Gwenyfer of Midgard - Jennifer Riese - E-Book

Gwenyfer of Midgard E-Book

Jennifer Riese

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Beschreibung

Gwenyfer, Kronprinzessin von Midgard, steht kurz vor einem entscheidenden Wendepunkt in ihrem Leben. Nach einer umfassenden königlichen Ausbildung ist sie bereit, an einem glanzvollen Ball in Asgard teilzunehmen. Doch als sie dort eintrifft, gerät ihr Leben plötzlich aus den Fugen. Die Begegnung mit den legendären Königsbrüdern bringt nicht nur Herausforderungen mit sich, sondern auch unerwartete Konflikte. Gwenyfer muss lernen, ihren eigenen Weg zu finden und für ihre Entscheidungen einzustehen - eine Reise voller Selbstentdeckung und Mut beginnt.

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Für Stefan,

dessen Zuneigung mir das wahre Wesen der Liebe offenbarte, ein Geheimnis, das mir ohne ihn für immer verborgen geblieben wäre.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

1

Mit geschlossenen Augen saß Gwenyfer im Schlossgarten und genoss die ersten kräftigen Sonnenstrahlen in diesem Jahr. In ihren Gedanken versunken, dachte sie lächelnd, endlich habe ich meine Freiheit zurück. Sie war sich noch nicht sicher, was sie mit dieser neuen Unabhängigkeit anfangen wollte. Doch gewiss war ihr nur eines: Sie hatte keine Absicht, an diesem Ort zu verweilen. Ihr Herz verlangte sehnsüchtig nach einem Abschied von diesem für sie schauerlichen Ort. Denn hier, in dem Schloss ihrer Eltern, lagen lange, harte Jahre hinter ihr, in denen sie die Pflichten einer Königin hatte lernen müssen.

Sie wurde als zukünftige Königin von Midgard geboren. Daher musste sie viel über Ihre Heimat Midgard, die Welt Asgard, deren dortige Gebräuche und über die große Prüfung lernen. Ein großer Teil davon umfasste die asgardische Hofetikette. Sie musste lernen, sich tadellos zu benehmen. Bei dem Gedanken an die Anfänge stiegen auch heute noch panische Gefühle der Angst und der Nervosität in ihr auf. Denn damals waren ihr noch viele Fehler passiert und sie wurde jedes Mal hart dafür bestraft. Auch wurde ihr viel über Yggdrasil, dem Weltenbaum erzählt. Sie hatte sogar eine Zeichnung von ihm in ihrem Gemach hängen. Auf dieser waren alle neun Welten abgebildet. Ganz oben das prunkvolle Asgard, die Stadt des Königs, zu seiner rechten Vanaheim, die Heimat der alten Götter und zur linken Alfheim, die Welt der Lichtelfen. In der Mitte von Yggdrasil liegt Midgard, der Ursprung der Menschen und an seiner Seite Jötunheim, auf dem die Kälte regierte. Darunter liegt Svartalfaheimr, die Heimat der Zwerge und der Dunkelheit. Als letztes liegt unten Helheim, das Reich der Toten, daneben erstreckt sich Niflheim, in seinem ewigen Dunst und Muspelheim, die Welt des Feuers.

Doch nun konnte sie endlich aufatmen, denn seit gestern war ihr Unterricht endgültig beendet. Heute war ihr erster Tag in Freiheit und diesen wollte sie mit dem Sonnenaufgang beginnen. Auch war sie glücklich, dass diese, so dachte sie, schlimmste Zeit hinter ihr lag. Und so atmete sie tief die frische Morgenluft ein und konnte den Tau in der Luft auf ihren Lippen spüren.

Nun fehlte nur noch die große Prüfung, die jeder zukünftige Herrscher über Midgard absolvieren musste, dachte sie weiter über ihre Zukunft nach. Wie genau diese Prüfung aussah, wusste sie nicht, denn die genauen Details, wurden dem Prüfling, erst kurz vor dem Beginn mitgeteilt. So jedenfalls hatte es ihr, ihr Vater erzählt, der die Prüfung in seinen Jugendjahren ebenfalls absolvierte. Durch die Aufgaben, in denen es auch um die Menschen auf Midgard ging, würde es wahrscheinlich damit zu tun haben, überlegte Gweny in letzter Zeit öfter. Auch wann es genau losging, war ein gut gehütetes Geheimnis. Aber sie wollte sich nicht schon wieder den Kopf darüber zerbrechen, denn heute gab es noch etwas sehr Erfreuliches. Sie durfte ihre Eltern auf eine Reise begleiten. Das letzte Mal war vor Ihrer Ausbildung gewesen und daran erinnerte sie sich kaum noch. Die Reise führte sie nach Asgard, in die Stadt des Königs der neun Welten. Sie hatte so viel über diese prunkvolle Stadt gelernt und gehört, dass sie sehr aufgeregt war, sie nun wahrhaftig mit eigenen Augen sehen zu können.

Sie freute sich darauf, die asgardische Königsfamilie kennenzulernen. Zu dieser gehörte der König, Odin Allvater und seine Gattin Freya, ihr gemeinsamer Sohn Thor Odinson, der zukünftige König über Asgard und die neun Welten, sowie sein Halbbruder Loki Laufeyson, den Freya mit nach Asgard brachte, wo sie vor ihrem ersten Ehemann floh. Loki ist der Sohn von Laufey, dem König über die Eisriesen, der über Jötunheim herrschte und mit Freya verheiratet war, bis er bei einem Kampf auf Leben und Tod sein Ende durch Odins Schwert fand.

Durch die Heirat seiner Mutter Freya mit Odin, wurde auch Loki zu einem Sohn Odins und wuchs heran als zukünftiger König von Jötunheim. Zudem hatte Gwenyfer gehört, dass die Königin sehr bewandert in der Zauberkunst war, sowie alle Frauen des Hochadels ihrer Gesellschaft. Es war nur nicht jeder, mit so einem Talent gesegnet wie die Königin. Ihre Reise nach Asgard sollte einige Wochen dauern. Ob ich sie um etwas Unterricht bitten dürfte, hing Gweny weiter ihren Gedanken nach und hatte gar nicht gemerkt wie Ismerva, ihre geliebte Zofe neben Sie getreten war.

Ismerva war schon immer ihr Fels in der Brandung. Sie hätte die harten Jahre ihrer Ausbildung nicht ohne sie und ihrer mütterlichen Liebe zu ihr durchstehen können. Sie war ihre Zofe, solange sie denken konnte. Damals war Ismerva erst 20 Jahre alt gewesen und war durch eine schicksalhafte Wendung zu einer Vertrauten ihres Vaters geworden.

Ihr Vater war König Ariald von Midgard. Dieser war zumeist beschäftigt, aber wenn er mal Zeit hatte, verbrachte er diese gerne mit seiner einzigen Tochter. So liebte sie besonders die langen Ausritte mit ihm und freute sich, wenn er sie dazu abholen ließ. Ihre Mutter Königin Adelheid von Midgard, war kalt wie ein Stein. Sie schien nicht viel von Gwenyfer zu halten und war auch nicht zurückhaltend, dass dies jeder mitbekam. Gweny versuchte, die kühle Distanz ihrer Mutter damit zu erklären, dass sie nur ein einziges Kind geboren hatte, und dazu auch noch ein Mädchen.

„Gweny, es ist Zeit zu gehen“ flüsterte Ismerva zärtlich, um sie nicht zu erschrecken. Gwenyfer hatte immer noch die Augen geschlossen. Nun öffnete sie sie langsam und merkte erst jetzt, wie hoch die Sonne schon gewandert war. „Jetzt schon?“, fragte sie traurig, mit noch halb geschlossenen Augen. Sie brauchte einen Moment, um sich langsam an das helle Sonnenlicht zu gewöhnen. „Die Kapellenglocke hat schon zum Vormittag geschlagen, mein Liebe, du musst dich beeilen, wenn du dich noch umziehen möchtest.“ Das musste sie wahrhaftig. Sie hatte heute Morgen nur ein leichtes Kleid ohne Korsett angezogen und dies war, als Reisebekleidung, nicht standesgemäß für die Kronprinzessin von Midgard. Gezwungenermaßen stand sie von der Bank auf und ging mit Ismerva in Ihre Gemächer zurück. Ismerva hatte ihr ein wunderschönes smaragdgrünes Samtkleid zurechtgelegt. Sie zog es mit Freuden an, denn Grün war ihre Lieblingsfarbe. Gerade als sie fertig war, sich zurechtmachen, rief eine ungeduldige Stimme von unten: „Gwenyfer, die Kutsche wartet!“ Das war die Stimme Ihrer Mutter. Sie beeilte sich, nach unten in die Eingangshalle zu kommen um eine, ruhige Kutschfahrt zu haben. Denn ihre Mutter war ein sehr ungeduldiger Mensch, was ihre Beziehung nicht unbedingt einfacher machte.

Als sie in den Innenhof des Schlosses trat, stand dort schon die prunkvolle Kutsche ihrer Eltern bereit, mit der sie nach Asgard reisen würden. Dahinter stand noch eine zweite Kutsche für die Bediensteten, sie war einfacher und hatte kein festes Dach. Zudem war sie vollgepackt, mit Kisten und Truhen. Eine der wenigen vorteilhaften Eigenschaften ihrer Mutter war, dass sie sehr auf das Gewohnte bestand und daher auch die eigenen Bediensteten mitnahm. So konnte wenigstens auch Ismerva mit nach Asgard reisen. Gwenyfer stieg nach ihren Eltern in der ersten Kutsche ein.

Die Reise verlief ruhig, vielleicht auch, weil ihre Mutter kurz nach dem Aufbruch eingeschlafen war. Gweny, die talentierter in der Zauberkunst war als Ihre Mutter, hatte heimlich ein wenig nachgeholfen. So wurde die Reise für sie deutlich angenehmer. Leider war, aber auch ihr Vater eingeschlafen. Sie hätte ihn zu gerne darüber befragt, warum sie nach Asgard fuhren. Doch bevor er einschlief, flüsterte er ihr noch geheimnisvoll zu, dass sie sich auf einen königlichen Ball freuen kann, der morgen Abend in Asgard stattfinden sollte.

Ob Sie dort die beiden Söhne treffen würde, fragte sie sich und ging in Gedanken ihre Kleider durch, ob eines dabei war, welches für den Ball des Königs angemessen war. Doch leider hielt sie keines davon, für angebracht genug. Ich muss später noch mit Ismerva schauen, ob sie eines meiner Alten, dafür herrichten kann, überlegte sie noch, bevor das monotone Geschaukel auch sie in einen leichten Schlaf fallen ließ.

Nach einigen Stunden kamen sie vor ein großes Tor, diese war das Portal zum Bifröst. Die Brücke, welche Asgard mit den allen Welten verband. Von dort konnten auch Kutschen über den Bifröst reisen. Von diesen Portalen gab es in jeder Welt nur eines. Sie waren sehr versteckt und nur für die sichtbar, die der königlichen Zauberkunst mächtig waren.

Ihre Eltern erwachten im Moment, als sie das Portal passierten. Sie fuhren direkt durch das Tor hindurch und nach einem kurzen Augenblick standen die beiden Kutschen auf einer langen Brücke, die in bunten Farben erstrahlte. Am Ende der Brücke erhob sich eine riesige prunkvolle Stadt. Sie glänzte, als ob alles in Gold getaucht worden wäre. Sie stiegen aus, um die Schönheit Asgards für ein Moment zu genießen. Gweny war beeindruckt von der Brücke, die zu funkeln schien.

Neben sie trat ein großer Mann mit breiten Schultern, der ein riesiges Schwert in seinen Händen hielt. Seine Augen waren trüb und er hatte eine königliche Rüstung an. „Ich bin Heimdall, der Wächter des Bifröst“, stellte er sich mit einer tiefen Stimme vor: „Willkommen in Asgard, königliche Hoheiten. Sie werden im Schloss erwartet.“ Nach diesen Worten drehte er sich wieder um und ging zurück zu seinem immerwährenden Wachposten am Bifröst.

„Komm, mein Kind. Wir wollen König Odin nicht länger warten lassen“, rief ihr, ihr Vater zu. Und sie beeilten sich, wieder in die Kutsche einzusteigen. Sie war beeindruckt von dieser glänzenden Stadt, die je umso mehr sie Richtung Schloss fuhren, immer prachtvoller wurde.

Nachdem sie die Brücke vollständig passiert hatten, tauchten rechts und links Häuser auf, deren Fachwerke zum Teil mit Goldfarbe veredelt waren. „Dies ist das Viertel der Bediensteten des Palastes“, erklärte ihr Vater. Dann zeigte er mit seiner Hand nach rechts und erklärte weiter: „Dahinter auf der rechten Seite liegen das Handwerker- und das Soldatenviertel.” Nun drehte er sich zur anderen Seite und machte wieder eine ausladende Handbewegung. „Und auf der linken Seite werden wir gleich durch den Stadtteil der Goldschmiede fahren.” Er machte eine Pause, bevor er weitersprach. „Jetzt kommen wir an dem prachtvollen Palastgarten vorbei, in dem die schönsten Rosen der neun Welten wachsen.” Er zwinkerte ihr zu. „Und direkt dahinter liegt der Palast.“ Beendete er seine grobe Stadtführung.

Gweny konnte sich gar nicht sattsehen. Sie war beeindruckt von der Schönheit dieser Stadt. Sie schaute sich die vielen reich verzierten Häuser der Asen an und fragte sich, ob sie die Möglichkeit hatte in der Zeit, in der sie hier verweilte, einen Ausflug durch die Straßen dieser schönen Stadt zu unternehmen. Besonders das Goldschmiedeviertel interessierte sie. Denn dort, so hatte sie gehört, soll die mächtigste Zauberkundige der neun Welten wohnen. Die Zauberkunst war schon immer das Thema, welches am meisten ihr Interesse geweckt hatte.

Als sie nun an den Palastgärten vorbeifuhren, musste sie ihrem Vater recht geben, es waren wirklich die schönsten Rosen der gesamten neun Welten, die hier blühten. Es gab sie hier in allen Farben und sie dufteten bis zu ihr in die Kutsche.

Nach den Gärten fuhren die Kutschen in eine langgezogene Linkskurve und vor ihnen kam der gesamte Palast, von dem sie die Fahrt über schon einige Spitzen sehen konnte, zum Vorschein. Der Palast war beeindruckend. Er sah aus, als bestünde er aus einzelnen golden Türmen. Als sie näherkamen, fuhren sie auf eine große Treppe zu. Die Stufen, die nach oben führten, schienen leicht zu schimmern. Unterhalb der Treppe wartete ein Empfangskomitee. „Steht der König auch dort?“, fragte Gweny neugierig. Ihre Mutter reagierte mit einem durchdringenden Blick. „Denkst du etwa ernsthaft, dass sich die königliche Familie unten an der Treppe aufhält und wartet?“, fauchte sie und musterte ihre Tochter verächtlich. „Während unseres Aufenthalts hier erwarte ich von dir ein angemessenes Benehmen. Keine unnötigen Fragen. Und du wirst gehorchen, was auch immer befohlen wird, ganz gleich, was es sein mag.“

Gweny senkte gehorsam den Blick und versuchte, ihre aufkommende Unruhe zu unterdrücken. Die düsteren Worte ihrer Mutter hallten in ihrem Kopf wider und sie spürte den Druck, sich zu fügen, selbst wenn es gegen ihren eigenen Willen ging. Die Anwesenheit ihrer Mutter war wie ein Schatten, der sie umhüllte und ihre Gedanken einschränkte. Als die Kutsche anhielt, kam gleich ein Diener, um ihnen herauszuhelfen. Er verbeugte sich. „Willkommen in Asgard, königliche Hoheiten“, sagte er hochmütig. „Mein Name ist Henk von Asmarnien. Ich bin der Haus- und Hofmeister, wenn sie irgendwelche Ansinnen haben, zögern sie nicht, nach mir rufen zu lassen.“ Dann zeigte er auf drei Zofen, die rechts neben ihm standen. „Diese Bediensteten, stehen ihnen, in der Zeit ihres Aufenthalts hier, zur Verfügung.“ Er verneigte sich noch einmal. „Nun werden ihnen ihre Gemächer gezeigt und heute Abend erwartet sie die königliche Familie zum Abendessen.“ „Danke, ich freue mich wieder hier zu sein“, entgegnete ihr Vater und sah freudig zum Schlossportal. Sie stiegen die Treppe hinauf.

Auch die Eingangshalle schien zu schimmern, sie war größer als im Schloss ihrer Eltern. Gweny drehte sich zu ihren Eltern um. Doch diese, waren schon hinter einer Säule verschwunden. Vor ihr stand nur noch Ismerva und ein junges Mädchen. Als die Prinzessin sie ansah, verbeugte sie sich schnell und sagte: „Königliche Hoheit, wenn ihr bereit seid, führe ich euch zu eurem Gemach.“ Gweny nickte und folgte, mit Ismerva, dem Mädchen eine Treppe hinauf. Als sie in ihrem neuen Gemach angekommen waren, verneigte sich das junge Mädchen und verschwand wieder durch die Tür, um auch Ismerva ihre Kammer zu zeigen.

2

Als Gwenyfer sich in ihrem ihr zugeteilten Gemach umsah, war sie fasziniert. Es war ein großer Raum mit bodentiefen Fenstern. Das Bett stand quer davor und sah wahrhaft königlich aus. Es war ein Himmelbett mit schweren, weißen Samtvorhängen und an den Säulen waren filigrane Verzierungen aus Gold eingearbeitet. Auch das restliche Mobiliar passte farblich zum Bett.

Sie ging nach rechts, durch eine Tür. Hier ging es in einen gekachelten Raum, in deren Mitte eine große Wanne stand. Diese hatte die Form eines länglichen Troges, nur das sie aus weißem Porzellan zu sein schien.

Sie kam wieder heraus und entdeckte, dass es noch eine Tür auf der linken Seite gab. Durch diese ging es in einen kleinen Salon mit einem wunderschönen Kamin. Auch hier gab es die bodentiefen Fenster, durch die man den Schlossgarten sehen konnte. In der Mitte des Raumes standen Sofas und dazwischen ein kleiner Tisch. Sie fühlte sich vom ersten Moment an wohl hier.

Als sie sich weiter im Raum umsah, konnte sie an der hinteren Wand die Abzeichnung, von einer kleinen kaum sichtbaren Tür erkennen. Doch gerade, als sie sich diese näher anschauen wollte, klopfte es an der Gemachtür.

Gweny öffnete und herein kamen Ismerva und das junge Mädchen. „Dies ist Serina“, stellte Ismerva die Zofe vor. Serina verbeugte sich tief und sprach ehrfürchtig: „Willkommen, königliche Hoheit. Ich hoffe ihr hattet eine angenehme Reise nach Asgard? Ich werde in der Zeit, in der ihr hier seid, eure Kammerzofe sein, Prinzessin Gwenyfer.“ „Vielen Dank, Serina“, sagte Gweny und wand sich wieder an Ismerva. „Wo ist deine Kammer?“ „Am Ende des Ostflügels, dort liegen die Kammern für die Bediensteten, ich teile mir eine Kammer mit Serina.“ „Sehr schön“, flüsterte Gweny, mehr zu sich selbst. Sie sah zu Serina hinüber und hätte sie gerne noch ein wenig ausgefragt, über den König und seine Familie, aber dafür blieb leider keine Zeit, denn der König erwartet sie zum Abendessen. Dafür wollte sie noch baden und sich umziehen. Auf Ismervas Anweisung hin, verschwand Serina in Richtung Badezimmer, um das Bad zu richten.

Gweny hatte nun etwas Zeit, sich ihr Schlafzimmer noch genauer anzusehen. Sie betrachtete das traumhafte Himmelbett, mit seinen weißen Samtvorhängen und fragte sich gerade, ob es genauso gemütlich ist, wie es aussieht, als Ismerva einen leisen entzückten Schrei ausstieß. Gweny drehte sich ruckartig zu ihr um. Sie stand an dem geöffneten Kleiderschrank und hielt Gweny eine Karte, aus dickem schwerem Papier, hin. Sie nahm sie in die Hand und betrachtete sie kurz, ohne zu lesen, was auf Ihr geschrieben stand. Das schwere Papier fühlte sich rau an unter ihren Fingern, sie strich über die goldene Borte, die den Rand säumte und oben in der Mitte mit dem Königssiegel abschloss. Dann las sie den Text, der in der Mitte der Karte mit sauberer, zierlicher Handschrift stand:

Liebe Gwenyfer von Midgard,

wir freuen uns, dass du unserer Einladung gefolgt bist und dich mit deinen Eltern auf den langen, beschwerlichen Weg nach Asgard begeben hast. Als Zeichen der Zuneigung möchten wir dir diese Kleider schenken. Wir hoffen, dass sie dir gefallen und du eines davon morgen Abend zum Ball tragen wirst.

In großer Freude über dein Erscheinen

verbleiben wir,

König Odin Allvater und Königin Freya von Asgard

Sie schaute von der Karte, in den Schrank. Dort konnte sie die schönsten Kleider erblicken, die sie in ihrem ganzen Leben gesehen hatte.

Gweny fragte sich was diese Worte zu bedeuten haben. Sie hatte doch nur ihre Eltern hierher begleitet, um die Königsfamilie von Asgard zu besuchen. Sie sah zu Ismerva, die sie ungeduldig ansah. „Was steht dort?“, fragte sie nun. Sie las ihr die Karte nochmal vor und das Lächeln in Ismervas Gesicht wurde immer breiter.

„Was bedeutet das?“, fragte Gweny verwirrt. Just in diesem Moment kam Serina aus dem Badezimmer, um den vollen Badekübel anzukündigen. „Serina, warum wurden meine Eltern nach Asgard eingeladen?“, fragte sie diese, bevor Serina Ihre Ankündigung machen konnte. Serina sah kurz überrascht aus, fing sich aber schnell wieder. „Wieso eure Eltern, Prinzessin? Wisst Ihr gar nicht, warum ihr hier seid?“ Das verwirrte Gweny noch mehr und sie sah Ismerva fragend an, aber diese zuckte nur mit den Schultern und sah wieder hinüber zu Serina. „Sprich weiter“, forderte Gweny sie auf. Serina sah zu Boden und sprach mit leiser Stimme weiter. „Genaueres weiß ich auch nicht, sondern nur was in der Küche darüber erzählt wird. Ich möchte euch nicht mit dem Hof Gerüchten belästigen.“ Gweny sah sie aufmunternd an und gebot ihr, weiterzusprechen.

„Ich hörte nur“, sagte sie schüchtern. „Wie Ihr die nächste Königin genannt wurdet und es wird darüber gesprochen, für wen Ihr euch wohl entscheiden werdet.“ Gerade als Gweny fragen wollte, für wen entscheiden, klopfte es an der Tür. „Seid ihr fertig, Prinzessin?“, rief eine Männerstimme von vor der Tür her, „bald werdet ihr zum Fest abgeholt.“

Erschrocken fuhr sie zusammen. Sie sah zu Ismerva. Diese behielt, aber wie immer einen kühlen Kopf. „Für ein Bad, ist jetzt wohl keine Zeit mehr!“ Ismerva wies Serina an, dass diese etwas Wasser in eine Schüssel füllte, damit sich Gweny wenigstens etwas waschen konnte. Zu Gweny gewandt, sagte sie mit sanfter Stimme, sie solle sich ein Kleid aussuchen.

So ging sie zum Kleiderschrank und überflog die vielen verschieden Kleider. Ihr stach sofort ein hellgrünes ins Auge, das mit vielen glitzernden Steinen besetzt war. Sie holte es heraus und hielt es in die Höhe, um es komplett in Augenschein zu nehmen.

„Es ist perfekt“, rief sie begeistert und gab es Ismerva. Diese band die Samtbänder, mit denen es am Rücken geschnürt wurde, mit geschickten Fingern auf und zog das Unterkleid und das Korsett heraus. Nachdem sich Gweny kurz frisch gemacht hatte zog sie mit Ismervas Hilfe, zuerst das Unterkleid, dann das Korsett und zum Schluss das hellgrüne Kleid an.

Serina, die dies beobachtete, wünschte sich nichts sehnlicher, als der Prinzessin irgendwann auch so dienen zu können. Im Anschluss betrachtete sich Gweny im Spiegel und war sehr zufrieden. Das Kleid passte wie angegossen und sah wirklich königlich aus.

Mit ein paar geschickten Handgriffen steckte Serina, ihr die weißblonden Haare zu einer prachtvollen Hochsteckfrisur zusammen.

Sie betrachtete sich im Spiegel und war sehr genügsam. Gweny wollte sich gerade zu Serina umdrehen, um sie nochmal zu fragen, was sie vorhin damit gemeint hatte, für wen sie sich entscheiden sollte? Als es erneut an der Tür klopfte.

„Prinzessin, ihr werdet erwartet“. Gweny spürte die Aufregung in sich aufsteigen. Ihr Herz begann deutlich zu pochen, als wäre es ein Trommelschlag in ihrer Brust. Was mich wohl erwarten wird, überlegte sie, als sie zur Tür ging.

Ismerva öffnete sie, sodass Gweny in den Gang treten konnte. „Viel Glück und ich warte hier auf dich“, flüsterte sie ihr noch zu, bevor Gweny loslief.

Draußen warteten zwei Männer in Soldatenuniformen. Sie hatten jeder einen langen Speer in der Hand. „Prinzessin Gwenyfer, wir geleiten euch zur großen Halle“, sagte der Größere von ihnen. Der andere ging voraus und sie beeilte sich, hinterherzukommen.

Die Gänge waren sehr prunkvoll, überall gab es große Säulen, die mit vielen handgemalten Szenen verziert waren. Jede Säule erzählt ihre eigene Geschichte. So war auf der einen Säule, zwei Kinder zu sehen, die gemeinsam spielten und auf einer anderen, waren wieder die Kinder nun aber älter und auf Pferden abgebildet. Sie fragte sich, ob dies die beiden Söhne des Königs waren. Und während sie die Bilder betrachtete und überlegte, machte schlagartig alles einen Sinn. Dass sie nach Asgard gereist waren, die Karte des Königspaares und die Ermahnungen ihrer Mutter, sich ja alles zu tun, was von ihr verlangt wurde.

Sie sollte einen der Söhne heiraten.

Wut stieg in ihr auf. Wie konnte man so über ihren Kopf hinweg über ihr Leben entscheiden. Gerade jetzt, wo sie ihre Freiheit wieder besaß und diese erst mal genießen wollte. Sie kannte die beiden doch noch nicht einmal. Der Zorn über diese, von anderen getroffene Entscheidung, brodelte noch in ihr als sie wenige Augenblicke später an der großen Halle ankam.

Die Soldaten stellten sich neben die große, beschlagene Eichentür. „Hoheit, wenn Ihr so weit seid, kündigen wir euch an.“ Sie war immer noch wütend. Wusste aber, dass sie dieses Gefühl nun unterdrücken musste. Sie atmete noch einmal tief durch und strich ihr Kleid glatt. Dann gab sie den Soldaten ein Handzeichen, das sie bereit war.

3

Die beiden Soldaten öffneten gemeinsam die große Eichentür. Der Größere von ihnen trat vor Gweny in den Raum, um sie anzukündigen.

Die Halle war sehr groß und hoch, aber mehr konnte Gweny, von Ihrer Position hinter dem Soldaten, nicht erkennen. Er klopfte dreimal mit seinem Speer auf den Boden, wartete noch einige Augenblicke, bis die Gespräche verstummt waren, dann verkündete er mit lauter Stimme „Ihre Königliche Hoheit, Prinzessin Gwenyfer von Midgard“. Während er dies sagte, trat er ein Schritt zur Seite. Sie trat hinter ihm hervor und konnte zwei sehr lange festliche Tafeln mit vielen Menschen sehen. Am oberen Ende waren sie mit einem weiteren Tisch verbunden, der quer zu den anderen beiden stand. Alle Augen waren auf sie gerichtet.

Einer der Soldaten deutete auf einen Platz, der hinten an der Tafel war und signalisierte ihr in diese Richtung zu gehen.

Als sie durch die Mitte schritt, folgten ihr alle Blicke. Umso weiter sie nach vorne kam, konnte sie immer deutlicher erkennen, wer am Tischende saß. Es war ein Mann mit langem grauem Bart und einer goldenen Rüstung.

Das musste der König sein, dachte sie sich und ihr Blick glitt zu seiner rechten Seite, wo eine wunderschöne Frau in einem langen dunkelblauen Kleid saß und ihr freundlich zu lächelte. Zu seiner linken Seite saßen ihre Eltern. Ihr Vater nickte ihr aufmunternd zu und ihre Mutter hatte ein recht zufriedener Gesichtsausdruck. Aber bevor sie darüber nachdenken konnte, warum ihre Mutter so friedlich schaute, ertönte die gebieterische Stimme des Königs. Er sprach fast zärtlich, aber nicht weniger einschüchternd. Gweny zuckte kaum merklich zusammen und ihr stellten sich die Nackenhaare auf.

„Meine liebe Gwenyfer, ich freue mich sehr, dass ihr den weiten Weg aus Midgard auf euch genommen habt, um meiner Einladung zu folgen. Wir sind sehr glücklich, euch in unseren Reihen begrüßen zu dürfen.“

Er machte eine Pause, damit die übrigen Gäste klatschten konnten. Nachdem sie wieder verstummt waren, fuhr er fort: „Darf ich euch meine Frau vorstellen, Königin Freya, Herrscherin über Asgard und die neun Welten.“

Gweny blieb kurz stehen und verbeugte sich tief in ihre Richtung. Die Königin nickte ihr zu und lächelte sie aufmunternd an. Gweny lächelte dankbar zurück und setzte sich, auf den ihr zugewiesenen Platz, zwischen zwei junge Männer, die rein vom äußerlichen nicht unterschiedlicher hätten sein können.

Der Mann zu ihrer Rechten sah sie kurz selbstsicher und arrogant an und drehte sich dann gleich wieder zu seiner anderen Tischnachbarin, die er anscheinend interessanter zu finden schien. Er hatte schulterlanges goldenes Haar und man konnte unter seiner goldenen Rüstung einen sehr muskulösen Körper erahnen. Er hatte ein sehr markantes Gesicht und seine Haut war sonnengebräunt. Er sah sehr gut aus und das wusste er.

Der andere zu ihrer Linken, war auch von hochgewachsener Statur, aber nicht so muskulös wie der Erste. Er hatte weiche Gesichtszüge und auch er hatte schulterlanges Haar, aber in schwarz. Außerdem leuchteten seine Augen in dem schönsten Grün, das sie jemals gesehen hatte. Doch als er wenige Minuten später anfing zu sprechen, waren ihre Gedanken schon weitergewandert.

Er lächelte sie an und stellte sich vor: „Prinzessin Gwenyfer, ich bin Loki Laufeyson von Jötunheim und neben euch, sitzt mein schlecht erzogener Bruder Thor Odinson von Asgard.“

Doch Gweny war so mit der Pracht des Raumes und der Gäste beschäftigt, dass sie ihm nicht richtig zuhörte, deshalb nickte sie ihm, nur mit einem nichtssagenden Lächeln zu und drehte sich wieder nach vorne, um für diesen Moment nicht weiter mit ihm sprechen zu müssen.

Sie wollte sich lieber noch ein wenig weiter umgucken. Sie sah zu ihren Eltern hinüber. Ihr Vater sprach angeregt mit dem König, sie hätte zu gerne gewusst, über was die beiden sich unterhielten, aber da es am Tisch, durch die vielen Gespräche, ziemlich laut war, konnte sie nicht verstehen, um was es ging. Danach glitt ihr Blick zu ihrer Mutter, diese taxierte sie und gab ihr mit einer Mundbewegung zu verstehen, sich zu benehmen.

Denn ihre Mutter wusste natürlich, zwischen wem genau ihre Tochter dort saß, auch wenn Gweny diese Bekanntschaft, zum jetzigen Zeitpunkt, noch nicht gänzlich bewusst war.

Sie schaute sie böse an, sodass Gweny zugleich ihren Blick senkte und auf ihren noch leeren Teller starrte. Nach einer Weile siegte aber doch die Neugier in ihr und sie wagte sich noch einmal nach links zu schauen. Sie wollte ihn sich nochmal genauer anschauen. Er hatte vorhin in seinem Blick etwas Geheimnisvolles gehabt, dass einem unbekannten Drang in ihr geweckt hatte. Sie konnte diesen Drang nicht einordnen, hatte aber das Gefühl, ihn sich noch einmal etwas genauer. Seine langen, schwarzen Haare lagen in leichten Wellen auf den Schultern. Er hatte sich zu seiner Sitznachbarin umgedreht und diskutierte mit ihr gerade den Einsatz von Magie auf dem Schlachtfeld. Er trug keine Eisenrüstung, sondern eine Art Lederanzug, der sich perfekt, um seinen schlanken, muskulösen Körper schmiegte. Seine Gesprächspartnerin fing leise an zu kichern, erst jetzt bemerkte Gweny, dass sie ihn geradezu anstarrte. Schnell senkte sie verschämt ihren Blick in Richtung Teller.

Just in diesem Moment, stand der König von seinem Stuhl auf und brachte die Menge mit einer leichten Handbewegung zum Schweigen.

„Liebe Gäste, liebe Asen! Wir haben uns heute hier versammelt, um ganz besondere Gäste in Asgard zu begrüßen!“ Er schaute zu Ihrem Vater und prostet ihm zu

„Mein lieber Ariald, wir freuen uns sehr, dass du und deine bezaubernde Gattin die Einladung für eure wunderschöne Tochter angenommen habt und heute mit ihr hier seid.“ Er nahm ein großzügiger Schluck aus seinem Weinkelch. Danach dreht er sich zu Gweny um und sah ihr direkt in die Augen. Er schwieg ein Moment und bewunderte ihr wunderschönes Erscheinungsbild. Er war frohgemut, über die bevorstehenden Geschehnisse und wusste, nicht zuletzt durch das exzellente Einschätzungsvermögen seiner Frau Freya, dass dies die Frau war, die alle neun Welten vereinen würde.

„Liebe Gefolgschaft, ich freue mich euch Prinzessin Gwenyfer von Midgard vorzustellen, die zukünftige Königin von Asgard, Midgard und der neun Welten!“

Gweny wurde kreidebleich. Sie brauchte einen kurzen Moment sich zu fangen. Besann sich, aber schnell auf Ihre gute Erziehung und korrigierte ihren Gesichtsausdruck zu einem geehrten Lächeln. Innerlich dauerte die Bewältigung des Schocks, über das gerade gehörte, ein wenig länger. Ihr kam schon wieder die Frage von vorhin in den Sinn. Wen genau sollte Sie wählen? Ihr war schon bewusst, dass sie irgendwann heiraten musste, als einziges Kind ihrer Eltern, aber warum jetzt schon. Sie hatte gehofft, noch etwas reisen zu dürfen. Und ihre große Prüfung stand auch noch an. Ihr brummte der Kopf und sie wäre gerne auf der Stelle zu Ihrer Kammer gelaufen, um Ismerva alles zu erzählen. Aber nun musste Sie erst einmal hier durch.

Der König sah sie immer noch glücklich an und mit ihm auch alle anderen. Gweny errötete leicht, bei so viel Aufmerksamkeit. „Sie wirkt noch sehr schüchtern“, flüsterte Freya ihrem Gemahl zu und dachte lächelnd, wie bei mir damals. Odin sah seine Frau liebevoll an und sagte: „Wie bei dir!“, als ob er Ihre Gedanken lesen könnte.

Gweny wagte ein Blick nach oben zu Ihren Eltern. Sie machten beide ein sehr zufriedener Eindruck. So, als ob sie froh waren, dass sie die Tochter hatten, die einen der beiden Söhne Odins heiraten sollte, um somit die Zukunft der neun Welten zu sichern.

Einen Moment später sah Gweny den Allvater, wie er seine Hand hob um den Dienern signalisierte, das Essen aufzutragen. Sie atmete erleichtert auf, weil nun die Aufmerksamkeit nicht mehr auf Ihr, sondern auf dem Essen, welches hereingetragen wurde, lag.

Nach einiger Zeit hatten sich auch alle anderen Gäste von ihr abgewandt und waren wieder mit ihren Tischnachbarn in Gespräche vertieft. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass der junge Mann neben Ihr sich ja vorgestellt hatte. Sie überlegte fieberhaft, was er gesagt hatte. Hatte er sich nicht mit Loki vorgestellt? Kann es sein, dass er einer der beiden Prinzen von Asgard war? Was hatte er nochmal gesagt, wie hieß sein Bruder, dachte Sie angestrengt nach. Sie hatte vorhin vor lauter Aufregung nicht richtig zugehört. War es Thor gewesen?

Sie drehte sich nach rechts, zu dem blonden Mann, um ihn genauer betrachten zu können. Er unterhielt sich wieder mit seiner Sitznachbarin, eine große, schlanke Frau in silberner Rüstung und langen braunen Haaren. Sie hatte ein sehr markantes Gesicht, sah aber in keiner Weise männlich aus, sondern eher wie eine anmutige Walküre, die Ihr Leben auf dem Schlachtfeld verbrachte.

Das war also Thor, dachte sie und ließ ihren Blick über seine Gestalt wandern. Er machte einen sehr heldenhaften Eindruck auf sie, wie er so da saß in seiner goldenen Rüstung. Er hatte etwas Anziehendes und sah wirklich gut aus. Genau in diesem Moment drehte er sich zu ihr um und musterte sie nun genauer als beim ersten Mal. „Es ist wohl annehmbar“, murmelte er verdrossen, eher für sich selbst als für sie. Sein Blick ruhte auf ihr, während er nun unmittelbar mit ihr sprach: „Ich bin kein Mann, den man bändigen kann. Mein Leben ist von stetigen Kämpfen gezeichnet und ich werde mich keiner solch arrangierten Bindung beugen. Doch so oder so werden unsere Wege sich selten kreuzen und du wirst genug Raum haben, deinen weiblichen Angelegenheiten nachzugehen.“ Er lachte gereizt und drehte sich wieder zu seiner anderen Nachbarin um, welche mit ihm lachte.

Gweny war entsetzt, solch ein eingebildeten Prinzen sollte sie heiraten? Noch nie war jemand so unfreundlich zu ihr gewesen. Sie befürchtete, wenn sie diesen Sohn heiraten musste, würde ihr Leben nicht besser werden als in den vergangenen Jahren. Immer noch schockiert, über diese Frechheit, blickte sie wieder auf ihren Teller.

Mittlerweile lag dort ein Stück Braten, ein paar Kartoffeln und Gemüse. Sie fing an, appetitlos in ihrem Essen zu stochern. „Kein Appetit, Prinzessin?“, die Stimme kam von ihrem anderen Sitznachbarn. Sie schaute nach links und sah in das Gesicht mit den leuchtenden grünen Augen. Seine Züge waren sanft und er lächelte sie an. Er hatte sich komplett zu ihr umgedreht und sie schloss, von der Art, wie sie von seiner vorherigen Gesprächspartnerin angeguckt wurde, dass er sich nun dazu entschlossen hatte, sich gänzlich mit ihr zu unterhalten. Da sie ihm noch eine Antwort schuldig war, schüttelte sie leicht den Kopf.

„Ihr seht heute Abend sehr hübsch aus“, stellte er mit seiner melodischen Stimme fest. „Grün ist meine Lieblingsfarbe.“ Gweny wurde leicht rot und das kribbelnde Glücksgefühl von vorhin, hatte sich wieder in Ihrem Magen ausgebreitet.

„Danke,“ sagte sie mit leiser, schüchterner Stimme. „Ich mag die Farbe auch sehr gerne. Sie erinnert mich an Koboldsteine und ihre magischen Fähigkeiten.“ Sie sah, dass seine grünen Augen, anfingen zu leuchten und er sagte mit leicht erregter Stimme: „Mögt ihr Magie?“ „

Ja, es war immer meine liebste Lektion. Mögt ihr es auch?“ Das Leuchten in seinen Augen wurde stärker und er flüsterte mit sanfter Stimme und einem geheimnisvollen Grinsen: „Wir werden noch viel Spaß haben.“ Dann drehte er sich nach vorne, um weiter zu essen. Sie war unsicher, was er mit dem letzten Satz gemeint hatte, wollte aber jetzt nicht darüber nachdenken. Auch sie wandte sich wieder ihrem Teller zu und sah noch, wie der König seinem anderen Sohn einen aufmunternden Blick zuwarf.

Im nächsten Moment spürte sie, dass sich eine Hand fest um Ihren Arm legte. Sie drehte sich, mit einem leicht genervten Gesichtsausdruck nach rechts und hatte nicht wirklich Lust, sich nochmal mit diesem unfreundlichen Prinzen zu unterhalten. Aber die jetzigen Umstände ließen keinen Entscheidungsfreiraum für sie übrig und so setzte sie ein bezauberndes Lächeln auf und wappnete sich der Dinge, die nun kamen.

„Prinzessin Gwenyfer,“ sagte Thor betont langsam mit tiefer dunkler Stimme, welche perfekt zu seinem äußeren Erscheinungsbild passte. „Verzeiht mir mein ungehobeltes Verhalten.“ Seine Sätze klangen mechanisch, als ob er sie ablesen würde. „Natürlich möchte ich, dass wir uns vor der Hochzeit besser kennenlernen, deshalb wäre es mir eine Freude, euch am morgigen Tag zu einer Kutschfahrt einzuladen, um euch unsere Stadt Asgard zu zeigen.“

Gweny war sprachlos, auch wenn seine Worte dieses Mal deutlich freundlicher und angemessener waren als zuvor, war er noch genauso eingebildet und von sich selbst überzeugt, wie vorher. Sie kannten sich erst so kurze Zeit und er sprach über ihre Hochzeit, als wäre es etwas, was er jeden Tag tun würde.

Als Antwort nickte sie nur kurz, woraufhin er seine Hand, welche deutliche rote Spuren zurückließ, von ihrem Arm zurückzog und sich wieder zu der Walküre umdrehte. Gweny strich sich über die roten Stellen auf ihrem Arm und sah, dass ihre Mutter sie warnend ansah. Daraufhin fuhr sie nochmal mit der Hand über den Arm und die Quetschmale waren verschwunden.

Nach dem Essen neigte sich der Abend langsam dem Ende zu. Mittlerweile standen alle Gäste in der Großen Halle in Grüppchen zusammen und unterhielten sich angeregt. Gweny hatte sich in einer Ecke, auf eine Bank niedergelassen und verfolgte das Geschehen in der Halle mit Neugier. Sie war noch nie, auf so einer großen Gesellschaft gewesen. Es war faszinierend und ermüdend zugleich, deshalb hoffte sie, sich bald zur Nacht verabschieden zu können.

Als Gweny ihren Blick durch die große Halle schweifen ließ, sah sie, dass ihre Eltern und das Königspaar auf sie zu kamen. Sie stand schnell auf und verbeugte sich als das Königspaar vor ihr stehen bleib.

„Gwenyfer, meine Liebe“, sprach die Königin sie freundlich an. „Warum steht ihr hier so allein?“ „Ich beobachte gerne, mir macht es nichts aus“, gab Gweny zurück und lächelte. „Aber wo sind denn meine Söhne?“, sagte der Allvater leicht verärgert und sah sich suchend im Raum um. Als er sie in einem Pulk von vielen weiblichen Bewunderinnen erblickte, runzelte er die Stirn.

„Sie sollten sich doch etwas um sie kümmern, damit sie sich näher kennenlernen. Die Hochzeit soll schon in sechs Monaten gefeiert werden und sie muss noch entscheiden, wer der Erste sein soll“, sagte er halb zu sich und halb zu seiner Frau.

Er drehte sich um und sah Gweny nun direkt in die Augen, sie zuckte kurz zusammen, sein Blick war stechend, aber dann lächelte er und sagte: „Wir freuen uns sehr, dass ihr hier seid und sind überglücklich nun jemand zu haben, der den beiden Benehmen beibringen kann!“ Er zwinkerte ihr zu. Gweny lächelte freundlich zurück, aber in ihrem Kopf wirbelten, die gerade gesagten Worte noch wie kleine Wirbelstürme durcheinander. Hochzeit in sechs Monaten? Der Erste? Benehmen beibringen? Was hatte das alles zu bedeuten? Ihr Kopf schmerzte von der Grübelei und sie musste dringend mit Ismerva sprechen.

„Mein König“, fing Gweny mutig an. „euer Sohn Thor hat mich morgen auf eine Kutschfahrt eingeladen.“ „Oh, darüber sind wir höchst erfreut“, er lächelte zufrieden. „Wenn ihr erlaubt, würde ich mich jetzt zurückziehen?“ „Natürlich dürft ihr euch entschuldigen, meine Liebe.“ Gweny war erleichtert. Sie verbeugte sich kurz und nickte ihren Eltern zu.

Dann verschwand sie durch die große Saaltür, durch die sie vor wenigen Stunden eingetreten war.

4

Als sie in ihrem Gemach ankam, wartet dort schon Ismerva auf sie. Gweny freute sich, sie zu sehen und konnte es gar nicht abwarten, ihr alle Neuigkeiten zu berichten.

„Eine Hochzeit“, Ismerva lächelte verträumt. „Du wirst die schönste Braut sein, die Asgard je gesehen hat.“

Da war sich Gweny noch nicht so sicher, bis jetzt fand sie keinen der beiden Brüder liebenswert genug, um sich mit ihm zu vermählen. „Abwarten“, meinte sie deshalb skeptisch.

Später an diesem ereignisreichen Abend lag sie im Bett. Ihre Gedanken kreisten um den heutigen Tag. Und ließen sie, obwohl sie das Gefühl hatte, ihr würden gleich die Augen zufallen, nicht einschlafen. Sie konnte sich immer noch kein Reim auf die Worte von Odin machen. Der Erste? Was meinte er damit? Und eine Hochzeit in sechs Monaten? So lange würden sie also hierbleiben und was kam danach? Ihre große Prüfung stand auch noch an. In ihrem Kopf drehte sich alles. Durch die vielen Gedanken, die in ihr umherirrten, begann ihr Kopf zu schmerzen. Es dauerte noch lange, bis sie in den Schlaf fand.

Als sie am nächsten Morgen aufwachte, hatte Ismerva schon die Vorhänge beiseite gezogen und ein breiter Sonnenstrahl streifte ihr Gesicht. Sie ließ ihre Augen noch geschlossen und genoss die warmen Strahlen auf ihrer Haut.

„Guten Morgen, Prinzessin“, sang Ismerva mehr, als das sie sprach: „Ich hoffe du hast gut geschlafen? Es kam schon ein Bote mit der Nachricht, dass du am späten Vormittag zu der Kutschfahrt abgeholt wirst.“

Gweny blinzelte verschlafen. „Ach ja, die Kutschfahrt“, fiel ihr wieder ein, besonders viel Lust hatte sie nicht darauf. Und auch geschlafen hatte sie nicht besonders gut, aber wenigstens waren die Kopfschmerzen weg.

„Wieviel Zeit habe ich noch, bis ich abgeholt werde?“ „Es reicht, um etwas zu essen und um dich anzukleiden“, antwortet Ismerva liebevoll, bevor sie durch die Tür verschwand, um das Frühstück servieren zu lassen. Gweny stand auf und rieb sich den letzten Schlaf aus den Augen. Sie zog sich ein Leinenmantel, der auf der Truhe an ihrem Bettende lag, über und ging in den gekachelten Raum, um sich zu waschen. Nachdem sie fertig war, ging sie in ihren Salon, wo Ismerva schon den Tisch gedeckt und etwas Feuer im Ofen entfacht hatte.

Während sie aß, überlegte sie sich, Serina noch etwas mehr auszufragen. Und so ließ sie nach ihr rufen. Als Serina in den Salon trat, gebot Gweny ihr, sich zu setzen. Serina wurde bleich und sah leicht verängstigt aus.

„Es tut mir leid, eure Hoheit“, sagte sie mit gesenktem Blick. Gweny musste lachen, was Serina noch ängstlicher aussehen ließ.

„Es ist alles in Ordnung, ich möchte nur mit dir sprechen“, sagte Gweny beruhigend. Serina entspannte sich ein wenig, blieb aber auf der Hut, sie hatte schon viel erlebt und konnte die neue Hoheit, welche wohl länger hierbleiben würde, noch nicht einschätzen.

„Sag mal Serina“, fing sie freundlich an. „Was genau wird in der Küche über mich erzählt?“ Wieder wurde Serina bleich im Gesicht und der ängstliche Gesichtsausdruck kehrte zurück. „Ehm..ich...weiß...nicht...“, stammelte sie vor sich hin. Sie wollte die Prinzessin nicht mit Gerüchten verärgern. Gweny, die bemerkte, dass hier nur direkte Anweisungen halfen, probierte eine andere Art, um an die gewünschten Informationen zu kommen. „Ich befehle dir, mir alles zu sagen, dir drohen dadurch keine Konsequenzen. Ich behalte es für mich, ich möchte nur ein bisschen Klarheit über meine Rolle an diesem Hof bekommen.“

„Alles?“ Serina sah sie fragend an und als Gweny ihr aufmunternd zunickte, zögerte sie noch ein Moment, begann dann aber zu erzählen: „Bevor ihr gestern hier angekommen seid, wussten wir nur, dass die wunderschöne Prinzessin von Midgard zu uns kommen wird, um sich mit einem der Prinzen zu vermählen. Als ihr dann endlich hier wart, begann die Gerüchteküche noch mehr zu brodeln. Eine der Kammerzofen der Königin hatte ein Gespräch zwischen ihr und dem König mitbekommen, in dem es darum ging, ob ihr bestimmen könnt, wer der erste ist oder ob sie das tun sollten, weil diese Entscheidung sowieso nur etwas Zeit aufschieben würde. Mehr weiß ich darüber nicht, Prinzessin“, sie hielt kurz inne und setzte dann noch hinzu: „Denn sonst sind die Bediensteten des Königpaares eher schweigsam.“ Serina machte eine kurze Pause, bevor sie weitererzählte: „Außerdem haben die meisten im Schloss Mitleid mit euch, weil die jungen Herren, beide auf ihre eigene Art sehr unberechenbar sind.“

Gweny sah nachdenklich aus dem Fenster, ja, dachte sie, die Erfahrung hatte sie auch schon machen müssen. „Gibt es noch etwas, was ich wissen sollte?“, bohrte Gweny weiter nach, aber Serina schüttelte den Kopf. „Nein, eure Hoheit, aber sollte ich etwas Neues mitbekommen, seid ihr die Erste, die es erfährt“ „Danke, Serina. Du kannst nun gehen“, sagte Gweny freundlich zu ihr.

Serina ging aus dem Zimmer und ließ eine grübelnde Prinzessin zurück. Gweny war unschlüssig, wie sie mit der Situation umgehen sollte, besann sich aber erst einmal darauf, den Plan mitzuspielen, bis sie weitere Informationen hatte. Während sie weiter aß, ließ sie ihren Blick durchs Zimmer schweifen. Als ihr wieder die Tür in der Wand auffiel. Es musste ein Art Geheimtür sein. Sie fügte sich völlig in das Zimmer ein und verschmolz mit der Wand, in die sie eingebettet war. Sie stand gerade auf, um die Tür näher zu untersuchen, da klopft es an der Tür. Es war Ismerva, die ihr mitteilte, dass sie sich jetzt ein bisschen beeilen sollte, wenn sie nicht zu spät kommen wollte. Also drehte sie sich unverrichteter Dinge um und haderte der Dinge, die kommen würden.

5

Eine ganze Weile später, saß sie neben Thor in einer prachtvollen offenen Kutsche, die von vier Rappen gezogen wurde. Bis jetzt hatten sie nicht viel miteinander gesprochen, aber Gweny war das durchaus recht, so konnte sie wenigstens die Stadt und die Landschaft besser bewundern. Ab und zu erklärte er ihr, einige Besonderheiten der Stadt in einem gelangweilten Ton. Doch Gweny, hörte gespannt zu und merkte sich alles gut, sie war sehr beeindruckt von der Schönheit der Stadt. Sie bewunderte besonders die vielen Fachwerkhäuser, in denen die Asen wohnten. Sie waren reich mit Gold verziert und sahen wunderschön aus. Viele Asen winkten ihnen zu, als sie erkannten, wer in der Kutsche vorbeifuhr und Thor winkte gönnerhaft zurück.