Handbuch der Waffenkunde, Band 1 - Wendelin Boeheim - E-Book

Handbuch der Waffenkunde, Band 1 E-Book

Wendelin Boeheim

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Beschreibung

Boeheims Handbuch der Waffenkunde ist das Werk eines absoluten Fachmanns, dessen Name in seinem Fach auch heute noch einen sehr guten Klang hat. Es gibt in einer Einleitung die Entwicklung des Waffenwesens in ihren Grundzügen, dann eine genaue Schilderung der Schutzwaffen (Helm, Harnischkragen, Armzeug, Handschuhe, Harnischbrust und -rücken, Beinzeug, Gesamtharnisch, Schild, Pferdezeug und Pferdeharnisch, Sporen), der Angriffswaffen (Blanke, Stangen-, Schlag-, Fernwaffen, Bajonett, mit beigefügter Schilderung der Fahne und des Feldspiels) und der Turnierwaffen; ferner Bemerkungen für Freunde und Sammler von Waffen über Beurteilung der Echtheit und des Wertes, Aufstellung und Erhaltung, schließlich eine übersichtliche Darstellung über Kunst und Technik im Waffen- und Schmiedewesen und über die hervorragendsten Waffensammlungen für den, der sich mit der historischen Seite der allgemeinen Waffenkunde beschäftigt ist Boeheims Buch von unschätzbarem Wert. Dies ist Band eins von zwei mit mehreren hundert Abbildungen.

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Seitenzahl: 316

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Handbuch der Waffenkunde

 

Band 1

 

WENDELIN BOEHEIM

 

 

 

 

 

 

 

Handbuch der Waffenkunde, Band 1, W. Boeheim

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849680815

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Vorwort1

Einleitung.4

I. Die Schutzwaffen.25

1. Der Helm.25

2. Der Harnischkragen.63

3. Das Armzeug.70

4. Der Handschuh.82

5. Die Harnischbrust.90

6. Der Harnischrücken.109

7. Das Beinzeug. 114

8. Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.123

9. Der Schild.170

10. Das Pferdezeug und der Pferdeharnisch.194

11. Der Sporn.225

II. Die Angriffswaffen.231

A. Die blanken Waffen.231

1. Das Schwert.231

2. Das Krummschwert und der Säbel.269

3. Der Degen.282

4. Der Dolch.292

B. Die Stangenwaffen.306

1. Der Spieß.306

2. Die Helmbarte.331

3. Die Glefe und die Couse.343

4. Die Runka und die Partisane.349

5. Das Spetum, der Hakenspieß,  die Kriegsgabel und die Sturmsense.354

Vorwort

Die deutsche Literatur ist ziemlich reich an vortrefflichen Monographien über einzelne Zweige der historischen Waffenkunde sowohl wie auch über einzelne Waffensammlungen. Wir erinnern nur an die Meisterleistungen Scheigers, Lebers, Leitners, Essenweins, Hiltls, Thierbachs, Gurlitts, zahlreicher anderer nicht zu gedenken. Eines Kompendiums dieses Wissenszweiges aber, wie solche die französische Literatur in Carré, Viollet-le-Duc, selbst in dem Bruchstück des trefflichen Gay etc., die englische in Meyrick, Planché etc. besitzen, entbehrt die deutsche Literatur bisher vollständig. Die deutsche Gründlichkeit schreckte offenbar vor den Schwierigkeiten der Aufgabe zurück, die nur bei vollkommener Beherrschung des ausgedehnten Stoffes in befriedigender Weise zu lösen war.

Der Verfasser ist sich bewusst, dass mit dem vorliegenden Werk diese Lücke nicht vollständig ausgefüllt wird, aber er glaubte den häufig an ihn gerichteten Aufforderungen, ein brauchbares Handbuch herauszugeben, nicht länger Widerstand leisten zu sollen, da in der Tat ein nicht abzuweisendes Bedürfnis nach einem solchen vorliegt, und hofft in Anbetracht der Unsicherheit, die auf dem Gebiet der Waffenkunde noch an vielen Punkten herrscht, keine allzu strenge Beurteilung zu erfahren. Für jeden Nachweis eines Irrtums oder Fehlgriffes, der ihm bei der Arbeit untergelaufen ist, wird er nur dankbar sein können.

Sein Werk erhebt selbstverständlich nicht den Anspruch eines in jeder Hinsicht ausreichenden Lehrbuches, es soll nur ein schlichtes Handbuch sein, in welchem der Altertumsfreund und der Sammler sich bei den am häufigsten an ihn herantretenden Fragen Rats erholen kann. Es ist deshalb der Nachdruck auf alle die Dinge gelegt, die ihm zunächst zu wissen nötig sind, auf eine strenge Terminologie und eine klare Darlegung des Formenwesens unter Berücksichtigung der im Laufe der Zeit eintretenden Formenwandlungen und deren Veranlassung. Was die Terminologie betrifft, so hat der Verfasser in allen Sprachen sich nach den hervorragendsten Fachautoren gerichtet. So in der deutschen Sprache nach Quirin v. Leitner und M. Thierbach, in der französischen nach Viollet-le-Duc, in der englischen nach Meyrick und Planché, endlich in der italienischen nach A. Angelucci.

Weiterhin war der Verfasser bemüht, die Wege zur Kennerschaft zu weisen und über die Mittel zur Beurteilung der Echtheit eines Waffenstückes zu belehren.

Manches, das der Verfasser noch in dem Buche hätte niederlegen können, hat er zurückhalten müssen, um den für ein Handbuch gebotenen Umfang nicht zu überschreiten; er hofft aber, in dem engbegrenzten Rahmen allen nicht zu weit gehenden Ansprüchen gerecht geworden zu sein, insofern er auch auf die Gesichtspunkte der Kriegswissenschaft neben den für die Technik, die Kulturgeschichte und die Kunst maßgebenden Rücksicht genommen hat.

Ist die Kenntnis der Form und der Wirksamkeit einer Waffe einerseits zur richtigen Würdigung einer Kriegstat erforderlich, so bietet sie andererseits die Mittel, die äußerliche Physiognomie einer bestimmten Zeitperiode deutlicher hervortreten zu lassen und befähigt uns, „mit klarem Auge in die Vergangenheit zu sehen“. Heutzutage geht aber das Studium weit über das rein fachtechnische Gebiet hinaus, die Kunstwissenschaft hat die Waffe ebenso wie alle durch die Kunst geadelten Erzeugnisse des Handwerks längst in ihren Beobachtungskreis einbezogen. Mit diesem wachsenden Interesse an der schönen Form hängt auch die Zunahme der Sammler und Liebhaber zusammen, von denen viele nur das schönheitliche Moment oder dieses doch vorzugsweise ins Auge fassen. So war es für den Verfasser geboten, auch nach dieser Seite hin dem Bedürfnis entgegenzukommen.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat der Verfasser davon Abstand genommen, für seine Arbeit die in mancher Hinsicht praktische lexikalische Anordnung zu wählen, wie es Viollet-le-Duc, Planché und Gay getan haben. Er hätte auf diese Weise seinen Stoff verzettelt und auf eine systematische Behandlung verzichten müssen.

Diese schien ihm aber schon um deswillen den Vorzug zu verdienen, weil sie Wiederholungen nur ausnahmsweise erforderlich macht und bis zu einem gewissen Grad auch jenen Leser befriedigt, der mehr von kulturgeschichtlichem Interesse als vom Sammeleifer geleitet zu dem Buche greift.

Bei der Behandlung des Textes hat sich der Verfasser zum Grundsatze gemacht, in jedem Stoffabschnitte nur die Haupttypen der Betrachtung zu unterziehen und von einer Vorführung von Abnormitäten, die die Laune eines einzelnen veranlasst, abzusehen. Bei der ungeheuren Mannigfaltigkeit der hier und dort üblich gewesenen Formen war dies der einzige Weg, um einer Verwirrung zu entgehen. Im Weiteren hat der Verfasser von einer Erklärung alles dessen abgesehen, was man bei einem gebildeten Leser von vornherein als bekannt voraussetzen kann.

In den einzelnen Abschnitten wird man unter den erklärenden Figuren, die zum größten Teil neue Beispiele bringen, hin und wieder Typen vermissen, die in dem Abschnitt: „Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit“ zu finden sind; diese Beschränkung war durch die Raumverhältnisse geboten. Die Vorlagen für die erläuternden Figuren sind womöglich nach Originalen gezeichnet und dort entlehnt, wo sie dem Verf. zunächst zur Hand waren. Aus der Waffensammlung des kaiserl. Hauses zu Wien sind selbstverständlich vorzugsweise Stücke abgebildet. Zur Orientierung sei bemerkt, dass jene Abbildungen, auf welchen keine Bemerkungen über den Bewahrungsort des Urbildes oder die Entnahme aus anderen Werken sich finden, Gegenstände der Waffensammlung zu Wien darstellen.

Zum Schluss sei es uns gestattet, allen Fachmännern, welche uns in unserer Arbeit unterstützten, den besten Dank zu sagen. In erster Linie nennen wir Herrn Graf Valencia de Don Juan in Madrid, Herrn Major Angelucci in Turin, Herrn Oberst M. Thierbach zu Dresden, Herrn Dozent Cornelius Gurlitt zu Berlin, Herrn C. Bazzero in Mailand, Herrn Comendatore N. Barozzi in Venedig, Herrn Geheimrat H. Weiss zu Berlin, endlich Herrn Dr. Alb. Erbstein in Dresden.

Wien, im März 1890.

Wendelin Boeheim.

Einleitung.

Die Entwicklung des Waffenwesens in ihren Grundzügen. Ringsumher alles vernichtend, brachen am Beginne des 4. Jahrhunderts die Hunnen in Italien ein. Durch sie gedrängt und geschoben, wälzten sich die Germanen vor ihnen her, erfüllt von ererbtem Hasse gegen die Römer, voll Beutegier nach deren Schätzen. Das germanische Volk hatte in Jahrhunderten römische Kultur vor Augen gehabt, aber tiefe Gegensätze im nationalen Wesen waren Ursache, dass ihm diese in ihrem Geiste stets fremd geblieben war. Von den Urzeiten her war der germanische Mann eine Macht für sich, er und seine Sippe waren in seinem Sinne ein Staat; erst als die Römer ihn bedräuten, da übermannte ihn zum ersten Mal das Gefühl seiner Schwäche, da sah er sich widerwillig veranlasst, sich mit den Stammesgenossen zu vereinigen und einen Herrn über sich anzuerkennen, der ihn leitete und dem er um seiner selbst willen gehorchen musste. Im hohen Norden Europas wohnten Völkerschaften mit einer abgeschlossenen Kultur, die, an sich nicht unbedeutend, doch aus Mangel an Nahrung von außen her zu erstarren drohte. In ihren sozialen Verhältnissen ähnlich den Germanen, bildeten sie nur eine Zahl von Familien, deren jede sich selbst regierte. Zu ihrem Unterhalte größtenteils auf die Jagd nach gefährlichem Wilde angewiesen, waren sie gewandt in der Führung ihrer einfachen Waffen, kräftig infolge der Mühseligkeiten des Erwerbes, mutig durch die Gewohnheit der Gefahr. So waren auch die Waffen, welche die Germanen gegen den Konsul Papirius gebrauchten, dieselben, welche ihnen bisher zur Jagd nach dem Ur und dem Bären gedient hatten, nur den Schild fügten sie bei, den sie bei den Feinden erblickten; er war aber nicht von Erz oder Eisen, sondern von Weidengeflecht und mit ungegerbtem Felle eines Tieres überzogen.

Näher der Gesittung standen die transalpinen Gallier; durch die Jahrhunderte währende Berührung mit den Römern hatten sie vieles von deren Wesen sich angeeignet, manches angenommen, was äußerliches Gehaben, Lebensart und die Art der Kriegführung betrifft, aber im innersten Kern ihrer Natur waren sie doch eigenartig geblieben und fühlten ihre Verwandtschaft mit den barbarischen Stämmen im Osten.

Zur Zeit des Beginns der Völkerwanderung war auf dem weiten Gebiet von der Wolga bis an den Ozean unter den Hunderten von Stämmen der verschiedenartigsten nationalen Herkunft die Kultur keineswegs in jener Gleichmäßigkeit verbreitet, wie im weströmischen Gebiet am Ausgange seiner ruhmreichen Periode. Im Gegenteil sind die bisherigen Anzeichen deutliche Zeugen dafür, dass damals die verschiedensten Kulturgrade vom rohesten Zustande bis zu einem verhältnismäßig wohlentwickelten in den zahlreichen Völkerfamilien herrschend gewesen sind. Wenn wir die bisherige Einteilung in eine Stein-, eine Bronze- und eine Eisenzeit in unserer vorgeschichtlichen Periode, als unter Bedingungen richtig, hier zur Grundlage nehmen wollen, so treffen wir doch alle diese zu gleicher Zeit in den Gebieten Nordeuropas. Wir finden weite Gebiete, deren Bewohner das Metall nicht kannten, ebenso wie solche, in denen sich die darin Wohnenden des Erzes bedienten, das ihnen im Wege des Handels zugekommen war; endlich treffen wir auf zahlreiche Völkerschaften, welche das Eisen nicht nur kannten, sondern selbst bereiteten und verarbeiteten. Sicher ist anzunehmen, dass viele der nach dem Süden ziehenden Völker auf ihrem Zuge durch die norischen Alpen ihre Bewaffnung erst dort vervollständigten, dort das Eisen erst anders betrachten lernten als der Arme das Gold.

Der gewaltige Gegensatz des Wesens der nun auf die Weltbühne tretenden Völker zu jenem der antiken Kultur angehörigen macht sich in der Form der Waffen deutlich ersichtlich. Die Angriffswaffen der Römer, der Byzantiner etc. bestanden in dem dünnschäftigen Spieß der lancea, quiris, dem Wurfspieß, hasta, pilum, dem kurzen Schwert für den Nahkampf, dem Dolch, dem Bogen und, bei einigen Nationen, auch der Schleuder. Die Schutzwaffen wurden allmählich leichter, der Harnisch dünner und bequemer, der Helm kleiner. Zwei eigenartige Rüststücke erhielten die Römer der Spätzeit aus dem Orient, das Drahthemd und den handlichen kleinen Rundschild. Diesen entgegen stand eine Unzahl von Bewaffnungsarten bei den im Norden auftretenden Völkern, je nachdem dieselben mehr oder minder vom Orient her beeinflusst waren. Aus dem bunten Durcheinander tritt uns aber mit verhältnismäßiger Deutlichkeit die nordische und germanische Bewaffnung entgegen, die aus der kräftigen Natur jener Stämme und ihrer Fechtweise sich ergab. Was auf die Waffenform bei barbarischen Völkern zunächst bestimmend wirkt, das ist der Effekt im Einzelnen. Dieses Streben nach Effekt äußert sich deutlich in der Bewaffnung des körperlich kräftigen, robusten Volksstammes der Germanen. Diesen erschienen die Waffen der Römer wie Spielzeug, ihren Armen entsprach viel besser die Keule, die Axt, das Schwert mit langer Klinge und der Spieß, dessen Schaft in der Hand zu fühlen war. In den frühesten Sagen der Germanen erscheint der eiserne Hammer (mjölnir, der Zermalmer) des Donnergottes Thor. Er stellt die Waffe der germanischen Urzeit vor. Die Einführung des Schwertes bedeutete bereits einen mächtigen Vorschritt in der Kultur. Schon vor ihrer Berührung mit den Römern führten die deutschen Völker die zweischneidige Spatha. Der Sax war aus dem gemeinen Messer entstanden. Für den Kriegsgebrauch verlängerte sich derselbe und erhielt eine enorme Zunahme an Gewicht. Er wird unter den Burgundern, Alemannen und Franken zum Langsax, endlich zum Scramasax, der, mit zwei Händen geführt, als wuchtiges Hiebmesser, gleich einem Beil wirkte. Die nordischen Völkerschaften wie die Römer, beide sahen sich in der Folge das Vorteilhafteste ab. Von den Germanen gelangt ursprünglich das Langschwert, die Spatha, zu den Galliern, von diesen zu den Römern, jene entnahmen für sich den Schild und später auch den Dolch.

Mit dem Einbruch morgenländischer Völker im 4. Jahrhundert machten sich nicht unwesentliche Veränderungen in der Bewaffnung auch der nordischen Völker geltend. Von Osten her kam die Sitte, den Körper mit hieb- und stichsicheren Kleidern zu bedecken, in anderer Art wie die Römer, nicht durch geschlagene Platten, sondern durch Jacken und Beinkleider aus starkem Leder, mit Ringen benäht oder durch aufgenietete eiserne Scheiben verstärkt. Von Osten her gelangt ferner der orientalische spitze Helm und die Halsbrünne, die mit Veränderungen sich durch ein volles Jahrtausend erhält. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Einfluss gewisser orientalischer Völkerschaften, die den Westen betraten, einen kulturellen Einfluss auf die Germanen gehabt hatte; es kennzeichnet sich dieses auch in der Verfeinerung der Formen sowohl, als in der Aufnahme von Waffen, die der Deutsche bisher mit Verachtung angesehen hatte. Wir finden nämlich vom 4. ins 5. Jahrhundert die ersten Spuren der Verwendung von Helmen, des ledernen, eisenbesetzten Panzers, des Bogens unter germanischen Stämmen. Damit waren die Elemente für die kriegerische Ausrüstung gegeben, welche im ganzen Mittelalter üblich gewesen ist.

Bis um die Mitte des 5. Jahrhunderts waren die Länder bis an die Donau von Römern besiedelt, welche die politische und militärische Führung der unter ihnen wohnenden barbarischen Stämme als ihr Recht betrachteten. Bis in jene Zeit war auch die Bewaffnung der letzteren eine der römischen wenn nicht gleichende, doch ähnliche. Mit dem Zusammenbruche der römischen Herrschaft, am Ende des Jahrhunderts, kam auch dort unter den Barbaren die ihrer Eigenart entsprechende Bewaffnung mehr und mehr zur Geltung. Es war eine wenn auch einfache, doch der kräftigsten Offensive entsprechende Bewaffnung, gegen welche jene der Römer an Wirksamkeit weit zurückstand.

Die Entwicklung des Waffenwesens in Europa ist oft wiederholt durch den Orient gefördert worden; die erste Beeinflussung derselben macht sich, soweit wir heute ermessen können, in der Völkerwanderung kenntlich. Wieweit derselbe sich erstreckte, darüber fehlen uns noch die Belege, aber wir ersehen gewisse Spuren einer Umgestaltung, die eine Einwirkung von Osten her zweifellos erscheinen lässt. Es ist, beispielsweise bemerkt, ein nicht unwichtiges Symptom für eine Verfeinerung der Bewaffnungsart, dass die rohe Axt, die Wurfaxt der Franken im 6. Jahrhundert, zur Zeit Gregors von Tours noch die Waffe jedes Mannes, nun immer seltener wird und im 8. Jahrhundert nahezu völlig dem Langschwerte weicht. In den folgenden Perioden ist nur ein bestimmter Prozentsatz unter den Spießträgern mit Äxten ausgerüstet, der im 12. Jahrhundert völlig schwindet.

Im Großen und Ganzen mag es als richtig erscheinen, dass, wie die Bewaffnung der Römer auf jene der Griechen sich zurückführen lässt, so die Bewaffnung der Perser den Grundtypus für die gesamte Formenbildung im Orient bildete. Es genügt ein Vergleich der Bewaffnung der Perser auf antiken Denkmälern mit jener des gesamten riesigen Gebietes des Orients aus späterer Zeit, um die Anfänge der Gegensätze in der Formenbildung zu erkennen. Der konservative Geist der orientalischen Völker zog auf diesem Gebiet noch engere Grenzen, um diese Gegensätze frappanter erscheinen zu lassen.

Ein für den Stand unserer Forschung frühes Beispiel orientalischen Einflusses bietet sich in der Tatsache, dass die Reiterei der Bretagne im 9. Jahrhundert bereits vollkommen nach der Kampfweise der Mauren eingeübt und nach ihren Mustern bewaffnet war.

Unter Karl dem Großen stand das germanisch-fränkische Reich auf dem Höhepunkt seiner Macht. Wie dieser große Herrscher sein gewaltiges Reich den Bedürfnissen der Zeit entsprechend nach allen Richtungen hin umbildete, so ordnete er auch, um dasselbe nach außen widerstandsfähig zu gestalten, dessen Heerwesen durch Regelung des Heerbannes, Organisierung der Massen und deren Bewaffnung. Diese Organisierung der Kraftfaktoren bedeutete aber weit mehr als eine gewöhnliche staatliche Sicherheitsmaßregel. Karls des Großen Prinzipien in der Heeresbildung mussten in einer umfassenderen Anwendung zu einer vollständigen Umbildung der sozialen Verhältnisse unter den Germanen führen, sie führten auch dahin, vom Gesichtspunkt der Politik betrachtet nicht zum Vorteil des Volkes, nicht zum Vorteile des Herrschers, der zwischen seinem Volke und sich selbst eine dritte Macht aufbaute, die seinen Nachfolgern bald gefährlich werden sollte. Schon durch die Kriege vor Karl dem Großen wurden zahlreiche Stämme unfrei und gelangten in die Dienstbarkeit der siegreichen Anführer. Mit der Heeresorganisation dieses Kaisers und bei den langwährenden Kriegen in entfernten Ländern wurde die Heeresfolge für zahllose Freie so drückend, dass diese sich freiwillig in die Dienstbarkeit Mächtigerer, Wohlhabenderer begaben, die sie im Felde nun unterhalten mussten; sie gaben ihr Besitztum an Land dahin, um es als Lehen wieder zurückzuerhalten. So bildeten sich Lehensherren und Hörige. Aus ersteren, die rasch zu Macht und Reichtum gelangten, bildete sich durch die Erblichkeit der Adel, das Rittertum, das auf das Staatsleben allmählich mächtiger einwirkte und dem gesamten Mittelalter seine Physiognomie gab.

Für Karl den Großen war in seinen Bestrebungen, eine Reiterei zu schaffen, die Erstarkung Einzelner von nicht zu leugnendem militärischem Vorteil. Jeder seiner eigenen Lehensleute, jeder Freie musste mit seinen Mannen zu Pferd erscheinen und sich unter dem Hauptbanner scharen. Daneben folgten die Unfreien und Knechte zu Fuß, teils als Spießknechte, teils als Schützen. Aus diesem Verhältnis gestalteten sich erst die Begriffe von „vornehm“ und „niedrig“, die vorher dem germanischen Volke nahezu fremd gewesen waren. Durch die soziale Bedeutung dieser Bevorrechteten, durch das Vertrauen des Herrschers auf seine Lehensleute und Vasallen wurde die Reiterei zur Hauptwaffe. Die Reiter- oder Ritterschaft sah in sich selbst nicht nur den Kern des Heeres, sondern das Heer selbst. Diese Organisation des Heerwesens war so lange von Wert, als die übrigen Völker von ähnlichen Meinungen befangen waren; sie entsprach dem germanischen Charakter noch immer durch die Selbstschätzung des Einzelnen, durch Reste alten Heldentums, die aus dem Gebilde hervorschimmerten.

Mit dem Hervortreten der Reiterwaffe trat eine vollständige Veränderung der Bewaffnung ein. Das Langschwert, schon von den Merowingern, den Franken, geführt, wurde nun zur Hauptwaffe der Ritterschaft und zum Attribut des freien Mannes. Aber daneben machte sich auch der Wert des Reiterspießes geltend, den die im 5. Jahrhundert hereingebrochenen Völker aus dem Orient mitgebracht hatten. Seine Bedeutung für den ersten Anstoß an den Feind wächst mit ungemeiner Raschheit. Der lange Schild, so unbequem auch für den Reiter, konnte bei dem unvollkommenen Stande der Kriegskleidung nicht entbehrt werden. Der Helm, noch halbkugelförmig, selten spitzig zulaufend, wird über die Halsbrünne gesetzt, der Haubert sackartig geschnitten reicht bis über die Kniee hinab. In dieser Ausrüstung erschienen die Deutschen zum ersten Mal in der Schlacht bei Merseburg (933) gegen die Ungarn, und der überraschende Erfolg gegen ein vollkommen orientalisch ausgerüstetes und ganz nach Art der Morgenländer fechtendes Heer führte zu dem Glauben der Unübertrefflichkeit einer schweren Reiterei. Diese bald allgemein gewordene Vorstellung wurde selbst durch die herben Erfahrungen in den Kreuzzügen nicht ganz berichtigt. Für den Fußknecht gab es keine Regel, er handhabt den oft selbstgefertigten Streitkolben, das Beil, den Spieß mit starkem Schafte. Bogenschützen bezogen die deutschen Herrscher meist aus fremden Ländern. Hier zeigen sich die ersten Anfänge des Söldnerwesens. Nicht so entschieden wie in Deutschland und Frankreich hatte sich das Rittertum in Italien herausgebildet. Es war zu jeder Zeit weniger zahlreich, aber bald mächtiger und ungebärdiger. In Venedig und Genua herrschte der Adel in seiner Vereinigung, anderwärts warfen sich die Mächtigeren zu Alleinherrschern auf, zahlreiche kleinere Staaten bildend. Das Volk in Masse war vom Altertume an unfrei und überlastet. Bei dem maßlos ehrgeizigen Streben der zahlreichen Herrscher musste sich hier zuerst ein Söldnerwesen herausbilden. Im frühen Mittelalter war die Bewaffnung in Italien noch nach antikem Zuschnitte, anderweitige Einflüsse machten sich nur vom Orient her geltend, die Intelligenz dieser Nachkommen der Römer, deren bewegliches Naturell taten das übrige, um die Bewaffnung gegen jene der Deutschen eigenartig erscheinen zu lassen. Dabei ist nicht zu übersehen, dass das Fußvolk von jeher in Italien die Hauptwaffe war und auch im Allgemeinen blieb. Erst im 12. Jahrhundert zeigen sich Bestrebungen, um sich deutsche Fechtweise anzueignen; trotzdem gelangte das Fußvolk als Waffe nicht zu jener Missachtung wie in Deutschland.

Der Grundcharakter der italienischen Bewaffnung war ihre Leichtigkeit. Die Schwerter waren kurz und spitz zulaufend, daher auch auf den Stich berechnet, die Spießklingen schmal und nicht selten mit Widerhaken versehen, die Spießschäfte lang und dünn, der Schild kreisrund von geringem Durchmesser, der Dolch war häufiger in Anwendung. Der Helm deckte nach Art einer Haube den ganzen Kopf. Die Hauberte erschienen in verschiedenster Ausstattung; als Schuppenwerk, mit aufgenieteten Ringen oder Plättchen oder als Maschenpanzer, immer aber kürzer und leichter als die der Deutschen.

In Spanien traten nur die Keltiberer in ihrer Bewaffnung aus dem antiken Rahmen heraus. Sie trugen lange, zweischneidige Schwerter, kleine, aus Tiersehnen geflochtene Schilde und ganz aus Eisen bestehende Wurfspieße mit Widerhaken, die sie mit ungemeiner Sicherheit handhabten. Als die trefflichsten Schützen waren sie auch Feinde jeder Harnischtracht und trugen nur eherne Helme.

In Byzanz begegnen wir den ältesten Soldtruppen. Ihr Auftreten ist immer ein Symptom der Schwäche einer Nation. Mit dem System ist aber auch schon der Beginn einer gleichförmigeren Bewaffnung gegeben, die im absterbenden oströmischen Reich eine vom Orient überaus stark beeinflusste gewesen war. Sie war immer eine vorzügliche, ja musterhafte an sich, geeignet, eine Welt zu erobern; wenn trotz vieler Siege, die die Geschichte von Byzanz auf ihren Tafeln verzeichnet, der politische Erfolg weit hinter dem stolzen Streben blieb, so ist die Ursache nicht in der Ausrüstung, sondern in der inneren Schwäche des Staates selbst zu suchen, die die Mietlinge mit allen ihren Heldentaten nicht verdecken konnten.

Für die Entwicklung des europäischen Waffenwesens ist keine Periode bedeutungsvoller als jene vom 10. ins 11. Jahrhundert. Der Anstoß hierzu war von einem nordischen Volke gegeben, das schon vom 8. Jahrhundert an durch seine abenteuerlichen Kriegszüge der Schrecken Mitteleuropas geworden war, den Normanen. Von jenem Zeitpunkt (912), als sie sich im Norden Frankreichs festgesetzt hatten, nahmen sie regen Anteil an der Entwicklung des ritterlichen Wesens; bei ihrem Talente, ihrer Regsamkeit und Tatenlust erschienen sie bald als die ersten Kriegsmeister, die allenthalben, was den Krieg, seine Mittel und seine Führung betraf, als Beispiel und Muster angesehen wurden. Was die Normanen in der Pflege des Kriegswesens ungemein unterstützte, das war ihre Kenntnis der Welt, ihr freier Blick, mit dem sie sich alles rasch aneigneten, was einen besseren Erfolg versprach. Schon im 9. Jahrhundert waren sie nach Andalusien gekommen, hatten sich an den afrikanischen Küsten festgesetzt, hatten Italien überzogen und in allen diesen Ländern unter Feuer und Schwert eine überlegene Kriegsgewandtheit errungen und vieles sich angeeignet, was ihnen von Nutzen schien. So hatten sie auch im Waffenwesen eine bedeutsame Umbildung angebahnt und durchgeführt, welche als die Grundlage für das ganze Mittelalter anzusehen ist; eine Umbildung, welche der feudalen Gestaltung ihrer Organisation und ihrer offensiven Taktik entsprach; die Elemente dazu hatten sie sich zum großen Teil bei den orientalischen Völkern geholt. Blicken wir auf die Tapete von Bayeux mit den Darstellungen der Eroberung Englands (1066), die den letzten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts entstammt, so sehen wir auf den ersten Blick in der Bewaffnung den orientalischen Einfluss, wenn auch eine Weiterbildung nach eigenen nationalen Anschauungen nicht zu verkennen ist. Wir sehen dort zum ersten Mal neben dem antiken pilum den spitzen Helm mit dem charakteristischen Naseneisen, die Brünne, den eng anliegenden Haubert, den langen Reiterspieß, aber wir bemerken, dass der Normanne wie der Sachse seinen nationalen großen Schild, das lange Schwert, die beide sich in der damaligen Fechtweise bewährt hatten, beibehalten hat. Im schweren Fußvolke erscheinen neben den langen, starken Spießen noch immer, wenn auch geringer an Zahl, die Streitäxte, und den Fernwaffen, dem Bogen, der Schleuder, wird ganz im Geiste des Rittertums nur zur Einleitung des Gefechtes eine Verwendung gegeben. In der Ausrüstung der Reiterei ist gegenüber jener des Fußvolkes noch wenig Unterschied zu bemerken, nur der lange Schild wird unterhalb spitz zugeschnitten; diese Form erschien zu Pferd bequemer. Noch wird der Spieß mit freiem Arm geführt und das Schwert, gleich den Orientalen, erst in dem Augenblicke gezogen, wenn der Einbruch in die feindliche Linie erfolgt war, wobei jeder einzelne seinen Gegner sich suchte, mit dem allein er um die Siegespalme rang.

Um den kräftigen Einfluss des Orients auf die Bewaffnung der Normanen erklärlich zu finden, darf man unter anderem nur an Harald III., Haardraade erinnern, der zehn Jahre (1033—1043) unter fortwährenden Kämpfen mit den Sarazenen in der kaiserlichen Leibwache zu Byzanz diente.

Das Ende des 11. Jahrhunderts bezeichnet den Beginn der Kreuzzüge. Der kriegerische Sinn, der Drang nach Tätigkeit, der alte Hang nach einem abenteuerlichen Leben waren Ursache, dass die Normanen die Idee einer Eroberung des Heiligen Landes mit Begeisterung ergriffen und rasch auch die Franzosen für selbe gewannen.

Die langen und erbitterten Kriege mit den Seldschuken und Arabern bildeten eine tüchtige Schule für die abendländischen Völker. Schon die ersten Berührungen mit dem Feind erregten das Staunen der abendländischen Ritterschaft. Sie sah sich einer Reiterei von ungemeiner Zahl gegenüber, die jedem ihrer schwerfälligen Stöße auswich, um, rasch wieder gesammelt, gegenteilig anzugreifen. Eine solche Reiterei erschien unbesiegbar. Der Bogen war längst bekannt, aber einen solchen Pfeilhagel, von Reitern und Fußtruppen ausgegangen, hatte sie nie gesehen. Die Wirkung der Fernwaffe war erschreckend, und besonders litt der Pferdestand darunter. Mit Entsetzen sahen die Ritter eine Reiterei vor sich, beweglich, ausdauernd, die alle Waffen handhabte: Spieß, Streitkolben, Beil und Bogen; ein Fußvolk, das, in einigermaßen günstiger Stellung, sich eher vernichten ließ, als dass es gewichen wäre. Ein großer Teil desselben führte eine ungekannte Fernwaffe, deren Geschosse selbst in den Haubert einzudringen vermochten, die Armbrust. In England und Brabant suchte man die orientalische Fechtweise nachzuahmen und errichtete schon um 1280 berittene Bogenschützen. Wie in der Taktik, so lernten die Europäer auch in der Bewaffnung den weitaus kriegsgewandteren Orientalen manches ab, manches änderten sie selbstständig daran, um ihren Gegnern ebenbürtig zu begegnen. So entnahmen die Abendländer von den Orientalen das Krummschwert, den leichten Reiterspieß (pennon), den verbesserten Bogen und die Armbrust. Das wichtigste Ergebnis aber war die Entwicklung des Rittertums im normannischen Geiste, gefördert durch die dort aufgetretene Notwendigkeit eines engen Zusammenhaltens und durch das nachahmenswerte Beispiel ritterlichen Sinnes unter den Orientalen. Das Rittertum ist auf der Schätzung des persönlichen Wertes aufgebaut, dieser Grundzug seines Wesens wurzelt in alten deutschen und nordischen Traditionen einer den späteren Generationen ehrwürdigen Heldenzeit. Auf den Sandfeldern Palästinas unter französischen, normannischen und deutschen Herren entstand das Turnier als Scheinkampf zwischen Scharen oder Einzelnen. Es fand seinen Ursprung nicht in dem Streben, sich im Gebrauche der Waffe zu üben, sondern in der Rivalität der hier vereinten nationalen Parteien, in denen jeder einzelne seine kriegerische Tüchtigkeit vor den anderen darzutun bestrebt war. Das Turnier als Scheinkampf ist nicht aus romanischem Geiste erwachsen. Schon Tacitus erwähnt in seiner Germania (Kap. 24) die Liebhaberei der Deutschen an Scheinkämpfen, und Nithart, der 844 schrieb, erzählt von den Waffenspielen im Heere Ludwigs des Deutschen. Diese älteren Waffenspiele waren Kämpfe in geteilten Haufen, die man mit dem Namen »buhurt« bezeichnete. Aus der Selbstschätzung des einzelnen und durch den Umstand, dass später der Ritter durch seine Bewaffnung vollständig vermummt erschien, erwuchs das Bedürfnis, sich durch bestimmte Abzeichen zu unterscheiden. Damit bildete sich die Heraldik heraus, die, anfänglich so einfach, schön und sinnig, später als Kunst von dunkler Symbolik eingezwängt, ihren ursprünglichen Charakter verlor. Bis ins 14. Jahrhundert bestand kein Unterschied in der Bewaffnung des Turniers mit jener im Kriege. Von da an trennten sich allmählich die Formen. Mit der Verschiedenheit der Streitmittel erhielt das Turnier eine eigenartige Physiognomie; es verlor den ernsten, bedeutsamen Untergrund und wurde unversehens zum inhaltlosen Spiele nach gewählten Regeln, die mit dem Kriegshandwerk nichts mehr gemein hatten. Damit entgeistigt, ging das Turnier den Weg aller müßigen Spiele. Zunächst erkennt man das Streben nach äußerlichem Effekt bei möglichster Gefahrlosigkeit, endlich wird es zur aufgeputzten Komödie, und die Bemühungen der Besten jener Zeit, wie Gastons de Foix, Wilhelms IV. von Bayern, Albrecht Achilles von Brandenburg, Maximilians I. u. a., vermochten dem Turnier nimmermehr jene ernste Bedeutung zu verleihen, die es im 14. Jahrhundert noch besaß; es war mit dem Rittertum selbst zu Grabe gegangen.

Hoch bemerkenswert sind uns die Kreuzzüge im Hinblick auf die Erfahrungen im Kriegswesen und die auf selben beruhende Bewaffnung. Gegen die meist aus leichten Reitern bestehenden Heerhaufen des Feindes und ihre eigentümliche Gefechtsweise schien sich vom Beginn an eine vollkommen geänderte Taktik zu empfehlen. Nicht nur aus dieser Ursache, sondern durch die ungünstigen Bodenverhältnisse veranlasst, musste dem Fußvolke schon im ersten Kreuzzuge ein bedeutenderer Wirkungskreis eingeräumt werden, als ihm bisher vergönnt war. Die schweren Reiterscharen der Europäer konnten nur im geraden Stoß eine Wirkung erreichen. Schon bei Antiochia (1097) hatten die Ritter aus Not es vorgezogen, dem Angriffe des Feindes zu Fuß zu begegnen, und hatten damit einen ungemeinen Erfolg erzielt. Hundert Jahre später, im dritten Kreuzzuge, wiederholte Richard I. von England 1192 bei Joppe diesen Versuch mit dem gleichen überraschenden Erfolg. In seiner Stellordnung, die er den alten Regeln der Griechen, des Atheners Chabrias, entlehnte, äußert sich deutlich die zur Zeit allgemein geteilte Überzeugung, dass die Kriegskunst seit dem Zusammenbruche des Römerreiches auf Abwege geraten, dass sie da wieder aufgenommen werden müsse, wo sie abgebrochen war.

Aber von der Erkenntnis bis zur allgemeinen Durchführung war noch ein weiter Raum. Die innere politische Verfassung, das noch immer kräftige Lehenswesen, das mit dem ganzen Kriegswesen im innigen Verband war, ließ eine Änderung in der Streitweise nicht zu; nach Europa zurückgekehrt, war auch die Notwendigkeit einer solchen weniger gefühlt; da traf doch ein Lehensheer wieder das andere; nur in Italien und gegen die Städte war Vorsicht nötig, aber der Krieg gegen diese bestand doch zumeist in Belagerungen. Im Norden Europas wurde der Krieg allerdings nur von einem tüchtigen Fußvolke geführt, wie unter den Stedingern und Friesen, aber die Ereignisse dortselbst waren doch zu wenig bedeutend, um Aufmerksamkeit zu erregen. Eine überraschende Katastrophe musste kommen, um eine Umänderung der Organisation und Streitweise in Ausführung zu bringen.

Je mehr die Lehenschaft ihre Wichtigkeit fühlte, desto mehr suchte der einzelne darin seinen Wert und seine Unentbehrlichkeit festzustellen. Diese übertriebene Selbstschätzung führte zu einer Zeit, als schon die ersten Symptome einer Verrückung des bisherigen Schwerpunktes in den Waffengattungen wahrnehmbar wurden, zu einer ebenso übertrieben schweren Bewaffnung. Der einzelne wollte nicht allein als Held, sondern auch »absolut unverwundbar« erscheinen; das führte zu einer ungemein schweren Ausrüstung des Reiters mit Topfhelm und anderen Schutzwaffen, die auf dem orientalischen Kriegstheater im argen Missverhältnis mit dem Klima daselbst und der eigenartigen Fechtweise des Feindes stand. Was nützte die allmähliche Verkürzung des gewichtigen Haubert, die Verbesserung des Schutzes der Beine, die dadurch ermöglichte Verkleinerung des Schildes, wenn die Notwendigkeit hinwieder zur Verstärkung des Leibharnisches durch immer größere Eisenplatten zwang? Der Reiter erschien gesichert vor den Streichen des Feindes, aber sein Ross brach ermattet unter ihm zusammen, und er selbst war nicht imstande, sich vom Boden zu erheben. Wie seine Schutzwaffen, so nahmen auch seine Angriffswaffen an Gewicht zu; der Spieß wurde stärker im Schafte, das Schwert gewichtiger; ersterer konnte nicht mehr mit frei erhobenem Arm geführt, sondern musste zum Stoß in die Achselhöhle gedrückt werden. Diese Übertreibung nahm ihren Weg bis ans Ende des 13. Jahrhunderts. Der Kampf mit solchen Waffen in der Schlacht erlaubte nicht mehr eine Bewegung in geschlossener Ordnung, er artete zu einer Zersplitterung der Kräfte aus und bestand in nichts weiterem als einer Anzahl von turnierartig-ritterlichen Gängen, in welchen jeder einzelne nur für sich focht. Gerade das missachtete Fußvolk, wenn es von dem Beutemachen zurückgehalten werden konnte, gab das Beispiel einer geschlossenen, kräftigen Kampfweise, ungeachtet seiner Bewaffnung und Ausrüstung die bunteste und unzulänglichste war. Daneben fehlt es nicht an Beispielen, dass einsichtsvolle Herrscher wenigstens nach Möglichkeit trachteten, die Verirrung, in welche ihre Lehenschaft geraten war, minder gefahrvoll zu gestalten. Ja Friedrich II. hielt in seinem geworbenen Heer neben Deutschen auch zahlreiche Mauren von Luceria und Sizilien, deren Fechtweise im vollen Gegensatze zu der des Lehensheeres stand. Der Römerzug Heinrichs VII. (1310—1313) bildete den letzten Triumphzug der schwergerüsteten deutschen Ritterschaft; wenige Jahre darauf (1315) erlag die auserlesenste Schar der habsburgischen Lehenschaft den Keulenschlägen einer Horde armseliger Schweizerbauern am Moorgarten. Dieser Erfolg eines an sich schlechtbewaffneten, aber moralisch tüchtigen Fußvolkes wirkte wie ein Donnerschlag auf die von übertriebenem Selbstbewusstsein befangene Ritterschaft Deutschlands und Frankreichs; der Wahn von Jahrhunderten war zerstäubt, aber die richtige Erkenntnis war dem Schlage nicht gefolgt. Sie konnte und wollte sich von dem Dienst zu Pferde nicht lossagen und vermeinte durch ein nur gelegentliches Streiten zu Fuß ihren alten Ruhm zu retten, vergebens! In ihrer schweren Bewaffnung unbeweglich, für den Fußkampf ungeschult, war sie nur für die starrste Abwehr brauchbar und die Tage bei Laupen 1338, bei Sempach 1386 und bei Näfels 1388 bewiesen ihre Unzulänglichkeit völlig. Vom Tage beim Moorgarten schreibt sich der Jahrhunderte alte Ruhm des schweizerischen Fußvolkes her.

So wurde aus den untersten Volkselementen heraus eine vollständige Umwälzung der Kriegführung angebahnt, das Kriegswesen selbst aus der Erstarrung gerissen, der es verfallen war. Auf die Ritterschaft hatte dieser Schicksalsschlag eine demoralisierende Wirkung, die durch die Schwäche der Reichsgewalt nur noch gesteigert wurde. Zunächst merkt man die Scheu, in größerem Verband zu fechten; in kleineren Geschwadern waren sie aber auf Beweglichkeit angewiesen. Das führte zu einer relativen Erleichterung der Schutzwaffen. Der Topfhelm verschwindet, an seine Stelle tritt die Beckenhaube, das Bassinet, den sackförmigen Haubert ersetzt der geschmeidigere Lentner, der sich mehr an die Körperform anschloss. Dadurch wird die Reiterei entschieden handsamer und beweglicher. Aber ihre Prozentzahl im Heer schwindet bedeutend, während die des Fußvolkes progressiv wächst. Dem Fußknecht wird in seiner Ausrüstung in Schallern oder Eisenhut, mit Spieß und Schwert mehr Sorgfalt zugewendet. Armbrust und Bogen wird zahlreicher und mit mehr Bedacht benutzt und in den Heeren der ersten kriegführenden Mächte tauchen um 1330 einzelne fremde Wundermänner auf, welche zum Erstaunen von Freund und Feind die Donnerbüchse handhaben.

Weit vor Erfindung und Anwendung des Schießpulvers hatten Mangel an Vaterlandsliebe, Eigensucht und Hoffart das Rittertum und damit auch die Lehensheere dem Verfalle entgegengeführt, wenn auch die letzten kümmerlichen Reste erst dann sich verloren, als Mut und Kraft des Einzelnen an Wert einbüßte, und Todesgefahr den Reiter früher treffen konnte, bevor er selbst sie dem Feind bringen konnte.

Wenn wir die Perioden des Mittelalters bis ans Ende des 14. Jahrhunderts überschauen, so sehen wir, dass das Rittertum einem Element erlag, das anfänglich tief verachtet, allmählich zu hoher Bedeutung gelangte, dem Volkselemente, dem Bürgertum. Die Staatsweisheit nötigte die Herrscher immer mehr, dieses zu schützen; sie folgten aber damit nicht einem Herzenszuge, sondern nur der Not. Die Prinzipien des Rittertums waren so ehrenhaft, dass ihr Erlöschen nur mit tiefem Leid gesehen werden konnte. In seinem Kodex stand anfänglich für den Krieg keine Arglist, kein Überfall, kein Angriff aus der Ferne von sicherem Winkel aus. So wenig das zu den Bedingungen der Kriegskunst stimmen mochte, man konnte der reinen Anwendung der virilen Kraft, geleitet durch einen heldenhaften Geist, seine Bewunderung nicht versagen. Als die Zahl derer immer mehr zunahm, die den Traditionen des Adels untreu wurden und den ritterlichen Waffengang, oft schmutzigster Natur, ausfochten mit den Mitteln der Volkselemente, da demokratisierten sie sich selbst, und verleugneten das Andenken ihrer heldenhaften Ahnen.

Worin aber lag die äußerliche Ursache der vorschreitenden Demokratisierung der Heere? Sie findet sich deutlich in der allgemein sich hebenden Technik, welche immer wirksamere Mittel des Angriffes und der Abwehr lieferte. Naturkräfte wurden vom Bann erlöst und mit Scharfsinn verwendet, das Bearbeiten der rohen Stoffe, vorwiegend des Eisens, entwickelte sich und der Schleier des Geheimnisses, der die Tätigkeit umgab, lüftete sich immer mehr. Alle die zahllosen neuen Mittel lieferten die Volkskreise.

Die bedeutsamste Erfindung, welche die Kriegskunst in vollkommen neue Bahnen lenkte, war die des Schießpulvers. Es ist ganz überflüssig, darüber nachzugrübeln, wann dasselbe erfunden wurde; viel wichtiger muss es uns hier sein, zu wissen, wann dasselbe begann, eine allgemeinere Anwendung zu finden. So viel ist als erwiesen anzunehmen, dass das Feuer bereits im Altertume als Mittel im Kriege erscheint. Kallinikos aus Heliopolis teilte das Geheimnis der Bereitung des „griechischen Feuers“ bei der Belagerung Konstantinopels 668 n. Chr. dem Kaiser Konstantin Pogonatus mit. Aus diesen und anderen Andeutungen ist zu entnehmen, dass das Schießpulver seine Entstehung als eine Art Brandsatz gefunden hat und nur allmählich zu einer explosiven Wirkung gedieh, dass anfänglich nur das Feuer selbst das unmittelbare Zerstörungsmittel bildete und erst später als treibende Kraft für eiserne und steinerne Geschosse benutzt wurde.

Diese letzte Stufe des Werdens scheint es durch die Orientalen erreicht zu haben, wenigstens weist seine erste Anwendung auf die Tataren 1241 vor Liegnitz. Die allgemeine Anwendung des Schießpulvers zum Treiben eiserner oder steinerner Kugeln beginnt aber erst ein Jahrhundert später, und wieder waren es Orientalen, die Mauren, in der Verteidigung von Alicante 1331 und von Algeciras 1342, welche hier voranschreiten. Die erste Schlacht, in welcher sich ein abendländisches Heer einer kleinen Zahl von Geschützen bediente, war jene bei Crecy, 1346, in welcher die Engländer sechs Kanonen verwendeten.

Gleich am Beginn fand das Schießpulver eine umfangreiche Anwendung, man benutzte es nicht allein für kleine Faustbüchsen, sondern auch für schwere eiserne Rohre, welche auf Wägen transportiert wurden. Die ersten im Felde gebrauchten Geschütze waren Hinterlader mit Kammerladung, genau in gleicher Konstruktion, wie sie von der ältesten Zeit an die Chinesen führten. Das gibt uns den Beweis von dem orientalischen Ursprunge der Verwendung des Schießpulvers wie des darauf sich bildenden Geschützwesens. Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts war man allerorts bemüht, den Effekt des Schießpulvers zu erhöhen; das führte zu allmählicher Vergrößerung der Geschütze, zur Erzeugung von Monster-Geschützen, wie solche in den Dardanellenschlössern und anderen türkischen Plätzen zu finden waren, aber auch in unseren Ländern überbot man sich in Riesengeschützen, von welchen sich noch einige erhalten haben. Das leichtbewegliche Feldgeschütz scheint seine Einführung unter den Hussiten um 1420 gefunden zu haben, unter den Burgundern um 1470 fand es eine zahlreichere Verwendung, von jener Zeit reiht sich die Artillerie ebenbürtig neben Reiterei und Fußvolk. Diese nun ins Gebiet tretende Waffe bildete sich aus durchaus bürgerlichen Elementen von handwerksmäßigem Gepräge, sie hatte keine nationale Färbung in den Heeren, im Gegenteil bedienten sich die Machthaber der Büchsenmeister, wo sie selbige nur fanden; so dienten in der Türkei Italiener, Griechen und Ungarn, in den burgundischen Ländern Italiener, Deutsche u. s. w. Als man um 1430 begann, die Geschütze aus Metall zu erzeugen, dienten die Gussmeister zugleich als Büchsenmeister. Diese Verwendung finden sie noch am Ende des 17. Jahrhunderts.

Der Gebrauch von Handfeuerwaffen durch das Fußvolk griff nur langsam um sich; seltsamerweise wurde das Handgewehr als Faustrohr lange Zeit nur in der Reiterei angewendet. Erst um 1370 finden wir Handrohre auf Bockgestellen, die aber mehr zum Wurfe, als zum direkten Schuss dienten. Im 15. Jahrhundert finden sich im Fußvolke leichte Handrohre, welche, unter dem rechten Arm gehalten, abgefeuert wurden. Der Schaft des Handgewehres erscheint erst um 1480. Die meisten Heere bedienten sich noch bis etwa 1450 vorwiegend der Bogen- und Armbrustschützen.

Bis ins 15. Jahrhundert hatte die Reiterei noch einen Anstrich aus feudaler Zeit, die Reihen der Lehensritter lichteten sich aber so bedeutend, dass die Herrscher darauf Bedacht nehmen mussten, ihre Reiterei in einem entsprechenden Stande zu erhalten. Sie nahmen entweder ärmere Adlige dafür unmittelbar in Sold, oder übertrugen das Geschäft der Anwerbung auf einen angesehenen Reitersmann gegen summarische Entschädigung.

Wir haben gesehen, dass die Ritterschaften in den Kreuzzügen ihre Rüstung gerade einem Feinde gegenüber schwerer gestalteten, der nicht allein durch Kraftwirkung, sondern auch durch Beweglichkeit zu bekämpfen war. Diese Schwerfälligkeit der Reiterei jener Zeit war die Folge des irrigen Glaubens an den Wert einer absoluten Deckung vor der feindlichen Waffe. Dieser Irrwahn erhielt sich vor allem in der Reiterei und nahm sein Ende noch lange nicht, als die Geschosse der Kartaunen, Singerinen und Falken ganze Reihen Geharnischter niederschmetterten. Ja im Gegenteil war man bestrebt, den Lentner allmählich durch mehr und größere Platten zu verstärken.

Im 13. Jahrh. begann bereits die Deckung von Armen und Beinen durch Geschiebe aus Eisenplatten; nun fügte man Brust- und Rückenstücke, aus eisernen Platten gebildet, hinzu, gab den Helmen entsprechendere Formen; so entstand um 1420 der „Plattenharnisch“, der nur gegen Spieß und Schwert, allenfalls noch gegen Armbrustbolzen und Faustrohrkugel einen Schutz bot. Damit wurde die Reiterei nicht beweglicher und brauchbarer, wenn sich auch im Laufe der Zeit mit dem martialisch erscheinenden Plattenharnische der Begriff von alter Ritterlichkeit verband. Der Spieß (Schürzer) bildete noch immer die vorzüglichste Angriffswaffe des Reiters, sein Gewicht veranlasste um 1460, ihn beim Anrennen auf einen Haken, Rüsthaken, aufzulegen, der an der rechten Seite des Bruststückes angebracht war. Schwert und Dolch waren gleich dem Topfhelm seit dem 13. Jahrhundert mittelst Ketten an dem Haubert befestigt, um sie im Schlachtgewühl nicht zu verlieren. Diese verwickelten sich leicht und wurden darum am Beginne des 15. Jahrhunderts abgelegt. Viel hielt der schwere Reiter seit dem 13. Jahrhundert auf ein starkes Schwert mit langer Klinge und auf einen stoßkräftigen Dolch.