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Eine Hashimoto-Thyreoiditis ist mehr als nur eine einfache Unterfunktion der Schilddrüse. Neben den "typischen" Symptomen, wie Gewichtszunahme, Kälteintoleranz, Haarausfall, Müdigkeit und Verstopfung, leiden die meisten Hashimoto-Patienten an Säurereflux, Nährstoffmangel, Anämie, einer Barrierestörung der Darmschleimhaut (sog. "Leaky-Gut-Syndrom"), Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Zahnfleischentzündungen und Unterzucker. Der Körper steckt fest in einem Teufelskreis aus überlastetem Immunsystem, geschwächter Nebennierenfunktion, einer Fehlbesiedelung des Darms, Verdauungsstörungen, Entzündungsprozessen und Schilddrüsenhormonmangel. Dieser Kreislauf erhält sich selbst und führt zu immer weiteren Symptomen, bis er durch entsprechende Maßnahmen (die über die Einnahme von Schilddrüsenhormonen hinausgehen) gestoppt wird. Die hier empfohlenen Veränderungen des Lebensstils – von Ernährungsumstellung über Akupunktur bis hin zur verringerten Belastung durch Umweltgifte –, zielen darauf ab, den Teufelskreis Stück für Stück zu durchbrechen. Indem die einzelnen Auslöser identifiziert und beseitigt werden, erlangt das Immunsystem sein natürliches Gleichgewicht zurück und der Körper kann endlich wieder gesund werden.
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Seitenzahl: 418
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Izabella Wentz
mit Dr. Marta Nowosadzka
Endlich beschwerdefreimit der richtigen Behandlung
VAK Verlags GmbHKirchzarten bei Freiburg
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
Hashimoto’s Thyroiditis:
Lifestyle Interventions for Finding and Treating the Root Cause © 2013 by Izabella Wentz, Pharm. D.
ISBN 978-0-61582579-3
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt; alle Angaben beziehen sich selbstverständlich auf Angehörige beider Geschlechter.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
VAK Verlags GmbH
Eschbachstraße 5
79199 Kirchzarten
Deutschland
www.vakverlag.de
© VAK Verlags GmbH, Kirchzarten bei Freiburg 2015
Übersetzung: Rotraud Oechsler
Lektorat: Nadine Britsch
Layout: Karl-Heinz Mundinger
Coverfoto: © Natalie Ginelle Miller Photography
Umschlag: Kathrin Steigerwald, Hamburg
Satz & Druck: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg, Printed in Germany
ISBN: 978-3-86731–166-3 (Paperback)
ISBN: 978-3-95484–384-8 (ePub)
ISBN: 978-3-95484–385-5 (kindle)
ISBN: 978-3-95484–386-2 (PDF)
1. Einführung
Teil IHashimoto-Thyreoiditis verstehen
2. Grundwissen zur Schilddrüse
3. Wiederherstellung gesunder Schilddrüsenhormonwerte
4. Was ist eine Autoimmunerkrankung?
Teil IISo finden Sie die Ursache
5. Finden Sie die Ursache für Ihre Erkrankung
6. Verdauung und Nährstoffverarmung
7. Der Streit ums Jod
8. Entzündungen
9. Infektionen
10. Das Gleichgewicht des Immunsystems
11. Der Darm
12. Alkalische Phosphatase
13. Die Nebennieren
14. Auslöser
15. Unverträglichkeiten
16. Toxine
Teil IIIWieder gesund werden
17. Es geht aufwärts
18. Die Ernährung bei Hashimoto-Thyreoiditis
19. Nahrungsergänzungen
20. Testmöglichkeiten
Anhang
Literaturangaben
Über die Autorin
Dieses Buch ist allen Frauen und Männern gewidmet,die an Hashimoto-Thyreoiditis oder einer anderenAutoimmunerkrankung leiden.Ich hoffe, dass es Ihnen das notwendige Wissen vermittelt,damit Sie Ihre Gesundheit wiedererlangen können.Seien Sie gesund!
Hinweise des Verlags
Dieses Buch dient der Information über Möglichkeiten der Gesundheitsvorsorge. Wer sie anwendet, tut dies in eigener Verantwortung. Autorin und Verlag beabsichtigen nicht, Diagnosen zu stellen oder Therapieempfehlungen zu geben. Die hier vorgestellten Vorgehensweisen sind nicht als Ersatz für professionelle Behandlung und / oder schulmedizinische Therapie bei ernsthaften Beschwerden zu verstehen.
Keine der in diesem Buch getroffenen Aussagen wurde von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA evaluiert. Wenden Sie sich bitte an Ihren behandelnden Arzt oder Therapeuten, bevor Sie Entscheidungen bezüglich Ihrer Gesundheit treffen oder wenn Sie Beratung und Anleitung bei einem speziellen medizinischen Problem benötigen.
„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt“.
Gandhi
Warum ein Buch über Hashimoto?
Die einfachste Antwort auf diese Frage ist, dass bei mir mit 27 Jahren im Rahmen einer Routineuntersuchung eine Hashimoto-Thyreoiditis festgestellt wurde.
Als Apothekerin war ich sowohl in der Pathophysiologie von Krankheiten ausgebildet als auch darin, wie sie behandelt werden. Meine Professoren legten immer großen Wert auf die Veränderung des Lebensstils, um den Medikamentenbedarf zu senken und das Fortschreiten einer Krankheit zu verhindern.
Menschen mit Bluthochdruck mussten sich salzarm ernähren, Menschen mit hohem Cholesterinspiegel ihren Fettkonsum reduzieren und Typ-2-Diabetiker könnten ihrer Krankheit massiv Einhalt gebieten, wenn sie sich niedrig glykämisch ernähren und abnehmen.
Bei den meisten chronischen Krankheiten, so wurde mir beigebracht, sollte ich in leichten Fällen immer zuerst Veränderungen des Lebensstils empfehlen und erst dann eine medikamentöse Therapie, wenn der gewünschte Erfolg ausblieb.
In fortgeschrittenen Fällen und wenn der Nutzen der medikamentösen Behandlung die Risiken überwog, würde man mit Medikamenten beginnen und gleichzeitig den Lebensstil verändern.
Wir lernten auch, dass die Fortschritte der Patienten überwacht werden sollten, um beurteilen zu können, ob die medikamentöse Therapie zielführend und noch angezeigt war.
Daher war ich verblüfft, dass es bei der Hashimoto-Thyreoiditis hinsichtlich der Veränderung des Lebensstils keine gängigen Empfehlungen gab. Die einzige Empfehlung war pharmakologischer Art und kam von meinem Endokrinologen; ich sollte mit der Einnahme von Schilddrüsenhormonen (Levothyroxin), beginnen, einem der in den Vereinigten Staaten am meisten verordneten Medikamente.
Ich war zwar darauf eingestellt, mit der Einnahme zu beginnen, da ich mich durch den Schilddrüsenhormonmangel wie Mitte 90 fühlte, doch ich hatte das Gefühl, es müsse neben den Hormonen weitere Maßnahmen geben, um diese Autoimmunerkrankung zu behandeln. Diese Ersatzhormone konnten schließlich die Zerstörung der Schilddrüse durch das Immunsystem nicht stoppen. Sie sorgten einfach nur für einen Hormonausgleich zu einem Zeitpunkt, als die Schilddrüse bereits zu stark geschädigt war, um sie noch selbst zu bilden. Es war, als würde man Wasser in einen löchrigen Eimer schütten, ohne vorher die Löcher zuzustopfen.
Und ich war gerade einmal 27 Jahre alt. Ich war frisch verheiratet, hatte gerade meine absolute Traumstelle angetreten und war in ein Haus am Strand von Los Angeles umgezogen … das konnte alles nicht sein.
Ich glaube fest an Ursache und Wirkung, diese Krankheit konnte also nicht einfach aus dem Nichts gekommen sein. Obendrein hatte ich viele Jahre an ernsten Verdauungsproblemen gelitten, war chronisch müde und litt unter starkem Haarausfall. Es erschien mir unnatürlich, tatenlos zuzusehen, wie ein Teil meines Körpers zerstört wurde. Es ergab einfach keinen Sinn. Und ich kann ziemlich stur sein kann, wenn ich das Gefühl habe, dass mir unrecht getan wird.
Man kann nun denken, dass das Leben ungerecht ist, und über die vielen Gründe nachsinnen, warum es für diesen Fall keine Änderungen des Lebensstils gibt, doch wenn man sich nur auf das Problem konzentriert, kommt man niemals zu einer Lösung.
Doch ich dachte, wenn ich eine Verbindung zwischen all meinen Symptomen herstellen könnte, würde ich vielleicht die Ursache meiner Krankheit finden und könnte sie behandeln. Ich hatte auch die Hoffnung, dass meine Geschichte andere Menschen dazu inspirieren würde, das Gleiche zu tun.
Manchmal müssen wir selbst die Veränderung sein, die wir uns wünschen – wie Gandhi es ausdrückte – und hoffen, dass das medizinische Establishment das zur Kenntnis nimmt und die weitere Erforschung fördert.
Dieses Buch beruht zwar auf Forschungsergebnissen und viele davon sind reproduziert worden; viele der Aussagen beruhen jedoch auf meinen persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen. Jeder Mensch ist einzigartig und was mir geholfen hat, muss nicht zwangsläufig anderen helfen.
Vor allem ist es mein Bestreben, niemandem zu schaden, hören Sie also bitte unbedingt auf Ihren Körper und nehmen Sie nötigenfalls medizinische Hilfe in Anspruch. Wenn Sie Schilddrüsenhormone einnehmen, sorgen Sie bitte dafür, dass Ihr Spiegel regelmäßig kontrolliert wird (das heißt, alle sechs bis zwölf Wochen), da sich Ihr Zustand verändern kann, wenn Sie Ihren Lebensstil verändern.
Fazit: Mithilfe dieses Buch mag zwar nicht jeder seiner Erkrankung auf den Grund kommen und die entsprechende Behandlung erfahren, doch es beschreibt, was Menschen mit einer Hashimoto-Thyreoiditis tun können, um sich besser zu fühlen und gesünder zu leben, und ich hoffe, dass es Sie, liebe Leserinnen und Leser, dazu inspiriert, Verantwortung für Ihre Gesundheit zu übernehmen.
6. Oktober 2009
Ich: Eine Frau von 27 Jahren, voller Leidenschaft für meinen Beruf, jung verheiratet, Hundebesitzerin, bescheiden (aber auch modeinteressiert), Hobbyköchin, aufstrebende Apothekerin in der Produktentwicklung von Kosmetika, mit Familiensinn, Ex-Raucherin, Nichttrinkerin, begeisterte Yoga-Anhängerin, Scrapbook-Fan, Fachfrau im Gesundheitswesen … mit Hashimoto-Thyreoidits.
Was bedeutet Hashimoto für Sie? Für mich bedeutete das, dass mir die Haare ausgingen, dass ich mich erschöpft und ängstlich fühlte, ständig fror und vergesslich war (der berüchtigte „Nebel im Gehirn“), sowie Schmerzen und Taubheit in beiden Armen hatte.
Für manche Frauen kann Hashimoto auch bedeuten, dass sie immer wieder Fehlgeburten durchmachen, trotz Diät und Sport nicht abnehmen, unter Depressionen und Verstopfung leiden und Jahre der Frustration erleben.
Für wieder andere kann es bedeuten, dass sie eine fahle Haut haben, vorzeitig altern, sich lethargisch, unmotiviert und träge fühlen …
Ich werde den Verdacht nicht los, dass die Krankheit, wie bei vielen von Ihnen sicherlich auch, bereits viele Jahre vor der Diagnose ausbrach, die in meinem Fall 2009 gestellt wurde.
Ohne allzu sehr ins Detail zu gehen – die ersten der entscheidenden Weichenstellungen, die meine Krankheitsentwicklung prägten, haben vielleicht schon während meines Grundstudiums an der University of Illinois begonnen. Aufgrund des Lebensumfeldes in der Gemeinschaft eines Studentenheims (und den eher suboptimalen Hygienegewohnheiten der meisten College-Studenten), zog ich mir immer wieder Streptokokkenentzündungen im Rachen zu und erkrankte sogar an Mononukleose, dem Pfeiffer-Drüsenfieber; diese Virusinfektion wird durch das Epstein-Barr-Virus (EBV) verursacht, das bei der Auslösung vieler Autoimmunerkrankungen eine Rolle spielt. Ich musste häufig Antibiotika einnehmen, wurde gegen Grippe geimpft (Grippe kann mit EBV-Infektionen einhergehen) und begann, wegen der Krämpfe während der Menstruation, die „Pille“ einzunehmen.
Ich bin der Überzeugung, dass diese Kombination sich tief greifend auf meine Darmflora auswirkte und damit auf mein Immunsystem – dessen Bedeutung Sie in den nächsten Kapiteln kennenlernen werden.
In den ersten sechs Monaten meines Studiums war ich noch eine Frühaufsteherin, die mit sechs bis acht Stunden Schlaf auskam. Ich wachte voller Energie auf und freute mich auf den Tag.
Doch nach einer besonders unangenehmen Halsentzündung war es vorbei mit dem Ausgeschlafensein – egal, wann ich zu Bett ging! Einmal kam ich 30 Minuten zu spät zu einer Prüfung, die morgens um 8 Uhr stattfand, als ich nach 16 Stunden Schlaf am Stück gerade aufwachte (dabei hatte ich mich am Nachmittag gegen 16 Uhr nur für ein kurzes Nickerchen hingelegt).
Vorher war ich eine glatte Einser-Studentin, doch in diesem Semester bestand ich meine Prüfungen nur mit Ach und Krach. Entmutigt ging ich in meinen ersten Semesterferien um 21 Uhr zu Bett und wachte am nächsten Tag gegen 13 Uhr oder 14 Uhr erschöpft auf.
Nach einigen Monaten nahm mein Schlafbedürfnis zwar wieder ab, doch richtig erholt hatte ich mich von dem Pfeiffer-Drüsenfieber nicht, und ich brauchte immer noch viel mehr Schlaf als zuvor.
Zwei Jahre später, inzwischen war ich im ersten Jahr des Hauptstudiums, musste ich mich einer Reihe von Impfungen unterziehen, um mit den klinischen Praktika beginnen zu können. Die Folge war ein Reizdarmsyndrom mit Durchfall, vermutlich ausgelöst durch Sojalecithin. Nachdem ich alle Nahrungsmittel von meinem Speiseplan strich, die Sojalecithin enthielten, ließen die Symptome nach und ich litt nur noch ein- bis zweimal pro Woche darunter. Als ich auch kein rotes Fleisch mehr aß, verschwanden meine Beschwerden.
Eine Reihe von Harnwegs-, Hefepilz- und Halsinfektionen sowie Akne im Jahr darauf führte wiederum zur Einnahme von Antibiotika.
Mein Lebensstil bestand aus Fast Food, nächtlichem Lernen, Koffein, Stress und kaum Zeit für mich selbst.
Gegen Ende meines vierten pharmazeutischen Studienjahres kam es erstmals zu Angstzuständen. Ich schob sie auf die vielen Veränderungen, die zu dieser Zeit anstanden: mein Studienabschluss, neue Zulassungsprüfungen, meine Verlobung, der Umzug in eine andere Stadt, die Arbeitssuche …
Im darauf folgenden Jahr zog ich mir eine schlimme Virusinfektion zu, ich hustete mir fast die Lunge aus dem Leib. Nachdem ich ein paar Tage nicht zur Arbeit gegangen war und nur zu Hause herumgelegen hatte, hatte ich wieder Energie, aber der Husten hielt an. Ich wachte mitten in der Nacht auf und bekam keine Luft. Während Beratungsgesprächen mit Patienten in der Apotheke, in der ich arbeitete, kam es oft zu unkontrollierbaren Hustenanfällen. Eines Tages war es so schlimm, dass ich mich in einen Abfalleimer übergab.
„Bist du schwanger?“, fragte eine der Angestellten mit wissendem Lächeln.
„Nein, dagegen nehme ich Pillen ein“, antwortete ich.
Ich versuchte es mit jedem rezeptfreien Hustensirup, den wir in der Apotheke führten. Der Husten ging nicht weg. Ich probierte verschiedene andere Medikamente aus, ohne Erfolg. Schließlich ging ich zum Allergologen, nachdem eine Reihe von Blutuntersuchungen bei meinem Hausarzt ergaben, dass ich – du lieber Himmel! – allergisch auf Hundehaare reagierte.
Der Allergologe testete gründlicher. Zuerst kam der sogenannte Scratch-Test, ein „Ritz-Test“, bei dem die Haut auf dem Rücken mit einer Nadel eingeritzt wird, die kleine Mengen eines Allergens enthält; anschließend wartet man die Reaktion ab. Es stellte sich heraus, dass ich – jetzt kommt‘s – auf alles allergisch war! Auf Pferde (was meine irrationale Angst vor ihnen erklären könnte), Hunde (obwohl ich fast mein ganzes Leben lang welche hatte, der Husten sich aber jetzt erst einstellte), Bäume (alle in Kalifornien heimischen) und Gras (seltsam, ich reagierte auf Gras stärker als auf Histamin).
Ich bekam verschiedene Antiallergika verschrieben, aber auch sie konnten nichts gegen den Husten ausrichten. Als Nächstes musste ich einen sogenannten „Breischluck“ über mich ergehen lassen; mithilfe des kontrastmittelhaltigen Breis konnte der Arzt die Speiseröhre im Röntgenbild beurteilen. (Nebenwirkung: Weißer Stuhlgang, denn das Mittel ist kalkhaltig!)
Meine Diagnose lautete: Kleine Hiatushernie mit Spontanreflux und daher gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD), allgemein bekannt als Säurereflux.
Ich war wirklich erleichtert, dass ich eine Diagnose hatte! Endlich eine Antwort, obwohl ich schon etwas verwundert war, denn ich litt unter keinem der typischen Symptome, die ich im Studium gelernt hatte.
Ich begann mit der Einnahme eines Säuresekretionshemmers, das bei GERD verordnet wird und die Bildung der Magensäure reduziert. Ein Gastroenterologe betreute mich. Er sagte: „Nehmen Sie einige Monate lang zwei Tabletten täglich und rufen Sie an, wenn Sie neue brauchen.“
Kurz nach dem Einnahmebeginn entwickelte ich dann tatsächlich GERD-Symptome. Und der Husten hielt weiter an. Ich beschloss, das Medikament abzusetzen, ernährte mich so, dass es nicht zum Reflux kam, und schlief mehr oder weniger im Sitzen. Außerdem nahm ich ein Mittel gegen Sodbrennen ein, ein weiteres gegen die Refluxkrankheit und ich begann, Ingwertee zu trinken. Ich glaube, all das trug weiter dazu bei, dass sich meine Darmflora veränderte.
Im Spätsommer desselben Jahres fuhr ich mit meiner Familie nach Polen, wo ich zwei Wochen lang fast täglich unter schweren Durchfällen litt, weil ich das Essen nicht vertrug – das war ein weiterer Schlag gegen meine Darmflora. Wieder zu Hause stellte ich fest, dass mein Haar auszugehen begann, doch ich tat es als Hirngespinst ab. Ein paar Monate später war es wieder an der Zeit für eine gründliche Untersuchung.
September 2009
Diagnose: Hashimoto-Thyreoiditis und subklinische Hypothyreose
– Normale Werte für T3 und T4
Man sagte mir auch, ich habe möglicherweise einen Mitralklappenprolaps oder ein Herzgeräusch; das musste von einem Kardiologen überprüft werden.
Ich war schockiert und konnte nicht glauben, was ich hörte.
Einige Symptome der Hypothyreose, der Schilddrüsenunterfunktion, trafen vielleicht auf mich zu, aber sie waren so unspezifisch, dass ich sie alle auf den Stress, die Arbeit, das Älterwerden und die Alltagssorgen schob.
Es stimmte zwar, dass ich jede Nacht mehr als 12 Stunden schlief, doch ich hatte mich inzwischen daran gewöhnt, und ging davon aus, dass das eben meine neue Normalität war. Außerdem war ich ein paar Jahre zuvor, als ich noch in Arizona lebte, auf Anämie, Schilddrüsenstörungen und andere häufige Gründe für Müdigkeit untersucht worden – damals sagte man mir, es sei alles in Ordnung.
Ich war schockiert, dass ich eine Hypothyreose und keine Hyperthyreose haben sollte. In meinen pharmazeutischen Lehrbüchern stand, dass Menschen mit einer Unterfunktion in der Regel übergewichtig und träge sind. Doch das klinische Bild passte nicht zu mir.
Ich war schon immer kälteempfindlich, doch das führte ich auf mein geringes Körperfett zurück. Übergewicht? Ich doch nicht.
Depressionen? Nicht die Bohne, ich war so glücklich wie nie zuvor in meinem Leben.
Langsam, träge? Kein bisschen, Sie sollten mich einmal bei der Arbeit herumflitzen sehen.
Und obwohl ich jede Nacht mehr als 12 Stunden schlief, war ich sehr ängstlich, mager und müde, aber trotzdem aufgedreht. Wenn überhaupt, dachte ich, dann würde eine Überfunktion der Schilddrüse (eine Hyperthyreose) doch viel besser zu mir passen.
Ich verstand erst später, dass die bei einer Autoimmunthyreoiditis gebildeten Schilddrüsenantikörper meine Schilddrüse angriffen und dadurch ganze „Hormonpakete“ ins Blut freigesetzt wurden, die zusätzlich zu den Symptomen einer unteraktiven auch Symptome einer überaktiven Schilddrüse verursachten – man kann also Läuse und Flöhe haben.
Als der Schock sich gelegt hatte, fand ich heraus, dass eine lebenslange Schilddrüsenmedikation empfohlen wurde und eine unbehandelte Hashimoto-Thyreoiditis gravierende Folgen haben kann, zum Beispiel Herzerkrankungen, starkes Übergewicht und Unfruchtbarkeit. Als frisch verheiratete Frau hatte ich am letzten Punkt besonders schwer zu schlucken.
Die Endokrinologen waren geteilter Meinung darüber, ob man gleich mit der Einnahme von Schilddrüsenhormonen beginnen oder im Falle einer subklinischen Hypothyreose noch abwarten sollte. Außerdem lautete die Aussage der meisten medizinischen Internetseiten, dass man gegen die autoimmune Zerstörung der Schilddrüse nichts tun könne.
Aber ich wusste tief in meinem Herzen (oder vielleicht ging es ja auch von meinem Darm aus), dass es einfach nicht richtig sein konnte, herumzusitzen und abzuwarten, während ein Teil meines Körpers sich selbst zerstörte. Ich hielt also Ausschau nach den neuesten wissenschaftlichen Studien zu Hashimoto.
Innerhalb weniger Stunden konnte ich ermutigende Informationen finden:
– Selen, in einer täglichen Dosis von 200–300 μg, verminderte nachweislich die Schilddrüsenantikörper im Laufe eines Jahres um 20–50 Prozent. Und für alle Statistik-Fans unter Ihnen, ja, es war eine statistisch bedeutsame Studie! (p-Wert <0.000005)1
– Schilddrüsenhormone können bei subklinischer Hypothyreose zur Verbesserung der Ergebnisse eingesetzt werden.2
– Die strenge Einhaltung einer glutenfreien Ernährung führte zu einer Normalisierung der subklinischen Hypothyreose bei Zöliakiepatienten.3
Ich nahm mir auch vor, medizinische Selbsthilfeforen, in denen Patienten ihre Erfahrungen mitteilten, nach Informationen zu durchforsten. In meiner Arbeit als beratende Pharmakologin beschäftigte ich mich oft mit solchen Internetseiten, um Einblick zu bekommen, wie Patienten die Wirksamkeit verschiedener Medikamente beurteilten. Sehr oft enthielten diese Seiten Informationen, die in der wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Literatur noch nicht beschrieben worden waren und sich noch im Versuchsstadium befanden.
Mit Begeisterung las ich: „Durch Akupunktur brauchte ich kein Levothyroxin mehr (ich nahm bis zu 300 μg täglich); meine Tests auf Schilddrüsenantikörper fielen nicht mehr positiv aus/waren wieder negativ.“4
Leider übernahm meine Versicherung die Kosten für Akupunktur nicht, aber was hatte ich schon zu verlieren (außer Geld natürlich)? Ich beschloss es auszuprobieren. Außerdem vereinbarte ich Termine bei einem Endokrinologen, einem Kardiologen und einem Gynäkologen. Mit 27 fühlte ich mich wie 72.
Im Laufe der folgenden drei Jahre wendete ich eine Menge Zeit und Geld auf, um wieder gesund zu werden. Ich las Bücher, durchforstete stundenlang medizinische Fachzeitschriften, Gesundheitsblogs und machte mich selbst zum menschlichen Versuchskaninchen.
Ich habe über verschiedene Maßnahmen recherchiert und nicht wenige davon auch ausprobiert, um meine Hashimoto-Thyreoiditis zu überwinden, darunter die folgenden:
– Akupunktur
– Niedrig dosiertes Naltrexon (LDN, ein Opioidantagonist, der auch bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden kann)
– Zahnpasta ohne Fluorid
– Kombucha-Teegetränk
– Adaptogene
– Kostspielige Beratung bei Schilddrüsenspezialisten
– Individuell angefertigte Schilddrüsenpräparate (von in den USA üblichen sogenannten Compounding Pharmacies, die Medikamente nach ärztlichem Rezept herstellen; Anm. d. Übers.)
– Levothyroxin
– Armour®-Thyroid
– Vermeidung strumigener Substanzen, die einen Kropf verursachen
– Meeresalgen-Snacks
– Bekämpfung der Übersäuerung
– Heilkräuter
– Dr. Hymans Behandlungsprogramm
– Dr. Brownsteins Behandlungsprogramm
– Dr. Kharrazians Behandlungsprogramm
– Dr. Haskells Behandlungsprogramm
– Psychotherapeutische Beratung
– Endokrinologische Behandlung
– Chiropraktische Behandlung
– Seleneinnahme
– Ernährung ohne Gluten, Milch und Milchprodukte, Soja
– Paläo-Ernährung
– GAPS-Programm (Syndrom der Bauch-Kopf-Körper-Verbindung, basierend auf der bekannten Annahme, dass viele Erkrankungen vom Verdauungstrakt ausgehen; Anm. d. Übers.)
– SCD-Diät (spezielle Kohlenhydratdiät)
– Body-Ecology-Diät (Ernährungsform, die sich gegen eine evtl. Besiedelung des Darmes mit Pilzen und/oder Hefen richtet; Anm. d. Übers.)
– Probiotika
– Zufuhr von Jod
– Vermeidung von Jod
– Natives Kokosöl
– Eine Apothekenladung Vitamine und Nahrungsergänzungen
– Entgiftung
– Drüsenpräparate
– Marshall-Behandlungsprogramm
– Wiederherstellung des immunologischen Gleichgewichts
– Saftkur
– Fermentierte Nahrungsmittel
– Infektionsbehandlung
Ich war geradezu besessen davon, eine Antwort zu finden, und alle, die mich kennen, können bestätigen, dass ich sehr hartnäckig bin und entschlossen, meinen Willen durchzusetzen.
Proteine: Mein Aha-Erlebnis
Proteinverdauung / Malabsorption
Zu Beginn meines chronischen Erschöpfungszustandes schlief ich einfach so lange wie möglich. Das war als Studentin viel einfacher. Leider führte das aber dazu, dass meine Noten alles andere als herausragend waren. Ich lernte jedoch schnell, das zu kompensieren. Ich schlief den ganzen Tag, stand abends auf und lernte die ganze Nacht, machte meine Prüfungen um 7.30 morgens, kam nach Hause und legte mich wieder schlafen.
Wenn ich mit weniger als zehn Stunden Schlaf auskommen musste, reagierte ich mit Durchfall. Mithilfe eines pharmazeutischen Supervisors konnte ich eine Verbindung zwischen meinen Verdauungsproblemen und Protein-Shakes herstellen, die Soja-Lecithin enthielten. Auch rotes Fleisch war ein Übeltäter, verursachte Stress in meinem MagenDarmtrakt und brachte mich um den Schlaf.
Ich erinnere mich, dass ich zu meiner Mutter sagte: „Es ist, als würde ich den Schlaf brauchen, damit mein Körper alles verarbeiten kann, was ich gegessen habe, und wenn ich zu früh aufwache, dann ist es noch nicht verarbeitet.“ Sie vermutete eine Laktoseintoleranz. „Das kann nicht sein“, dachte ich. „Wieso sollte ich darauf aus heiterem Himmel reagieren?“
Im Schnelldurchlauf in die Zukunft: Am Freitag, den 10. Februar 2012, begann ich Betain mit Pepsin einzunehmen, immer eine Kapsel zu jeder eiweißhaltigen Mahlzeit. Ich war überrascht, als ich am folgenden Morgen um 8 Uhr ohne Wecker aufwachte. Ich hatte mich an den meisten Tagen immer erst nach 10 Uhr aus dem Bett gequält, wenn ich nicht arbeiten musste. Seltsamerweise fühlte ich mich den ganzen Tag über voller Energie. Ich blieb sogar wach, als mein sonst mit so viel mehr Energie ausgestatteter Mann ein Nickerchen machte. Nachdem die Hochzeit einer Freundin immer näher rückte und ich im vorherigen Jahr so gut wie keinen Sport betrieben hatte, begann ich noch am selben Tag mit dem P90X-Programm (das beliebteste Fitnessprogramm in den USA; Anm. d. Übers.).
Ich fragte mich, ob meine neue Energie dem Sport oder den Enzymen geschuldet war. Glücklich machte ich mit beidem weiter und dachte, ich sollte meine Theorie irgendwann einmal einem Test unterziehen. Unterdessen wurde alles einfacher und plötzlich hatte ich Zeit übrig. Es fühlte sich gut an, schlafen zu gehen, und ich hatte sogar Zeit zum Meditieren, was ich schon seit Jahren hatte tun wollen!
Im Laufe der Woche hatte ich das Gefühl, dass meine Energie immer weiter zunahm und ich wurde sogar kontaktfreudiger und gesprächiger. Außerdem legte sich meine Benommenheit und ich wurde wieder schlagfertiger. Meinen Kolleginnen und Kollegen blieb meine gute Stimmung nicht verborgen. Mein Mann stellte fest, dass ich von Tag zu Tag humorvoller wurde. Ich hatte das Gefühl wieder ich selbst zu sein, so, wie ich es seit fast zehn Jahren nicht mehr gewesen war.
Eines Tages wachte ich morgens um 5 Uhr 17 auf und beschloss, dieses Buch zu schreiben. Ich hatte schon immer gerne geschrieben und 2007 sogar einmal an einem Roman-Workshop teilgenommen. Der Kursleiter behauptete, für berufstätige Menschen sei die Chance, ein Buch zu schreiben, am größten, wenn sie morgens zwei Stunden früher als gewohnt aufstanden und diese Zeit zum Schreiben nutzten. Mit einer Vollzeitstelle und viel beruflicher Verantwortung könnte ich niemals Autorin werden, dachte ich, und begrub diesen Traum. Aber dann, auf einmal … machte ich das, was unmöglich schien. Wenn ich nach nur sechs Stunden Schlaf voller Energie aufwachen konnte, nachdem ich mich zehn Jahre lang chronisch erschöpft gefühlt hatte, dann würde ich meine Hashimoto-Thyreoiditis sicherlich überwinden und ein Buch darüber schreiben können!
Aber die Reise war noch nicht zu Ende. Dieses Gefühl der Energie hielt leider nur wenige Wochen an und es kam zu vielen weiteren Rückschlägen, bevor ich etwas fand, das mir half. Aber ich werde nie vergessen, wie großartig es war, sich schließlich ganz normal zu fühlen, und ich hörte nicht auf, mich anzutreiben und zu kämpfen. Mit Ausdauer, Zeit und vielem Ausprobieren (und vielen Fehlschlägen) kann ich schließlich sagen, dass meine Hashimoto-Thyreoiditis inzwischen auf dem Rückzug ist.
Ich mache meine Forschung und die Erkenntnisse über die Ursache und Behandlung von Hashimoto auf der Basis dessen, was schließlich bei mir geholfen hat, anderen Menschen zugänglich, und ich hoffe, dass das manchen meiner Leser ebenfalls hilft. Ich erkläre auch, wie ich die Ursache meiner Erkrankung aufspürte und hoffe, meine Leser haben Lust, mit ähnlichen Methoden zu arbeiten, um ihren Krankheitsauslöser zu finden.
Die folgenden drei Kapitel sind eine Zusammenfassung schulmedizinischer Erkenntnisse zu Hashimoto, die den meisten Ärzten während ihres Studiums vermittelt werden. Diese Erkenntnisse hinken leider etwa 15 bis 20 Jahre hinter dem Wissen her, das ich Ihnen in den nachfolgenden Kapiteln präsentiere und mit dem Sie Ihre eigenen Kenntnisse über diese Autoimmunerkrankung der Schilddrüse erweitern können.
„Wissen bietet die Chance zur Veränderung.“
Claire Fagin
Was ist eine Schilddrüse?
Die Schilddrüse ist ein schmetterlingsförmiges Organ, sie liegt im Hals unterhalb des Adamsapfels. Die von ihr gebildeten Hormone beeinflussen die Funktion fast aller Organsysteme des menschlichen Körpers.
Die Schilddrüsenhormone haben die äußerst wichtige Aufgabe, den Stoffwechsel zu stimulieren sowie aus der Nahrung, die wir zu uns nehmen, Vitamine zu gewinnen und Energie zu produzieren. Weiterhin sind sie für die Bildung anderer Hormone sowie für das Wachstum und die Entwicklung unseres Nervensystems lebenswichtig.
Die Schilddrüse wird auch als „Thermostat“ des Körpers bezeichnet, da sie für eine gleichmäßige Körpertemperatur sorgt. Indirekt beeinflusst sie somit jede Reaktion im menschlichen Körper, da diese Reaktionen nur ablaufen können, wenn die Temperatur stimmt.15
Bildung von Schilddrüsenhormonen
Die Schilddrüse besitzt viele kleine Hohlräume, die sogenannten Follikel, die mit Thyreoglobulin (manchmal auch als Kolloid bezeichnet) gefüllt sind. Es wird von einer Epithelzellschicht, den Thyreozyten, gebildet. Sie enthalten die Aminosäure Tyrosin, den Ausgangsstoff für die Synthese der Schilddrüsenhormone. Thyreoglobulin dient als Materialspeicher der Schilddrüse, auch für Jod.
Das aus der Nahrung gewonnene Jod kreist im Blut und wird in die Schilddrüse aufgenommen; dort muss es durch Oxidation in eine für den Körper verwertbare Form umgewandelt werden. Das Enzym Schilddrüsenperoxidase (TPO) wandelt Jodid in das aktive Jod um, wobei als Nebenprodukt Wasserstoffperoxid entsteht. Das reaktionsfähige Jod kann sich nun an andere Substanzen binden; im Thyreoglobulin bindet es in einem als „Jodierung“ bezeichneten Prozess an das Tyrosin.
Bei der Jodierung bildet jedes Tyrosinmolekül mit einem oder zwei Jodatomen Monojodtyrosin (T1) beziehungsweise Dijodtyrosin (T2). Diese verbinden sich dann zu Trijodthyronin (T3, also Thyreoglobulin mit drei Jodatomen) beziehungsweise Thyroxin (T4, Thyreoglobulin mit vier Jodatomen).
Von diesen vier jodierten Molekülen gelten nur T3 und T4 im Körper als biologisch aktiv. Die biologische Aktivität von Thyroxin (T4), das jedoch als Prohormon bekannt ist, ist um 300 Prozent geringer als die von T3. Trijodthyronin (T3) ist also das hauptsächliche biologisch aktive Schilddrüsenhormon. Diese Hormone werden in den Schilddrüsenfollikeln gespeichert.
Zwanzig Prozent des T3 werden von der Schilddrüse ausgeschüttet (sezerniert), die restlichen 80 Prozent stammen aus der Umwandlung von T4 in T3, dem sogenannten Dejodierungsprozess (bei dem ein Jodatom entfernt wird). Dieser findet in den peripheren Organen wie der Leber und den Nieren statt. Für den Dejodierungsprozess ist Zink erforderlich.
Die Hormonausschüttung wird über einen Regelkreis gesteuert: Ein niedriger Spiegel von T3 und T4 führt zur Freisetzung von TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon), ein hoher Spiegel stoppt sie. Bei Menschen mit normaler Schilddrüsenfunktion kann der TSH-Spiegel schwanken, wenn zwischenzeitlich mehr Schilddrüsenhormone gebraucht werden, zum Beispiel bei Stress, Krankheit, Schlafmangel, Schwangerschaft oder niedrigen Temperaturen.15
Schilddrüsenhormonstörungen
Man kann sie in Störungen einteilen, die auf der ungenügenden Bildung von Schilddrüsenhormonen beruhen, d. h. einer Hypothyreose, und solchen, zu denen es aufgrund einer Überproduktion von Hormonen kommt, also einer Hyperthyreose.
Hypothyreose (Unterfunktion)
Zu den häufigeren Symptomen einer Hypothyreose, eines Mangels an Schilddrüsenhormonen, gehören eine Verlangsamung des Stoffwechsels, die zur Gewichtszunahme führt, sowie Vergesslichkeit, Frieren beziehungsweise Kälteintoleranz, Depressionen, Müdigkeit, trockene Haut, Verstopfung, Antriebsschwäche, Haarausfall, Muskelkrämpfen, Steifigkeit, Gelenkschmerzen, Verlust des äußeren Drittels der Augenbrauen, Zyklusstörungen, Unfruchtbarkeit und Schwäche.
Jodmangel vs. Hashimoto-Thyreoiditis
Stehen zu wenig „Bausteine“ für Bildung von Schilddrüsenhormonen zur Verfügung (Jod, Selen, Zink, Tyrosin), signalisiert TSH die Bildung von zusätzlichen TPO, damit das gespeicherte Jod in die für den Körper nutzbare Form umgewandelt wird (dabei kommt es auch zur Bildung von Wasserstoffperoxid). Ist nicht ausreichend Jod vorhanden, kommt es zu einer Vergrößerung der Schilddrüse, denn der Körper versucht, die Produktion von Schilddrüsenhormonen zu erhöhen, indem er den Jodmangel durch die Vergrößerung der Schilddrüsenzellen kompensiert. Das Ergebnis nennt man Kropf.
Ein Jodmangel kann zu einer Unterfunktion der Schilddrüse führen und ist die Hauptursache von Hypothyreose und Kropfbildung in vielen Entwicklungsländern. In den Vereinigten Staaten und vielen europäischen Ländern, die Salz und andere Nahrungsmittel mit Jod anreichern, ist nicht der Jodmangel, sondern die Hashimoto-Thyreoiditis die Hauptursache einer Hypothyreose. Tatsächlich ist die Hashimoto-Thyreoiditis für 90 Prozent aller Hypothyreosefälle in den USA verantwortlich.
Andere Ursachen sind die stumme (oder schmerzlose) sowie die postpartale, nach einer Geburt auftretende, Schilddrüsenentzündung, die beide mit einer Antikörperbildung einhergehen, bei denen sich aber die Schilddrüsenfunktion von selbst wieder normalisiert und die Antikörper verschwinden. In manchen Fällen kann es daraufhin viele Jahre später zu einer Hashimoto-Thyreoiditis kommen. Eine stumme Thyreoiditis ist mit jahreszeitlich bedingten Allergien, Virusinfektionen und kräftiger Nackenmassage in Verbindung gebracht worden. Der Auslöser für die postpartale Thyreoiditis ist die Schwangerschaft. Möglicherweise sind diese beiden Probleme Beispiele für den Beginn einer Autoimmunreaktion, die erlischt, sobald die Auslöser beseitigt werden.1,2,3,13
Haben Sie eine vergrößerte Schilddrüse?5
Werfen Sie einen Blick auf Ihren Hals!
Sie können Ihre Schilddrüse mit einem Handspiegel und einem Glas Wasser selbst untersuchen. Sie liegt am Halsansatz, unterhalb des Adamsapfels.
1. Schauen Sie sich im Spiegel die Halsregion an, die unterhalb des Adamsapfels und direkt über dem Schlüsselbein liegt. (Verwechseln Sie den Adamsapfel nicht mit der Schilddrüse, sie liegt weiter unten.)
2. Sie schauen immer noch in den Spiegel, neigen Ihren Kopf nach hinten und trinken Wasser aus Ihrem Glas.
3. Beobachten Sie den Hals beim Schlucken. Achten Sie dabei auf Vorwölbungen beim Schlucken.
4. Sehen Sie welche, haben Sie eventuell eine vergrößerte Schilddrüse oder Knoten in der Schilddrüse.5
Abb. 1: Darstellung der Schilddrüse
herausgegeben von Mark H. Beers. Copyright ©2003, Merck & Co, AG, Whitehouse Station, NJ. Verfügbar unter: http://www.merck.com/mmhe/sec13/ch163/ch163a.html; abgerufen am 29.3.13.
Hyperthyreose
Die Hyperthyreose, wenn also zu viele Schilddrüsenhormone gebildet werden, wirkt stimulierend. Zu den klassischen Symptomen gehören Gewichtsabnahme, Herzklopfen, Angstzustände, Exophthalmus (hervortretende Augäpfel), Zittern, Reizbarkeit, Menstruationsbeschwerden, Müdigkeit, Hitzeintoleranz und vermehrter Appetit. Die Patienten haben oft Haarausfall.
Eine Hyperthyreose wird meist durch eine verwandte Autoimmunerkrankung, den Morbus Basedow, verursacht; dabei liegen Antikörper gegen die TSH-Rezeptoren vor. Ein Basedow kann sich manchmal zu einer Hashimoto-Thyreoiditis und umgekehrt entwickeln; beide Erkrankungen scheinen eng verwandt zu sein.
Hashimoto-Thyreoiditis
Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der es zur Zerstörung der Schilddrüse kommt. Die Schädigung führt schließlich zu einer unzureichenden Bildung von Schilddrüsenhormonen, einer Hypothyreose. In den USA ist die Hashimoto-Thyreoiditis mit 90 Prozent aller Fälle die häufigste Ursache einer Hypothyreose.
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist auch unter den Namen chronische Thyreoiditis, lymphozytäre Thyreoiditis, lymphadenoider Kropf und neuerdings Autoimmunthyreoiditis bekannt. Zum ersten Mal wurde sie 1912 von dem japanischen Arzt Hakuro Hashimoto beschrieben, der sie zuerst als Struma lymphomatosa bezeichnete.
Die Hashimoto-Thyreoiditis beginnt meist mit einer allmählichen Vergrößerung der Schilddrüse, die manchmal vom Patienten festgestellt werden kann, wenn er seinen Hals selbst abtastet. Sie kann von Heiserkeit und Atembeschwerden begleitet sein, gelegentlich besteht eine Schmerzempfindlichkeit des Organs.
Steht der Zerstörungsprozess der Drüse noch am Anfang, kompensiert der Körper und bildet mehr Hormone, sodass der Hormonspiegel im „Normbereich“ bleibt, der betreffenden Person können aber bereits erste Symptome einer Hypothyreose auffallen. Bei manchen Patienten zeigt sich eventuell nur eine milde Form der Unterfunktion, bei anderen kann dagegen eine Thyreotoxikose (zu viele Schilddrüsenhormone) vorliegen. Dieses Anfangsstadium wird als „subklinische“ Hypothyreose bezeichnet und durch einen erhöhten TSH-Wert, aber „normale“ T3- und T4-Werte definiert.
Wenn im Laufe des fortschreitenden Prozesses immer mehr Schilddrüsengewebe zerstört wird, verliert die Schilddrüse ihre Kompensationsfähigkeit und der Spiegel der Schilddrüsenhormone sinkt. Schließlich kann die Schilddrüse gar keine Hormone mehr bilden (atrophische Thyreoiditis), dies gilt dann als Endphase der Hashimoto-Thyreoiditis.
Bei Hashimoto können zwei Arten von autoreaktiven Antikörpern beobachtet werden. Mehr als 90 Prozent der Menschen mit einer Hashimoto-Thyreoiditis haben Schilddrüsenperoxidase-Antikörper (TPO-AK) und etwa 80 Prozent haben Thyreoglobulin-Antikörper (TG-AK).1,14
Prävalenz
Von einer Hashimoto-Thyreoiditis sind bis zu 10 Prozent der US-Bevölkerung betroffen, und die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu. Es erkranken vorwiegend Frauen, das Verhältnis zur Erkrankung von Männern beträgt 7:1. Hormonschwankungen tragen eventuell zur Entwicklung der Erkrankung bei, wobei Spitzenwerte in der Pubertät, in der Schwangerschaft und in der Menopause zu beobachten sind. Bei bis zu 20 Prozent der Frauen können TPO-AK vorliegen, die für Hashimoto bezeichnend sind. Die Krankheit scheint bei weißen Frauen und Japanerinnen häufiger vorzukommen als bei Menschen afrikanischer oder mexikanischer Abstammung.1,14
Veränderungen der Schilddrüse
Die Zellzerstörung einer von Hashimoto betroffenen Schilddrüse wird unter dem Mikroskop als Ansammlung von Leukozyten (weißen Blutkörperchen) und vernarbtem Schilddrüsengeweben sichtbar. Die Zellen der Schilddrüse sind leicht vergrößert. Dagegen ist das Thyreoglobulin, das in der Regel vorhandene Reservoir der Schilddrüsenhormone und anderer „Rohmaterialien“ für die Hormonbildung, deutlich geschrumpft.
Ein Ultraschall der Schilddrüse zeigt meist eine vergrößerte Drüse von normaler Beschaffenheit, und die Reflexion der Ultraschallwellen ist charakteristisch gering (echoarme Drüse), das heißt, die Festigkeit des Gewebes ist geringer und gummiartiger geworden. Diese Veränderungen finden sich an der ganzen Drüse.14
Symptome
Hashimoto-Patienten können sowohl Symptome einer hypothyreoten als auch Symptome einer hyperthyreoten Schilddrüse zeigen, da die Hormone infolge der Zerstörung der Schilddrüsenzellen in den Blutstrom freigesetzt werden. Dies führt zu einem toxischen Schilddrüsenhormonspiegel im Körper, der auch als Thyreotoxikose oder Hashitoxikose bezeichnet wird.
Schließlich verarmen die Hormonspeicher, und neue Hormone können aufgrund der Zellzerstörung nicht mehr in ausreichender Menge gebildet werden. Von diesem Zeitpunkt an entwickelt sich die Hypothyreose.
Komplikationen
Ein Viertel der Patienten können körperliche Symptome wie Brustschmerzen und/oder Gelenkschmerzen bekommen. Menschen mit einer Hypothyreose haben auch ein höheres Risiko, von einer Herzerkrankung betroffen zu sein.
Im Vergleich zu Menschen, die keine Hypothyreose haben, besteht bei Hashimoto-Patienten eine um das Dreifache erhöhte Wahrscheinlichkeit, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken.
Schwangerschaft
Leider haben Frauen mit einem positiven TPO-Antikörperbefund ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten, und Frauen, die während der Schwangerschaft eine hypoaktive Schilddrüse haben, laufen Gefahr, ein geistig behindertes Kind zur Welt zu bringen.16,17,18
Das Schilddrüsen-Screening gehört nicht zu den frühen Vorsorgeuntersuchungen, sie werden (in den USA) erst später gemacht, daher entdecken viele Frauen eine Hashimoto-Thyreoiditis erst dann, wenn sie wiederholte Fehlgeburten haben.
Von einer Remission, bei der auch der Kropf, die Schilddrüsenunterfunktion und die Serum-Antikörper verschwinden, ist bisher nur während einer Schwangerschaft berichtet worden, allerdings mit einem Rückfall nach der Entbindung. Meist sinkt der Antikörpertiter während der Schwangerschaft. Man hat auch schon festgestellt, dass es schwangerschaftsbedingt zu einer Hashimoto-Thyreoiditis sowie zur schon erwähnten postpartalen Thyreoiditis kommen kann, die in 80 Prozent der Fälle sich nach einer gewissen Zeit wieder zurückbildet, sich in den restlichen 20 Prozent aber zu einer Hashimoto-Thyreoidits entwickelt.
Risikofaktoren
Es gibt eine genetische Prädisposition für Hashimoto und eine Tendenz innerhalb von Familien. Daher besteht für Verwandte von Hashimoto-Patienten ein Risiko. Die Krankheit kann in zwei Varianten auftreten: In organzehrender (atrophischer) Form, die mit dem erblich erworbenen Gewebsantigen HLA-DR3 einhergeht und als vergrößerte Schilddrüse (Kropfform) durch das erblich erworbene Antigen HLA-DR5. Diese Gewebsantigene sind in der weißen Bevölkerung sehr verbreitet.
Zu den gängigen umweltbedingten Auslösern bei genetisch prädisponierten Menschen gehören die Jodzufuhr, bakterielle und virale Infektionen, Hormonschwankungen, Toxine sowie eine Therapie mit bestimmten Arten von Medikamenten. Das Zigarettenrauchen geht überraschenderweise mit einem verminderten Hashimoto-Risiko einher.
Interessant ist, dass bei Hashimoto-Betroffenen nur 50 Prozent der eineiigen Zwillinge Schilddrüsenantikörper aufweisen, das bedeutet, dass nicht die Gene allein der Weisheit letzter Schluss und umweltbedingte Auslöser extrem wichtig sind.1
Vergesellschaftete Erkrankungen
Eine Hashimoto-Thyreoiditis kann mit anderen Autoimmunerkrankungen wie Diabetes mellitus vom Typ 1, Multipler Sklerose, rheumatoider Arthritis, Zöliakie, Lupus erythematodes, Morbus Addison, perniziöser Anämie und Hypoparathyreoidismus, einer Unterfunktion der Nebenschilddrüsen, einhergehen. Polyglanduläres Autoimmunsyndrom ist ein medizinischer Fachbegriff, der beschreibt, dass ein Mensch an zwei oder mehr Autoimmunerkrankungen leidet.1
Diagnose
Untersuchungen zur Hashimoto-Diagnostik
Zur Diagnose einer Hashimoto-Thyreoiditis zieht man Ultraschallsowie Blutuntersuchungen heran. Es gibt Labortests, die die Schilddrüsenfunktion und Autoimmunmarker der Schilddrüse überprüfen. Bei einer unbehandelten, fortgeschrittenen Hashimoto-Thyreoiditis würden sich ein erhöhter TSH-Wert und niedrige T3- und T4-Werte im Blut zeigen. Außerdem werden bei den meisten Hashimoto-Fällen auch Schilddrüsenantikörper gefunden.
Screening-Test
Die TSH-Untersuchung wird als Screening-Test zur Überprüfung der Schilddrüsenfunktion gemacht, jedoch werden dadurch nicht immer Auffälligkeiten entdeckt. Der TSH-Wert ist nicht dauerhaft erhöht, wenn die Hashimoto-Thyreoiditis noch nicht im fortgeschrittenen Stadium ist. Daher können Menschen viele Jahre einen normalen TSH-Wert haben und trotzdem unter unangenehmen Schilddrüsensymptomen leiden. Sie klagen bei ihren Ärzten über Gewichtszunahme, Müdigkeit und andere typische Symptome und müssen sich jedoch sagen lassen, dass ihre Schilddrüsenwerte völlig unauffällig sind. Der TSH-Wert kann tageszeitlichen Schwankungen unterliegen, und der Körper kompensiert das oft, indem er die Energie vom Stoffwechsel und anderen Körperfunktionen abzieht, solange er das kann, daher werden viele Hypothyreosefälle von diesem Test gar nicht erfasst.
Schlussendlich führt eine unbehandelte Schilddrüsenunterfunktion aber immer zu einem abnormal erhöhten TSH-Wert. Im Gegensatz dazu kommt es bei einer unbehandelten Schilddrüsenüberfunktion zu einem niedrigen TSH-Wert. Bei einem Hashimoto-Patienten können die Werte zwischen diesen beiden Extremen schwanken, aber immer noch in der „normalen“ Bandbreite liegen. Das kommt daher, dass bei einem niedrigen Schilddrüsenhormonspiegel TSH freigesetzt wird, damit der Körper diesen Mangel durch die Bildung zusätzlicher Hormone ausgleichen kann.
Die Freisetzung von TSH signalisiert dem Körper, dass er mehr Wasserstoffperoxid bilden soll. Zur Bildung von Schilddrüsenhormonen ist Jodid aus der Nahrung erforderlich, das zu Jod oxidiert werden muss und an Tyrosin binden kann, um das Hormon zu bilden. Für diese Umwandlung ist Wasserstoffperoxid erforderlich, eine reaktionsfreudige Form des Sauerstoffs, die, sofern nicht genügend Antioxidanzien vorhanden sind, zu Gewebeschäden führen kann. Glutathionperoxidase ist das für die Neutralisierung des Wasserstoffperoxids verantwortliche Antioxidans. Selen ist ein Bestandteil davon und wird für die ordnungsgemäße Funktion der Schilddrüse benötigt.
Die meisten Schulmediziner nutzen das TSH-Screening zur Feststellung einer Schilddrüsenstörung; das kann jedoch sehr oft irreführend sein, weil die zirkulierenden Hormone zu unterschiedlichen Zeiten schwanken können, bei Hashimoto-Patienten zum Beispiel zwischen hohen und niedrigen Werten.
Hinzu kommt noch, dass für die Berechnung der Bandbreite, innerhalb derer die TSH-Werte als normal und damit gesund gelten, unbeabsichtigterweise auch die Werte vieler älterer Menschen und von Menschen mit bereits beeinträchtigter Schilddrüsenfunktion herangezogen wurden, was zu einem übermäßig breiten Referenzbereich führte. Infolgedessen werden Menschen mit einer bereits bestehenden Unterfunktion aufgrund dieses verzerrten Referenzbereiches oft als unauffällig diagnostiziert.
In den letzten Jahren wies The National Academy of Clinical Biochemists (zu Deutsch etwa: „Staatliche Akademie klinischer Biochemiker“) darauf hin, dass 95 Prozent der Menschen, die keine Schilddrüsenerkrankung haben, TSH-Werte von unter 2,5 μIU/ml aufweisen, und das American College of Clinical Endocrinolgists („Amerikanische Akademie klinischer Endokrinologen“) legte einen neuen Referenzbereich von 0,3–3,0 μIU/ml fest.2
Die meisten Labors haben diesen Normbereich jedoch auf den Befunden, die sie an die Ärzte weiterleiten, noch nicht angepasst, sodass er weiterhin bei 0,2–8,0 μIU/ml liegt. (Die Referenzbereiche schwanken je nach Labor und Land; in Deutschland liegt der gängige Normbereich bei 0,3 bis 4,0; Anm. d. Übers.) Die meisten Ärzte schauen sich ohnehin nur Werte an, die vom „normalen“ Referenzbereich abweichen und sind mit den neuen Richtlinien häufig noch nicht vertraut. Viele Ärzte übersehen so Patienten mit einem erhöhten TSH-Wert. Das ist einer der Gründe, warum sich Patienten von ihrem Arzt immer eine Kopie der Laborergebnisse geben lassen sollten.
Behandler, die nach den Richtlinien der funktionellen Medizin vorgehen, haben den normalen Referenzbereich für einen gesunden Menschen, der keine Schilddrüsenmedikamente einnimmt, noch einmal gesenkt und auf Werte zwischen 1,0 und 2,0 μIU/ml festgelegt.
Man muss bedenken, dass der Referenzbereich unter Umständen nicht auf alle Patienten anwendbar ist. Was für den einen Menschen normal ist, ist es für den anderen vielleicht nicht. Referenzbereiche berücksichtigen die Durchschnittswerte von 95 Prozent der Bevölkerung. Damit fällt nicht jeder in den „Normbereich“. Wenn Sie zu den restlichen 5 Prozent gehören, leiden Sie vielleicht unter Symptomen einer Hypo- oder Hyperthyreose bei TSH-Werten, die als normal gelten. Allen Klinikern wird das alte Sprichwort beigebracht, dass sie „den Patienten und nicht die Laborwerte behandeln sollen“, aber leider scheinen sich viele Schulmediziner nicht an diesen Rat zu halten.
Selbst bei den neu definierten Normbereichen, erfasst das TSH-Screening nur Patienten im Spätstadium von Hashimoto, da der Körper in den Anfangsstadien der Schilddrüsenfehlsteuerung noch in der Lage ist, den Mangel zu kompensieren.
Messung der Hormonwerte
T4 (Thyroxin) und T3 (Trijodthyronin) sind die hauptsächlichen Schilddrüsenhormone. T4 ist als Prohormon bekannt und, wie bereits erwähnt, um 300 Prozent weniger biologisch aktiv als T3. Das wichtigste biologisch aktive Schilddrüsenhormon ist T3.
Es gibt zwei Arten, die Schilddrüsenhormone zu untersuchen: Man kann ihren Gesamthormonspiegel im Körper messen, doch dadurch wird die genaue Situation nicht korrekt abgebildet. Besser ist die Messung der „freien“ Hormone, diese Werte spiegeln die tatsächlich für die Aufgaben im Körper zur Verfügung stehenden Mengen wider. Aus diesem Grund wird die Bestimmung des freien T4 (fT4) und des freien T3 (fT3) empfohlen.
Manche Ärzte bestimmen nur T4, doch T3 ist ebenfalls wichtig, da bei nicht wenigen Patienten die Umwandlung von T4 in das aktive T3 nur mangelhaft funktioniert; ihr T4 ist vielleicht normal, doch T3 ist zu niedrig (man nennt dies Konversionsstörung; Anm. d. Übers.)
Die Untersuchung auf reverses T3 (rT3) zeigt, wie viel freies aktives T3 überhaupt in der Lage ist, an die Schilddrüsenrezeptoren zu binden. Das rT3 wird in Stresssituationen gebildet und bindet an die Schilddrüsenrezeptoren, doch es blockiert sie, anstatt sie zu aktivieren. Kann man T3 als Stoffwechselbeschleuniger beschreiben, so gilt rT3, als Stoffwechselbremse.
Die wichtigsten Untersuchungen bei Hashimoto
In den meisten Fällen zeigen die Blutuntersuchungen bei einer Hashimoto-Thyreoiditis zwei Arten von Antikörpern. Der Schilddrüsenperoxidase-Antikörper (TPO-AK) ist der häufigste Antikörper, und oft werden auch noch Antikörper gegen Thyreoglobulin (TG-AK) gefunden. Diese können schon Jahrzehnte vor auffälligen TSH-Werten auftreten. Aus diesem Grund ist das TPO-Antikörper-Screening bei Verdacht auf eine Schilddrüsenerkrankung in jedem Fall ganz besonders wichtig.
Empfohlene Schilddrüsenfunktionstests
– TSH
– TPO-Antikörper
– Thyreoglobulin-Antikörper (TG-AK)
– freies T4 (fT4)
– freies T3 (fT3)
– reverses T3 (rT3, optional)
Fehldiagnose
Da viele Schilddrüsensymptome sehr unspezifisch sind, werden die Anfangsstadien von Ärzten oft ignoriert. Patienten mit Depressionen, Stress- oder Angstzuständen werden wieder nach Hause geschickt. Schilddrüsenpatienten werden Antidepressiva oder Anxiolytika (angstlösende Medikamente) verschrieben, ohne dass man sich um die Funktion ihrer Schilddrüse kümmert.
Medizinische Studien ergaben, dass es Patienten, bei denen Antidepressiva keine Wirkung zeigten, besser ging, sobald sie ein T3-Präparat einnahmen (in den USA z. B. Cytomel, im deutschsprachigen Raum z. B. Thybon).11 Manche wurden sogar stationär eingewiesen, wo man sie mit einer bipolaren Störung (früher als manisch-depressiv bezeichnet; Anm. d. Übers.) oder Schizophrenie fehldiagnostizierte, obwohl sie in Wirklichkeit unter Hormonschwankungen der Schilddrüse litten.
Des Weiteren stellte man bei Menschen mit einer bipolaren Störung, mit Depressionen sowie Angststörungen ein häufigeres Vorkommen von Schilddrüsen-Antikörpern fest.7 Und um das Problem noch zu verkomplizieren, stört das bei bipolaren Störungen eingesetzte Medikament Lithium den Schilddrüsenstoffwechsel und kann Hashimoto auslösen.10
Ein hoher TPO-Antikörpertiter ist mit Disstress (dem im Gegensatz zum Eustress „negativen“ Stress; Anm. d. Übers.), Symptomen von Zwangsverhalten und Angstzuständen in Verbindung gebracht worden.4 Das resultiert wahrscheinlich daraus, dass vermehrt Schilddrüsenhormone ins Blut gespült werden, die eine vorübergehende Hyperthyreose verursachen. Jeder, der schon einmal Symptome einer Hyperthyreose hatte, kann beschreiben, wie schrecklich man sich dabei fühlt. Wer unter Angstzuständen, Depressionen oder affektiven Störungen leidet, sollte unbedingt seine Schilddrüsenfunktion überprüfen lassen, insbesondere auch die TPO-Antikörper. Bei manchen Menschen mit einer lebenslangen psychiatrischen Diagnose kam es nach der richtigen Schilddrüsenbehandlung zur Genesung.9
Prognose
Nach Aussage der meisten Endokrinologen ist die Entwicklung von der euthyreoten Schilddrüse (normale Hormonspiegel) zur Hypothyreose unumkehrbar und endet mit der völligen Zellzerstörung der Drüse; Berichten zufolge kam es jedoch bei 20 Prozent der Patienten zu einer spontanen Normalisierung der Schilddrüsenfunktion.1,8 Bei diesen Menschen kommt es auch nach Absetzen der Hormonersatzpräparate zu einer normalen Schilddrüsenfunktion.
Studien zeigen, dass die geschädigte Schilddrüse nach Beendigung des Immunangriffs zur Regeneration in der Lage ist. Bei Ultraschalluntersuchungen sieht man normales Schilddrüsengewebe, das sich regeneriert hat und der Test auf TPO-Antikörper fällt negativ aus.12
Diese Regeneration kann bei erwachsenen Patienten oft übersehen werden, denn man nimmt an, dass die Hypothyreose lebenslang erhalten bleibt. Meist werden die Antikörper- und Ultraschalluntersuchungen nach der ersten Diagnose nicht wiederholt.
Außer der Ultraschall- und der TPO-Antikörper-Untersuchung kann ein sogenannter TRH-Stimulationstest durch Verabreichung von TRH (Thyreoidea Releasing Hormone) gemacht werden, der zu einem Anstieg von T3 und T4 führt, wenn die Schilddrüsenfunktion wieder hergestellt ist. Dieser Test ist eine Entscheidungshilfe bei der Frage, ob die Schilddrüsenmedikamente abgesetzt werden können.8
Diese Informationen stehen in der wissenschaftlichen Literatur ohne Weiteres zur Verfügung, doch die meisten Ärzte führen keinen TRH-Stimulationstest durch, mit dem man ein eventuell mögliches Absetzen der Schilddrüsenpräparate feststellen könnte. (Für den TRH-Test gibt es auch Kontraindikationen, z. B. Epilepsie, Schwangerschaft und Herzerkrankungen; Anm. d. Verlages.)
Die Schulmedizin kommt jedoch nicht umhin, den Einfluss der Veränderungen in der Lebensweise anzuerkennen, die das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen, stoppen oder umkehren können. Auf diesen liegt das Hauptaugenmerk im weiteren Verlauf des Buches.
Zusammenfassung des Kapitels
– Feststellung der Schilddrüsenfunktion durch Untersuchung von TSH, freiem T3, freiem T4 und TPO-Antikörpern
– Eine Remission mit Rückkehr zu einer normalen Schilddrüsenfunktion ist möglich.
Meine Geschichte
Ich hatte sieben Jahre lang mit chronischer Müdigkeit zu kämpfen, bevor die Diagnose Hashimoto-Thyreoiditis gestellt wurde. Zuerst schrieb ich die Müdigkeit meinem Studentendasein mit anspruchsvollem Promotionsprogramm und unregelmäßigem Lehrplan zu.
Doch nachdem ich das hinter mich gebracht hatte und ein regelmäßigeres Leben führte, lief ich von Arzt zu Arzt um herauszufinden, was es mit meiner Müdigkeit auf sich hatte, doch immer wieder bescheinigte man mir, dass „alles normal“ sei. Die meisten vermuteten, dass ich unter Depressionen litt. „Aber ich bin nicht depressiv, ich bin glücklich!“, lautete meine Standardantwort. „Ich bin einfach nur sehr müde. Ich schlafe jede Nacht 12 Stunden.“ Nach einigen Jahren gab ich mein Vorhaben, einen Grund dafür zu finden, einfach auf und akzeptierte, dass ich wohl einfach mehr Ruhe brauchte als alle anderen Menschen, die ich kannte. Einige Jahre später stellten sich allmählich weitere Symptome ein, wie Angstzustände, Säurereflux, Haarausfall und ständiges Frieren. Ich brauchte nachts zwei Decken – im Süden von Kalifornien!
Bei einer Untersuchung lag mein TSH-Wert bei 4,5 μIU/ml (Normbereich 0,4–4,0), der Arzt meinte jedoch: „Ihre Schilddrüsenfunktion ist normal. Es besteht keinerlei Handlungsbedarf.“ Die Antikörper wurden nicht bestimmt. Im folgenden Jahr ließ ich mich erneut untersuchen, nun lag mein TSH bei stolzen 8,0 μIU/ml. Erst jetzt empfahl mir der Arzt, wegen der Schilddrüsenfunktion einen Endokrinologen aufzusuchen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich schon sieben lange Jahre mit den Symptomen einer Hypothyreose herumgeschlagen!
„Jede große Reise beginnt mit dem ersten Schritt.“
Chinesisches Sprichwort
Der Schwerpunkt der Schulmedizin liegt auf der Wiederherstellung normaler Schilddrüsenwerte durch eine Ersatztherapie mit Schilddrüsenhormonen. Wenn wir das Bild einer löchrigen Tasse, durch die Flüssigkeit sickert, als Symbol für den Schwund der Schilddrüsenhormone heranziehen, dann schert die Schulmedizin sich nicht darum, woher das Loch kommt (autoimmune Zerstörung), sondern schüttet einfach immer mehr Wasser in die Tasse nach.
Die Medikation behandelt zwar die Ursache des Problems nicht, doch sie ist dennoch ein wichtiger erster Schritt, damit es den Betroffenen besser geht und die negativen Auswirkungen auf den Körper zurückgefahren werden. Nach den Richtlinien der Schulmedizin wird zuerst aufgrund der Laboruntersuchungen und erst dann aufgrund der Symptome, die der Patient zeigt, entschieden, ob eine Ersatztherapie mit Schilddrüsenhormonen angezeigt ist oder nicht.
Traditionsgemäß verschreiben Schulmediziner keine Schilddrüsenhormone, wenn von einer subklinischen Hypothyreose (TSH erhöht, aber T4-Spiegel normal oder grenzwertig) ausgegangen wird; fortschrittlichere Endokrinologen und auch Allgemeinärzte erkennen jedoch zunehmend, wie wertvoll es ist, bereits in diesem Stadium Hormone zu ersetzen, insbesondere bei Patienten, die Hypothyreose-Symptome haben.
Zudem empfehlen neue Richtlinien ebenfalls, schon früher mit einer Ersatztherapie zu beginnen, selbst wenn der T4-Spiegel noch normal oder grenzwertig ist, der TSH-Wert aber – trotz Symptomfreiheit – über 10 μIU/ml liegt oder bei vorhandenen Symptomen zwischen 3 und 10 μIU/ml.10,12
Die Schulmedizin betrachtet den Ersatz der Schilddrüsenhormone als lebenslange Therapie und macht damit die Hashimoto-Thyreoiditis zu einer chronischen Krankheit. Die Betroffenen sind auf das schulmedizinische System, auf Besuche beim Arzt, Überwachung durch Laboruntersuchungen und die tägliche Medikamenteneinnahme angewiesen. Letztere erfordert mit zunehmender Zerstörung des Schilddrüsengewebes potenziell eine immer höhere Dosierung.
Laboruntersuchungen zur Schilddrüsenfunktion müssen vier bis acht Wochen nach Beginn der Medikamenteneinnahme und immer dann, wenn die Dosierung verändert wird, wiederholt werden. (Vor der Blutentnahme dürfen keine Schilddrüsenhormone eingenommen, da dies die tatsächlichen Werte verfälscht; Anm. d. Verlages.) Sind die Werte stabil, müssen ein bis zweimal jährlich Kontrolluntersuchungen erfolgen; hat der Patient Symptome hat, noch häufiger.4
Das richtige Schilddrüsenmedikament
Es ist bekannt, dass Schilddrüsenhormone eine sehr geringe therapeutische Breite haben; sie müssen genauestens dosiert werden, damit die Wirksamkeit gewährleistet ist und Nebenwirkungen verhindert werden. Die Dosierung liegt im Mikrogrammbereich, das ist nur ein Tausendstel eines Milligramms! Ist die Dosis nur ein wenig zu hoch, kommt es eventuell zu Überfunktionssymptomen, ist sie ein wenig zu niedrig, kommt es zu Symptomen einer Unterfunktion!
Schulmediziner verschreiben meist ein Levothyroxin-Präparat, eine synthetische Version von T4 (in Deutschland z. B. Euthyrox, L-Thyroxin u. a.). Tierische Organpräparate (z. B. Armour Thyroid) werden selten empfohlen, weil es in der Vergangenheit Probleme mit der Qualitätskontrolle gab. Außerdem schwankte bei Armour seinerzeit je nach Charge die Dosierung; verbesserte Qualitätskontrollen scheinen dieses Problem inzwischen ausgeräumt zu haben. Bei dem Schilddrüsentrockenpräparat Nature-Throid gab es hingegen noch nie Beanstandungen wegen eines uneinheitlichen Hormongehalts von T4 und T3. (Amerikanische Organpräparate lassen sich in Deutschland nur über Internationale Apotheken beziehen; Anm. d. Verlages.) Schulmedizinischen Richtlinien zufolge bringe die Einnahme eines tierischen T4/T3-Kombiprodukts angeblich keine Vorteile und synthetische T4-Produkte seien überlegen; die meisten dieser Behauptungen beruhen jedoch auf Studien, die von der Pharmaindustrie bezahlt werden, die natürlich ein Interesse daran hat, ihre eigenen Produkte zu vermarkten.10
Da ich die Physiologie der Schilddrüse verstehe, glaube ich, dass Kombinationspräparate für viele Hashimoto-Patienten von Vorteil sein können. Manche Patienten haben Probleme mit der wirksamen Umwandlung von T4 in T3; hierfür ist zum Beispiel Zink erforderlich, und wie Sie in einem der nächsten Kapitel erfahren werden, haben Hashimoto-Patienten oft einen Zinkmangel.
Bei Stressbelastungen wird T4 in reverses T3 anstatt in (aktives) T3 umgewandelt. Doch rT3 ist inaktiv, wenn auch mit T3 verwandt, aber ohne stoffwechselrelevante Aktivität und nur ein „Blindgänger“, der Platz wegnimmt. Wird viel rT3 gebildet, gewährleistet die zusätzliche Verabreichung eines T3-haltigen Kombipräparates, dass das richtige Hormon zum richtigen Rezeptor gelangt. Zudem berichten viele Patienten, dass es ihnen unter der Einnahme eines Kombipräparates besser geht.
Faktoren, die die Umwandlung von T4 in T3 hemmen9
– Nährstoffverarmung
– Stress
– Altern
– Alkohol
– Chemotherapie
– Fettleibigkeit
– Medikamente
– Nieren- und Lebererkrankungen
– Zigaretten
– strumigene Substanzen
– Schwermetalle
– Diabetes
– Fasten
– Strahlenbelastung
– Progesteronmangel
– Soja
– Operationen
– Pestizide
– Mangel an Wachstumshormonen
– Jodüberschuss
Das National Institute of Health („Nationales Gesundheitsinstitut“), eine staatliche Behörde (die nicht von der Pharmaindustrie gesponsert wird), führte eine klinische Studie durch, um festzustellen, ob eine Therapie mit Schilddrüsentrockenextrakten im Vergleich zur alleinigen Gabe von T4 Vorteile bietet.8 Die Autoren der Studie kamen zu folgendem Schluss: „Eine DTE-Therapie (getrockneter Schilddrüsenextrakt, engl. Desiccated Thyroid Extract) führte nicht zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität; es kam dabei jedoch zu einer leichten Gewichtsabnahme und nahezu die Hälfte (48,6 Prozent) der Probanden bevorzugten die DTE-Therapie statt l-T4 (Levothyroxin). Die DTE-Therapie kann bei manchen hypothyreoten Patienten angebracht sein.“13