Handbuch der Waffenkunde, Band 2 - Wendelin Boeheim - E-Book

Handbuch der Waffenkunde, Band 2 E-Book

Wendelin Boeheim

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Beschreibung

Boeheims Handbuch der Waffenkunde ist das Werk eines absoluten Fachmanns, dessen Name in seinem Fach auch heute noch einen sehr guten Klang hat. Es gibt in einer Einleitung die Entwicklung des Waffenwesens in ihren Grundzügen, dann eine genaue Schilderung der Schutzwaffen (Helm, Harnischkragen, Armzeug, Handschuhe, Harnischbrust und -rücken, Beinzeug, Gesamtharnisch, Schild, Pferdezeug und Pferdeharnisch, Sporen), der Angriffswaffen (Blanke, Stangen-, Schlag-, Fernwaffen, Bajonett, mit beigefügter Schilderung der Fahne und des Feldspiels) und der Turnierwaffen; ferner Bemerkungen für Freunde und Sammler von Waffen über Beurteilung der Echtheit und des Wertes, Aufstellung und Erhaltung, schließlich eine übersichtliche Darstellung über Kunst und Technik im Waffen- und Schmiedewesen und über die hervorragendsten Waffensammlungen für den, der sich mit der historischen Seite der allgemeinen Waffenkunde beschäftigt ist Boeheims Buch von unschätzbarem Wert. Dies ist Band zwei von zwei mit mehreren hundert Abbildungen.

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Handbuch der Waffenkunde

 

Band 2

 

WENDELIN BOEHEIM

 

 

 

 

 

 

 

Handbuch der Waffenkunde, Band 2, W. Boeheim

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849680822

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

C. Die Schlagwaffen.1

1. Der Streitkolben.1

2. Der Streithammer, Faust- und Reiterhammer.7

3. Die Streitaxt.11

4. Handwaffen mit Schießvorrichtungen.23

D. Die Fernwaffen.30

1. Die Schleuder.30

2. Der Bogen.34

3. Die Armbrust.47

4. Die Feuerwaffen.75

5. Der Gewehrlauf.113

6. Das Gewehrschloss.118

7. Das Faustrohr und die Pistole.127

8. Die bei den Feuerwaffen  dienenden Instrumente und Geräte.132

E. Das Bajonett.142

F. Die Fahne und das Feldspiel.146

III. Die Turnierwaffen.162

IV. Bemerkungen für Freunde  und Sammler von Waffen.216

1. Die Beurteilung der Echtheit  und des Wertes der Waffen.216

2. Die Aufstellung der Waffen.226

3. Einige Worte über die Erhaltung der Waffen.230

V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.235

VI. Die hervorragendsten Waffensammlungen.264

VII. Die Beschau- und Meisterzeichen und die Namen der Waffenschmiede mit ihren Marken.283

C. Die Schlagwaffen.

1. Der Streitkolben.

Die Urform des Streitkolbens (mace, macue, macuete, tinel, — engl. mace, lat. macia, ital. mazza, span. maza, herrada) bildet die älteste und einfachste Waffe des Menschen, die Keule, und es ist eine sonderbare Berührung der Gegensätze, dass eine Waffe, der sich ursprünglich nur die barbarischen Völker bedienten, im frühesten Mittelalter bereits zu hohem Ansehen gelangt und ganz besonders von hervorragenden Personen geführt, den Keim bildet, aus dem der Feldherrnstab sich entwickelte. Wir sehen am Teppich von Bayeux den Bischof Odo sowie auch Herzog Wilhelm mit dem Baculus in den Händen in der Schlacht bei Hastings.

Dieser Baculus ist eine lange etwa 70—80 cm. lange Keule, die vorne in der Form eines Tieres roh zugeschnitzt zu sein scheint. (Fig. 416.) Unter den flüchtenden Engländern aber erblicken wir Leute, welche eine Art Streitkolben führen, die aus einem rosettenartigen Kopf an einem etwa 50 cm. langen Stiele bestehen, der ziemlich gewichtig sein muss, da sie ihn auf der Schulter tragen. (Fig. 417.) Wie sehr diese einfache und gewiss wirksame Waffe unter den Tüchtigsten Ansehen genoss, ersehen wir in dem französischen Roman der Aliscans aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, in welchem der Held Rainvars selbst ein Schwert, das ihm geboten wird, verschmäht und mit seinem 15 Fuß langen Streitkolben (tinel) die Sarazenen bekämpft. Die Abbildung eines mit einem einfachen rohen Streitkolben bewehrten Kriegers bringt Viollet-le-Duc aus dem Manuskript des Tristan von ungefähr 1250.

Der Streitkolben war weniger eine Waffe des gemeinen Fußvolkes als der Bauern, weshalb wir ihn auch in allen Empörungskriegen finden. In der Reiterei ist er vom 14. Jahrhundert an eine außerordentlich verbreitete Waffe, die geradezu unentbehrlich für den Reiter erschien. Mit dem Streitkolben, dem Streithammer und der Streitaxt war der Reiter im Stande, den Helm seines Gegners zu zertrümmern oder den Haubert soweit zu trennen, dass die Schwertklinge einen Eingang finden konnte, ja, ein Schlag mit dem Kolben konnte den bestgeharnischten Arm entzweibrechen; davor schützten den feindlichen Reiter selbst die Schulterschilde nicht; nur der Schild konnte eine Zeit lang den Hieben widerstehen. Bis ins 15. Jahrhundert kommt der Streitkolben in seiner rohesten Form als Baculus im Fußvolke vor. (Fig. 418.)

Um nicht nur durch den rohen Schlag allein zu wirken, sondern auch in den Stoff des Hauberts einzudringen, versah man schon um 1280 den Kopf des Streitkolbens mit stumpfen Stacheln. Derlei Formen benannte der Söldnerwitz Morgensterne. (Fig. 419.) Ein nicht über einen Meter langer Stiel, der unterhalb mit starken Handriemen ausgestattet war, wurde in einen zylindrischen oder kugelförmigen Körper aus Metall, Blei oder Eisen eingelassen, der mit Stacheln besetzt war. Diese Metallköpfe hatten im Detail verschiedene Formen; am besten bewährten sich die zylindrischen Köpfe, welche am Ende des 14. Jahrhunderts fast ausnahmslos verwendet wurden, weil ihre Trefffläche bedeutend größer war und der Kopf durch eiserne Federn sicherer mit dem Stiele sich verbinden ließ. (Fig. 420, 421, 422, 423, 424.)

Am Beginn des 15. Jahrhunderts bildet sich in der Reiterei eine ganz eigene Art von Streitkolben heraus, die unter dem Namen „Kürissbengel“ oder auch Faustkolben bekannt ist.

Schon im 14. Jahrhundert war zuweilen der Kolben mit sogenannten Schlagblättern, welche radial aus dem Körper hervorragten, ausgestattet (quadrelle); nun bildete sich diese Art in gotischen Formen vollends durch, und wir sehen, dass auch der Schaft von Eisen gebildet ist, was der Waffe ein bedeutendes Gewicht gibt. Diese Veränderung bedeutet nichts anderes, als dem widerstandsfähigen Plattenharnische, der zu jener Zeit aus einzelnen Teilen zusammengesetzt zu werden pflegte, eine entsprechende Angriffswaffe entgegenzustellen. Den Kürissbengel führte der einzelne Adelige zu Ross mit großer Vorliebe, sie erschien ihm vornehmer als die Streitaxt der Söldner, umso mehr als es längst Sitte geworden war, dass Befehlshaber den Streitkolben führten und mächtige Herrscher, ja die Kaiser selbst, sich eines dem Streitkolben ähnlichen Gegenstandes als Würdenzeichen, des Szepters, bedienten. (Fig. 425.) Am Beginne des 16. Jahrhunderts ist unsere Waffe allenthalben im Gebrauche und bleibt es bis etwa um 1540; von da an wird sie seltener im Heer, sie schrumpft ein, gleich der Helmbarte; gleich dieser hatte sie sich von dem Zeitpunkt an überlebt, wo die Faustrohre in der Reiterei allgemeiner in Aufnahme kamen. Einzelne Reiter führten den Kolben gleichwohl noch lange am Sattel, und Würdenträger erschienen bis ins 17. Jahrhundert nicht ohne den Kolben in der Hand. Dieser Umstand war auch zunächst Ursache, dass die Kunst diese Waffe mit prächtigem Zierrat versah, dass wir schön ausgestattete Kolben nicht selten antreffen. Es haben da die Italiener und vorzugsweise die Mailänder hervorragende Leistungen aufzuweisen. (Fig. 426.)

In Frankreich wurde der Streitkolben im Laufe der Zeit noch mehr als in anderen Ländern zum bloßen Zeichen einer Würde. Zur Zeit Heinrichs IV. führten die Türhüter in Paris, die sogenannten Schweizer, ebenso die Türhüter in den Kirchen Streitkolben, mehr als Würdezeichen wie als Waffe. Im Volke hießen sie „sergants massiers“. Später erhielten die letzteren Helmbarten, die ersteren aber behielten den Kolben, und aus diesem hat sich der heutige Portierstock herausgebildet.

Bei den Orientalen scheint der Streitkolben als eine ursprünglich tartarische Waffe schon vor dem 13. Jahrhundert in Aufnahme gekommen zu sein; er hatte sich gegen die wohlgerüsteten Reiter gut bewährt. Joinville berichtet in seiner Histoire de Saint Louis an mehreren Stellen davon, dass die Türken mit Streitkolben bewaffnet erschienen. Die meisten türkischen Streitkolben (tschumâk, güry, der birnförmige: topûz) sind ganz von Metall und besitzen kugel- oder birnförmige Köpfe. (Fig. 427.) Doch finden sich auch solche mit Schlagblättern, die aber immer dem orientalischen Stile entsprechend konturiert sind. Von den Türken und Tartaren nahmen sie die Ungarn auf, und auch bei den Kroaten und Böhmen finden wir sie in orientalisierenden Formen schon im 15. Jahrhundert.

Kein adeliger Ungar erschien noch im 16. Jahrhundert anders als mit dem Streitkolben im Gürtel bei Hofe. In Ungarn und besonders in Polen ist der Streitkolben noch bis ins 18. Jahrhundert in Gebrauch geblieben; er bildete zuletzt das Würdenzeichen des Offiziers bis zum Heerführer hinauf; noch heute aber erblicken wir den Kolbenträger in dem „Massiere des Vatican“.

 

 

2. Der Streithammer, Faust- und Reiterhammer.

 

Der Hammer ist die älteste deutsche Waffe, die frühesten Volkssagen legen ihn in die Faust der vornehmsten Gottheit. Im Laufe der Jahrhunderte lernte der Germane von benachbarten Völkern andere kunstreicher gefertigte Waffen kennen und gebrauchen; der Hammer aber wurde nie vollständig abgelegt; im Gegenteil, er gelangte im Mittelalter erneuert zu ausgedehnter Anwendung. Die Deutschen namentlich führten ihn bis ins 11. Jahrhundert, seine allgemeinere Einführung besonders in der Reiterei fällt jedoch erst ins 13. Jahrhundert. Vertraute der Reiter bisher nur auf Schwert und Spieß, der Fußknecht auf Bogen, Armbrust, Spieß und Schwert, so erwiesen sich diese Waffen gegen einen wohlgerüsteten Gegner doch als unzureichend; der Schlag aber eines schweren Hammers, eines Kolbens, einer Axt musste nicht allein einen Haubert, einen Lentner und selbst einen Plattenharnisch zertrümmern, er konnte den Körper des Gegners bei guter Führung auch bis zur Kampfunfähigkeit erschüttern. So ähnlich der Hammer mit dem Kolben in Form und Gebrauch auch erscheinen mag, so hat er doch darin einen Vorzug, dass er schwerer ist, mehr Vorgewicht besitzt und bei guter, kräftiger Führung immer wirksamer als jener ist.

Für den Fußknecht wurde der Streithammer (marteau d’armes, maillotin, cassetête, engl. polehammer, lat. molleus, ital. martello, span. hachuela de mano, martillo) vom 14. Jahrhundert an umso nötiger, je mehr die Anwendung von Eisenplatten zum Schutze des Körpers allgemeiner wurde. Ja diese Waffe gelangte unter bestimmten Korporationen zu einer besonderen Beliebtheit. So führten die Pariser Bürger während des Aufruhrs 1381 schlägelförmige Hämmer von Blei an langen Holzstielen (mailles) und machten sich damit sehr gefürchtet. (Fig. 428.) Bekannt ist der schon seit 1367 bestehende Schläglerbund der schwäbischen Ritterschaft, der sogenannten Martinsvögel, dessen Zweck war, sich gegen den Kaiser und die Reichsstädte zur Wehr zu setzen. In ihren Reihen erscheint der Hammer zuerst als Reiterwaffe.

Die ältesten von den Fußknechten geführten Streithämmer entsprachen der oben bemerkten Absicht allerdings noch wenig; das Hammereisen, der Stachel waren zu kurz. Doch fügte man bald ein Spießeisen dazu und versah sie an den Seiten mit Spitzen. So erschienen schon die französischen Fußknechte um die Mitte des 14. Jahrhunderts mit solch verbesserten Streithämmern (picois) bewaffnet. (Fig. 429.)

 

 

Fast zu gleicher Zeit treten im Fußvolke verschiedene Formen von Streithämmern auf, welche ermessen lassen, wie angelegentlich man sich mit der Verbesserung derselben befasste. Zunächst ging man davon ab, sie aus Blei zu fertigen, da dies im Gebrauche seine Form veränderte; man machte sie aus Eisen und gab dem Hammer eine Gestalt und Gliederung der Art, dass ihn der Mann im Gefecht auch dauernd gebrauchen konnte. In dieser Umbildung erscheint er auch an der Stangenwaffe, zunächst an Helmbarten, deren Brauchbarkeit dadurch verstärkt wurde.

 

 

So entstehen die sogenannten Luzerner Hämmer, auch Falkenschnäbel genannt, eine nur vom Fußvolke gebrauchte Waffe mit langem Schafte und von etwa 14 Kilogramm Gewicht. (Fig. 430.) Die Sorge um Verbesserung der Wirkung der Schlagwaffen erklärt sich durch die immer mehr sich vervollständigenden Plattenharnische gegen die Mitte des 14. Jahrhunderts.

 

Dieselbe Absicht führte den Reiter freilich erst später dahin, sich im Gefechte eines kurzstieligen Hammers zu bedienen. Der Adel wehrte sich lange gegen die missachtete Waffe der Städtebürger, der Pfeffersäcke und der rohen Bauern; aber die Notwendigkeit ließ keine Wahl und zwang ihn dazu, sich mit ihr zu befreunden. So kam es, dass schon um die Mitte des 15. Jahrh. der Streithammer, nun Faust- oder Reiterhammer (marteau d’armes de cavalier, engl. horsman-hammer) genannt, von der Reiterei allenthalben geführt wurde. Die Deutschen und Franzosen führten ihn am Sattelknopfe, die Italiener trugen ihn am Gürtel; ihre Fausthämmer sind deshalb durchweg mit Gürtelhaken ausgestattet. Gewisse Formen dieser Fausthämmer führten wegen der Ähnlichkeit des Hammereisens mit einem Vogelschnabel den Namen Papagei. (Fig. 431.) In der 2. Hälfte des 15. Jahrh. wird es Sitte, die Fausthämmer zu Pferde derart in der Rechten zu tragen, dass der untere Teil des Stieles auf dem Rande des Unterdiechlings aufruhte, und das Hammereisen als Handgriff diente. In den Kürisserregimentern Maximilians I. trugen die Rottmeister Fausthämmer mit übermäßig langen Stacheln, zugleich als Waffe und Würdenzeichen. Dieser Gebrauch erhielt sich bis in die ersten Jahre der Regierung Ferdinands I. (Fig. 432.) In den italienischen Reiterregimentern wurden von jedem Mann bis zum Obersten hinauf im 16. Jahrhundert kleine Fausthämmer mit eisernen Stielen geführt, welche an den Gürteln getragen wurden. (Fig. 433.) Einer besonderen Eigenheit müssen wir noch erwähnen, der im 15. Jahrh. auftretenden Sitte, die Schlagfläche des Hammers mit diamantförmigen Spitzen und verschiedenartigen Figuren, ja selbst Monogrammen auszustatten. Entstanden in der Absicht den Schlag gefährlicher zu machen, führte die Sitte zur plumpen Rennomisterei mit der Begründung, die Hand des Helden an den Leichen der Gefallenen wiederzuerkennen. Mit der allgemeineren Einführung der Faustrohre kam der Fausthammer allenthalben außer Gebrauch. Vereinzelt kommt er noch im 17. Jahrhundert bei den ungarischen Truppen vor, wo er sich noch bis zur Einführung des Bajonetts erhält. Er erscheint in dieser Zeit und bis zuletzt als eine Art Gehstock (Czákan) und diente in Ungarn häufig als Waffe auf Reisen zur Abwehr gegen räuberische Überfälle.

 

 

3. Die Streitaxt.

 

Unter den Funden der Stein-, der ältesten Bronzeperiode bildet die Streitaxt (franz. hache d’armes, engl. battle-axe, pole-axe, ital. azza, span. hacha de armas, lat. acha, polaxis, rasticucium, bipennis) einen so häufig vor Augen tretenden und bemerkenswerten Gegenstand, dass wir deren Alter am weitesten in die prähistorische Zeit rücken können. Wo wir aber ihre Spur finden, da weisen die Umstände in den meisten Fällen darauf hin, dass sie bei den nordischen Völkern zuerst Verwendung im Kriege gefunden hat. Schon auf der Trajanssäule erblicken wir die Streitaxt in den Händen der fechtenden Barbaren und in den ältesten Gräbern aus der Zeit der Merowinger, wie u. a. jenen von Parfondeval (Dep. de l’Eaulne) fand sich fast ausnahmslos neben dem Scramasax die Francisca, jene kurzstielige, unserer gemeinen Holzhaueraxt ähnliche Waffe, die schon im 5. Jahrhundert unter den Galliern zur Nationalwaffe geworden war, wie uns schon Sidonius Apollinaris und Procopius von Caesarea berichten.

 

 

Von diesen unanfechtbaren Zeugen abgesehen finden wir sie in Abbildungen aus dem frühen Mittelalter bis ins 11. Jahrhundert dargestellt. In dem oft erwähnten Teppich von Bayeux erscheint sie in einer so vollständigen Deutlichkeit als Waffe des englischen Fußvolkes, dass wir selbst die Kampfweise daraus zu entnehmen imstande sind. (Fig. 434.) War unter den Merowingern die kleine Streitaxt, Francisca, eine Wurfwaffe, welche 10—12 m. vom Feind entfernt in dessen Reihen flog, so erscheint hier die langstielige Axt mit konvexer Beilschneide als Hiebwaffe, mit der das Fußvolk zuerst in die feindliche Front eindrang. Nach dem mit den Äxten bewirkten Einbruche folgten erst die schildtragenden Streiter, um mit den langen Wurfspießen und Schwertern den Erfolg zu vermehren. (Fig. 435.)

Ist die Streitaxt ihrem Ursprunge nach eine Waffe des Fußvolkes gewesen, so führte die unzureichende Wirkung des Spießes und des Reiterschwertes auf den immer widerstandsfähiger werdenden Harnisch allmählich dahin, dass auch die Reiterei sich derselben bediente. Diese Umwandlung in der Bewaffnung wird schon im 1. Kreuzzug  bemerkbar und es ist nicht unmöglich, dass das Vorbild hierzu von den Orientalen gegeben worden ist, unter welchen wir schon sehr früh die Reiteraxt antreffen.

Eine ausschlaggebende Bedeutung hat aber die Streitaxt nur als Waffe des Fußvolkes und bei den Völkern des Nordens erhalten. Es spricht sich dieses schon in den eigenartigen Formen aus, die bei bestimmten Völkern auftreten, so die Lochaberaxt bei dem schottischen Bergvolke (Fig. 436), die dänische, schwedische, die Schweizer-Axt, jene der Polen und Russen etc.

Gerade zu jenem Zeitpunkt, als man anfing, dem gemeinen Spieß eine erweiterte Verwendung durch Beigabe von Beil und Haken zu geben und denselben zur Helmbarte gestaltete, am Beginne des 13. Jahrhunderts, begann man auch die Streitaxt am Rücken mit einem hammerartigen Ansatz, einem spitzigen Stachel oder einem schnabelförmigen Haken zu versehen; am Ende des 14. Jahrhunderts fügte man eine Stoßklinge hinzu. In dieser Art verschmelzen sich die Formen, so dass es manchmal schwierig ist, die Waffe nach ihrer Form zu rubrizieren, weil sie dem einen wie dem anderen Formenbereiche mit fast gleicher Berechtigung zuzuweisen ist.

 

 

So ist die Streitaxt, welche in Flandern am Ende des 13. Jahrhunderts vom Fußvolke geführt wurde und die der Söldnerwitz „Godendag“ benannte, eine Bezeichnung, die sicher auf eine niederdeutsche Herkunft schließen lässt, eine Waffe, die in ihrer Form nahe an die Helmbarte streift, wenngleich wir sie ihrer Beilform und ihres Gebrauches halber unter die Streitäxte reihen müssen. (Fig. 437 a u. b.)

Diese Form, jedoch stets ohne Stoßklingen, findet man im 15. und 16. Jahrhundert bei allen Nationen des Nordens von Schweden bis nach Russland verbreitet. (Fig. 438 u. 439.) Solche Streitäxte führten ebenso die Trabanten der schwedischen Reichsstatthalter Sture und des Königs Gustav Wasa, wie wir an den Fresken der Grabkapelle des letzteren in der Kathedrale zu Uppsala sehen; sie waren auch bis ans Ende des 17. Jahrhunderts die Waffe der Strelitzen, bei welchen sie den Namen „Berdiche“ führten, ein vermutlich von dem deutschen Worte „Barte“ abgeleiteter Ausdruck. (Fig. 440.) In einer besonderen, der türkischen ähnlichen Form des Beiles wird die Streitaxt in Ungarn zur persönlichen Sicherheit des einzelnen Bürgers geführt, und es ist dort seit Jahrhunderten Sitte geworden, zu Pferde ein „gereisiges Beil“ (Griesbeil: Buzogány, im Türkischen Bozdoghân) am Sattel hängend zu tragen, zu Fuß aber ein solches als Stock zu benutzen.

 

 

Streitäxte mit reich geätzten Beilen führten auch die ungarischen Trabanten des Königs Ferdinand I. um 1530 (Fig. 441), und auch Karl III. von Spanien, nachmals Kaiser Karl VI., besaß in Spanien eine ungarische Leibwache, welche mit Streitbeilen mit reichen Silberbeschlägen bewaffnet war. Die schwere, mit zwei Händen zu führende Axt wurde von den Reitern im Mittelalter nur in besonderen Fällen und nie allgemein geführt. Ein vereinzeltes Beispiel findet sich in einer Miniatur der Nationalbibliothek zu Paris von c. 1250: Le Roman de la table ronde.

 

 

Im 15. Jahrhundert führten ebenso wohl die schwer geharnischten adligen Reiter, wie deren reisige Knechte, später die deutschen Kürisser und die französischen Gens d’armes eine Art Beile, deren Form darauf berechnet war, zunächst den Harnisch des Gegners zu zertrümmern, weshalb sie keine scharfe Schneide hatten, sondern bei ansehnlicher Stärke und Schwere keilartig gebildet waren.

 

 

Diese Streitäxte besaßen kurze, meist nicht viel über 60 cm. lange Stiele und wurden an starken Riemen über den Sattel hängend geführt. (Fig. 442.) Vornehme bedienten sich statt der Äxte lieber der Streithämmer; der Streitkolben aber, im Orient weit allgemeiner im Gebrauch, bildete im Abendlande ein besonderes Würdezeichen. (Fig. 443 u. 444.)

 

 

Italienische Reiteräxte sind vom 14. Jahrhundert an schmal und leicht; die meisten besitzen metallene Schäfte und als charakteristisches Merkmal am Mitteleisen einen Haken, da sie dort nicht am Sattelbogen, sondern am Gürtel getragen wurden. Italienische Äxte besitzen häufig eigene, mit Handschutzscheiben ausgestattete Handgriffe. (Fig. 445 u. 446.)

Es ist bemerkenswert, dass wir schon am Beginne des 13. Jahrhunderts die Beile mit breiter Verstählung antreffen, ein Umstand, der bei den langen Beilschneiden der Lochaber wie der schwedischen und russischen Äxte einen Begriff von der hohen Ausbildung des Waffenschmiedhandwerks gibt.

Am verbreitetsten unter dem Fußvolke in Frankreich, Deutschland und der Schweiz war jene breite Streitaxt, deren Beil am unteren Ende der Verstärkung wegen entweder mittels einer Schnürung, oder mittelst Schrauben mit dem Schafte in Verbindung stand. Der Schaft selbst ist gewöhnlich mit 2 Ringen ausgestattet, an die ein Riemen geschnallt wurde. Auf dem Marsche trug sie der Mann am Rücken. Das Bestreben, die Wucht des Hiebes zu verstärken, führte im 14. Jahrhundert schon zu einer bedeutenden Verlängerung der Schäfte; dadurch und durch Beigabe von Stoßklinge und Haken wird das Streitbeil zu einer Art Helmbarte. Solcher langschäftiger Streitäxte bedienten sich selbst Personen des Ritterstandes im Kampfe zu Fuß. Eine sehr interessante Waffe der Art bewahrt die reiche Sammlung W. H. Riggs; sie findet sich abgebildet in Viollet-le-Duc, Dictionnaire du mobilier français, VI. Band, pag. 17. Sie besitzt statt des Hakens einen Hammer mit diamantierter Schlagfläche und darauf die Spottinschrift: „de bon ♥“. (Fig. 447.) In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts sehen wir auch bei dieser Waffe die Absicht auftauchen, durch Beigabe eines Feuerrohres eine Fernwirkung zu erzielen. Derlei Streitäxte mit Schießvorrichtungen wurden um 1570 zahlreich in Nürnberg und in Brescia erzeugt, sie sind meist von reicher künstlerischer Ausstattung in Ätzung und Tausia. Es ist dies überhaupt jene Periode, in welcher die Waffen in reicherer Verzierung auftreten. Abgesehen von der Ausstattung der Klingen werden auch die Schäfte mit reichen Stoffen und Netzwerk überzogen und mit feiner Gold- und Seidenpassamenterie besetzt. Eine besondere Gattung von Äxten, halb Waffe, halb Zeichen des Handwerks, bilden die Bergmannsbarten, deren Form auf die polnischen Streitäxte zurückzuführen ist; sie werden noch zur Stunde von den Bergleuten bei festlichen Aufzügen getragen. Außer Schweden, Dänemark, Polen, Ungarn und Russland gehört auch Sachsen zu den Ländern, in denen bis ans Ende des 16. Jahrhunderts die Streithacke als Trabantenwaffe geführt wird.

 

 

 Im Orient ist das Streitbeil (Teber-zèn) zweifelsohne weit vor Mohammed geführt worden. Das Beil erscheint entweder in Form eines Halbmondes mit fast kreisrunder, konvexer Beilschneide, mit konkaven Seitenwänden oder mit vollständig geradelaufendem Oberrande, sehr selten aber unterhalb abgekappt (bärtig), sondern fast immer spitzig zulaufend. Vornehme führten Äxte mit Schellen geziert, um in der Schlacht Aufmerksamkeit zu erregen. Wir bringen von beiden charakteristischen Formen Exemplare, welche von hervorragenden historischen Personen herrühren. (Fig. 448 und 449.) Unterbefehlshaber der türkischen Reiterei führten im 17. Jahrhundert Streitäxte mit zwei- oder dreifachen Beilen, die fast jenen auf den antiken Darstellungen der Amazonenkämpfe gleichen, aber in zwei verschiedenen Formen vorkommen; die aus drei Beilen bestehenden erscheinen öfter mit Tausia geziert, weshalb zu vermuten ist, dass sie höheren Truppenführern angehörten. (Fig. 450.)

 

 

Ein altmexikanisches Streitbeil sehen wir in der folgenden Figur (Fig. 451.)

 

 

4. Handwaffen mit Schießvorrichtungen.

 

Nahezu alle Handwaffenformen, ja, überhaupt alle Handwaffen kommen etwa von der Mitte des 16. Jahrhunderts an zuweilen in Verbindung mit Schießvorrichtungen vor. Bei Stangenwaffen findet sich selten nur eine an solchen angebracht, weit häufiger deren zwei an den entgegengesetzten Seiten der Spießblätter. Die Wahrnehmung, dass derlei kombinierte Waffen fast ausnahmslos reich verziert erscheinen, beweist, dass dieselben im Kriege selbst keine oder nur vereinzelt Anwendung gefunden haben, und dass wir in ihnen nur Trabantenwaffen vor Augen haben. Bei einem Hoflager mussten derlei Ausrüstungen zweifelsohne von großem Vorteil für den Wachtdienst sein, da der Mann damit nicht nur eine ausgiebige Stoß-, beziehungsweise Hiebwaffe besaß, sondern auch in der Lage war, durch einen abgefeuerten Schuss zu verletzen und die Gefahr rasch zur Kenntnis zu bringen. Am Beginne des 17. Jahrhunderts verschwinden diese kombinierten Trabantenwaffen fast plötzlich. (Fig. 452, 453.) Bald nach der Einführung des Radschlosses erscheinen auch die Schweinspieße mit Schießvorrichtungen ausgestattet. Hier hatten die letzteren eine besondere fachliche Bestimmung, und derlei Waffen erhalten sich auch noch bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts. (Fig. 454.)

 

 

Bei Trabantenspießen, Partisanen, Helmbarten etc. finden sich die Schießvorrichtungen paarweise an den Flachseiten der Klinge angeordnet. Zwei in der Regel nicht über 20 cm. lange Läufe sind auf entsprechend hohen Stegen in der rückwärtigen Hälfte der Spießklinge angeschweißt, welch letztere statt gerippt zumeist in der Mitte rinnenartig gebildet ist, um den Flug des Geschosses nicht zu hindern. Die Radschlösser befinden sich entweder an den beiden Seiten oder zunächst hinter dem Laufe. Die Abfeuerung geschieht mittels eines längs des Schaftes in einer verdeckten Nut laufenden Drahtes vom letzten Drittel des Schaftes aus.

 

 

Nicht selten ist auch mit der Schießvorrichtung ein Springklingensystem in Verbindung, welches jedoch immer einen für sich wirkenden Mechanismus besitzt, der gleichfalls vom letzten Drittel des Schaftes aus gehandhabt wird.

Glefen und Cousen besitzen in der Regel nur eine einfache Schießvorrichtung. Der Lauf befindet sich hier am Rücken der Klinge und ist aus diesem Grunde zuweilen auch etwas länger; das Radschloss steht dann gewöhnlich an der rechten Klingenseite.

Über Schießvorrichtungen an Schwertern und Haudegen haben wir am betreffenden Orte gesprochen, wir fügen hier nur gelegentlich einige Beispiele an. (Fig. 455, 456.)

Ebenso wie bei Stangenwaffen und Hiebwaffen erscheinen Schießvorrichtungen an Schlagwaffen des 16. und 17. Jahrhunderts, besonders häufig bei Streithacken. Wir bringen hier einige Beispiele von solchen. (Fig. 457, 458, 459.)

Eine eigene Form von Waffen ist der sogenannte Weihwassersprenger, ein hölzerner Streitkolben, in dessen innen hohl gebildetem Kolbenteile mehrere Feuerrohre sich befinden, welche vom Schafte aus abgefeuert werden. Seinen Ursprung scheint er in England gefunden zu haben, wenigstens kommen solche Waffen meist in englischen Sammlungen, sehr wenige in Frankreich und Deutschland vor. Die ältesten gehören der Mitte des 16. Jahrhunderts an. (Fig. 460.)

D. Die Fernwaffen.

I. Die Schleuder.

Die Tatsache, dass wir die Schleuder als Kriegswaffe tausend Jahre vor unserer Zeitrechnung im Buch der Könige antreffen, lässt uns ihr Auftreten schon im frühesten Mittelalter begreiflich erscheinen. Die Einfachheit dieser Waffe ist ein genügender Grund, ihre Anwendung bei allen Völkern, vielleicht nur die Germanen und die Völkerschaften des Nordens ausgenommen, vorauszusetzen. Die Erwerbung von 444 Stück römischen Schleuderbleies durch das Berliner Museum 1875 gab Anlass, auch die Anwendung der Schleuder im Mittelalter einem näheren Studium zu unterziehen.

Die Schleuder (franz. fronde, altfranz. fonde, engl. slinger, ital. fromba, span. honda) war im Mittelalter von den Kreuzzügen an bis ins 15. Jahrhundert eine häufig angewendete Waffe, besonders der Bergbewohner Helvetiens, nicht minder der Italiener, selbst des Flachlandes. Sie war nie eine Waffe der Vornehmen, sondern stets nur der niederen Volksklassen bis zu den Zeiten der französischen Religionskriege herab.

In dem oft berührten Teppich von Bayeux finden wir einen Schleuderer auf der Jagd, wie er eben ein Geschoss von der Schlinge gebracht hat. Die Darstellung, so einfach sie auch gegeben ist, lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. (Fig. 461.)

Im 13. Jahrhundert wurde der Schleuderer gemeiniglich mit dem Namen „eslingur“ (engl. slinger) bezeichnet. Damals stand die Schleuder als Hand- und Stockschleuder (gibet), welch letztere wir in einer Bibel des 10. Jahrhunderts in der Nationalbibliothek in Paris abgebildet antreffen, längst allgemein im französischen Heer in Anwendung. Die Stockschleuder scheint im 13. Jahrh. vorzüglich im Seekrieg und bei Belagerungen in Anwendung gekommen zu sein. Die Handschleuder bestand aus einer einfachen Schlinge, welche in der Mitte eine hohl gebildete Schale aus Leder besaß, in welche der Stein oder das Blei gelegt wurde. (Fig. 462.) Beim Gebrauche schwang der Schleuderer die Schlinge zwei- bis dreimal rasch im Kreis herum und ließ im geeigneten Augenblicke das eine Ende der Schlinge aus der Hand gleiten, wie wir aus der Figur ersehen. Beim Gebrauche der Stockschleuder musste sich im Schwunge das eine Ende von einem am Ende des Stockes angebrachten Haken abheben, was nur durch besondere Geschicklichkeit erzielt werden konnte Immerhin war die Stockschleuder in der Hand eines geübten Mannes eine fürchterliche Waffe. (Fig. 463.)

Ihre unleugbaren Vorzüge wurden noch im 17. Jahrhundert erkannt, da sie häufig zum Schleudern von Handgranaten benutzt wurde. Ebenso wie Bogenschützen wurden „Schleuderer“ noch im 14. Jahrhundert bei allen Heeren geworben, die aus ihrer Kunst ein Gewerbe machten, unansehnliches und wohl auch im Äußeren herabgekommenes, dabei sehr schlecht diszipliniertes Volk. Sie begleiteten auch die Ritterschaft Kaiser Heinrichs VII. nach Italien. (Fig. 464.)

Im 15. Jahrhundert mehren sich die Berichte von einer Verwendung der Schleuder durch eigene, für den Zweck bestimmte Söldner. In dem zusammengerafften Heer, welches Johann von Capistran nach Belgrad führte, war sie die vorzüglichste Fernwaffe. In dem Ruf, die gewandtesten Schleuderer zu besitzen, standen die spanischen Heere, die sich für diesen Zweck der Bewohner der balearischen Inseln bedienten. Die Leistungsfähigkeit eines balearischen oder kretischen Schleuderers war so groß, dass er auf 120 — 160 Schritte mit Sicherheit seinen Mann traf. Einige Anzeichen deuten darauf hin, dass auch Mathias Corvinus, der ja altrömische Kriegführung sorgfältigst nachahmte, in seinem Heere Schleuderer führte; so wird in der kostbaren Sammlung des Grafen Hans Wilczek ein kleines Schleuderblei bewahrt, dessen Prägung neben einem undeutlichen Wappen das Wort „Mathias“ erkennen lässt.

Die Schleuderbleie des Mittelalters besitzen gleich denen des Altertums eine dattelähnliche Form, doch sind die meisten nicht gegossen, sondern aus Bleistücken zugehämmert. Wie diese tragen viele unter ihnen mehrmals übereinander geschlagene Stempel mit Inschriften, die aber nicht wie bei römischen Schleuderbleien trotzige Anrufungen an den Feind, wie: „Nimm“, „iss“, „dir“ etc., sondern meistens Namen von Personen und Städten, wie „Milano“, „Biztom“, „Hotelin“ u. a. bezeichnen (Fig. 465). Bis jetzt wurden bloss deutsche und norditalienische Schleuderbleie gefunden. In anderen Ländern ist die Aufmerksamkeit auf den Gegenstand noch wenig rege. Die größte Zahl der entdeckten Schleuderbleie ist in dem Besitze des Grafen Hans Wilczek in Wien, der sie auf seinem Schloss Seebarn bewahrt; sie stammen aus Schlössern in der Nähe von Treviso.

Einen Beweis dafür, dass die Schleuder auch in den Streithaufen Kaiser Friedrichs III. in Verwendung kam, finden wir in dem Inventar des Wiener Zeughauses von 1519, in welchem als im „Zillerhof“ befindlich 32 Schleudern angeführt werden. Sie waren zweifelsohne dort seit vielen Jahrzehnten gelagert, ohne mehr Ausrüstungsstücke zu bilden.

2. Der Bogen.

Der Ursprung des Bogens (franz. arc, engl. bow, ital. und span. arco, lat. arcus) reicht weit in die vorhistorischen Perioden zurück, wie wir aus den Steinfunden ersehen, unter welchen die Pfeilspitzen nicht selten sind. Wir begegnen demnach auch dieser einfachen und, wie wir vorausbemerken, vorzüglichen Waffe schon in den ältesten bildlichen Darstellungen des Mittelalters. Diese Tatsache ist allenthalben bekannt, nur muss dazu bemerkt werden, dass in der großen Veränderung der Taktik, welche die Völkerwanderung herbeiführte, der Bogen eine erhöhte Bedeutung erlangte. In den wilden Heerhaufen der von Osten herdrängenden Völker wurden die Bogenschützen zum Schutze der Flügel und zur Einleitung des Gefechtes verwendet. Ihnen folgten die geschlossenen Körper des mit Schild und Speer bewaffneten Fußvolkes, den Kern des Ganzen aber bildete die Reiterei, sie war die ausschlaggebende Waffe. Das war eine vollständige Umänderung altrömischer Taktik, aber es war auch damals nicht das erste Mal, dass eine allgemeine Veränderung in der Streitweise durch die ungebildetsten Völker herbeigeführt wurde.

Es ist ein Beweis von einer gewissen Durchbildung des Kriegswesens, dass wir schon inmitten der Periode der Völkerwanderung den Bogen in der Verwendung zu Pferd und zu Fuß antreffen und dass wir die Vorteile dieser Waffe bewundernswert ausgenützt finden. In dem reitenden Bogenschützen ist der erste leichte Reiter zu erblicken; als solcher steht er im vollen Gegensatze zu den Anschauungen des feudalen Adels, der jeden Leichtgerüsteten für unebenbürtig hielt. Daraus ist auch die Missachtung zu erklären, die der Bogenschütze in der französischen Ritterschaft fand.

Im Vergleich der Wirkung zu der Einfachheit der Herstellung erscheint der Bogen als die vorteilhafteste Waffe: eine Rute, ein biegsamer Stab aus Holz oder Horn, dessen äußerste Enden mit einer Schnur, der „Sehne“, verbunden sind, welche angespannt die Schnellkraft des Stabes oder „Bogens“ so weit in Anspruch nimmt, um damit einen leichten Pfeil auf 200, ja selbst 250 Schritte mit aller Treffsicherheit abzuschnellen, darin liegt die ganze Mechanik dieser Waffe, die den Ruhm der erfolgreichsten Verwendung in Jahrhunderten in Anspruch nehmen darf.

Das flaschenförmige Goldgefäß aus dem Fund von Nagy-Szent-Miklós, dem sogenannten Schatz des Attila, welches aus dem 5. Jahrhundert datiert, zeigt ein Relief, in welchem ein sarmatischer Reiter dargestellt ist, der, nach rückwärts gewendet, im Begriff ist, einen Pfeil von einem kleinen Bogen abzuschnellen, vielleicht, wenn man vom Altertum absieht, die älteste Darstellung eines Bogenschützen, die uns erhalten ist. (Fig. 466.)

Ungeachtet seiner Wichtigkeit im Gefecht war der Bogen des Fußstreiters doch nur eine Waffe der niederen Klassen; so finden wir die Bogenschützen im Teppich von Bayeux als ein besonderes Korps, nach der Methode der Ikonographie, das minder Bedeutsame nur anzudeuten, kleiner dargestellt. Ihr Anführer ist im Harnisch, die Schützen aber sind leicht gekleidet und mit etwa 1.50 m. langen Bogen bewaffnet; die Formen der Köcher sind deutlich dargestellt. (Fig. 467.) Bogenschützen zu Pferde gehörten schon einer höheren Gesellschaftsklasse an, wie wir aus Miniaturen in einem Manuskripte aus der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts ersehen, in welchen selbst ein König, den Bogen abschnellend, dargestellt ist. (Fig. 468.) Joinville bestätigt, dass der Bogen in den Kreuzzügen bei den Orientalen im Gebrauch war. In Frankreich wurde die Waffe von den Lehensherren missachtet und unterdrückt; dafür wurde sie in Brabant und in England gepflegt und dort wurden die ersten regulären Bogenschützenkorps errichtet, die ihrer außerordentlichen Ausbildung halber berühmt waren. Der englische oder schottische Bogenschütze war verachtet, der nicht in der Minute 10—12 Pfeile abschießen konnte und dabei sein mehrere Hundert Schritte entferntes Ziel auch nur einmal verfehlt hätte.

Während im 13. Jahrhundert der Bogen in Deutschland und selbst in Italien allgemein in den Heeren geführt wurde, entschloss man sich in Frankreich erst 1356 nach der Schlacht bei Poitiers, eigene Bogenschützenkompanien aufzustellen, und wiewohl sich schon um 1300 berittene Bogenschützen freiwillig ins Heer stellten, so wurden doch erst 1450 ständige Bogenschützen zu Pferd in Frankreich üblich. (Fig. 469.)

In betreff der Form und Wirksamkeit war im Mittelalter der englische Bogen stets als ein unübertreffliches Muster angesehen. Die französischen Bogen hatten im 13. Jahrhundert nur eine Länge von etwas über 130 cm., während die englischen stets bis über 2 m. Länge maßen; ihr Material war das Holz der Eibe oder des Ahorns, die Pfeillänge betrug nicht ganz 1 m.; die Sehne bestand aus gedrehtem Hanf oder Seide. Die vorzügliche Brauchbarkeit englischer Bögen beruhte darauf, dass die Spannkraft des Bogens in seiner ganzen Länge ausgenutzt wurde, dass sie somit eine größere Spannhöhe gestatteten; von letzterer war, nebenher bemerkt, die Länge der Pfeile abhängig.

Gleich dem Schleuderer und dem Armbrustschützen war auch der Bogenschütze überall leichter als alle übrigen Truppen ausgerüstet. Im 15. Jahrhundert trug der Bogner zu Fuß die Brigantine, den Korazin oder ein leichtes Panzerhemd. Die Ausrüstung für die Handhabung war sehr einfach und bestand in England in einer eisernen Schiene, welche an den linken Unterarm zum Schutze vor der längs desselben schnellenden Sehne mittelst Schnüren befestigt wurde (Fig. 470), und in einem starken Lederhandschuh für die linke Hand, über deren Zeigefingerknöchel weg der Pfeil streifte. In Europa hat sich der Bogen als Waffe für den Krieg bei den Engländern am längsten — bis ins 17. Jahrhundert — erhalten. Bei ihrer staunenswerten Geschicklichkeit blickten die Bogenschützen mit Verachtung auf die Büchsenschützen mit ihren schwerfälligen Feuerrohren, die bei Regenwetter oft ganz unbrauchbar wurden und auch sonst an Treffsicherheit noch vieles zu wünschen übrig ließen. Kaiser Maximilian I., der für alles im Leben und insbesondere für das Kriegswesen in anderen Ländern ein achtsames Auge hatte und in den Niederlanden persönlich von den Vorzügen des Handbogens sich überzeugen konnte, organisierte eigene Abteilungen, die er mit englischen Bögen bewaffnete. In den Zeughäusern zu Innsbruck und Wien wurden noch 1500 erhebliche Mengen dieser Bögen aufbewahrt; sie sind in Maximilians Zeugbüchern in der wünschenswertesten Genauigkeit abgebildet. (Fig. 471.)

Wie dort selbst das geringfügigste Kriegsgerät mit aller Sorgfalt abgemalt ist, so finden wir darin auch die zugehörigen Köcher abgebildet, welche nach altem deutschem Gebrauch mit langhaarigem Pelzwerk überzogen waren. (Fig. 472.) Man nannte dieselben „Rauchköcher“. Bogen aus Stahl, wie sie im 15. und bis ins 16. Jahrhundert die Italiener führten, wurden in besonderer Güte in Seravalle, Brescia und Mailand gearbeitet. In Deutschland wurden stählerne Bogen nur sehr vereinzelt geführt, daher auch in größeren Mengen kaum erzeugt.

Im 15. und 16. Jahrhundert pflegten jene christlichen Nationen, welche im Orient ihre Wohnsitze aufgeschlagen hatten, mit den dortigen Völkern häufiger in Verkehr kamen, sich der orientalischen Streitweise anzubequemen; so führen im 15. Jahrhundert die Johanniter zu Rhodus, die christlichen Griechen, die slavischen Völker an der albanesischen und dalmatinischen Küste ebenso die Venetianer Bogen und Pfeile, die vollständig den arabischen nachgebildet waren. Besonders bei den letzteren legte man einen großen Wert auf die Leistung der Bogenschützen im Gefecht und vermehrte dieselben stetig. Über die Ausrüstung der venezianischen Bogenschützen um die Wende des 15. Jahrhunderts belehren uns die Gemälde des Gian Bellini und des Vittore Carpaccio in der Academia zu Venedig. (Fig. 473.)

Für den Gebrauch des Bogens im Orient besitzen wir für die älteren Zeiträume nur äußerst wenige bildliche Belege. Zwar findet sich der Bogen in persischen Miniaturen ziemlich häufig abgebildet, allein es sind daraus keine Details zu entnehmen. Erst im Anfang des 15. Jahrhunderts finden sich einige spärliche Nachrichten in Manuskripten, welche darauf schließen lassen, dass die Formen wie der Gebrauch des Bogens im Orient sich von jeher gleich geblieben sind. Erst am Anfange des 16. Jahrhunderts werden die Beschreibungen in Büchern deutlicher und eingehender, es kommen aber aus dieser Zeit auch schon Originale vor, welche ein vollkommeneres Studium gestatten.

 

Der Bogen der Araber unterschied sich von jenen der asiatischen Türken durch seine größere Länge, er ähnelte mehr jenen der Griechen, der Tartaren und Wallachen. Die Kretenser führten Bogen von zweierlei Materiale und Herkunft, jene aus Sphagia waren aus Steinbockhorn, während die aus Candia kommenden aus Büffelhorn gefertigt wurden. Die türkischen Bogen waren bedeutend kleiner, stärker aufgebogen und gekrümmt und steif besehnt. Die Pfeillängen waren eigentümlicherweise bei den türkischen wie bei den arabischen Bogen ziemlich gleich. Der große Bogen heißt im türkischen perwânè kemân, d. i. Schmetterling, der kleinere jaj.

Alle orientalischen Bogen wurden ohne Armschienen und Handschuhe gehandhabt, im Gegensatze zu den von okzidentalen Nationen geführten hölzernen Bogen, die bei größerer Länge leicht nach der Seite schnellten. Als Auflager für den Pfeil bedienten sich die Orientalen eines Ringes, der oberhalb ein kleines Zäpfchen hatte und am linken Daumen getragen wurde. Diese Ringe waren je nach dem Vermögen der Eigner aus Ochsenhorn, Elfenbein, Silber oder Gold, tauschiert und selbst mit kostbaren Steinen besetzt. Das war im 16. Jahrhundert, woher uns die Kunde klingt, keine neue Mode, sondern ein Gebrauch von alters her.

In den kaiserlichen Sammlungen zu Wien wird eine ansehnliche Zahl orientalischer Bogen bewahrt, welche aus der Kriegsbeute der Feldzüge von 1556 und 1566 stammen und an Erzherzog Ferdinand von Tirol gelangten. Aus dieser Sammlung bringen wir hier einen größeren, arabischen oder tartarischen Bogen, sowie einen kleinen, türkischen. Diese beiden Beispiele dürften genügen, um den Unterschied in ihrer Konstruktion wahrzunehmen. (Fig. 474 und 475.)

 

 

 Es ist aus den beiden Figuren 474 und 475 deutlich ersichtlich, welcher wesentliche Unterschied zwischen einem europäischen und einem orientalischen Bogen bezüglich der Konstruktion besteht. Betrachten wir den unbesehnten türkischen Bogen (Fig. 475), so finden wir denselben stark nach aufwärts gekrümmt. Wird die Sehne angelegt, so muss der Bogen stark nach abwärts bis a′ gezogen werden, wodurch seine Spannkraft bereits in Verwendung genommen wird. Wird nun überdies die Sehne zum Abschnellen des Pfeiles angezogen, so tritt eine noch vermehrte Abbiegung des Bogens bis a″ ein, wodurch seine relative Festigkeit einen Moment lang aufs äußerste in Anspruch genommen wird. Nur durch die raffinierteste Ausnützung des Materiales ließ sich eine so bedeutende Aufzughöhe erzielen, und dadurch erklärt sich auch die nahezu unglaubliche Leistungsfähigkeit der orientalischen Bogen bezüglich ihrer Tragweite und Treffsicherheit.

 

 

Selbst die einfachsten orientalischen Bogen sind meist an den oberen Seiten und an den Handgriffen mit feiner Lackmalerei in oft reizenden Zeichnungen verziert; jene der Vornehmeren aber erregen durch ihre reiche Ausstattung in Goldmalerei auf farbigem Grund unsere volle Bewunderung. Die Sehne orientalischer Bogen (jaj kirischì) besteht aus fünf bis sechs starken Fäden aus Schafwolle, welche dicht mit gedrehten Seidenfäden von verschiedener Farbe übersponnen sind.

 

 

Die Pfeile der Normanen, der Engländer wie der Franzosen des 11. Jahrhunderts waren der Länge der Bogen entsprechend von einer Länge nicht über 70 cm., anscheinend mit Federposen befiedert und besaßen bärtige oder auch lanzettförmige Spitzen mit kleinen Knöpfen am Ansatz.

Die Pfeile der englischen, französischen und deutschen Bogen des 15. Jahrh. und der Folgezeit hatten eine durchschnittliche Länge von 110 cm. bei 1.5—1.8 cm. Querschnitt. Sie waren für den Kriegsgebrauch gemeiniglich mit Pergament befiedert, das mit grellen Farben bemalt wurde; die Spitzen waren lanzettförmig mit kurzen Dillen. Über die Lage des Schwerpunktes konnte der Verfasser keine Versuche anstellen, indem ihm noch kein originaler Pfeil eines deutschen oder englischen Bogens in Sammlungen vor Augen gekommen ist. Schwerlich dürfte sich auch noch ein echtes Exemplar finden. Selbst die Sammlung Meyrick besaßen nur Pfeilspitzen.

 

 

Orientalische Pfeile (tîr) besitzen eine Länge von durchschnittlich 75 cm. bei einer Stärke von nur selten über 7 mm. Die Befiederung ist in der Regel dreireihig und besteht aus Vogelfedern verschiedener Arten; die Spitzen sind äußerst fein und sitzen häufig im Dorn auf dem Schafte, der dann am oberen Ende fein geschnürt und zuweilen mit äußerst dünnem Bast überklebt ist. Einige Sorten besitzen knapp unter der Spitze ungemein feine, kaum 1 mm. breite Ringe aus Metall. Am rückwärtigen Ende ist bei reicher ausgestatteten Pfeilen ein kleines Füßchen von Elfenbein angesetzt, welches am Ende einen kleinen Ausschnitt hat, in welchen beim Spannen die Sehne eingelegt wird. Gemeine Pfeile entbehren zwar eines solchen Ansatzes aus Bein, sie besitzen aber alle sorgfältig gefertigte Sehnenausschnitte. Der Schwerpunkt befindet sich gewöhnlich nur wenige Zentimeter über der Hälfte gegen die Spitze zu.

 

 

Nahezu jeder der vorhandenen orientalischen Pfeile ist in schönen Mustern geziert, die zumeist in Lackmalerei mit Vergoldung hergestellt sind; seltener finden sich Einlagen, noch seltener Schnitzereien. (Fig. 476 a bis f.)

 

Der Orientale verwahrte seinen Bogen ebenfalls in einem Köcher; man unterscheidet demnach Bogenköcher (kemândân) und Pfeilköcher (tirkesch). Diese Behältnisse boten den orientalischen Kunsthandwerkern reiche Gelegenheit zur stilvollen Verzierung der Außenflächen derselben. Man findet auch in Köchern des 15. Jahrhunderts staunenswerte Proben orientalischer Kunst, besonders in Lederarbeit und Stickerei von wunderbar schöner Zeichnung. (Fig. 477 und 478 a und b.)

Köcher des 17. Jahrhunderts bezeugen schon deutlich den Verfall der orientalischen Kunsttechnik, die bei aller hübscher Zeichnung das billigere Mittel des Gold- oder Silberbeschlages zu Hilfe nimmt, um eine entsprechende Wirkung zu erzielen. In den europäischen Heeren wurde der Bogen nie im Köcher geführt. Bei Regenwetter wurde in der Regel nur die Sehne in einer Tasche verwahrt. Die Pfeile jedoch steckten in langen kegelförmigen oder auch prismatischen Behältnissen von Holz, die entweder geschnitzt oder mit Pergament überzogen und bemalt waren (Fig. 479). Es finden sich wie im Florentinischen auch zuweilen flache Köcher, die mit den orientalischen einige Ähnlichkeit hatten. (Fig. 473.)

3. Die Armbrust.

Das mechanische Prinzip, auf welchem die Konstruktion der Armbrust (franz. arbalète, engl. cross-bow, arbalist, ital. balestra, span. ballesta, lat. arcubalista, arbalista) beruht, leitet sich von jener der Katapulte der Alten ab, wie sie Vitruv in seinem Werk: „De architectura“ ziemlich deutlich beschrieben hat. Es erübrigte nur, das Prinzip der schweren Belagerungsmaschine in einer leichten Handwaffe zu verwerten, und das ist, wie neuere Forschungen ergeben haben, noch vor Ausgang der antiken Periode gelungen; denn schon Vegetius spricht in seiner „Epitome institutionum rei militaris“ (um 385) von der „arcubalista“ nicht als von einer schweren Maschine, sondern von einer Handwaffe leichter Truppen, wie von einem allgemein bekannten Gegenstand. In zwei Basreliefs im Museum zu Puy, welche zweifellos noch vor das 4. Jahrhundert zu setzen sind, ist die Armbrust in ihrer charakteristischen Form deutlich zu erkennen. Das eine ist an einer Halbsäule (cippe) gefunden in Solignac-sur-Loire, welches wir in Fig. 480 nach Gay darstellen; *) das andere findet sich auf dem Fragment eines Frieses, aus den Trümmern einer Villa bei Puy herrührend.

Der deutsche Name setzt sich aus den Worten „Arm“ und „Rüstung“ zusammen und bedeutete somit ursprünglich eine „Armrüstung“. Mit dieser Bezeichnung „armbrust“ erscheint sie schon im 12. Jahrhundert. Am Ende des 15. Jahrhunderts unterlag das Wort Armbrust einer neuen Schreibart, die dem m ein b anfügte, wie u. a. bei räumblich, Saumb, Beheimb, ziemblich; damit verwandelte sich der Name unserer Waffe in „Armbrust“, Nachdem diese unschönen Silbenansätze in unserer modernen Sprache allenthalben ausgemerzt sind, findet sich kein Grund, einen solchen vereinzelt zu belassen. Man ist darum auf die ursprüngliche und richtige Schreibart wieder zurückgegangen.

Vom 5. bis ins 10. Jahrhundert versiegen die Nachrichten über die Armbrust gänzlich, so dass es scheint, als sei dies in jener Periode wenn nicht vollständig in Vergessenheit, doch seltener in Verwendung gekommen. Und in der Tat erscheint sie erst wieder in einer Miniatur eines lateinischen Manuskriptes aus der Zeit Ludwigs IV., des Ultramariners, um 937. In der Miniatur einer Bibel vom Ausgange des 10. Jahrhunderts aus der Abtei von St. Germain, jetzt in der Nationalbibliothek zu Paris, sehen wir zwei Schützen zu Fuß, welche deutlich gezeichnete Armbrüste gegen die Wälle von Tyrus abschießen. (Fig. 481.) Die gelehrte Tochter des byzantinischen Kaisers Alexius, Anna Komnena (1083—1148), erwähnt in ihrem Werke „Annae Comnenae Alexiados XIX libri“ bei der Beschreibung des 1. Kreuzzuges einer neuen Art Bogen, die sie „tzagrae“ nennt, mit den Worten: „Die Tzagra ist ein Bogen, den wir nicht kannten —“ Es scheint daraus hervorzugehen, dass die Armbrust, im Osten noch unbekannt, eine im weströmischen Reiche erfundene und nur in Westeuropa bekannte und angewendete Waffe gewesen ist.

Erst im 12. Jahrhundert fand die Armbrust eine allgemeine und starke Verbreitung, vorzüglich in England und Frankreich; das 2. Konzil vom Lateran 1139 verbot ihren Gebrauch als einen mörderischen unter Christen und gestattete ihn nur gegen Ungläubige; desungeachtet führten sie um 1190 die Fußtruppen König Richards I. von England, und Philipp August von Frankreich errichtete um dieselbe Zeit die ersten Armbrustschützen-Kompanien zu Fuß und zu Pferd, was Veranlassung gab, dass Innozenz III. das Verbot des Konzils erneuerte. Trotz dieser strengen Verbote kam die Waffe doch zu hoher Bedeutung; der Befehlshaber der Armbrustschützen führte den Titel „Grandmaître de l’arbalèterie“ und wurde später unter die Marschälle von Frankreich eingereiht.

In Deutschland war die Armbrust im 12. Jahrhundert häufig in Gebrauch. Zwei Zeugen, fast aus der gleichen Zeit, finden sich da, um ihr Bestehen zu beweisen: die im Dom zu Braunschweig unter Heinrich dem Löwen ausgeführten Wandmalereien und die Stelle in der „Eneit“ des Heinrich von Veldeke, worin sie zuerst „Armbrust“ genannt wird.