste ich mir wohl wieder einmal einen Fachmann suchen, der das richtige Knöpfchen fand. Das gleiche Problem kannte ich schon von Amerika. Daher gab es keinen Blick aufs Konto, was mich allerdings nicht weiter beunruhigte. Hätte mir nur gerne die Hände gerieben, wenn endlich das Geld vom Finanzamt eingetroffen wäre!
Leichtsinniger Weise fuhr ich beim Auschecken brav rechts, was mir einen missmutigen Blick des Gegenverkehrs einbrachte. Doch Gott sei Dank waren nur 15 km/h angesagt. Blitzschnell erinnerte ich mich wieder, dass ich ja in England war und betete mir mein Sprüchlein runter: „Links, links, und wieder links!“ Ein wenig Überlegung kostete mich immer noch das Rechts-Abbiegen. Wo musste ich zuerst schauen? Konzentration bitte! Erst wenn ich aus keiner Richtung mehr einen Feind wahrnahm, wagte ich das Manöver – auch wenn sich hinter mir die eingeübte notorisch englische Schlange bildete!
Einen Vorteil hatte die Mitnahme des eigenen Autos auf die Insel. Man musste sich nicht auch noch an die spiegelbildliche Fahrzeugtechnik gewöhnen. Der Straßenrand war allerdings bedrohlich nahe durch meine linke Sitzposition und entgegenkommende große Fahrzeuge ließen sich von der Breite her schlechter abschätzen. Also deshalb lieber auf die Bremse, bevor es einen Spiegel kostete. Ausreichende Objekte hatte ich bereits in Mexiko eingebüßt!
So erreichte ich ohne Schaden den hübschen Ort Rye, der in jedem Führer lobend erwähnt wird. Meine große Kiste parkte ich bei einem Großmarkt, ganz in der Nähe des alten Zentrums, beim Bahnhof. Einige hundert Meter weiter wäre ebenfalls ein großer Busparkplatz vorhanden gewesen. Doch wozu weiter laufen als notwendig?
Gleich über der Kreuzung entdeckte ich ein winziges Internetkaffee, welches auch Reparaturservice anbot! Wenn das kein glücklicher Zufall war! Der Inhaber begutachtete mein Gerät und versprach mir, das Problem in den nächsten Stunden für £35,00 zu lösen und mir einige Extras zu installieren. So überließ ich ihm mein tragbares Büro und machte mich alleine auf ins historische Stadtzentrum von Rye.
Die Beschreibun gen des alten Städtchens waren nicht übertrieben. Wunderschöne alte Fachwerkhäuser, reizende Hauskacheln, stille Winkel, anheimelnde Teestuben aus dem 15. Jahrhundert und ein Kopfsteinpflaster in manchen Gassen, das es in sich hatte. Letzteres war natürlich ein gefundenes Fressen für meinen lädierten Knöchel. Vorsichthalber hatte ich jedoch morgens eine Pille geschluckt und so meisterte ich auch den engen und steilen Aufstieg auf den alten Glockenturm. Langsam und bedächtig … Der Rundblick, empfehlenswert!
Mittagessen und Siesta gab es im WoMo. Endlich konnte ich mein Gerät wieder abholen. Der Gentleman verwickelte mich in ein nettes Gespräch und gab mir nebenbei ein paar Tipps für die Übernachtung. Auch sollte ich die Küstenstraße nach Hastings nehmen. Diese sei sehr reizvoll.
Die Vorschläge erwiesen sich als wenig geeignet, denn die empfohlenen Campingplätze waren allesamt Mobilhome Areale und nicht fürs fahrende Volk ausgelegt. Von der Schönheit der Straße hatte ich leider wenig, denn sie war sehr schmal und kurvig und auch noch wegen des Wochenendverkehrs gut befahren. Immer wieder kamen mir dicke Brummer entgegen, die meinen Adrenalinspiegel ein wenig erhöhten.
Da entdeckte ich bei Hastings einen Hinweis und folgte dem Campingschild. Es ging verflixt steil in die Höhe hinauf und nicht gerade autobahngleich! Wo führt mich mein Schicksal wieder hin? Ich landete in einem riesigen Caravan/FerienPark, doch diesmal war ein noch riesiger Campground angeschlossen. Für £20,00/Nacht konnte ich mir einen Platz aussuchen – keinerlei Preisnachlässe auf alle meine Campingkarten. Viel, viel Grün um mich herum wurde geboten. Das kam nun meinen beiden Damen zugute, welche so brav immer wieder auf mich gewartet hatten. Wir drehten eine lange, wohlverdiente Schnüffelrunde, auch wenn meine müden Beine meckerten.
Morgen würden wir das grüne Ambiente noch einmal richtig ausnützen und einen faulen Tag einlegen. Hastings hat – trotz Wilhelm dem Eroberer – nicht allzu viel zu bieten und am Tag darauf würden wir ein wenig in den Norden der Grafschaft vordringen. Für heute reichten mir meine Aktivitäten. Morgen würde ich meinen Reparaturservice überprüfen – falls WiFi vorhanden!
Rye
Wir entwickelten uns zu Frühaufstehern! Wenn das Tageslicht kam, waren wir putzmunter wie das Federvieh – allerdings ohne zu krähen! So konnte ich mich bereits vor neun Uhr auf den Weg nach Hastings machen. Ein wunderschöner Morgen wieder …
Bis zur Busstation hatte ich zu laufen – steil bergab! Mit Schrecken dachte ich an den Heimweg.
Die Stadt von Wilhelm dem Eroberer ist nichtssagend, liegt allerdings an einem ausgedehnten Kieselstrand und schmiegt sich schutzsuchend an die rückwärtigen Felsen an.
Mich zog es zu dem Pendant des Wandteppichs von Bayeux, ebenfalls einer ungewöhnlichen Stickerei von fast 70 m Länge, die in über 80 Szenen die Geschichte der Eroberung 1066 darstellt. Pech gehabt! Im Informationsbüro erklärte man mir, dass diese Handarbeit bereits seit zehn Jahren nach London verlegt worden sei. Man sollte doch bitte den Reiseführer aktualisieren!
Da blieb mir bei dem herrlichen Sonnenschein nur übrig, mit der Standseilbahn auf den Burgberg zu fahren. Vom Kastell selbst blieb nicht mehr viel übrig. Allerdings entdeckte ich einen malerischen „King Arthur“ nahebei. Zwei Straßen Altstadt, das war es schon! Blieb nur mehr der Weg nach Hause, vorbei an einem wenig ansprechenden Amüsement-Pier, der angeblich dort errichtet wurde, wo Wilhelm zum ersten Mal den Fuß auf britischen Boden setzte. Reine Glaubensfrage …
Meine Internettätigkeit im Park schob ich auf, denn die Preise für einen Tag WiFi-Anschluss waren exorbitant! £ 6,00 für vierundzwanzig Stunden! Wohl nicht ganz gescheit! So wanderte ich mit meinen beiden Damen nach einem ausgedehnten Mittagessen und Schläfchen die Hügel entlang, bis wir das Meer sahen und es wieder steil abwärts ging! Danke, das Vergnügen hatte ich heute bereits.
Der Rest des Nachmittags war ausgefüllt mit neuen Planungen, denn ich wollte mal wieder die Quadratur des Kreises. Sehenswürdigkeiten, günstige Campingplätze, Zeitplan, Besuch von Bekannten und Fahrtstrecke waren nicht unter einen Hut zu bringen. Es war Schwerstarbeit und so verlegte ich diese vorerst auf den morgigen Tag. Das Weitere würde sich finden.
Typisch englische Reihenhaussiedlung! Man erkennt seinen Irrtum beim Nachhause kommen erst, wenn die falsche Frau oder der falsche Mann im Wohnzimmer sitzt!
Ein Bilderbuchmorgen! Wieder hatten wir es geschafft, frühzeitig aus den Federn zu kommen. Auf meinem Programm stand eine Rundtour zurück nach Winchelsea, nach Bodiam und Sissinghurst Castle. Übernachtung war wieder für Hastings geplant. Doch diesmal auf dem zweiten angegebenen Campingplatz. Noch schnell entsorgen, dachte ich mir, und dann kann es losgehen! Wir lagen gut in der Zeit!
Toll, die Reifen drehten durch! Ich saß auf der feuchten Wiese fest! Es ging weder vor noch zurück! Keine Chance, die Reifen waren dick mit Dreck überzogen. Hilfe konnte ich mir wohl nur in der Rezeption holen. Also marschierte ich ein paar hundert Meter zum Empfang. Dort schickte man mir zwei Herren mit einem kleinen Geländewagen. Die Misere betrachtend, entschieden sie sich für einen Allradantrieb. Das dauerte etwas, bis der organisiert war. Zweimal sprengte es ihre Kette. Die Hunde waren einfach zu schwer! Als sie es mit dem Schleppband alleine versuchten, klappte es endlich! Nie mehr wieder englischer Rasen! Da stand ich nun, mit über einer Stunde Verspätung. Schlacht Nummer eins gemeistert!
Was soll’s dachte ich mir und schlängelte mich die enge Straße nach unten. Diesmal stellte sich mir ein PKW in den Weg, an dem ich nicht vorbeikam. Mehrmaliges intensives Hupen brachte den Besitzer auf den Plan und der Weg war frei – für mich und die wartende Schlange hinter mir! Schlacht Nummer zwei bezwungen.
Der Weg zum zweiten Campground brachte mich zum Schwitzen! Hastings rauf und runter! San Francisco war ein Kinderspiel dagegen. Da sind die Straßen wenigstens breit. Heute, am Sonntag parkten die Nachkommen von Wilhelm dem Eroberer kreuz und quer am Straßenrand. Es war schmal wie in einer Gasse, und das mit Gegenverkehr. Camping Nummer zwei gefunden, abgewiesen! Zurzeit keine „Reisende Gäste“!
Inzwischen war es fast Mittag geworden. Ich hatte die Nase voll und wollte nur noch aus dem Loch raus. Also wieder bergauf und bergab! Mich interessierten keine Castles mehr in der Gegend und auch kein gemütliches Dorf. Bodium und Sissinghurst hatte ich bereits vor Jahren besucht. Einzig um das Häuschen (Cottage) von Radyard Kipling tat es mir leid. Auf das Schlachtfeld von Battle verzichtete ich gerne. Ich hatte meine eigene Niederlage erlitten!
Deshalb ging es nun weiter Richtung Westen. Ich hatte eine Entscheidung gefällt. Ich werde Cornwall und Wales vorerst links liegen lassen – im wahrsten Sinne des Wortes – und mich zu ehemaligen Kollegen nach Norden vorarbeiten. Das brachte mich irgendwie meinem Ziel schneller näher, auch wenn das Finanzamt noch nicht gezahlt hatte. Ich riskierte es einfach! Mein jetziger Steuerberater würde es schon richten! Gab ich mein Vorhaben auf, ärgerte ich mich grün und blau, wenn das Geld dann doch eintraf. Wenn nicht, würde ich nächstes Weihnachten brav zuhause bleiben und sparen! Ich war schon immer ein guter Spieler und ein schlechter Verlierer!
Wenigstens spielte das Wetter mit und die Landschaft erblühte in Gelb und Weiß. Die Märzenbecher und Narzissen waren bereits verblüht, die Kamelien ließen ebenfalls traurig und erschöpft ihre Köpfe hängen. Es war so warm, dass man es leicht barfuß in den Schuhen aushielt. Trotzdem lief Nachts noch zeitweilig die Heizung, wenn die Temperatur im WoMo auf 16°C absank.
Der Verkehr auf der A259 und A27 war beträchtlich – alles Sonntagsausflügler! Große Kreisel, kleine Kreisel, links abbiegen (einfach), rechts abbiegen (weniger einfach), alles will gelernt sein. Nach etwa 120 km erreichte ich meinen neuen Campingplatz bei Chichester. Für heute war ich bedient. Mittagessen gegen 14.00 Uhr und eine verdiente Siesta. Anschließend gab es eine Belohnungsrunde für meine Begleiterinnen. Sie waren wirklich duldsam wie Lämmer! Der Touring Park war wieder ein Anhängsel von einem riesigen Caravan Park. Eine Kleinstadt für sich und die Ferienhäuschen dicht gedrängt. Für mich undenkbar auf Dauer!
Für so eine einfache Hütte zahlen Interessierte im Durchschnitt £ 16.000, ohne Stellplatzgebühr und Unterhaltskosten. Dafür können sie beim Nachbarn sehen, welches Fernsehprogramm läuft und was es zum Essen gibt. Es gibt ein Clubhaus, ab und zu mal ein Schwimmbad und überall in den Hauptgebäuden die unterschiedlichsten lauten Spielautomaten. Die Engländer sitzen bereits in ihren Reihenhäuschen (My home is my castle...) dicht auf dicht und in ihren Ferienhäuschen auf Rollen und Holz ebenfalls. Gemeinschaftssinn? Wunsch nach Sicherheit? Angst vor dem Alleinsein? Warum? Ich muss darüber einmal meine Freunde interviewen.
Endlich kam ich nach fast einem Kilometer Fußmarsch vom Touring Park bis zum Clubhaus – kostenlos ins Internet und konnte meine gesamte Post erledigen – gekrönt von einem weiteren Einspruch des Finanzamtes. Heute war wirklich nicht mein Tag!
Nach einer halbwegs erholsamen Nacht (Ich grübelte mal wieder über den Fortbestand der Reise und deren Finanzierung …) kamen wir gemütlich gegen halb zehn Uhr weg. Die beiden Besichtigungspunkte lagen maximal zwanzig Kilometer entfernt. Da das Freilandmuseum (Weald & Downland Open Air Museum) erst um elf Uhr öffnete, stromerten wir gemütlich durch das ruhige und gemütliche Städtchen Midhurst. Hier gab es keine Eile, nur britische Beschaulichkeit. Wir setzten uns auf einen Cream Tea vor die Kirche und ließen es uns gutgehen.
Erstaunt stellte ich fest, wie viele Leute an einem normalen Montagmittag auf Ausflug unterwegs sein konnten. Waren schon Schulferien? Kind und Kegel waren unterwegs und der Parkplatz vor dem Freilichtmuseum bereits gut belegt. Heute genoss ich die Situation „60“ – ich sparte mir ein Pfund Eintrittsgebühr, da ich nun in GB zu den Senioren zählte!
Die Hunde durften an der kurzen Leine Frauchen begleiten. Das war gut so! Eineinhalb Stunden marschierten wir stramm durch die Anlage. Für meinen Knöchel hatte ich vorsorglich eine Pille geschluckt. Freilichtmuseen sind alle gleich, nur die Bauwerke verschieden – und doch wieder den unseren in Deutschland sehr ähnlich!
Die gesamte Anlage ist in die malerischen Hügel der Downlands gebettet und bietet auf den Rundwegen schöne Aussichten auf die malerische Landschaft mit den vielen Hecken und Sträuchern. Im normalen Pkw sieht man oft nicht über die dichte natürliche Straßenbegrenzung hinweg und kommt sich vor wie in einer Gasse mit grünen Mauern. Ein Wohnmobil erlaubt auch einen Blick hinter die Kulissen.
Gegen zwei Uhr gaben wir auf und widmeten uns der Brotzeit im Wohnmobil. Auch meiner „alten Dame“ (Wuschel) reichte es und Knuffi verzog sich unter die Büsche. Als wir später unsere Siesta beendet hatten, war der Himmel überzogen und es kam kalter Wind auf. Da musste ich mir die Gartenanlage im nahegelegenen Schloss nicht mehr antun. Zwei Besichtigungspunkte an einem Tag reichten aus. Dreizehn Kilometer bis nach Hause und etwas Zeit für den Reisebericht und die Bilder! Hoffentlich regnete es nicht, denn sonst konnte ich wieder Probleme mit der Abfahrt morgen haben. Es gab auf diesem Campingplatz leider nur Rasenuntergrund!
Midhurst
Freilandmuseum/Weald & Downland Open Air Museum