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Dr. Adam Carmichael begehrt die süße Jessica geradezu schmerzlich. Aber jüngere Frauen wie sie stellen Ansprüche und wollen Liebeserklärungen hören, statt einfach nur leidenschaftliche Nähe zu genießen! Trotzdem kann der Playboy-Doc es nicht lassen, Jessica zu küssen …
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Seitenzahl: 200
IMPRESSUM
Happy End mit dem Playboy-Doc? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2011 by Amy Andrews Originaltitel: „Waking Up With Dr Off-Limits“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBENBand 91 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Nicole Lacher
Umschlagsmotive: Denis Duricin / Getty Images. d1sk, Miloje / shutterstock
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733715953
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Das Letzte, was Jessica Donaldson an einem glühend heißen Morgen in ihrem Bett erwartet hätte, war ein nackter Mann. Erst recht dieser Mann – Auslöser all ihrer erotischen Fantasien der vergangenen drei Jahre.
Dr. Adam Carmichael. Gelegentlicher Mitbewohner, exzellenter Chirurg und Inbegriff eines Playboys.
Einen Moment lang überlegte sie, ob sie sich Adams Anwesenheit vor lauter Müdigkeit nur einbildete. War sie nach dem Notruf um Mitternacht und den anschließenden acht Stunden im Operationssaal derart erledigt, dass sie einen Mann in ihrem Bett sah?
Und zwar nicht irgendeinen Mann, sondern Adam?
Operierte er nicht gerade in einem Land der Dritten Welt oder schmierte hohen Tieren am Internationalen Gerichtshof in Den Haag Honig um den Bart? Sie schloss beide Augen, schüttelte den Kopf und öffnete sie wieder. Fehlanzeige. Der Mann war immer noch da. Noch immer eindeutig Adam.
Jess stand im Türrahmen und trug nichts als ein Handtuch. Ihre Haut war feucht. Auf einmal fühlte sie sich ausgesprochen wach. Ein eisiger Luftzug aus der Klimaanlage hüllte sie ein und kühlte ihre hochroten Wangen.
Adams makelloser Körper lenkte sie vorübergehend von der Tatsache ab, dass er in ihrem Bett schlief.
Nackt. Sie hatte noch nie einen Mann in ihrem Bett gehabt, ob nun nackt oder sonst wie. Jess atmete schneller, weil ihr das Schicksal gleich beim ersten Mal den Mann ihrer Träume bescherte.
Sprach etwas dagegen, sich sattzusehen?
Sie war ein anständiger Mensch und stolz darauf. Bisher hatte sie auch nie einen Grund gehabt, ihren Moralkodex anzuzweifeln.
Aber die Morgensonne kroch an den Rändern der Jalousie ins Zimmer und ließ Adams braune Haut goldfarben schimmern.
Und er befand sich schließlich in ihrem Bett.
Also … sah sie sich satt.
Adam lag auf dem Bauch, den Kopf mit den hellblonden Haaren vom Fenster weggedreht. Er hatte beide Arme seitlich ausgestreckt und nahm dadurch das gesamte Bett in Anspruch. Ausgiebig betrachtete Jess die Ebenen und Kurven auf seinem Rücken. Dann ließ sie den Blick von den breiten Schultern abwärts zu seinem Po wandern.
Er hatte das geblümte Laken bis zu den Hüften gezogen. Ein Bein steckte unter dem Stoff, doch das andere lag darauf, weshalb Jess ein Stückchen nackten Po erspähen konnte. Was sie sah, war fest und ebenso braun wie der Rest von Adams Körper.
Offenbar lag er auch nackt in der Sonne.
Jess musterte das Bein auf dem Laken. Es war durchtrainiert und wirkte dank der feinen blonden Härchen noch männlicher. Sie prägte sich das Bild genau ein, während ihr Blick langsam vom Oberschenkel zu den Zehen glitt, die über die Bettkante hinausragten.
Zittrig atmete sie ein. Wie schaffte er es nur, trotz eines geblümten Lakens so maskulin auszusehen?
Sein eigenes Bett war mit marineblauem Satin bezogen. Das wusste sie, weil sie die Bettwäsche auf der Leine hatte hängen sehen. Seitdem tauchte in ihren Träumen ziemlich oft Satin auf.
Ausgerechnet in diesem Moment bewegte sich Adam, und Jess erstarrte wie ein Reh im Angesicht von Autoscheinwerfern. Wenn er nun aufwachte und sie dabei ertappte, wie sie ihn angaffte? Dummerweise schien sie einfach nicht damit aufhören zu können. Fasziniert beobachtete sie, wie sich seine Rücken- und Armmuskeln anspannten, als er sich umdrehte.
Jess hielt die Luft an.
Zum Glück schlief Adam weiter. Durch die Drehung hatte er mit dem verhüllten Bein das Laken über Hüften und Beine gezogen. Eine entscheidende Stelle blieb Jess daher verborgen, doch sie konnte nach wie vor viel nackte Haut sehen.
Jetzt beugte er einen Arm und schob ihn über seinen Kopf, wobei ein beachtlicher Bizeps hervortrat. Auf dem Kinn zeichnete sich ein dunkelblonder Dreitagebart ab. Wie in Trance hob Jess den Blick zu Adams vollen Lippen.
Dann senkte sie ihn auf seinen Oberkörper. Die Haare unter seinem Arm sahen weich aus, doch Jess hielt sich nicht lange bei ihnen auf, weil der glatte Brustkorb sie geradezu magnetisch anzog. Adams Bauchmuskeln erinnerten sie an die Statuen des Bildhauers Rodin.
Eine Linie feiner brauner Haare zog sich zwischen seinem Sixpack abwärts. Auf einmal fühlte sich Jess’ Mund wie ausgetrocknet an.
Sie wagte nicht, noch tiefer zu gucken.
Nicht, dass sie noch nie einen nackten Mann gesehen hätte. Als Krankenschwester tat sie das immer wieder, und wer wie sie auf dem Land aufgewachsen war, kannte sich mit der Natur ohnehin aus.
Aber hier ging es nicht um einen Patienten. Auch nicht um einen preisgekrönten Bullen.
Adam fiel in eine völlig andere Kategorie.
Und was sie hier tat, war voyeuristisch. Jess riss sich zusammen. Was zum Teufel dachte sie sich dabei? Der Mann war zwölf Jahre älter als sie und obendrein ein Sexgott. Er spielte in einer anderen Liga.
Ganz abgesehen davon, dass er Rubys Bruder war.
Ach ja, und zu allem Überfluss auch noch Jess’ Vermieter!
Was sollte sie jetzt tun? Er lag in ihrem Bett.
In dem sie gern selbst gelegen und endlich geschlafen hätte.
An das sie den ganzen Heimweg vom Krankenhaus den Hügel hinunter gedacht hatte.
Das sie förmlich unter ihrem Körper fühlen konnte, als sie schnurstracks ins Bad marschiert war, um mit einer kühlen Dusche die Spuren der Klinik wegzuspülen. Was bitte schön machte er in ihrem Bett?
Er besaß doch ein einwandfreies eigenes Exemplar. Jess hatte es zwar noch nie gesehen, aber es stand in seinem Schlafzimmer, gegenüber der Küche, und dieser Gedanke folterte sie ständig.
Wenn Adam verreiste, was oft vorkam, blieb seine Tür zu. War er zu Hause, wurde sie mit monotoner Regelmäßigkeit geöffnet und geschlossen, während eine Frau nach der anderen kam und ging.
Ehrlich, er hätte eine Drehtür einbauen lassen sollen.
Warum also schlief er in Jess’ Bett?
Ich sollte ihn wecken und fragen, dachte sie.
Aber … wie? Seinen Namen rufen? Ihn an der Schulter rütteln?
Anfassen?
Die Vorstellung schockierte und reizte sie gleichermaßen so sehr, dass ihr der Atem stockte. Ihr Pulsschlag verdoppelte sich ja schon, wenn sie Adam nur ansah. Was um Himmels willen würde erst passieren, wenn sie seine nackte Haut berührte?
Jess ballte die Hände zu Fäusten.
Sie seufzte. Es gab nichts, was sie tun konnte. Ruby und Tilly waren heute früh von der Nachtschicht gekommen und schliefen jetzt tief und fest. Ellie musste erst nachmittags arbeiten und lag ebenfalls noch im Bett.
Also musste sich Jess wohl oder übel mit dem Sofa begnügen. Im nicht klimatisierten Wohnzimmer. An einem Tag, für den 40 Grad vorausgesagt waren – und der sich schon jetzt deutlich heißer anfühlte.
Während Adam Carmichael in einer wohltemperierten Umgebung schlief.
In ihrem Bett.
Wäre sie nicht dermaßen in ihn verknallt und auch nicht so ein Tugendbolzen gewesen, hätte sie ihn hochkant aus ihrem Zimmer geworfen. Aber er sah so friedlich aus. Ganz zu schweigen von unglaublich sexy. Und wenigstens besaß sie nun echte Anregungen für ihre erotischen Fantasien.
An das Bild von ihm in ihrem Bett würde sie sich ihr Leben lang erinnern.
Allerdings brauchte sie ihre Kleidung, deshalb blieb ihr nur eine Möglichkeit …
Leise stellte sie die Tasche mit ihren getragenen Sachen auf den Boden und vergewisserte sich, dass ihr Handtuch so saß, wie es sollte. Wenn sie etwas nicht gebrauchen konnte, dann war es ein Klamottendesaster – ein nackter Mensch im Zimmer reichte!
Auf Zehenspitzen schlich Jess näher, unfähig, ihren Blick von Adams Brustkorb zu lösen, der sich gleichmäßig hob und senkte.
Das war ihr erster Fehler.
Sie stolperte über eins ihrer bestickten Kissen, die normalerweise auf dem Bett lagen. Adam musste es heruntergeworfen haben. Erschrocken presste sie das Handtuch an ihre Brust, während sie vorwärtsstolperte und sich erst bedrohlich nah am Bett wieder fing.
Ihr Herz hämmerte. Eine geschlagene Minute stand sie stocksteif da, voller Angst, Adam könnte aufwachen. Dann zwang sie ihren Blick von ihm weg auf den Boden und setzte ihren Weg fort.
An der Wand neben dem Nachttisch stand der Art-déco-Schrank ihrer Granny. Die hatte darauf beharrt, dass Jess ihn als Erinnerung an zu Hause mit nach Sydney nahm. Es war ein schönes Stück aus dunklem Holz mit abgerundeten Ecken und einem langen Spiegel mit Facettenschliff zwischen den beiden glänzenden Türen. Jess erreichte ihr Ziel ohne weitere Zwischenfälle und hielt den Atem an, als sie den Schlüssel drehte. Das Kratzen von Metall auf Metall kam ihr zehnmal so laut vor wie sonst, und als die Tür aufging, quietschte sie wie ein Sargdeckel in einem Horrorfilm.
Regungslos stand Jess hinter der Tür. Schließlich vergewisserte sie sich mit einem schnellen Blick, dass die Geräusche Adam nicht gestört hatten.
Das war ihr zweiter Fehler.
Während er friedlich weiterschlief, starrte sie auf seinen Mund. Seine Lippen waren leicht geöffnet und sahen so weich aus, die Bartstoppeln verführerisch rau. Jess überlegte, wie sich diese Mischung aus zart und kratzig auf ihrem Mund anfühlen mochte. Sie schluckte.
Wie fühlte es sich wohl an, jene Frau zu sein, die ihn küssen durfte?
Adam machte eine leichte Bewegung, und sie huschte wieder hinter die Schranktür wie eine viktorianische Jungfrau. Allerdings nicht, ohne zu registrieren, dass ihr Pyjama unter dem Kissen und damit auch unter Adams Kopf hervorlugte.
Klasse.
Sie spielte mit der Idee, den Pyjama irgendwie an sich zu bringen.
Aber das wäre der dritte Fehler gewesen.
Außerdem lagen im Schrank etliche Sachen, die sie anziehen konnte. Mit bebenden Fingern zog sie eine Schublade auf und nahm einen weißen Baumwollslip und ein ebenfalls weißes knielanges Nachthemd, um dessen kleinen Ausschnitt ihre Mutter Gänseblümchen gestickt hatte.
Aus Gewohnheit drückte Jess ihr Gesicht gegen den Stoff. Er roch nach Sonnenschein und zu Hause, und sie wünschte sich, dort zu sein. Da, wo alles einfach war.
Wo Adam unmöglich in ihrem Bett liegen konnte.
Egal, wie oft sie sich ausgemalt hatte, mit ihm in ihrem alten Kinderzimmer aufzuwachen, in dem ihre Wünsche genauso unschuldig gewesen waren wie die Black-Beauty-Motive auf der Tapete.
Jetzt hingegen waren ihre Wünsche überhaupt nicht unschuldig.
Sie unterdrückte einen Seufzer, schob vorsichtig die Lade zu und griff mit unsicheren Fingern nach ihrem Deo, das auf einem Regal stand. Prompt polterte die Flasche gegen die Schrankwand und rollte ihr entgegen. Bevor Jess sie schnappen konnte, fiel sie auf das glänzende Parkett. Der Krach hätte Tote zum Leben erwecken können.
Jäh setzte sich Adam auf. Das Laken bauschte sich um seine Taille. „Was zum Henker …?“
Zögernd guckte Jess um die Schranktür. „Entschuldige. Ich wollte dich nicht wecken.“
Oh nein, oh nein, oh nein.
Er sah prachtvoll aus.
Seine zerzausten blonden Haare waren dermaßen sexy. Und erst der Oberkörper mit dem Sixpack! Als käme er gerade vom Surfen auf Hawaii zurück, nicht von einem weiteren humanitären Einsatz.
Jess blickte hastig weg und verfluchte sich, weil sie es erst jetzt tat. Dieser Mann war ein brillanter Chirurg, kein männliches Pin-up.
Adam runzelte die Stirn. Der Jetlag machte ihm zu schaffen. Er wurde langsam zu alt, um ständig die Zeitzonen zu wechseln. Zu alt, um wegzulaufen.
„Jess?“
Er blinzelte verwundert, denn dies war nicht die Mitbewohnerin, die er kannte. Nicht die niedliche Jess mit dem Pferdeschwanz, barfuß, in Jeans und T-Shirt.
Mit offenen Haaren, die ihr über die Schultern fielen, hatte er sie noch nie gesehen.
Auch nicht nur mit einem Handtuch bekleidet.
Was suchte sie in seinem Zimmer? „Was machst du hier?“
Sie schluckte, als er seine blauen Augen auf sie richtete. Es war zu dunkel, um gut zu sehen, doch sie wusste, dass kleine goldene Sprenkel das Blau seiner Iris durchbrachen. Jetzt rieb er sich das Kinn. Bei dem kratzigen Geräusch drehte sich Jess’ Magen vor Lust einmal um die eigene Achse. Sie malte sich aus, wie diese Bartstoppeln ihren Bauch streiften.
„Äh …“ Angesichts dieser Verkörperung von Männlichkeit fühlte sie sich nervös und hoffnungslos linkisch. Sei nicht albern, ermahnte sie sich. Schließlich stierte Adam sie nicht lüstern an. Genau genommen blickte er missbilligend drein, als wäre sie ein lästiges Insekt.
Nicht eine fast nackte, bald vierundzwanzigjährige Frau.
Jess hatte beobachtet, wie er Frauen ansah, und so sah er sie jetzt nicht an. Das hatte er noch nie getan.
Ihrer Jungfräulichkeit drohte keine Gefahr. Sie räusperte sich. „Also … Dies ist mein Zimmer.“
Die Falte auf Adams Stirn vertiefte sich. Er blickte sich um. Zu schmales Bett, Kissen auf dem Boden, geblümtes Laken, Liebesroman auf dem Nachttisch.
Jetzt erinnerte er sich. Die Klimaanlage in seinem Zimmer, die ausgerechnet an diesem heißen Tag den Geist aufgegeben hatte.
Der Handwerker, der nicht vor zehn Uhr hier sein konnte. Seine eigene bleierne Müdigkeit.
Adam fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, während sein Gehirn langsam den Betrieb aufnahm. „Ich dachte, du hast Frühschicht. Das steht auf dem Plan am Kühlschrank.“
Kurz nach Gründung der Wohngemeinschaft hatten die vier jungen Frauen einen Kalender gebastelt, auf dem jede von ihnen ihre Arbeitszeiten in einer anderen Farbe eintrug. Bei vier Leuten im Schichtdienst konnte man sonst kaum den Überblick behalten. Jess markierte ihre Dienste immer in Gelb.
Sie wünschte, sie könnte Adams Argumenten mehr Beachtung schenken als der Art, wie sein Bizeps hervortrat und die Finger durch seine hellen Haare strichen. „Darum hast du beschlossen … mein Bett auszuprobieren?“
Ihr Herz klopfte noch schneller, als ihr die Zweideutigkeit dieser Frage bewusst wurde.
Adam rieb sich die Augen. „Dann stimmt der Kalender nicht?“
„Doch, aber die Klinik hat mich letzte Nacht angerufen. Ich bin erst vor einer halben Stunde zurückgekommen.“
„Oh.“ Trotz der Müdigkeit meldete sich Adams berufliches Interesse. „Irgendetwas Interessantes?“
Jess konnte kaum fassen, dass sie diese Unterhaltung führte.
In ihrem Zimmer. Bedeckt nur mit einem Handtuch.
Mit Adam. Bedeckt nur mit einem Laken.
„Lebertransplantation.“
„Aha …“
Sie wartete darauf, dass er fortfuhr. Doch Adam schloss die Augen und sank auf die Matratze zurück, wobei sich seine Bauchmuskeln abzeichneten.
Du lieber Himmel! Jetzt lag er in ihrem Bett, als wäre es seins. Und er sah doch aus wie ein männliches Pin-up.
„Adam“, begann sie.
Widerstrebend stützte er sich auf die Ellenbogen und brummte: „Was?“
Jess hatte ihn nicht stören wollen, doch nun war er wach und konnte ebenso gut das Feld räumen. „Warum liegst du in meinem Bett?“
Er beobachtete, wie sich ihre Lippen bewegten, brauchte aber einen Moment, um sich einen Reim auf die Worte zu machen.
Ihm war noch nie aufgefallen, wie rosig Jess’ Mund aussah. Wie Zuckerwatte. Trug sie Lippenstift, oder hatte sie von Natur aus so einen Mund? In der Dunkelheit konnte er es nicht erkennen. „Hm?“
Jess entging nicht, wo Adam hinguckte. Es fiel ihr ungeheuer schwer, bei der Sache zu bleiben. „Du. Bist. In. Meinem. Bett.“
Er hatte auch noch nie bemerkt, wie sich ihre Haarspitzen leicht nach außen drehten, wenn sie keinen Pferdeschwanz trug. Nicht einmal, dass ihre Haare so lang waren. Sie streiften ihre Schultern und fielen auf ihr Schlüsselbein.
Waren ihre Haare schon immer derart hell gewesen?
„Tja, Goldlöckchen“, neckte er sie lächelnd, „dein Bett war halt genau richtig.“
Bei seinem Lächeln bekam Jess weiche Knie. Sie hielt sich mit einer Hand an der Schranktür fest.
„Adam …“
Er seufzte. „Tut mir leid.“
Dann setzte er sich auf. „Meine Klimaanlage ist kaputt. Um zehn kommt ein Handwerker.“ Er zuckte die Schultern. „Dein Zimmer war leer. Und klimatisiert. Ich habe auf den Plan am Kühlschrank geguckt. Entschuldige … Ich bin einfach gerädert.“
Er rieb sich das rechte Auge, weil es sich anfühlte, als könnte er nicht scharf damit gucken. „Letzte Woche war ich in vier verschiedenen Zeitzonen, glaube ich.“
Jeder feste Bestandteil von Jess’ Körper schien dahinzuschmelzen. Adam sah fix und fertig aus. Sie wollte ihn an sich ziehen, seinen Kopf an ihre Brust drücken, ihm über die Haare streicheln, bis er einschlief, und ihm sagen, dass sie für ihn da war.
„Ich dachte, du bleibst drei Monate in Asien. Die sind doch erst in ein paar Wochen um, oder?“
Jess wusste stets, wo Adam gerade war, und zählte die Tage bis zu seiner Rückkehr. Die schwarzen Einträge im Kalender gaben darüber Auskunft, wann er kam und ging, und Jess saugte diese Informationen auf wie ein Schwamm.
Oder vielleicht eher wie ein Groupie.
„Es gab Unruhen in der letzten Provinz unserer Reise, deshalb hat uns das Außenministerium hinauskomplimentiert. Letzte Woche habe ich mit einigen Hilfsorganisationen geredet. Vielleicht können die Patienten ja zu uns kommen.“
Ihr wurde mulmig, als er beiläufig von Unruhen sprach. Sie dachte nicht mehr daran, dass sie beide im Grunde nackt waren und sich wahrscheinlich noch nie so lange unterhalten hatten wie jetzt.
Adam reiste in abgelegene Regionen, weil er fand, dass alle Menschen Zugang zu medizinischer Versorgung haben sollten. Nur hatte es bisher nie Probleme gegeben.
Die Vorstellung, was ihm alles zustoßen konnte, versetzte Jess in Panik.
Sie hatte höchsten Respekt vor Adams Job. Ihre Mitbewohnerinnen zogen sie oft wegen ihrer Heldenverehrung auf. Als Schönheitschirurg hätte dieser Mann ein Vermögen mit Brustvergrößerungen und Fettabsaugen scheffeln können, genau wie sein Vater. Stattdessen gab er entstellten Menschen, um die sich niemand kümmerte, die Chance auf ein normales Leben.
Jess wurde heiß, wenn sie nur daran dachte.
„Unruhen?“, wiederholte sie mit piepsiger Stimme.
Er winkte ab. „Streit zwischen selbst ernannten Kriegsherren. Uns ging es gut. Die Regierung wollte bloß auf Nummer sicher gehen.“
Selbst ernannte Kriegsherren?
War sein Job etwa gefährlich? Was, wenn … Wenn er eines Tages ging und nicht zurückkehrte? Wenn sie nie die Chance bekam, zu …?
Adam musterte Jess ausgiebig. Sie kaute auf ihrer hinreißenden rosigen Unterlippe, und er fragte sich, wie es wohl sein mochte, sie davon abzuhalten, indem er die Umrisse ihres Mundes mit seiner Zungenspitze nachfuhr.
Aus heiterem Himmel kam ihm der tückische Gedanke, dass sie unter dem Handtuch nackt war. Auf diese Weise hatte er noch nie an Jess gedacht. Weder an ihren Mund noch daran, was unter dem Handtuch steckte. Schließlich war sie eine Freundin seiner kleinen Schwester.
Erst dreiundzwanzig, Menschenskind.
Er hingegen fünfunddreißig.
Außerdem las sie Liebesromane.
Zeit zu gehen. Höchste Zeit sogar.
„Stopp“, stieß Jess mit der piepsigen Stimme von eben hervor, als er Anstalten machte, das Laken wegzuziehen. „Was tust du da?“
Adam runzelte die Stirn. „Schon okay“, versicherte er und schaute auf seine Armbanduhr. „Ein paar Stunden Schlaf hatte ich ja. Ich halte durch, bis der Handwerker kommt.“ Obwohl seine Augen brannten, als wäre eine Ladung Sand darin.
„Hör mal …“ Sie schüttelte den Kopf. „Unter dem Laken hast du doch gar nichts an.“
Er war drauf und dran, ihr zu sagen, dass sie unter dem Handtuch ebenfalls nichts trug. Da schoss ihm ein anderer Gedanke durch den Kopf.
„Tatsächlich?“ Er lehnte sich zurück und stützte sich auf die durchgestreckten Arme. „Und woher weißt du das, Jessica Donaldson?“
Sie lief rot an, weil ihr der Patzer bewusst wurde. Eine weltgewandte Frau hätte schlagfertig gekontert, aber Jess war zutiefst beschämt.
„Du hast mich beobachtet“, folgerte Adam. Als sich ihre Wangen noch intensiver färbten – genauso rosig wie ihr Mund –, lachte er.
Jess bekam eine Gänsehaut.
Sie sollte wirklich die Klimaanlage herunterschalten.
„Sei nicht albern“, fuhr sie ihn an. Ihr hitziges Leugnen schien ihn nur noch mehr zu amüsieren. Jess funkelte ihn an und wartete ungeduldig darauf, dass er sich beruhigte.
„Du warst schließlich mit dem Laken zugedeckt“, gab sie zu bedenken. Zum großen Teil wenigstens.
Er lachte schon wieder und genoss die Tatsache, dass sie am liebsten im Boden versunken wäre.
„Tja, da ich nackt aus meinem in dein Zimmer gegangen bin, habe ich tatsächlich nichts an.“
Natürlich war er nackt gewesen.
Jeder normale Mensch hätte sich die Mühe gemacht, wenigstens eine Unterhose anzuziehen, aber Mr. Pin-up zog es vor, splitterfasernackt zu sein.
„Warum wirfst du mir nicht einfach dein Handtuch zu?“, schlug er vor. „Dann ist das Problem gelöst.“
Jess Wangen brannten. In ihren Ohren dröhnte es. Ihre Brustspitzen richteten sich auf, und sie war heilfroh, dass sie sich für ein dickes Handtuch entschieden hatte. Nicht auszudenken, wenn sie nackt vor Adam gestanden hätte.
Vor Adam.
„Soll ich dir helfen?“, fragte er herausfordernd, als sie das Handtuch fester packte. Sie konnte nicht mehr klar denken, doch Adam lächelte und klang locker. Seine Augen blitzten schelmisch.
Flirtete er etwa mit ihr?
Aber warum?
Er flirtete nie mit ihr. War er mal zu Hause, schien er versucht zu sein, ihr durch die Haare zu wuscheln und ihren Kopf zu tätscheln. Wenn er sich denn nicht gerade in seinem Zimmer verschanzte und eine Medaille in der olympischen Disziplin Sex anstrebte.
Es musste am Jetlag liegen. Und sie selbst litt offenkundig an geistiger Umnachtung!
Nur ein Dummkopf würde zu viel in diesen verrückten Wortwechsel hineinlesen.
Obwohl es schon sehr verlockend war, das Handtuch fallen zu lassen – nur damit Adam das selbstgerechte Lächeln verging.
Jess schaute zu Boden und versuchte krampfhaft, sich zu fangen.
Wer konnte schon sagen, ob sie mit Adam tatsächlich Erfüllung finden würde?
Sie bückte sich lächelnd, hob zwei Kissen auf und warf sie Adam zu. „Nimm die hier.“
Die Kissen landeten auf seinem Brustkorb. Vor ein paar Stunden hatte er die Dinger ungeduldig weggeschleudert, damit er so schnell wie möglich ins Bett konnte.
„Sieh mal einer an“, murmelte er und sah Jess in die Augen. „Die erfüllen ja doch einen Zweck.“
Ohne den Blick von ihr zu lösen, stand er auf, ein Kissen vor sich, das andere hinter sich.
Jess wich einen Schritt zurück, weil Adam ihr plötzlich einschüchternd groß vorkam. Mit ihren 1,71 Metern war sie nicht gerade klein, doch angesichts dieses stattlichen Typen fühlte sie sich winzig.
„Träum süß.“ Er zwinkerte ihr zu und schlenderte aus dem Zimmer.
Entgeistert schaute sie ihm hinterher, weil er es sogar mit einem violetten Kissen über der zentralen Stelle schaffte, hundertprozentig männlich auszusehen.
Dieses Bild verfolgte sie, obwohl Adam ihre Tür jetzt leise schloss und sie ihn nicht mehr sehen konnte. Jess ächzte. Mit einem Puls auf Hochtouren und zitternden Händen sank sie auf ihr Bett.
Sie lag auf dem Rücken, packte ihr Kopfkissen und drückte es sich auf das Gesicht. Adams herber Duft stieg ihr in die Nase. Tief atmete sie ihn ein. Dann warf sie das Kissen zur Seite und rollte sich auf den Bauch.
Derselbe betörende Duft kam aus dem Laken, als wäre Adam ganz nahe.
Jess wusste nicht, ob sie sich im Himmel oder in der Hölle befand.
Allerdings wusste sie sehr wohl, dass sie die Bettwäsche nicht waschen würde. Nie wieder.
Am nächsten Morgen saß Adam auf seinem Surfbrett und hielt nach einer guten Welle Ausschau.
Die ließ auf sich warten.
Das Meer war spiegelglatt.
Adam mochte den Nervenkitzel einer großen Welle, doch am meisten genoss er beim Surfen die Ruhe. Das Gefühl, die Welt würde langsam zum Leben erwachen, mit ihm selbst mittendrin.
Hinter ihm ging gerade die Sonne auf. Goldfarbenes Licht breitete sich über dem verschlafenen Coogee aus.
Alles war, wie es sein sollte.
Abgesehen von dem verdammten Bild einer Frau in nichts als einem Handtuch, Wassertröpfchen auf der Haut. Das ließ ihn nicht los.
Vor dem gestrigen Tag hatte er nie einen Gedanken an Jess verschwendet. Nettes Mädchen, sicher, aber in drei Jahren hatten sie nur eine Handvoll Worte gewechselt.