Heart of Stone - Daniela Felbermayr - E-Book

Heart of Stone E-Book

Daniela Felbermayr

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Beschreibung

Arya Richardson hat mit dem Architekten Noah Hart den fiesesten, gemeinsten und bösesten - aber auch den heißesten Boss überhaupt. Als die beiden irrtümlich ein gemeinsames Blind Date haben, regt das Noah so sehr auf, dass er ihr zunächst kündigt und dann eine leichte Herzattacke erleidet - für die er Arya die Schuld gibt. So ist sie ihren Job als Noahs Assistentin zwar los, wird aber umgehend als dessen Krankenpflegerin verpflichtet, bis der wieder auf den Beinen ist... Sein Arbeitswochenende in den Hamptons hätte Noah sich anders vorgestellt. Anstatt an seinem neuen Projekt zu arbeiten und das eine oder andere heiße Date zu haben, ist er mit seiner nervigen Assistentin Arya ans Haus gefesselt, um sich zu erholen - und das für ganze zwei Wochen. Schlimmer könnte es kaum noch kommen. Doch was zunächst als ziemlich lästiges Arrangement für beide beginnt, entwickelt sich rasch in eine Richtung, mit der weder Arya noch Noah gerechnet hätten. Wenn da nicht Noahs dunkle Vergangenheit wäre ...

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HEART OF STONE

(K)Ein Boss fürs Herz

DANIELA FELBERMAYR

Copyright © 2021 by Daniela Felbermayr

Korrektorat: SW Korrekturen e.U.

Cover: rausch-gold unter der Verwendung von Shutterstock

All rights reserved.

No part of this book may be reproduced in any form or by any electronic or mechanical means, including information storage and retrieval systems, without written permission from the author, except for the use of brief quotations in a book review.

Erstellt mit Vellum

Inhalt

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

EPILOG

Danksagung

EINS

Ich weiß gar nicht, wo dein Problem liegt. Du verbringst ein Wochenende in den Hamptons. In einer Luxusvilla, direkt am Strand. Dort, wo normalerweise nur Prominente, Schauspieler und Milliardäre weilen. Ich würde mir einen Arm dafür absägen, könnte ich in den Hamptons leben oder zumindest nur ein Wochenende dort verbringen.“ Sadie wischte auf ihrem Smartphone herum und öffnete Instagram. Dann hielt sie Arya das Telefon unter die Nase. „Hier, sieh dir das an. Wunderschöne Strände, erstklassige Restaurants. Luxus, wohin das Auge reicht. Ich würde sofort mit dir tauschen.“ Sie wischte wie von Sinnen durch Hunderte von Bildern von Luxusvillen, die direkt am Strand lagen, über Strandaufnahmen und Fotos vom Hafen in Southhampton. „Stell dir vor, wer dir dort alles über den Weg laufen könnte“, sinnierte Sadie. „Die Clubs und Bars dort werden bestimmt mit Promis überfüllt sein.“ Ja. Das war Sadie, wie sie leibte und lebte. Eine Partyqueen vor dem Herrn, die nichts ausließ. Arya selbst konnte damit eher weniger anfangen. Sie mochte es, gemütliche Abende zu Hause zu verbringen und am Tag nach der Party keinen Kater zu haben. Außerdem … Partymachen war an diesem Wochenende ohnehin nicht angesagt.

„Ich bin dort aber nicht zum Spaß, sondern mit meinem bösartigen Chef, der mir das Wochenende zur Hölle machen wird. Das ist eine Dienstreise, Sadie. Und wie ich Noah kenne, werde ich den Strand oder eines dieser Restaurants oder Bars noch nicht einmal zu Gesicht bekommen. Wenn ich Glück habe, krieg ich etwas Tageslicht ab. Aber vermutlich ist der Besprechungsraum, in dem wir das Wochenende über arbeiten werden, in irgendeinem unterirdischen Bunker, damit ich ja nicht auch nur eine Sekunde Spaß haben könnte.“ Arya seufzte, trank ihren kalten Kakao aus und warf einen Blick zur Theke. Dort gab es die besten Kuchen- und Tortenstücke, die man sich vorstellen konnte. Donuts und Cupcakes, soweit das Auge reichte. Um halbwegs über dieses Wochenende zu kommen, ohne den Verstand zu verlieren, würde sie sich mit diesen Kalorienbomben eindecken müssen. Sie wusste, dass sie jede Dosis von Zucker würde gebrauchen können, die sich ihr bot, wenn sie ein ganzes Wochenende lang mit Noah Hart verbringen würde, um gemeinsam mit ihm an einem Prestigeprojekt zu arbeiten, das er noch einmal völlig umkrempeln musste. Noah war fast verrückt geworden, als sein Auftraggeber ihm mitgeteilt hatte, dass der Entwurf, den er erstellt hatte, nicht entsprach. Und natürlich hatte er seine ganzen Launen an Arya ausgelassen. Nur um sie keine zwei Minuten später dazu zu verdonnern, ein Arbeitswochenende mit ihm einzulegen. Auf seinem Landsitz in den Hamptons.

Arya Richardson war zweiunddreißig und arbeitete jetzt seit über vier Jahren als Assistentin des CEO für Noah Hart. Noah war wohl einer der besten Architekten der Staaten und gleichzeitig der größte Tyrann, den man sich vorstellen konnte. Mit seinen Bauwerken rund um die Welt hatte er große Berühmtheit – und noch größeren Reichtum – erlangt, es gab kaum eine Skyline, in der nicht mindestens ein Hart-Gebäude stand. Menschlich war er jedoch auf dem Level einer Amöbe angesiedelt. Er hielt sich für etwas Besseres, benutzte und manipulierte Menschen und hatte vor keinem Lebewesen außer sich selbst Respekt. Mit den Jahren hatte Arya sich so einiges von Noah bieten lassen müssen, und nicht selten war sie kurz davor gewesen, das Handtuch zu werfen. Aber der Job bei ihm war sicher und die Bezahlung erstklassig. Es gab eine volle Krankenversicherung und eine Prämie zu Weihnachten. Natürlich, sie musste hin und wieder Abendschichten einlegen, wenn Noah eine kreative Phase hatte, oder ihre Wochenenden opfern, wenn ihm danach war, von irgendeinem seiner Wohnsitze, die sich quer durch die Staaten verteilten, zu arbeiten. Feste Dienstzeiten oder besser gesagt feste Freizeit hatte sie nicht. Dafür durfte sie an Orten arbeiten, von denen viele andere nicht einmal zu träumen wagten. Dazu gehörte Noahs Villa direkt am Strand von Oahu, sein Haus am Fuße des Ätna in Sizilien oder die luxuriöse Blockhütte ganz tief in den Wäldern von Nuuk in Grönland. Kein anderer Job auf der Welt würde es ihr bieten können, so in der Welt herumzukommen, dafür nahm sie gern die eine oder andere Laune ihres Chefs in Kauf – der obendrein auch noch verboten gut aussah. Okay, Noah war ihr gegenüber oft unfair, gemein und verhielt sich wie ein Arschloch. Aber wenn sie mitbekam, wie viele ihrer Freundinnen ihre Jobs verloren und dann oft monatelang nach etwas Neuem suchten, bisweilen nichts fanden, dann war sie froh, dass ihre Anstellung sicher war. Auch wenn sie einen der fiesesten Bosse hatte, die man sich vorstellen konnte. Und … einen der Bestaussehenden. Als Arya ihre Stelle bei Noah angetreten hatte, hatte sie zunächst tatsächlich jedes Mal Bauchkribbeln bekommen, wenn er sie angesprochen hatte. In ihrer unendlichen Naivität hatte sie seinerzeit wirklich geglaubt, das Hollywoodmärchen vom heißen Boss, der sich in seine Assistentin verknallt, könnte tatsächlich für sie wahr werden. Natürlich war sie sehr rasch auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Tatsache Nummer eins: Sie war absolut nicht Noah Harts Typ. Der stand eher auf den billigen Silikontyp von Frau, mit viel Plastik im Körper, aber wenig Gehirnmasse im Kopf. Im Laufe der Jahre hatte Arya so einiges mitbekommen, was ihr Boss mit seinen Dates abzog. Mit einigen der Damen hatte sie sogar für ihn „Schluss machen“ müssen, und nicht selten war es vorgekommen, dass er ein Date vom Sicherheitsdienst der Firma entfernen ließ, wenn er ein Exempel statuieren oder einfach seine Macht demonstrieren wollte. Es war verrückt. In der einen Minute hörte man noch verzückte Sexgeräusche aus Noahs – abgeschlossenem – Büro, in der nächsten rückte bereits die Security an und begleitete eine meist verheulte und verdutzte Frau, deren Haare zerzaust waren und deren Bluse falsch zugeknöpft war. Am Ende des Tages hatte Noah Hart aber einfach keinen Respekt vor Menschen allgemein und vor Frauen im Besonderen. Und Arya … hatte keinen Respekt vor den Frauen, die sich auf ihn einließen. Die ihn bisweilen anbettelten, ihnen noch eine Chance zu geben, wenn er sie absägte. Die wortwörtlich vor ihm auf die Knie fielen und ihm versprachen, so sein zu können, wie er sie haben wollte. Die sich einen Arm absägen würden dafür, die Frau an der Seite von Noah Hart zu sein. Einmal hatte eine Frau ihm angeboten, das Sorgerecht für ihre Kinder auf den Kindsvater zu übertragen, als Noah ihr eiskalt mitgeteilt hatte, dass er kein Interesse an Frauen mit Kindern hatte. Arya hatte nicht in Worte fassen können, was sie dieser Frau am liebsten in diesem Moment gesagt hätte. Ja, Frauen liebten Noah Hart und würden fast alles dafür tun, um ihn festzunageln. Der wiederum hasste es generell, sich festzulegen. Noah hatte immer gleich zwei, drei Frauen am Start, die er regelmäßig austauschte. Einmal hatte Arya mitbekommen, wie er einem Geschäftspartner gegenüber erwähnt hatte, dass seine Frauen nicht altern würden. Auf Nachfrage hatte er voller Stolz erklärt, dass er Frauen grundsätzlich austauschen würde, sobald sie die fünfundzwanzig überschritten. Wenn sie es sich recht überlegte, würden für ein Wochenende mit diesem Mistkerl ein paar Donuts und Muffins nicht ausreichen. Sie würde eine ganze Bäckerei benötigen.

„Ich nehme zwei Stück von dieser Schokotorte da vorne“, sagte Arya, als sie wenige Augenblicke später vor dem Tresen stand und sich in einem Zucker-Wunderland befand. „Und dann eine Neunerbox Donuts – die mit Schokocremefüllung.“

„Hast du vor, dich ins Zuckerkoma zu befördern?“, fragte Sadie und sah ihrer besten Freundin dabei zu, wie sie ihren Einkauf bezahlte.

„Ich glaube, ich werde das brauchen. Ein ganzes Wochenende mit Noah. So viel Zucker kann ich gar nicht zu mir nehmen, als dass es zu viel wäre. Wie ich ihn kenne, gibt es nur irgendwelches geschmackloses Gesundheitszeug. Und haufenweise Alkohol in seiner Speisekammer. Ich muss mich also selber versorgen.“ Sie grinste. „Außerdem, was sollte ich in einem fremden Haus an einem fremden Ort abends sonst machen, als es mir gut gehen zu lassen, einen Film zu gucken und dabei Donuts zu verdrücken?“, fragte sie. Sadie sah sie an. „Da gibt es tausend Möglichkeiten. Film gucken und Donuts verdrücken kannst du zu Hause auch. Sieh dir die Stadt an, unternimm etwas. Geh online und such dir ein Date. Vielleicht angelst du dir einen dieser Hamptons-Milliardäre.“ Sie lachte. Arya verdrehte die Augen. Von Dates hatte sie ohnehin die Nase voll. Sie war jetzt seit zwei Jahren Single und hatte während dieser Zeit ein paar Männer kennengelernt. Natürlich war sie auch auf Tinder gewesen, hatte ihre Erfahrungen gesammelt und sich sehr bald aus dem ganzen Datingdschungel zurückgezogen. Obwohl sie gerade zweiunddreißig war, war dieser ganze oberflächliche Kram nichts für sie. Ihr war völlig bewusst, dass sie keine Chance hatte, wenn sie keinen Wert auf Oberflächlichkeiten legte. Aber wenn jemand sie nicht um ihrer selbst willen gernhatte, dann blieb sie eben lieber allein.

„Hey, das hier wäre doch was, guck mal“, sagte Sadie, während Arya eine große Tüte mit allerlei Leckereien von der Verkäuferin überreicht bekam.

„Was?“ Sie warf einen beiläufigen Blick auf das Handy ihrer besten Freundin.

„Die haben ganz in der Nähe von Noahs Villa ein Dinnerdate in the Dark. Wäre das nicht etwas für dich?“

„Was ist ein Dinnerdate in the Dark?“, fragte Arya, packte ihr Portemonnaie ein und konnte sich ungefähr vorstellen, worum es dabei ging.

„Ein Blind Date mit einem Fremden im Dunkeln. Ihr lernt euch kennen und esst miteinander, unterhaltet euch, flirtet. Wie ein normales Date, mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass ihr euch erst am Ende des Abends ansehen könnt, weil es während eurer Verabredung stockdunkel sein wird. Das wäre doch großartig für dich. Immerhin hast du dich immer darüber beklagt, dass Tinder & Co. so oberflächlich sind.“

„Was für ein Blödsinn. Wer macht denn so was?“, fragte Arya. Von Blind Dates hatte sie generell die Nase voll. Mit Schaudern dachte sie an die paar Gelegenheiten zurück, an denen sie sich tatsächlich zu einem Blind Date hatte überreden lassen. Meist sahen die Typen ganz anders aus als auf ihren Bildern. Noch schlimmer aber war, dass es sich bei einem Großteil der Kerle um verrückte Soziopathen handelte, die allesamt einen Knall hatten. Entweder sammelten sie Dates und Frauen wie verrückt oder waren nur auf der Suche nach einem Seitensprung, weil sie in einer Beziehung festgefahren waren, die sie längst nicht mehr interessierte. Nach einigen Monaten auf einschlägigen Plattformen war für Arya klar, dass Onlinedating und Blind Dates a) nur Lug und Trug waren und b) in keinem Fall funktionierten.

„Du“, Sadie grinste, „ich habe dich gerade dazu angemeldet.“

„Wie bitte? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Melde mich sofort wieder ab.“

„Ach komm schon, Arya, du kannst es dir ja überlegen. Es ist bestimmt unglaublich spannend, ein Date mit einem Fremden im Dunkeln zu haben. Und so sitzt du wenigstens nicht in deinem Zimmer rum und schlägst Zeit tot. Du sagtest doch, dass du das Wochenende ohnehin nur arbeiten wirst. Warum gönnst du dir selbst nicht etwas Spaß?“

Arya verzichtete darauf, Sadie zu erklären, dass jegliche Form von Blind Dating völlig sinnlos war und sie einen Abend mit Donuts und einem Film definitiv vorzog. Die beiden Freundinnen waren in dieser Hinsicht völlig unterschiedlich.

„Du kannst mich wieder abmelden. Ich gehe da bestimmt nicht hin“, sagte sie voller Überzeugung. Vor dem Café hielt ein orangefarbener Ferrari mit quietschenden Reifen und brüllendem Motorsound, der die Blicke der Passanten und Gäste auf sich zog. Noah war vorgefahren. Für einen Milliardär wie ihn war es ziemlich ungewöhnlich, dass er selbst fuhr. Üblicherweise ließ er sich überallhin chauffieren. Dazu hatte er drei unterschiedliche Fahrer, die im Wechseldienst praktisch rund um die Uhr zu seiner Verfügung standen. Den Ferrari hatte er sich selbst gegönnt und der Wagen war vor gerade einmal einer Woche geliefert worden. Klar, dass er ihn da austesten wollte. Bei Noahs Autos lief das immer so. Er hatte einen ganzen Fuhrpark an Luxuskarossen, die in einer gläsernen, mehrstöckigen Garage direkt neben seiner Villa in Connecticut gehegt und gepflegt wurden. Viele dieser Wagen, die allesamt ein undenkbares Vermögen gekostet hatten, sahen niemals auch nur einen Zentimeter Straße. Es ging Noah lediglich darum, sie zu besitzen und damit anzugeben, dass er sie hatte. Dass er bei dem Ferrari eine Ausnahme machte und ihn tatsächlich den ganzen Weg hinaus zu den Hamptons fuhr, war etwas Besonderes.

„Die Kavallerie ist da“, sagte Arya und rollte mit den Augen. Sie konnte sich ungefähr eine Million Dinge vorstellen, die sie lieber getan hätte, als mit Noah auf ein Arbeitswochenende zu fahren. Sich eine Wurzelbehandlung ohne Narkose und von einem 89-jährigen Zahnarzt mit Parkinson geben zu lassen, zum Beispiel.

„O Mann. Er ist so heiß“, sagte Sadie, als sie in den Wagen blickte. Noah telefonierte offensichtlich und gestikulierte wild mit den Händen. Er war ziemlich emotional und intensiv bei allem, was er tat. Und wirkte, als würde er jede Sekunde seines Daseins unter Strom stehen. Noch nie in den vier Jahren, in denen Arya für Noah arbeitete, hatte sie ihn entspannt erlebt. Sie war sich sicher, dass er einer der Menschen war, die das Wort „entspannen“ nicht einmal kannten.

„Er ist einer der größten Psychopathen, die herumlaufen“, flüsterte Arya. Obwohl Noah immer noch am Telefon war, wollte sie um keinen Preis, dass er hörte, wie sie über ihn sprach. Aber im Grunde hatte Sadie recht. Noch nie im Leben war ihr ein optisch derart attraktiver Mann wie Noah Hart begegnet. Er war alles, was eine Frau sich nur wüschen konnte. Groß, muskulös. Sein markantes Gesicht war so attraktiv, dass man beinahe schon von Schönheit sprechen konnte. Dennoch wirkte er nicht puppenhaft oder wie ein Junge. Er war durch und durch Mann. Und das strahlte er auch aus. Mit seinen tiefgründigen grünen Augen und den fein geschwungenen Lippen, die stets von einem Bartschatten umrahmt wurden, machte er es einem ziemlich schwer, ihn nicht permanent anzustarren. Unter den maßgeschneiderten Designerhemden, die er praktisch ständig trug, lugte hin und wieder ein Ausläufer des Tattoos hervor, das quer über seine ganze Brust prangen musste. Ganz zu Anfang, als sie noch nicht wusste, für was für einen Mistkerl sie überhaupt erst arbeiten würde, hatte Arya die verrücktesten Gedanken darüber gehabt, wie sie ihm das Hemd vom Körper riss und das Tattoo mit ihren Fingerspitzen nachzeichnete. Als sie Noah jedoch besser kennengelernt hatte, hatte sie diese Ideen allesamt schnell verworfen. Er sagte ihr förmlich in Dauerschleife, dass sie unattraktiv und fett sei, obwohl das weder stimmte, noch mit ihrer Qualifikation als Assistentin zu tun gehabt hätte. Einer Freundin hätte sie längst geraten, zu kündigen, doch die Spitzen, die Noah gegen sie fallen ließ, gingen mittlerweile bei einem Ohr rein und beim anderen wieder raus. Außerdem wusste sie ja selbst, dass sie meilenweit von dem Typ Frau entfernt war, den Noah bevorzugte. Die fünfundzwanzig hatte sie außerdem ohnehin längst überschritten. Und selbst als sie acht gewesen war, hatte sie wohl schon mehr Pfunde auf die Waage gebracht, als die klapperdürren Models, die sich zwischen seinen Laken abwechselten. Dabei war Arya mit ihrem Aussehen selbst ziemlich zufrieden. Ja, sie trug keine Size Zero, dafür aber eine gute, kurvige 38, die hin und wieder auch schon an der 40 kratzte, was sie aber nicht weiter störte. Ihre Großmutter hatte immer gesagt, von einer hübschen Frau könne nie genug da sein, und in diesem Punkt gab Arya Oma Richardson recht. Außerdem hielt sie nichts davon, sich ständig zu kasteien und Kalorien zu zählen. Dafür aß sie selbst viel zu gerne und ihre Leidenschaft für alles Süße und Schokoladige würde sie ohnehin niemals ablegen können. Arya war ein hübsches Mädchen. Sie hatte dunkles, welliges, langes Haar und blaue Augen. Sie selbst fand ihre Optik völlig in Ordnung. Ob Noah Hart sie attraktiv fand oder nicht, war ihr mittlerweile egal.

„Was ist? Wollen Sie da Wurzeln schlagen oder schwingen Sie Ihren breiten Arsch jetzt hier herunter?“ Noah war aus dem Wagen gestiegen und herrschte Arya in altbekannter Manier an. Passanten drehten sich nach ihm um, und es war nicht zu erkennen, ob sie das deshalb taten, weil sie seine Beleidigungen gehört hatten oder weil er so unsagbar gut aussah. Noah Hart zog Blicke auf sich, so war das eben.

„Überleg dir die Sache mit dem Date“, sagte Sadie.

„Nie im Leben“, erwiderte Arya, drückte sie kurz und trug dann ihre Reisetasche nach unten auf den Bürgersteig. Der Kofferraum des Wagens öffnete sich wie von Zauberhand, und Arya bemerkte, dass ihre Tasche dort drin keinen Platz finden würde. Es gab ohnehin kaum Fläche in diesem Kofferraum, und die wenige, die vorhanden war, war mit Koffern und Taschen von Noah vollgepackt. Sie seufzte und öffnete die Beifahrertür.

„Es gibt hinten leider keinen Platz mehr für meine Tasche“, sagte sie.

„Was nehmen Sie auch so viel Kram mit“, bemerkte Noah. „Wenn man Sie so ansieht, bekommt man nicht gerade den Eindruck, als würden Sie sonderlich viel Wert auf Ihr Aussehen legen. Oder ist Ihre Tasche voll mit Kartoffelchips und Süßkram?“

Arya hörte gar nicht hin. Derartige Aussagen waren bei Noah an der Tagesordnung. Sie stieg in den Ferrari und stellte die Tasche zwischen ihre Beine in den Fußraum, penibel darauf achtend, nur ja kein Körnchen Straßenstaub mit ins Innere des Wagens zu nehmen. Dass er sich darüber beklagte, dass SIE viel Zeug mitnahm. Zunächst einmal hatte sie nur diese eine Tasche und nicht zwanzig, so wie er. Und außerdem duldete er nicht, dass sie zwei Outfits oder auch nur Teile eines Outfits an aufeinanderfolgenden Tagen trug. Sie hatte also mindestens vier Outfits benötigt, ein weiteres zur Reserve. Unterwäsche und einen Pyjama eingepackt. Etwas Make-up und Shampoo. Und ihr Notebook, das sie für die Arbeit brauchte. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, was Noahs Dates alles zu so einem Wochenende mitnehmen würden. Die würden vermutlich einen eigenen Wagen für ihre Einkäufe brauchen. Die Tüte mit den Donuts nahm sie auf ihren Schoß.

„Was ist da drin? Laufen Sie jetzt schon wie eine Obdachlose mit Papiertüten durch die Gegend?“, fragte Noah.

„Das sind …“ Arya seufzte. Sie wusste, was jetzt kam. „Das sind Donuts, Mr. Hart. Möchten Sie vielleicht einen?“

Noah verdrehte die Augen. „Und Sie wundern sich, warum Sie keinen Kerl abbekommen. Ich meine, dafür, dass Sie nicht aussehen wie eine Königin, können Sie ja nichts. Aber Sie tun offenbar alles dafür, um auf Männer unattraktiv zu wirken. Mein Gott. Stopfen sich Zucker und Fett in Massen rein. Haben Sie denn überhaupt keine Selbstachtung?“

Arya sagte nichts. Es war ja nicht neu für sie, dass Noah an ihr herummeckerte, weil er mit sich selbst nicht zufrieden war. Und dieser Zustand umgab ihn praktisch dauerhaft.

„Kommen Sie nur ja nicht auf die Idee, diesen Mist in meinem Wagen zu essen. Glauben Sie mir, Sie könnten sich noch nicht einmal die Reinigung für einen Wagen wie diesen hier leisten. Außerdem will ich den Gestank von Fett und Zucker nicht dauernd in der Nase haben. Es reicht ja, wenn ich Ihr billiges Parfum riechen muss.“

„Natürlich nicht“, sagte Arya. In Gedanken ließ sie sich auf ein Wortgefecht mit Noah ein, sagte ihm, was für ein frustrierter, bekloppter Idiot er war. Dass ihr Parfum – Chanel No. 5 – bestimmt kein billiges Duftwasser war und dass er einfach lernen sollte, andere Menschen mit ein bisschen mehr Respekt zu behandeln. Schon unsagbar oft hatte sie vorgehabt, ihm so richtig die Meinung zu geigen, doch sie wusste, dass sie ihren Job los sein würde, würde sie auch nur wagen, ein einziges Widerwort zu geben. Erst recht bei einem Thema wie diesem. Sie hielt die Tüte ein bisschen fester, wie um gewährleisten zu wollen, dass nur ja kein Hauch von Duft herausströmte, und sah zum Fenster hinaus.

Die Fahrt dauerte knapp eineinhalb Stunden, wenngleich sie üblicherweise etwa zwei Stunden in Anspruch nahm. Noah legte keinen Wert darauf, sich an Tempolimits oder Geschwindigkeitsbeschränkungen zu halten. Er hatte genug Geld, um die Geldstrafen zu bezahlen, die er regelmäßig bekam. Offenbar machte es ihm auch Spaß, auf diese Art und Weise zu zeigen, dass er zum Teil sogar über dem Gesetz stand. Mehrfach hatte es schon Verfahren gegeben, in denen es darum ging, ihm den Führerschein für eine Weile abzunehmen. Aber auch hier hatten seine Anwälte ihn vor Schaden bewahrt. Und selbst wenn er seinen Führerschein für ein paar Wochen oder Monate los gewesen wäre, er würde dennoch fahren. Gesetze gab es für Noah Hart kaum.

Die ganze Fahrt über sprach Noah kein Wort mit Arya. Nachdem sie Manhattan verlassen hatten und er auf den Highway aufgefahren war, hatte er Musik angemacht. Industrial Techno in einer Lautstärke, die Aryas Trommelfell auf eine sprichwörtliche Zerreißprobe stellte. Es fühlte sich himmlisch an, als sie vor Noahs Anwesen, das sich direkt am Strand befand, ankamen, er den Motor ausstellte und die Musik verstummte. In den ersten Augenblicken hatte Arya immer noch ein Dröhnen im Ohr. Wenn sie wegen ihres Chefs jetzt auch noch einen Tinnitus bekam, würde sie aber auf die Barrikaden gehen.

„Bringen Sie mein Zeug ins Hauptschlafzimmer. Sie schlafen in einem der Gästezimmer.“ Ohne ein weiteres Wort ließ Noah sie stehen und verschwand im Inneren des Hauses. Arya sah es sich von außen an. Es war wunderschön, so wie alles, was Noah entwarf, auch wenn es absolut untypisch für ihn war. Dieses Haus hier … verströmte Wärme und Zufriedenheit. Noahs Gebäude waren eigentlich immer sehr imposant, glatt und kalt. Er mochte den Bauhaus-Stil. Für sie war es schier unglaublich, dass jemand, der so schöne, perfekte, harmonische Gebäude erdachte, ein so schrecklicher Mensch sein konnte. Das Haus in den Hamptons war keine derartige Luxusvilla, so wie Noah sie anderswo unterhielt, nichtsdestotrotz aber war es ein stattliches Anwesen. Das Dach war dunkel gedeckt und die Fassade aus grauem Schiefer mit hellen Fenstern. Im Gegensatz zu den sonst sehr modernen Bauten, die Noah schuf, war dieses Haus … heimelig. Wohnlich. Arya liebte Noahs Arbeiten, doch immer, wenn sie eines seiner Gebäude besichtigte, stellte sie fest, dass sie darin kaum würde leben können. Alles war so clean, so schick. Man kam sich vor, als würde man das Haus entwerten, sobald man nur einen Fuß hineinsetzte, und sie wagte kaum, etwas zu berühren, geschweige denn, sich hinzusetzen. Die meisten von Noahs Gebäuden übten diese Form von Respekt schon aus, wenn man nur davorstand. Das Haus hier … nicht. Ganz im Gegenteil, es wirkte gemütlich und einladend, und das Erste, was Arya in den Sinn kam, war, es weihnachtlich zu dekorieren oder in dem großen Garten ein Sommerbarbecue zu veranstalten. Schon immer war sie jemand gewesen, der ab der ersten Sekunde wusste, wo er glücklich werden konnte. Das war bei ihrem Appartement und in ihrem Viertel so gewesen und das war auch hier der Fall. Sie wusste, dass dies ein Haus war, in dem sie sich wohlfühlen konnte, und war heilfroh, dass Noah sie nicht in eines seiner ultramodernen Smarthomes gebracht hatte. Sie warf noch einen Blick auf das Meer, das sich hinter dem Haus erstreckte, und machte sich dann daran, Noahs Gepäck hineinzutragen.

Auch das Innere des Hauses überwältigte Arya. Sie wusste, dass Noah den sogenannten Bauhaus-Stil bevorzugte, also klare Linien, schlichtes Design, kein Schnickschnack. Das Haus hier tanzte, was seinen Geschmack betraf, so richtig aus der Reihe. Es war wie ein gemütliches Landhaus eingerichtet, überall gab es Bücherregale, Kommoden mit viel Deko und tiefe, gemütliche Sofas, in denen man richtig versinken konnte. Es war durch und durch im Shabby-Schick eingerichtet. Ein Stil, den Arya liebte. Anstelle der weißen Marmorböden, die Noah in seinen Privatanwesen verlegen ließ und von denen der Quadratmeter teurer war als die monatliche Miete für ihr Appartement, gab es hier einen Holzboden, der bestimmt schon so einiges gesehen hatte. Das Holz und die vielen Teppiche verliehen dem Haus einen gemütlichen Touch. Zu gerne wäre Arya auf Entdeckungsreise gegangen und hätte sich alles ganz genau angesehen. Doch gerade als sie mit dem Gepäck zur Tür hereingekommen war, hatte Noah schon gerufen und ihr vorgeworfen, sie solle bloß nicht herumtrödeln, denn schließlich bezahlte er sie ja fürs Arbeiten und nicht fürs Löcher-in-die-Luft Starren.

ZWEI

Arya hatte nicht übertrieben, als sie Sadie davon erzählt hatte, wie arbeitsreich dieses Wochenende wohl werden würde. Noah hatte sie beide im Arbeitszimmer des Hauses mit Arbeit förmlich begraben. Aber so war es immer, wenn er sich in einer kreativen Phase befand. Und jetzt befand er sich nicht nur in einer kreativen Phase, er stand auch noch unglaublich unter Druck. Der Ölmilliardär Earl Crowley hatte ihn damit beauftragt, dessen Hauptquartier in Dallas zu bauen. Ein Gigaauftrag, der Noah nicht nur enorm viel Geld, sondern auch mindestens genauso viel Ansehen einbringen würde. Das eine und auch das andere brauchte er prinzipiell nicht, aber er war ein Mensch, der sich selbst permanent beweisen musste, dass er über sich hinauswachsen konnte. Dass er mit Abstand der Beste in der Branche war. Diesen Ruf würde er sich niemals ablaufen lassen, solange er atmete. Der Auftraggeber, Earl Crowley von Crowley Oil Incorporated, galt als wankelmütig und schwierig, und so war es kein Wunder, dass nur Noah, der von sich selbst ebenso viel hielt wie Earl Crowley von sich, das Angebot annahm, das neue Hauptquartier zu entwerfen. Eigentlich war alles gut gegangen, doch vor zwei Wochen hatte Crowley Noah in einem Memo mitgeteilt, dass er nun doch nicht den fixen Zuschlag für den Bau des Headquarters erhalten würde, sondern dass er mit einem zweiten Architekten, nämlich Jeff und Jack Keene, einem Bruderpaar aus Kalifornien, um den Deal kämpfen musste. Crowley hatte Noahs alte Entwürfe völlig über den Haufen geworfen und ihn beauftragt, ein ganz neues Konzept zu erstellen, obwohl er seine Erstentwürfe zunächst über den grünen Klee gelobt hatte. Jetzt hatte er Noah eine Frist von acht Wochen gegeben, in denen er ein völlig neues Konzept erarbeiten musste – Irrsinn, wenn man den Umfang des Projektes betrachtete. Üblicherweise dauerte es Monate, so ein Projekt aufzustellen. Und genauso lang hatte Noah auch an dem Erstentwurf gearbeitet. Jetzt von ihm zu verlangen, dass er innerhalb von acht Wochen ein neues Projekt aus dem Ärmel schüttelte, war lächerlich. Natürlich hätte er auch einfach absagen können, denn das Geld, das der Auftrag einbrachte, brauchte er keineswegs. Doch es ging ihm darum, sich selbst zu beweisen, dass er immer noch der Beste in der Branche war. Dass er derjenige war, der es packte, ein solches Mammutprojekt innerhalb von nur zwei Monaten auf die Beine zu stellen. Schaffte er das nicht, würde er den Auftrag an die Keene-Brüder verlieren, und genau deshalb stand er jetzt auch so derart unter Strom. Arya wusste, dass es Noah nicht ums Geld ging. Es war wie immer eine Demonstration von Macht, wenn er unter diesem Druck ein großartiges Projekt entwickelte und die Konkurrenz dabei in den Schatten stellte. Ganz bestimmt war er einer dieser Männer, die alles in ihrem Leben erreicht hatten und sich nur noch über derartige Machtdemonstrationen beweisen konnten.

---ENDE DER LESEPROBE---