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Längst sind Kaninchen vom Kinder-Kuscheltier zum Heimtier für Erwachsene avanciert. Kommt das Langohr um die Ecke gehoppelt, schnuppert vertrauensvoll und lässt sich kraulen, geht einem das Herz auf und man will nur das Beste für den kleinen Freund. Und das Beste bietet dieses Buch: Auf 224 Seiten erläutert die Kleintierexpertin Dr. Anne Warrlich alles über Haltung und Verhalten, Rassen und Beschäftigung, Problemlösung und Gesundheit. Die fundierten und praxisnahen Tipps bis hin zu Ideen für artgerechte Innen- und Außengehege lassen wirklich keine Wünsche offen.
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Seitenzahl: 280
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© Juniors Bildarchiv
Damit wir unsere Kaninchen verstehen und uns in sie hineinversetzen können, ist es wichtig zu wissen, wie sie sich entwickelt haben, wie sie die Welt sehen, wie sie denken und fühlen und auch, wie sie miteinander umgehen. Da Menschen zu den Jägern zählen, fällt es uns oft schwer, Kaninchen zu verstehen, auf ihre Bedürfnisse einzugehen und ihre Eigenheiten zu akzeptieren. Nach dem folgenden Kapitel werden Sie Ihr Kaninchen besser verstehen.
Als Urhase oder auch Urkaninchen wird Gomphos elkema angesehen. 2005 veröffentlichte eine Forschergruppe um Robert Asher vom Museum für Naturkunde in Berlin den Fund des ersten vollständigen Skeletts in der Mongolei. Gomphos hat vor ca. 55 Millionen Jahren gelebt und ähnelt eher einem Eichhörnchen als einem Kaninchen. Genau wie die Lagomorpha (Ordnung der Hasenartigen), zu denen die Kaninchen gehören, hatte Gomphos nachwachsende Zähne. Woher der Name kommt, ist unklar. Wahrscheinlich wurde er von den Russen vergeben, die bereits vor Robert Asher und seinen Kollegen Teilstücke eines Gomphos-Skeletts ausgegraben hatten.
Hasenartige waren auch in Nordamerika ansässig. Die frühsten Funde stammen aus dem Tertiär (vor 70 bis 2 Millionen Jahren). Seit dem Pliozän (vor 7 Millionen Jahren) haben sich Kaninchen in Europa und Asien angesiedelt. Die Seefahrer haben bei diesem Prozess geholfen, denn es war durchaus üblich, lebende Kaninchen mitzuführen, sie auf Inseln auszusetzen und bei der Rückkehr nachzuschauen, ob sie sich vermehrt hatten, damit man sie verspeisen konnte. Das beste Beispiel für eine Rasse, die auf diese Weise entstanden ist, ist das Porto-Santo-Kaninchen auf Madeira. Unsere heutigen Kaninchen stammen vom europäischen Wildkaninchen ab.
Die frühsten Berichte über das Zusammenleben von Menschen und Kaninchen stammen von den Phöniziern. Als die Phönizier vor ungefähr 3 000 Jahren die Iberische Halbinsel (das heutige Portugal und Spanien) entdeckten, waren sie über die große Anzahl Kaninchen erstaunt, die diesen Raum bevölkerten. Da Kaninchen den Phöniziern unbekannt waren, hielten sie sie für afrikanische Schliefer. Sie nannten das Land I-shepam-im, was soviel wie „das Land der Schliefer“ bedeutet und von den Römern mit Hispania oder Spanien ins Lateinische übersetzt wurde. Spanien hat seinen heutigen Namen also den Kaninchen zu verdanken.
Biologische Systematik
Überklasse
Kiefermäuler (Gnathostomata)
Reihe:
Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Klasse
Säugetiere (Mammalia)
Unterklasse
Höhere Säugetiere ( Eutheria)
Überordnung
Euarchontoglires
Ordnung
Hasenartige
Familien
Hasen (Lagomorpha) und Pfeifhasen (Ochotonidae)
Zur Familie der Hasen gehören die Arten Wildhase, Wildkaninchen und Hauskaninchen.
Die Phönizier haben die Kaninchen vermutlich noch nicht gezähmt, zumindest gibt es keine Quellen darüber. Die ersten Berichte über Kaninchenhaltung stammen von den Römern (ca. 36 vor Christus). Sie hielten ihre Kaninchen in sogenannten Leporarien. Das waren gemauerte Einfriedungen, in denen die Kaninchen lebten.
Wahrscheinlich wurden sie dort jedoch noch nicht gezielt gezüchtet. Stattdessen wurden sie mehr oder weniger sich selbst überlassen, was zur Folge hatte, dass sie sich auch vermehrten. Damit begann die eigentliche Domestikation des Kaninchens. Die Kaninchenhaltung bei den Römern hatte natürlich den Hintergrund, den Speiseplan zu ergänzen. Es ist also davon auszugehen, dass die Kaninchen in diesen Leporarien auch nicht sehr zahm und bestimmt keine „Schmusehasen“ waren. Der Siegeszug der Kaninchen in Europa war jedoch nicht aufzuhalten und so wurden sie von Handelsreisenden, Soldaten und den Völkern, die durch Europa zogen, immer weiter verbreitet. Sie sind sozusagen der lebende Snack der Frühgeschichte gewesen.
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Als junges Wildkaninchen lebt es sich ziemlich gefährlich. Daher muss man wachsam sein.
Im fünften Jahrhundert begann die systematische Zucht von Kaninchen, die jedoch nach wie vor zu Nahrungszwecken genutzt wurden. Ein Gemälde von Tizian (1530) zeigt eine Madonna mit einem weißen Kaninchen. Die frühste bekannte Abbildung eines Kaninchens ist eine Tuschezeichnung aus China, datiert im 11. Jahrhundert. Bei den sehr frühen Abbildungen handelt es sich jedoch vermutlich um Wildhasen oder -kaninchen. Vor allem von den Klöstern in Frankreich gingen die ersten Bemühungen aus, Kaninchen gezielt zu vermehren. Der Hintergrund war auch hier keineswegs, einsamen Mönchen einen kuscheligen Gefährten zur Seite zu stellen, sondern vielmehr dienten die neugeborenen Kaninchen als erlaubte Fastenspeise. Sie wurden als „laurices“ bezeichnet. Diese Sitte hielt sich sehr lang an den Königshöfen und in den Klöstern, bis weit in das Mittelalter hinein. In Frankreich waren Wildkaninchen weit verbreitet und deshalb war die Zucht für die Mönche naheliegend.
Die Zucht von verschiedenen Kaninchenrassen entwickelte sich im 19. Jahrhundert. Das Hermelin, eine Wieselart, war fast ausgerottet, weil sein Winterfell für den Pelzbesatz der prunkvollen Roben an Fürsten- und Königshöfen gebraucht wurde. Als Ersatz wurden gezielt weiße Kaninchen miteinander verpaart, weil ihr Fell dem des Hermelins glich. Die Kaninchenzucht, wie wir sie heute kennen, begann mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert. Die Menschen bevölkerten die Städte und hatten in ihren kleinen Häusern und Hinterhöfen nicht mehr die Möglichkeit, ein Schwein oder eine Kuh zu halten. Kaninchen waren eine gute Alternative, da sie wenig Platz in Anspruch nahmen und die Familie kostengünstig mit tierischem Eiweiß versorgten. Im Lauf der Jahrhunderte änderte sich dann das Zuchtziel. Das Kaninchenfleisch trat in den Hintergrund und man begann gezielt gewisse Körpermerkmale wie Fellfarben und Ohrformen zu züchten.
Das Zwergkaninchen entsteht
Im 20. Jahrhundert entdeckte man bei besonders kleinen Kaninchen mit kurzen Ohren und kleinem Körper das sogenannte Verzwergungsgen und verpaarte die Tiere gezielt miteinander. Das heutige Zwergkaninchen war entstanden.
© Horst Streitferdt/Kosmos
Züchterisch ist heute vieles möglich, sogar „karierte“ Japaner.
Kaninchen sind durch den Menschen auf der ganzen Welt verbreitet worden und sind als Wildkaninchen nicht immer beliebt. Durch ihre Vermehrungsfreudigkeit – sie sind nicht umsonst ein Fruchtbarkeitssymbol – nimmt ihre Zahl stetig zu und sie können vor allem in der Landwirtschaft großen Schaden anrichten.
Die große Vermehrungsfreudigkeit der Kaninchen und ihre rasche Verbreitung wurde am besten in Australien dokumentiert. Dort gab es bis zum Jahre 1859 keine Kaninchen. Ein Engländer namens Thomas Austen brachte aus seiner Heimat 24 Kaninchen mit, um sich in Australien heimisch zu fühlen, und ließ sie auf seinem Besitz in Victoria frei. Sechs Jahre später wurden allein auf seinem Grund und Boden rund 20 000 Kaninchen getötet. Im 800 Kilometer entfernten Queensland wurden Kaninchen entdeckt, die alle von diesen ursprünglich 24 Tieren abstammten. In Australien war die Situation besonders prekär, weil die Kaninchen keine natürlichen Feinde hatten, die ihre Zahl dezimieren konnten.
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Ein wahres Kaninchenparadies – viel Futter und kein Jäger in Sicht. In solchen Gebieten vermehren sich die Mümmelmänner explosionsartig, nicht immer zur Freude der Landwirte.
Auch Bekämpfungsmaßnahmen, wie die Vergasung und das Ausgraben der Bauten sowie die intensive Jagd auf Kaninchen, konnten die Kaninchenplage nicht stoppen. Also griff man zu anderen Mitteln, um die Kaninchen auszurotten. Um 1950 infizierte man sie mit Myxomatose, einer hochansteckenden, von Stechmücken übertragenen Erkrankung. Viele Kaninchen starben, doch nicht alle. Die überlebenden Tiere vermehrten sich anschließend umso explosionsartiger.
Auch eine neue Virusinfektion, die RHD (Rabbit Haemorrhagic Disease), mit der man die Kaninchen in den 90ziger-Jahren infizierte, brachte nicht den gewünschten Erfolg. Einige Tiere überlebten auch diese Attacke.
Weltweite Verbreitung der Kaninchen
Europa
Europäisches Wildkaninchen
Japan
Ryukyu Kaninchen
Afrika
Rotkaninchen oder Wollschwanzhasen
Afrika
Buschkaninchen
Sumatra und Vietnam
Streifenkaninchen
Mexiko
Vulkankaninchen
USA
Zwergkaninchen, nicht zu verwechseln mit den Haus-Zwergkaninchen
USA, Kanada bis Nordargentinien
Baumwollschwanzkaninchen
Himalaya
Borstenkaninchen
Kaninchen haben eine andere Sichtweise der Welt als wir. Da ihre Augen seitlich am Kopf liegen, können sie nahezu alles um sich herum sehen. Nur direkt vor ihrer Nase befindet sich ein kleiner Bereich, in dem sie nichts sehen – vergleichbar mit Pferden, die direkt vor ihrem Maul ebenfalls „blind“ sind. Dafür erkennen sie Dinge hinter und über ihrem Kopf recht gut. Das ist äußerst praktisch, denn der Feind des Kaninchens kommt meistens von oben. Die Pupille des Kaninchenauges kann sich schlechter zusammenziehen als die des Menschen. Außerdem ist die Linse im Auge weniger elastisch. Das bedingt, dass Kaninchen viel unschärfer sehen, außerdem mögen sie grelles Licht nicht gern. Kaninchen sind eher kurzsichtig, das heißt, sie sehen in der Ferne unscharf. Ihr räumliches Sehen ist auch nicht sehr ausgeprägt. Dafür können sie jedoch gut Bewegungen wahrnehmen und das ist für das Überleben in der Natur auch unbedingt notwendig. Auch schon geringste Bewegungen in der Umgebung lösen bei Kaninchen ein Flucht-Frühwarnsystem aus.
In der Dämmerung funktionieren Kaninchenaugen am besten, weil ihre photosensorischen Zellen überwiegend aus den lichtempfindlichen Stäbchen bestehen, die auch für das Sehen von blauen und grünen Farben notwendig sind. Kaninchen haben in ihren Augen weniger sogenannte Zapfen. Diese Zellen sind hauptsächlich für die Farberkennung zuständig, und man nimmt deshalb an, dass Kaninchen Farben nicht sehr gut unterscheiden können. Somit macht es auch wenig Sinn, das Kaninchenfutter schön bunt einzufärben – das sehen die Kaninchen nämlich gar nicht.
Im Grunde ist das Kaninchenauge genau für Kaninchenbedürfnisse gebaut. Sie sehen als dämmerungsaktive Tiere gut im Dunkeln, dafür spielt das Farbsehen bei ihnen eine untergeordnete Rolle. Da Kaninchen in Höhlen und unterirdischen Bauten wohnen, müssen sie auch nicht besonders gut sehen können. Sie können jedoch Bewegungen in einer „Fastrundumsicht“ wahrnehmen, was ihnen ein „Früherkennungssystem“ für Feinde bietet. Kaninchen kompensieren ihr schlechtes Sehvermögen mit ihrem Gehör und Geruchssinn.
Die Kinndrüse, die Inguinal- (Leisten)drüse und die Analdrüsen helfen den Kaninchen, sich zu unterhalten. Kaninchen orientieren sich sehr stark über den Geruchssinn. Sie kommunizieren untereinander, indem sie Gegenstände oder ihr Revier mit ihren Duftdrüsen, ihrem Kot und ihrem Urin markieren.
Besonders männliche Tiere sind ausgeprägte „Kinn-Rubbler“. Mit ihren Kinndrüsen markieren sie eifrig, was ihnen in die Quere kommt. Nicht nur Gegenstände werden berubbelt, sondern auch andere Kumpel. Das stärkt das Familienzugehörigkeitsgefühl und signalisiert sofort, dass ein Familienmitglied anwesend ist. Zu den Familienmitgliedern gehören auch Menschen. Jeder Kaninchenbesitzer kennt das Gefühl, wenn das Kaninchen genüsslich sein Kinn an den Hosenbeinen reibt. Da wir unsere Kleidung ständig wechseln und dauernd anders riechen, treiben es manche Kaninchen auf die Spitze und rubbeln ihr Kinn an jedem neuen Kleidungsstück, um entsprechend Haare zu hinterlassen, was nicht immer auf uneingeschränkte Gegenliebe stößt.
Vor allem Gegenstände werden mit der Kinndrüse markiert. Hier wird der Tunnel kräftig berubbelt.
Neben den Kinndrüsen verfügen Kaninchen noch über andere Duftdrüsen. Diese befinden sich am After und in der Leiste. Die Inguinal- oder Leistendrüsen dienen dazu, dem Kaninchen seinen eigenen unverwechselbaren Duft zu geben und es für andere Tiere erkenntlich zu machen. Sie liegen in einer Hautfalte neben der Geschlechtsöffnung und produzieren ein zähes, talgartiges, gelbliches Drüsensekret. Manchmal kann es auch schwarz und klebrig aussehen und wird dann mit Kotverschmutzungen verwechselt. Den Geruch können auch Menschen wahrnehmen. Er riecht nach Urin beziehungsweise leicht süßlich. Beim Zusammentreffen zweier Kaninchen wird zuerst die Analgegend berochen. Das Sekret gibt dem Gegenüber Auskunft über Alter, Geschlecht und Paarungsbereitschaft. Die Zitzen der Häsin sondern ebenfalls ein sogenanntes Pheromon ab, das den kleinen Kaninchen den Weg zur Zitze zeigt. Bei erwachsenen Kaninchen bewirkt dieses Hormon Beruhigung und Entspannung, denn die Erinnerung an diesen Duft behalten die Kaninchen ihr Leben lang.
Kaninchen haben gute Nasen. Das ist sinnvoll, da sie sich im Dunkeln über Düfte verständigen.
Die Analdrüsen markieren den Kot, kurz be-vor er ausgeschieden wird, mit ihrem Duft. Da Kaninchen ihr Revier mit Kot markieren, sind die Analdrüsen dafür zuständig, die „Kotvisitenkarten“ zu kennzeichnen. Außerdem geben sie wahrscheinlich Auskunft über Geschlecht, Paarungsbereitschaft und Alter, ähnlich wie bei Hunden auch.
Allen Drüsen ist gemeinsam, dass sie für uns nicht oder nur sehr schwer wahrnehmbare Geruchsstoffe bilden, mit denen sich die Kaninchen untereinander verständigen. Dominante Tiere markieren mehr als solche, die in der Hierarchie weiter unten stehen. Die Größe der Duftdrüsen ist beim männlichen Tier von der Produktion von männlichen Geschlechtshormonen im Hoden abhängig. Häsinnen markieren mit ihren Duftdrüsen ihre Nachkommen und können so sehr genau unterscheiden, ob die Kinder ihre eigenen sind oder die einer fremden Häsin. Die Markierung des Territoriums mit dem eigenen Duft macht die Kaninchen sehr selbstsicher.
Kaninchen haben ein extrem gutes Gehör. Sie können Töne im Frequenzbereich zwischen 16 und 33 000 Hz wahrnehmen. Zum Vergleich: Ein Mensch hört in einem Frequenzbereich von 20 bis 20 000 Hz, ein Hund im Bereich von 15 bis 50 000 Hz. Das heißt, Kaninchen hören vor allem hohe Frequenzen und leise Töne besonders gut. Das gute Gehör brauchen sie als Beutetiere auch, um anschleichende Feinde wie Fuchs, Katze oder Marder sowie Raubvögel frühzeitig wahrnehmen zu können. Ihre Ohren sind wie kleine Schalltrichter, die sehr beweglich in alle Richtungen gedreht werden können, um die Geräusche besser zu orten. Sie ähneln quasi kleinen Radarschüsseln. Widderkaninchen hören zwar immer noch viel besser als Menschen, haben jedoch durch ihre unbeweglichen Hängeohren einen Nachteil.
Durch ihr gutes Gehör sind Kaninchen sehr geräuschempfindlich und schätzen laute Musik oder übermäßigen Krach gar nicht. Vor allem auf raschelnde, zischende und knisternde Geräusche reagieren Kaninchen panisch, weil ihre Fressfeinde diese Geräusche bei Bewegungen verursachen. Ein lauter Traktor, der uns bedrohlich vorkommt erzeugt meistens gar keine Reaktion.
Lange Ohren sind beweglicher als kurze Löffel und erlauben eine sehr genaue Ortung von verschiedenen Geräuschquellen.
Auch beim Grasen sind die Ohren auf Hab-Acht-Stellung, um nicht unangenehm überrascht zu werden.
Kaninchen haben, genau wie wir, Geschmacksknospen auf ihrer Zunge und können süß, sauer, bitter und salzig unterscheiden. Bei der Auswahl ihrer Nahrungsmittel haben süß und interessanterweise bitter Vorrang. Das erklärt, warum Kaninchen sowohl Drops, Snacks und zuckerhaltige Futtermittel wie Bananen gern fressen, aber auch den relativ bitteren Chicorée.
Außerdem sind Kaninchen bei der Auswahl ihrer Tränke sehr wählerisch. In der Natur trinken die Tiere nur selten aus Pfützen oder fließenden Gewässern. Sie nehmen Flüssigkeit entweder in Form von Saftfutter auf oder sie bevorzugen taunasses Gras oder Blätter in der Dämmerung. Man sollte bei der Heimtierhaltung immer im Auge behalten, dass Kaninchen je nach Wohnort auch das Leitungswasser verschmähen können. Leitungswasser ist meist gechlort und manche Tiere schrecken vor dem Chlor zurück, das sie im Gegensatz zu uns riechen und schmecken können.
Bei der Auswahl ihres Futters scheinen Kaninchen besonders viel Wert auf einen guten Geruch zu legen. So werden stark riechende Futtermittel verschmäht und muffiges Heu überhaupt nicht angerührt.
Der Schnurrbart dient nicht nur zur Zier, sondern hat eine wichtige Funktion. Er besteht aus Tasthaaren, besonders ausgebildeten Haaren, deren Wurzeln mit feinen Nerven ausgestattet sind und dem Kaninchen in der Dunkelheit ermöglichen, abzuschätzen, ob ein Durchschlupf breit genug ist oder nicht. Die Tasthaare befinden sich auch über den Augen und an den Wangen. Sie sind leicht zu erkennen, denn sie sind hart, schwarz und wesentlich länger als das restliche Fell. Der Schnurrbart dient zum Ertasten von Gegenständen, die sich direkt vor dem Gesicht befinden, denn die sieht das Kaninchen kaum. Tasthaare dürfen keinesfalls abgeschnitten oder nach hinten gebogen werden, denn das bereitet dem Kaninchen Schmerzen.
Unsere heutigen Kaninchen stammen alle von einer Kaninchenfamilie ab, nämlich vom europäischen Kaninchen. Es kam ursprünglich in Südeuropa vor und bestand aus einer relativ kleinen Anzahl von Tieren. Durch gezielte Zucht sind unsere heutigen Kaninchen entstanden. Heutzutage gibt es ungefähr 200 verschiedene Kaninchenrassen – nur ca. 90 sind vom ZDRK (siehe Kapitel 2) anerkannt – und selbst Fachleuten fällt es schwer, den Überblick zu behalten, weil die Rassen in verschiedenen Farbschlägen vorkommen. Den jeweiligen Kaninchenrassen werden bestimmte Eigenschaften nachgesagt, sowohl was das Verhalten angeht als auch was die körperlichen Merkmale betrifft. Ein Stallkaninchen ist ein eher ruhiger Vertreter der Gattung Kaninchen und nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Die Zwergkaninchen sind lebendiger, wendiger und ängstlicher. Die meisten Kleinrassen oder Zwerge sind als Haustiere gut für Kinder geeignet, weil sie sich wegen ihrer Größe gut hochheben und händeln lassen.
Zwergkaninchen sind relativ lebendig, flink und haben manchmal schneller Angst.
Widderkaninchen
Unter den Zwergkaninchen sind die Widderkaninchen die eher ruhigeren Vertreter, obwohl es sich bei ihnen eigentlich nicht um echte Zwergkaninchen handelt, denn ihnen fehlt das Verzwergungsgen. Sie sind also normale Kaninchen, die nur ein bisschen kleiner ausgefallen sind. Als Faustregel kann man sich merken: Je kleiner das Individuum, desto schreckhafter und ängstlicher ist es.
Widder sind etwas größer als die meisten Zwerge und haben ein ruhiges, freundliches Gemüt.
Kaninchen haben wurzeloffene Zähne, die permanent wachsen. Durch das Zerbeißen der Nahrung mit den Schneidezähnen bzw. das intensive Mahlen beim Kauen von Heu oder Gras werden die Zähne durch Reibung kurz gehalten. Kaninchen haben sozusagen eine eingebaute Zahnschleifmaschine, die normalerweise auch ohne große Probleme funktioniert. Bei den Zwergkaninchen ist der Kopf allerdings besonders rund und kurz. Da die Anzahl der Zähne jedoch die gleiche ist wie bei den größeren Verwandten, stehen die Zähne im Kiefer zu nah aneinander und können bei den Kaubewegungen nicht mehr richtig abgenutzt werden. Die Folge ist ein überlanges Wachstum der Backenzähne, die richtig kleine Häkchen und Spitzen bilden können, was den Tieren große Schmerzen beim Fressen bereitet. Diese Zähne müssen dann regelmäßig vom Tierarzt abgeknipst und geschliffen werden – eine äußerst unangenehme Prozedur für die Kaninchen. Das Kürzen der überlangen Zähne kann mitunter sehr schwierig sein, deshalb führen es viele Tierärzte nur unter Sedation oder Vollnarkose durch. Durch richtige Fütterung lassen sich allerdings viele Zahnprobleme vermeiden, dazu mehr in Kapitel 7.
Das Verhalten eines Tieres wird zum einem durch sein genetisches Material beeinflusst, das es je zur Hälfte von der Mutter und vom Vater vererbt bekommt. Zum anderen wird es durch Umwelteinflüsse geprägt. Auch Hormone beeinflussen das Verhalten von Kaninchen. Die Paarung, das Verhalten als Elterntiere und das territoriale Verhalten sind zwar weitgehend genetisch bedingt, werden aber auch hormonell gesteuert. Die Paarungszeit von Kaninchen fängt Ende Januar an und dauert bis Ende Juli. Der Hypothalamus, eine bestimmte Region im Gehirn, reagiert auf die zunehmende Tageslichtlänge und veranlasst die Sexualorgane, nämlich Hoden und Eierstöcke, Hormone zu produzieren. In den Hoden wird das männliche Geschlechtshormon Testosteron gebildet und in den Eierstöcken das weibliche Sexualhormon Östrogen. Die Rammler werden sexuell aktiv und die Häsinnen brünstig. In dieser Zeit ist auch das territoriale Verhalten unserer Zwergkaninchen stärker ausgeprägt. Die Mümmler neigen dazu, ihr Revier, nämlich ihren Käfig, eher zu verteidigen und können aggressiv reagieren, wenn sich eine Hand dem Käfig nähert.
Ob Kaninchen ängstlich oder zutraulich werden, hängt von den Genen und von den Erfahrungen ab.
Jedes Individuum lernt, solange es lebt, so auch Kaninchen. Der Lernvorgang wird durch Erfahrungen beeinflusst, die Tiere und Menschen mit der Umwelt machen. Kinder lernen beispielsweise, dass der Kontakt mit einer heißen Herdplatte unangenehm ist und verknüpfen fortan negative Erfahrungen mit der Herdplatte. Der Lernprozess ist bei Kaninchen im Grunde der Gleiche.
Kaninchen lernen von Geburt an, obwohl sie in den ersten drei Lebenswochen blind und taub sind. In den ersten Lebenswochen geht es für die Kleinen nur ums Überleben. Mit ihrem von Geburt an sehr ausgeprägten Geruchssinn lernen sie schnell, die Zitze ihrer Mutter in kürzester Zeit zu finden, um Milch zu trinken.
© Verena Scholze
Täglicher Umgang mit verschiedenen Menschen sorgt für zahme, vertrauensvolle Kaninchen.
Im Alter von ungefähr drei Wochen verlassen die kleinen Kaninchen das Nest und erkunden ihre Umgebung. Sie können nun sehen, hören, sich fortbewegen und sind bereit, auf Umwelteinflüsse zu reagieren und ihre Erfahrungen zu verarbeiten. Diese Zeit nennt man Prägungs- und Sozialisationsphase. Sie dauert ungefähr bis zur 12. Lebenswoche an und ist für junge Zwergkaninchen besonders wichtig. Alle Erfahrungen, die Kaninchen in dieser Zeit machen, brennen sich sozusagen unauslöschlich in ihr Gedächtnis ein. Sie sollten jetzt lernen, dass der Mensch ein Freund ist und kein Feind.
Sie werden aber auch vom Verhalten ihrer Mutter geprägt. Eine ängstliche, scheue Häsin, die sich vor Menschen fürchtet, beeinflusst das Verhalten ihrer Nachkommen entsprechend. In der Prägungsphase ist es wichtig, dass die Kaninchen viele gute Erfahrungen machen, um nicht zu scheuen, kleinen Angsthäschen zu werden. Sie brauchen viel menschliche Zuwendung und sollten möglichst mit vielen verschiedenen Personen und anderen Tieren Kontakt haben.
Biologische Eckdaten
Lebenserwartung: 6–12 Jahre
Geschlechtsreife: 22–52 Wochen
Gewicht: 1–12 kg
Tragzeit: 30–33 Tage
Wurfgröße: 3–8 Junge
Säugezeit: ca. 6 Wochen
© Verena Scholze
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Kaninchen leben nicht allein, sondern in Rudeln oder Gruppen. In der Natur können sich bis zu 50 Kaninchen einen Bau teilen. Innerhalb des Rudels gibt es kleinere Gruppen, die meist aus verwandten Tieren bestehen. Die Zahl der weiblichen Kaninchen überwiegt die der männlichen. Die Rangordnung unter den männlichen Tieren ist streng geregelt. Der Anführer ist meist der größte, älteste und schwerste Rammler. Die männlichen Nachkommen bleiben entweder im Bau und unterwerfen sich der Hierarchie oder werden zu sogenannten „Satelliten“. Sie müssen den Bau verlassen und leben einige Zeit an der Erdoberfläche. Unter Büschen und Sträuchern suchen sie Schutz und können dann zur Paarungszeit Aufnahme in einem neuen Bau finden – eine schlaue Strategie, um Inzucht zu vermeiden. Oder sie werben einige Häsinnen ab und suchen eine geeignete Stelle für einen neuen Bau. Da die weiblichen Tiere in einem Bau meist miteinander verwandt sind, ist ihr Verhältnis entspannter und freundschaftlicher als das der Rammler.
Kaninchen vollbringen mit ihren komplizierten Tunnel- und Höhlenanlagen architektonische Meisterleistungen. Ein Kaninchenbau kann ein Gebiet von bis zu 100 m2 umfassen. Es wird an mehreren Stellen gleichzeitig gegraben und dennoch treffen sich die Tunnel. Kaninchen scheinen einen geografischen Plan vor Augen zu haben, wenn sie einen Bau anlegen oder erweitern.
Alle Kaninchen graben gern. In der Natur tun sie dies hauptsächlich, um Tunnel- und Röhrensysteme anzulegen und zu erweitern. Sie lockern mit ihren Vorderpfoten die Erde und scharren sie mit ihren Hinterbeinen weg. Die Tunnelsysteme sind gewöhnlich sehr schmal, sodass nur ein Kaninchen durch die Röhre passt. Damit es nicht zu Staus und Verkehrsunfällen kommt, bauen Kaninchen Ausweichplätze in die Röhren ein, ähnlich einer Nothaltebucht auf der Autobahn. Diese Buchten sind breiter als die normale Röhre und ermöglichen Ausweichmanöver.
Das Röhrensystem der Kaninchen hat verschiedene Arten von Eingängen, ähnlich der Haustür und der Hintertür bei einem Haus. Die normalen „Haustüren“ sind Eingänge, die immer benutzt werden. Die Röhre eines solchen Eingangs fällt sanft ab und ist meist durch einen Erdhaufen neben dem Eingang gekennzeichnet, fast wie eine Fußmatte an der Haustür. Die Notausgänge oder Hintertüren besitzen keinen charakteristischen Erdhaufen und sind meist unter Büschen oder Sträuchern versteckt. Sie werden von den Kaninchen nur in Notfällen benutzt, wenn sie sich schnell vor Feinden verstecken müssen. Außerdem fallen sie fast senkrecht zur Erdoberfläche ab: Für die Kaninchen kein Problem, sich schnell in so einen Eingang fallen zu lassen, jedoch für ihre Feinde.
Heil in der Flucht: Nimm die Pfoten in die Hand und ab geht‘s in den sicheren Bau.
Einige Tunnel enden blind in einem großen Raum oder einer Höhle. Das sind die Wohnzimmer der Kaninchen. Hier liegen sie zusammen, putzen und lecken sich oder verdauen ihren Blinddarmkot. Einige dieser Wohnzimmer sind zu Nestern umfunktioniert – sozusagen Kinderzimmer, wo die Kaninchen geboren, aufgezogen und von ihrer Mutter gesäugt werden. Diese Nester inmitten der normalen Bauanlage sind den dominanten Häsinnen vorbehalten. Mit ihren Duftdrüsen markieren sie den Zugang ihrer Nester. Dies ähnelt einem Schloss an der nicht vorhandenen Tür und macht allen anderen unmissverständlich klar: Bis hier und nicht weiter.
Kaninchenmütter, die in der Hierarchie weiter unten stehen, bauen manchmal Nester, die nicht mit dem Höhlensystem des Hauptbaus verbunden sind. Diese Nester haben keine Hintertür. Erstens macht dies die Arbeit für die Mutter leichter und zweitens hindert es auch die Babys daran, in dem komplizierten Tunnel- und Höhlensystem eines Kaninchenbaus verloren zu gehen.
Kaninchen verständigen sich auch durch Körpersprache. Indem sie verschiedene Körperhaltungen einnehmen, kann das Gegenüber ablesen, wie sie sich momentan fühlen. Die Körpersprache spielt im Kaninchenleben allerdings nur eine untergeordnete Rolle, da die Kaninchen, wie bereits erwähnt, einen Großteil des Tages in ihrem dunklen Bau verbringen und sich eher über Geruch als durch Sicht verständigen.
Man kann jedoch anhand der Körperhaltung und vor allem an der Ohrenstellung unterscheiden, ob das Kaninchen entspannt, ängstlich, unterwürfig, aggressiv oder zufrieden ist.
Kaninchensprache
Da Kaninchen Beutetiere sind, vermeiden sie allzu viele Geräusche, um nicht Feinde auf sich aufmerksam zu machen. Kaninchen können trotzdem verschiedene Laute von sich geben.
• Gurren: Klingt wie das Schnurren einer Katze, zeigt Wohlbefinden.
• Fiepen: Ruf der Jungen nach der Mutter
• Fauchen: Vorsicht! Äußerst gereiztes Kaninchen! Dient auch zur Warnung der anderen Kaninchen vor Gefahr.
• Schreien: Kaninchen können laut schreien. Höchste Gefahr in Verzug! Geschrien wird bei Gefahr und in Todesangst.
• Trommeln: Beide Hinterläufe trommeln schnell und rhythmisch auf den Boden. Gefahr in Verzug! Dient als Warnung für andere Rudelmitglieder.
• Zähneknirschen: Kann ein Warnzeichen sein, wenn ein Kaninchen in Ruhe gelassen werden will, kann aber auch Ausdruck von Schmerzen sein.
• Zähne mahlen oder vor sich hin mümmeln: Dabei liegen die Kaninchen meist entspannt auf der Seite. Dies ist ein Zeichen des Wohlbefindens und leiser als das Zähneknirschen.
Ein entspanntes Kaninchen liegt entweder auf der Seite oder auf dem Bauch und streckt dabei die Hinterbeine der Länge nach aus. Es kann jedoch auch auf der Brust liegen, den Kopf zwischen oder auf den Vorderpfötchen und zufrieden vor sich hin dösen. Die Ohren hängen dabei entspannt zur Seite oder liegen am Kopf an.
Entspannte Siesta nach Kaninchenart: Fühlt es sich sicher, legt es sich der Länge nach hin.
Ein unterwürfiges Kaninchen versucht sich möglichst klein zu machen. Der Augenkontakt mit dem dominanten Tier wird vermieden, der Kopf ist gesenkt und die Ohren sind dicht an den Kopf gepresst.
Eine ähnliche Körperhaltung nimmt das Kaninchen ein, wenn es sich fürchtet, allerdings mit dem Unterschied, dass bei einem ängstlichen Kaninchen die Gesichtsmuskeln stark angespannt sind. So entsteht der Eindruck, dass dem armen Kerl gleich die Augen aus dem Kopf fallen. Dabei wird der Körper dicht auf den Boden gedrückt und die Ohren werden so flach am Kopf angelegt, dass sie fast gar nicht mehr zu sehen sind.
Kaninchen schütteln den Kopf, wenn sie mit etwas nicht einverstanden sind. Meist tun sie das, wenn sie etwas Unangenehmes riechen oder schmecken, um den Geruch von ihren Schleimhäuten zu entfernen – er wird sozusagen abgeschüttelt. Manchmal trommeln sie anschließend mit den Hinterläufen, um den Rest des Rudels vor diesem seltsamen und vielleicht auch gefährlichen Geruch oder Geschmack zu warnen.
Ein wirklich erschrockenes Kaninchen tritt sofort den Rückzug an und hoppelt so schnell es kann in den sicheren Bau. Dabei werden die Hinterbeine angehoben, sodass die anderen Kaninchen die helle Unterseite der Beine und des Schwanzes sehen können. In der Dämmerung leuchtet das Weiße wie eine Warnblinkanlage und signalisiert: Achtung, Gefahr!
Ängstliche Kaninchen ducken sich und legen die Ohren an. Wird es ernster, hoppeln sie schnell in ein sicheres Versteck. Dabei wird das Schwänzchen als Warnlampe hochgeklappt.
Da Kaninchen kleine Angsthasen sind – denn sie sind als Beutetiere vor allem Gefahren ausgesetzt, die sich über ihrem Kopf befinden – lieben sie es, sich in Höhlen unter Büschen, Sträuchern und in Ermangelung dieser unter dem Sofa, dem Bett oder dem Couchtisch zu verstecken. Dort warten sie, bis die Luft rein ist, und erkunden dann vorsichtig die Umgebung. Dabei haben sie ihren möglichen Zufluchtsort immer vor Augen. Kaninchen sind dämmerungsaktive Tiere, das heißt, dass sie tagsüber dösen oder schlafen. Sie können sich aber auch dem Tagesrhythmus des Menschen anpassen und tagaktiv sein.
Kaninchen sind saubere Tiere, die, wie Forscher herausgefunden haben, ungefähr 16% ihrer Zeit mit dem Putzen verbringen. Im Bau betreiben sie gegenseitig Fellpflege, sie putzen und lecken sich. Das dient nicht nur der Körperpflege, sondern stärkt auch die familiären Bindungen der Kaninchen untereinander.
Es ist nett zu beobachten, wie sich Kaninchen putzen. Sie machen Männchen und säubern – ähnlich wie eine Katze – Kopf und Ohren mit ihren Vorderpfoten. Dabei werden die langen Löffel mit den Vorderpfoten nach vorn gestrichen, um sie möglichst gut reinigen zu können. Sie beknabbern auch ihren Bauch, ihre Hinterbeine, ihren Rücken und ihre Analregion genüsslich, um loses Fell, Verkrustungen und Verschmutzungen zu entfernen. Um den Rücken und die Region hinter den Ohren zu erreichen, kratzen sich Kaninchen mit den Hinterbeinen. Besonders niedlich sehen dabei junge Kaninchen aus, die manchmal noch etwas Schwierigkeiten mit der Koordination haben und dabei das Gleichgewicht verlieren oder einfach in der Luft kratzen.
Kaninchen nehmen es sehr ernst mit der Körperpflege. Das Gesicht wird gewaschen, indem das Kaninchen seine Pfoten ableckt und anschließend mit ihnen über Mund und Nase fährt.
Besonders wichtig für Kaninchen ist die Reinigung der Analregion. Hier können Kotkügelchen mit Sekret aus den Perianal- und Analdrüsen mit dem Fell verkleben. Diese Verklebungen verhindern, dass die Kaninchen ihren weichen Blinddarmkot aufnehmen können, um ihn nochmals zu verdauen. Das kann zu massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Deswegen ist es wichtig, darauf zu achten, dass der Po des Kaninchens sauber ist. Viele Kaninchen sind übergewichtig und kommen aufgrund ihrer Leibesfülle nicht mehr an ihre Analregion. Diesen Tieren müssen wir als verantwortungsvolle Besitzer helfen, indem wir die Haare kürzen und Verkrustungen vorsichtig entfernen. Man kann versuchen, die Verklebungen vorsichtig abzuzupfen oder mittels eines Sitzbades aufzuweichen, was nicht gerade auf Gegenliebe seitens der Kaninchen stößt.
Kaninchen putzen sich auch gegenseitig. Dabei liegen sie eng aneinandergekuschelt und lecken sich über das Fell und beknabbern das andere Kaninchen. Dies dient dazu, Bereiche zu säubern, an die das Kaninchen selbst nur schwer herankommt, stärkt aber auch die sozialen Bindungen unter den Kaninchen. Abgesehen von den nützlichen Aspekten ist es angenehm – fast wie eine Massage. Es senkt die Herzfrequenz und baut Stresshormone ab.
Jetzt ist der Kumpel an der Reihe. Mal sehen, ob noch Dreck hinter den Löffeln sitzt.
Tatsächlich: Eine kurze Wäsche und schon ist alles wieder sauber.
Die wilden Kaninchen haben eine dichte weiche Unterwolle, die von härteren Grannenhaaren bedeckt ist. Sie wechseln ihr Fell, um sich gegen Witterungseinflüsse zu wappnen. Der Fellwechsel beginnt ungefähr im März und dauert bis Oktober. Dann haben die Kaninchen einen dichten Winterpelz, der wärmt und gegen Kälte isoliert. Auch unsere Hauskaninchen machen diesen Fellwechsel durch. Das erklärt, warum viele Besitzer den Eindruck haben, ihre Kaninchen haaren das ganze Jahr über.
Um dem Haarproblem abzuhelfen, ist es ratsam, das Langohr regelmäßig zu bürsten. Dazu verwendet man am besten eine weiche Tierbürste. Das ist für die Tiere sehr angenehm, denn sanftes Bürsten ist wie eine Massage und imitiert das gegenseitige Lecken. Es stärkt die soziale Bindung zwischen Mensch und Kaninchen. Das Bürsten hat jedoch noch einen anderen Effekt. Da die meisten in unserer Obhut gehaltenen Kaninchen das ganze Jahr über ziemlich stark haaren, nehmen sie bei der Fellpflege viele Haare mit der Zunge auf. Die Haare werden abgeschluckt und gelangen in den Magen. Kaninchen können nicht erbrechen, weil ihr Mageneingang nur ein „Ventil“ nach unten besitzt. Alles, was in den Magen gelangt, kann nur noch über den Darm ausgeschieden werden. In den meisten Fällen passiert das auch mit den Haaren, aber manchmal verfilzen sie im Magen zu einer richtigen Fellkugel, die Trichobezoar genannt wird. Die Fellkugel liegt dann als Fremdkörper im Magen und und kann Verdauungsprobleme verursachen.
Diese Erkrankung kommt recht häufig vor und muss durch verdauungsfördernde Medikamente behandelt werden. Teilweise ist sogar eine Operation erforderlich. Die Therapie ist schwierig und endet oftmals mit dem Tod.
Wenn es dämmerig wird, verlassen die wilden Kaninchen ihren Bau, um zu fressen und ihr Revier zu markieren. Die jungen Kaninchen spielen ausgelassen in der Dämmerung. Im Zwielicht haben Kaninchen gegenüber ihren Feinden, den Raubvögeln, einen klaren Vorteil. Denn diese jagen auf Sicht und Gehör. In der Dämmerung sehen sie schlechter und die Kaninchen können ihnen daher leichter entkommen. Sinn und Zweck des Kaninchenlebens ist nicht etwa das schönste Fell oder die üppigste Wamme (Hautfalte am Hals, vor allem bei weiblichen Tieren) zu haben, sondern beschränkt sich darauf, zu überleben und sich fortzupflanzen.
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Immer fluchtbereit: Junge Kaninchen müssen auf der Hut sein und wagen sich meist nur im Schutz der Dämmerung vor den Bau.
Kaninchen sind bodenständige, konservative Tiere, richtige Landmenschen eben. Sie ziehen nicht gern um und verlassen ihr Territorium nur, wenn es unbedingt sein muss.
Kaninchen leben in einem festgelegten Gebiet, das ihnen Schutz und Sicherheit bietet. Dieses Territorium kennzeichnen sie gegenüber anderen Kaninchen oder Eindringlingen durch Markierungen, ähnlich wie wir unsere Grundstücksgrenzen mit einem Zaun oder einer Hecke abstecken.
Diese Markierungen bestehen meist aus erhöht gelegenen Kothaufen. Kaninchen verwenden also anstelle eines Zauns sogenannte Toilettenplätze, um ihr Grundstück abzugrenzen. Diese Toilettenplätze können erhebliche Ausmaße annehmen, je nachdem, wie viele Kaninchen einen Bau bewohnen. Schon allein der Anblick ist beeindruckend.
Außerdem sagen die im Kot enthaltenen Drüsensekrete einem Neuankömmling deutlich, wer der Chef im Rudel ist. Neben den Kotmarkierungen wird das Territorium von den verschiedenen Bewohnern durch ihre Duftdrüsen gekennzeichnet. Die dominanten Tie-re markieren dabei häufiger, als die in der Hierarchie weiter unten stehenden. Sie sind auch öfter damit beschäftigt, den Geruch eines Konkurrenten schnellstmöglich zu überdecken. Bei manchen Rammlern entsteht der Eindruck, dass sie in Stress geraten, weil sie ständig den Duft der verschiedenen Markierungen kontrollieren und überdecken müssen.
Kaninchen fürchten sich vor allem, was von oben kommt. Das ist ganz sinnvoll, denn ihre natürlichen Feinde, zu denen auch Greifvögel, Füchse, Marder und in weniger ländlichen Gebieten durchaus auch Katzen und Hunde gehören, kommen von oben, weil sie größer sind oder über den Kaninchenköpfen fliegen. Auch wenn es Sie erstaunt: Wir Menschen zählen ebenfalls zu Kaninchens Feindbild. Obwohl wir Kaninchen lieben, passen wir Menschen in das Schema der Beutegreifer, die von oben kommen und die Kaninchen packen.
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Junge Kaninchen stehen auf dem Speiseplan der Kornweihe. Nur wer schnell ist, überlebt.