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Eigentlich soll sie Daniel Conelly,den angehenden Fürsten von Altaria, in der strengen Hof-Etikette unterweisen - jetzt spielt plötzlich er den Lehrer. Und seine Lektionen zum Thema "Küssen" sind so aufregend, dass Erin beinahe ihren ganz speziellen Auftrag vergisst ...
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Seitenzahl: 176
IMPRESSUM
Heiße Küsse – streng nach Protokoll erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2002 by Harlequin Books S. A. Originaltitel: „Tall, Dark & Royal“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 285 - 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format in 05/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733768904
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Frohe Weihnachten. Du bist der neue Herrscher von Altaria.
Es schneite leicht, als Daniel Connelly aus dem Fenster seiner Eigentumswohnung in einem Wolkenkratzer in Chicago blickte und die Worte seiner Mutter zu begreifen versuchte. Welcher Amerikaner konnte schon von sich behaupten, eine Prinzessin zur Mutter zu haben, auch wenn Emma Rosemere Connelly für Daniel immer einfach seine Mom gewesen war.
Vor fünfunddreißig Jahren hatte sie auf ihren Titel verzichtet, um seinen Vater heiraten zu können. Doch die hoheitliche, würdevolle Haltung, die ihr in den Jahren als Prinzessin von Altaria anerzogen worden war, hatte sie nie abgelegt. Selbst jetzt, nachdem sie gerade die Nachricht ereilt hatte, dass ihr Vater und ihr Bruder bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen waren, saß sie völlig gefasst neben ihrem Mann auf der braunen Ledercouch.
„Sag das bitte noch einmal, Mom“, bat Daniel und sank auf seinen Lieblingssessel.
Seine Mutter ergriff seine Hände und beugte sich zu ihm. Ihre kalten Finger und der Schmerz in ihren blauen Augen verrieten ihre Gefühle. Sie lächelte traurig. „Ich habe dir viel von Altaria erzählt. Du bist sogar schon oft dort gewesen.“
Daniel nickte, als ihm vage die Kindheitserinnerungen durch den Kopf schossen. „Ich habe Altaria als eine wunderschöne Insel vor der italienischen Küste mit einem tollen Strand in Erinnerung. Aber wie kann ich der neue Herrscher werden?“
„Die Verfassung von Altaria sieht vor, dass nur ein männlicher Nachkomme die Regentschaft übernehmen kann. Mein Vater und mein Bruder sind tot“, sagte sie und drückte in einem verräterischen Moment tiefer Trauer seine Hand.
Aus den Augenwinkeln heraus sah Daniel, dass sein Vater tröstend den Arm um die Schultern seiner Mutter legte. Sie fuhr fort: „Mein Bruder hat nur ein Kind, eine Tochter. Catherine. Keine Söhne.“
Daniel erinnerte sich der Klatschgeschichten, die er im Laufe der Jahre über seinen Onkel Prinz Marc gehört hatte. „Ich will ja nicht schlecht über Tote sprechen, aber bist du wirklich sicher, dass Onkel Marc nicht noch weitere Kinder hat? Wenn es stimmt, was man so gehört hat, ließ er doch nichts anbrennen.“
Sein Vater hätte sich fast verschluckt.
Seine Mutter runzelte die Stirn. „Daniel“, wies sie ihren Sohn scharf zurecht. „Marc hatte vielleicht seine Fehler, aber er hätte nie ein eigenes Kind verleugnet. Du bist der alleinige Thronerbe.“
Daniels Gedanken wirbelten durcheinander. Nie hatte er einen Gedanken daran verschwendet, dass er einmal der Herrscher eines kleinen Fürstentums sein könnte. Er war jetzt vierunddreißig Jahre alt, in Chicago geboren und aufgewachsen, und war immer davon ausgegangen, dass er sein Leben in Amerika verbringen würde. Dann betrachtete er seinen Vater. Grant Connelly hatte die Textilfabrik der Familie übernommen und zu einem gigantischen Unternehmen ausgeweitet. Seine Leidenschaft hatte immer dem Geschäft gehört.
Daniels nicht.
Er war im College ein erfolgreicher Sportler gewesen, und als Leiter der Marketingabteilung von Connelly Corporation war er ebenfalls sehr ehrgeizig und erfolgsorientiert. Und doch hatte ihn das Gefühl gequält, dass seinem Leben irgendetwas fehlte. War dies die Antwort?
Fürst? Gott steh ihm bei.
Er blickte zu seinen Eltern und schüttelte den Kopf. „Fürst?“
Sein Vater nickte und beugte sich vor. „Du hast die besten Voraussetzungen, um ein Land zu regieren. Aber es ist deine
Entscheidung, ob du diesen Weg wirklich gehen willst.“
Seine Mutter drückte wieder seine Hand. Sie blickte ihn mit einer Mischung aus Stolz und Sorge an. „Überleg es dir gut. Mein Vater hatte weitreichende Planungen für Altaria. Als er das Rosemere Institut zur Erforschung neuer Möglichkeiten in der Krebsbekämpfung gründete, hat er nicht nur meiner Mutter ein wunderbares Denkmal gesetzt, sondern auch Altaria in das Zeitalter der Wissenschaft geführt. Es birgt eine große Verantwortung, das Fürstentum zu regieren. Und wenn du dieses Amt übernimmst, ändert sich dein Leben für immer.“
Ich komme zu spät, dachte sie, dabei kann ich doch es eigentlich nicht erwarten, meine Mission kennenzulernen. Erin Lawrence biss sich bei diesem Lapsus auf die Lippe. Meine Mission anzutreten, korrigierte sie sich im Geiste. Seine Hoheit schätzte es sicherlich nicht, als Mission betrachtet zu werden. Auch wenn es der Wahrheit entsprach.
Erin rückte ihren Hut zurecht und zeigte dem Wachmann im Erdgeschoss des Wolkenkratzers, in dem Daniel Connelly wohnte, ihren Ausweis. Trotz ihres Jetlags verspürte sie gespannte Vorfreude, als sie in den Fahrstuhl trat. Schon bei ihrer Ankunft war ihr trotz der Dunkelheit aufgefallen, wie sehr sich die Architektur in Chicago von den mediterran anmutenden Häusern in ihrem Heimatland Altaria unterschied.
Die Fahrstuhltüren glitten leise zur Seite, und Erin ging den Flur entlang zu Daniel Connellys Eigentumswohnung. Sie hob die Hand, um zu klingeln. Ihr Herz begann laut zu schlagen, und sie holte noch einmal tief Luft. Was für ein Moment! Gleich würde sie dem Thronfolger von Altaria gegenüberstehen.
Sie straffte die Schultern, drückte mit dem Zeigefinger die Klingel und wartete. Und wartete.
Ein Hund bellte im Hintergrund.
Sie zählte bis zwanzig. Dann klingelte sie noch einmal und wartete weiter.
Der Hund hörte nicht auf zu bellen.
Die Tür wurde geöffnet, und ein großer Mann mit zerzausten Haaren und grünen Augen starrte sie an. Seine Brust war nackt und muskulös, und das einzige Kleidungsstück, das er trug, war eine Pyjamahose, die tief auf seinen schmalen Hüften hing. „Sie haben geklingelt?“
„Vielleicht habe ich an der falschen Tür …“ Sie verstummte, total fixiert auf seine breiten Schultern und die nackte Haut. Die leichte Brustbehaarung verjüngte sich zur Hüfte hin und verschwand schließlich unter dem Hosenbund. Er lehnte lässig am Türrahmen und erweckte den Eindruck, als hätte er kein Problem damit, einer Frau halbnackt die Tür zu öffnen. Er gehörte zu den Männern, vor denen sie auf dem Mädchenpensionat eindringlich gewarnt worden war. Der Typ Mann, der die bösen Mädchen inspirierte, nachts aus den Fenstern zu klettern.
Erin riss sich von dem beeindruckenden Anblick los und prüfte die Wohnungsnummer. Nein, sie hatte sich nicht geirrt. Sie schluckte. „Hoheit?“, fragte sie leise.
Er nickte langsam, als ihm dämmerte, wer vor ihm stand. „Sie müssen Erin Lawrence sein, die Frau, die mir Manieren beibringen soll.“
„Höfische Etikette, Sir. Ich bin Ihre Beraterin in allen Dingen, die Förmlichkeit und Rituale des Hofs betreffen“, sagte sie leicht irritiert über seine flapsige Beschreibung ihrer Position. Sie verbeugte sich leicht. „Ich stehe zu Ihren Diensten, Sir.“
Er taxierte ihren Körper mit einem Blick, der eine ungeheure Sinnlichkeit ausstrahlte. Erin hielt den Atem an, bis er ihr wieder ins Gesicht sah. „Eigentlich hatte ich Sie früher erwartet.“
„Ja, natürlich, Sir. Tut mir leid. Mein Flug hat sich verspätet.“
„Das kann passieren“, sagte er großzügig und hielt ihr die Tür auf. „Kommen Sie herein. Entschuldigen Sie, dass ich nicht anständig angezogen bin. Ich hatte heute neun Meetings. Deshalb habe ich mich früh in die Falle gehauen.“
Bevor Erin eintrat, blickte sie sich vorsichtig nach dem Hund um, der immer noch bellte. „Keine Angst“, beruhigte Daniel sie. „Ich habe Jordan weggesperrt, bevor ich an die Tür gegangen bin.“
„Jordan, Sir?“
„Zu Ehren Michael Jordans, dem besten Basketballspieler, den die Chicago Bulls jemals hatten, bis er vor ein paar Jahren leider seinen Rücktritt erklärt hat.“
Erin würde sich später über American Basketball informieren; das nahm sie sich in diesem Moment vor. Sie hatte keine Ahnung von dem Sport. Kaum war sie durch die Tür gegangen, blieb sie stehen und blickte Daniel erwartungsvoll an. „Das Protokoll schreibt vor, dass der Fürst vorangeht, Sir. Niemand darf dem Herrscher den Rücken zudrehen.“
„Oh.“ Er musterte sie noch einmal. „Schade eigentlich.“ Erin merkte, dass sie rot wurde. Sie hoffte inständig, dass er es nicht bemerkte. „Bitte, gehen Sie vor, Sir. Ich folge Ihnen.“
Daniel nickte und führte sie durch ein geräumiges Wohnzimmer mit einer modernen schwarzen Ledergarnitur und Glastischen. Sie folgte ihm in eine makellos saubere, gut ausgestattete Küche. Er öffnete den Kühlschrank und nahm eine Tüte Milch heraus. „Möchten Sie etwas trinken? Oder etwas essen? Ein Sandwich vielleicht?“
Der Mann ist sich seiner Stellung gar nicht bewusst, dachte Erin und fragte sich, inwieweit er sich verändern würde, wenn er anfing, von seiner Macht als Herrscher Gebrauch zu machen. Falls es überhaupt dazu kam. Daniel Connelly wirkte nicht wie ein Mann, der einen Titel nötig hatte, um Befehle zu erteilen. Sie starrte auf seine breiten Schultern und erwischte sich dabei, dass ihre Gedanken in eine unerlaubte Richtung wanderten. Schnell dachte sie an etwas anderes. Der Fürst bot an, ihr einen Drink oder ein Sandwich zu bringen. Das ging nun gar nicht. „Nein, danke, Sir.“
Er zog eine Grimasse. „Darf ich fragen, wie alt Sie sind?“
„Zweiundzwanzig, Sir.“
„Sie sind zwar noch jung, aber wir sind beide erwachsen. Müssen Sie immer ‚Sir‘ sagen?“ „Es gehört sich so, Sir.“ „Okay, wenn’s denn sein muss.“ Er seufzte und trank einen Schluck direkt aus der Milchtüte.
Erin riss entsetzt die Augen auf.
Daniel musste es gesehen haben, denn er grinste breit. „Keine Angst. Das war der Rest“, sagte er und warf die leere Packung in den Abfalleimer. Erin tat das, was ihr in den Jahren auf den besten Schweizer Internaten eingetrichtert worden war: Sie hielt den Mund geschlossen. Vor ihr stand schließlich der neue Fürst von Altaria – ein attraktiver Amerikaner mit einem Körper, bei dem jede Frau ins Schwärmen geriet, aber ohne jede Ahnung von höfischer Etikette. Seine Vorfahren würden sich im Grab umdrehen.
Gott steh Altaria bei.
Gott steh mir bei, dachte sie.
„Ich weiß nicht wirklich, in welcher Funktion Sie hier sind.“
„Ich soll Sie mit dem königlichen Protokoll vertraut machen und so viel wie möglich über Ihre Vorlieben erfahren, damit sich der Palast auf Ihre Ankunft vorbereiten kann, Sir.“
Er fuhr sich durch die Haare. „Was bedeutet ‚königliches Protokoll‘?“
„Traditionelle höfische Etikette, Sir. Es ist meine Aufgabe, Sie darin zu unterrichten, wie die Menschen von Altaria Ihnen begegnen werden, und welche Umgangsformen von Ihnen erwartet werden.“
Er seufzte wieder und rieb sich das Gesicht. „Benimmunterricht. Ich muss ihn irgendwo zwischen Flughafenerweiterungsplan und Budgetprüfung einbauen. Was halten Sie davon, wenn Sie sich erst einmal ein paar Tage von Ihrem Jetlag erholen? Und dann treffen wir uns.“
„Ich bin absolut in der Lage, meinen Pflichten sofort nachzukommen, Sir.“
„Ruhen Sie sich aus, und wir unterhalten uns morgen oder übermorgen.“
Erin hatte das Gefühl, dass er sie abwimmeln wollte. So ging es nicht. Ihr Vater, der Außenminister von Altaria, hatte ihr diese Aufgabe übertragen – trotz ihres nervösen Ticks, unter dem sie ihr Leben lang gelitten hatte. Sie durfte ihren Vater nicht enttäuschen. Dies war die Chance, eine engere Beziehung zu ihm aufzubauen. „Ich kann Ihnen sehr nützlich sein, Sir. Mein Vater ist der Außenminister von Altaria; ich bin also mit dem politischen Klima vertraut.“
Daniel Connelly betrachtete sie eingehend. „Okay. Ich rufe Sie an, sobald ich alle wichtigen Dinge erledigt habe.
Willkommen in Windy City. So wird Chicago im Volksmund genannt“, fügte er erklärend hinzu, als er ihren fragenden Blick sah.
„Danke, Sir.“
„Kann ich Ihnen wirklich nichts zu trinken anbieten?“
Seine Beharrlichkeit verwirrte sie. „Wirklich nicht, Sir. Danke.“
Er nickte und nahm das Telefon. „Dann bitte ich den Sicherheitsdienst, Ihnen ein Taxi zu rufen.“
„Das ist nicht nötig, Sir. Das kann ich allein.“
„Ich bin sicher, dass Sie das können, aber meine Erziehung lässt nicht zu, dass ich eine junge Dame auf die Straßen von Chicago schicke, ohne einen Wagen bestellt zu haben, der sie nach Hause bringt.“
Ein Gentleman? Gab es so etwas tatsächlich noch? Erin hatte so viele Männer kennengelernt, die hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt waren, dass sie kaum wusste, wie sie reagieren sollte. „Danke, Sir“, murmelte sie, als er dem Sicherheitsdienst telefonisch entsprechende Anweisungen gab.
Daniel führte sie zur Tür und hielt sie ihr auf. „Warum sprechen Sie mit britischem Akzent?“ „Ich war zwar auf einem Schweizer Internat, aber die Schulleiterin war Engländerin.“
„Ihr Auftreten ähnelt dem meiner Mutter.“
„Das nehme ich als großes Kompliment“, erwiderte sie. „Ich habe dasselbe Internat besucht wie sie. Prinzessin Emma ist bei den Menschen auf Altaria sehr beliebt und angesehen.“
„Obwohl sie auf ihren Titel verzichtet und einen derben amerikanischen Emporkömmling geheiratet hat?“
„Sie hat vielleicht offiziell auf ihren Titel verzichtet, aber in den Herzen der Altarianer ist sie immer eine Prinzessin geblieben.“
Daniel lachte. „Sie sind wirklich gut. Sind Sie sicher, dass Sie nicht PR-Expertin sind?“
„PR-Kenntnisse werden in meiner Position vorausgesetzt, Sir. Wie ich Ihnen jedoch schon sagte, gehört es auch zu meiner Aufgabe, herauszufinden, was Ihnen gefällt, damit Sie sich auf Altaria wohlfühlen.“
„Ich bin leicht zufriedenzustellen. Ein Basketballspiel mit den Chicago Bulls und ein Chicago Hotdog, und ich bin glücklich.“
Erin blinzelte und versuchte sich vorzustellen, wie der Palastkoch einen Chicagoer Hotdog zubereitete. Was auch immer das sein mochte. „Das werde ich mir merken, Sir.“
„Davon bin ich überzeugt. Gute Nacht.“
Daniel verzog das Gesicht, als er zwei Tage später seinen Anrufbeantworter abhörte. Drei Nachrichten kamen von Erin Lawrence, dieser gouvernantenhaften förmlichen Frau mit den tollen Kurven. Sie war so schrecklich anständig und korrekt, dass er sich in seiner Fantasie ausmalte, wie sie sein könnte, wenn sie ihre perfekten Manieren und ihre Kleidung ablegte. Daniel hatte jedoch auch bemerkt, dass Miss Lawrence zwar eine attraktive Frau war, aber auch den Eindruck von Unschuld, von einer verbotenen Frucht, erweckte.
Er hatte sie wirklich nicht abwimmeln wollen, doch bevor er sich auf sein Amt als Fürst von Altaria vorbereitete, musste er als Marketingleiter bei Connelly Corporation noch viel regeln.
Um die Kontinuität der Amtsgeschäfte zu sichern, trat der Nachfolger eines Herrschers normalerweise sofort die Regentschaft an. Doch der Außenminister hatte Daniel mitgeteilt, dass für seine Ankunft noch nicht alles vorbereitet war. Dieser wunderte sich zwar etwas, aber er stellte keine weiteren Fragen. Er hatte genug mit den Dingen zu tun, die in Chicago noch erledigt werden mussten. Insofern kam ihm die Verzögerung sehr gelegen.
Er blickte auf seinen randvollen Terminkalender, sah, dass er abends einen Termin frei hatte, und wählte die Nummer des Hotels, in dem Erin abgestiegen war. „Daniel Connelly“, sagte er, als sie sich meldete.
„Vielen Dank, dass Sie anrufen, Hoheit“, sagte sie förmlich, aber mit harmonisch modulierter Stimme.
Daniel fragte sich, was er anstellen musste, um sie aus dem Konzept zu bringen. Er überlegte auch, was für Dessous sie wohl trug, verdrängte den Gedanken aber sofort wieder.
„Entschuldigen Sie, dass ich mich erst jetzt melde. Aber ich hatte unzählige Termine, und heute sieht es auch nicht viel besser aus. Hätten Sie Zeit, mit mir zu Abend zu essen? Ich bestelle uns eine Pizza, und wir treffen uns bei mir.“
Es folgte eine lange Pause.
„Probleme?“
„Nein, Sir“, erwiderte sie zögernd.
„Ich höre Ihrer Stimme an, dass es ein Problem gibt, Miss Lawrence.“ Er wurde ungeduldig. „Was ist los?“
„Ich überlege nur gerade, ob es sich schickt, Ihnen in Ihren Privaträumen Unterricht in höfischer Etikette zu erteilen.“
„Haben Sie nicht gesagt, dass Sie Privatsphäre haben wollen?“
„Ja, Sir, aber …“
„Brauchen Sie eine Anstandsdame oder etwas in der Art?“
„Natürlich nicht, Sir“, erwiderte sie mit einer Spur Trotz in der Stimme. „Wir sehen uns also zum Dinner. Um wieviel Uhr?“
„Nicht so früh. Halb acht.“
„Sehr gut, Sir. Ich werde um halb acht bei Ihnen sein.“
>Daniel legte auf und seufzte laut, gerade als die Tür geöffnet wurde und sein Bruder Brad eintrat.
„Wie läuft’s, IM?“, fragte Brad und grinste breit. „Geht dir die ganze Geschichte schon auf die Nerven?“
Daniel warf seinem Bruder einen mürrischen Blick zu. „IM?“
„Abkürzung für Ihre Majestät“, erklärte Brad. „Die Presse macht Druck. Alle wollen ein Interview, aber ich müsste es eigentlich schaffen, dir die Journalisten noch etwas vom Hals zu halten.“
Brad war ein begnadeter Rhetoriker und damit die Idealbesetzung für den Job des PR-Chefs bei Connelly Corporation. Er besaß die Fähigkeit, die Presse so zu manipulieren, dass es dem Unternehmen zum Vorteil gereichte. Doch Brad war nicht nur wortgewandt, sondern auch ein Charmeur, der sein Singledasein im höchsten Maße genoss – eine Lebensweise, die für Daniel im Laufe der letzten Jahre immer mehr an Reiz verloren hatte.
„Glaubst du, dass Justin für die Welt des Marketings bereit ist?“, fragte Brad.
Ihr Bruder Justin war ruhig und verantwortungsbewusst und mehr als bereit, die Karriereleiter bei Connelly Corporation hinaufzuklettern. „Justin wird seine Sache hervorragend machen“, sagte Daniel voller Überzeugung.
„Wir werden dich alle vermissen, aber …“
„… aber ihr könnt es trotzdem nicht abwarten, bis ich endlich weg bin.“ Daniel lachte. Ob beim Sport oder im Geschäft, die Connelly-Brüder hatte immer eine Mischung aus Kameradschaft und Rivalität verbunden.
„Du hast fantastische Arbeit geleistet“, sagte Brad. „Versteh mich nicht falsch. Aber ich hatte immer den Eindruck, dass du etwas anderes willst. Glaubst du, das ist jetzt deine wahre Berufung?“
Daniel nickte, überrascht über die Erkenntnis seines Bruders. „Das muss es wohl sein. Ich will einfach daran glauben, dass es Schicksal ist. Solange ich zurückdenken kann, wollte ich immer etwas bewirken, und das nicht unbedingt in der Textilbranche.“
„Diese Altarianer haben verdammtes Glück, dass sie dich bekommen“, sagte Brad.
„Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt habe ich nicht das Gefühl, dass der Außenminister meine Ankunft herbeisehnt. Er sendet die Informationen, um die ich gebeten habe, nur sehr zögerlich, aber dafür hat er seine Tochter geschickt.“ Daniel verzog leicht das Gesicht.
„Tochter? Warum?“
„Höfische Etikette.“
Brad blinzelte kurz und brach dann in Gelächter aus. „Sie soll dir all die Dinge beibringen, die du nicht von Mom lernen wolltest.“
„Und noch mehr, fürchte ich.“ Daniel stöhnte. „Ich habe im Moment wirklich keine Zeit für solche Dinge, aber ich will auch nicht unhöflich sein.“
„Wie ist sie?“
„Ziemlich etepetete …“, sagte Daniel, „… aber mit einer Wahnsinnsfigur.“
„Dann bleibt es vielleicht nicht beim Unterricht …“
Obwohl ihn der Gedanke reizte, Erins Körper zu erforschen, schüttelte Daniel den Kopf. „Das wird wohl nichts.
Ich habe noch nie eine Frau gesehen, die so entschlossen war, mich zu kultivieren.“
Erin balancierte den großen Pizzakarton, zwei dicke Bücher über höfische Etikette und einem Bildband mit Uniformen auf den Armen. Mit dem Ellenbogen drückte sie den Klingelknopf zur Wohnung Seiner Hoheit. Da der Pizzabote gleichzeitig mit ihr eingetroffen war, hatte sie ihm die Pizza abgenommen.
Daniel öffnete die Tür, und Erin war einmal mehr beeindruckt von seiner Körpergröße.
„Warten Sie, ich helfe Ihnen …“
Gerade als er nach den schweren Büchern greifen wollte, schoss etwas Großes, Braunes quer durch den Raum und sprang an Erin hoch. Erin kam ins Stolpern und stürzte.
„Jordan, bei Fuß!“, brüllte Daniel.
Der Hund gehorchte sofort.
Erin schlug mit den Knien auf dem harten Boden auf, und ein stechender Schmerz durchfuhr ihren Körper. Unwillkürlich klammerte sie die Finger um die Pizzaschachtel. Entweder falle ich mit dem Gesicht auf den Boden oder auf den Pizzakarton, dachte sie gerade verzweifelt, als zwei starke Hände nach ihren Schultern griffen.
Daniel fluchte. „Tut mir leid. Jordan hat die Pizza gerochen und ist verrückt geworden. Die vielen Besucher in den letzten Tagen haben ihn verängstigt.“
Er hob sie hoch, als wäre sie leicht wie eine Feder, und trug sie zur Couch.
Erin spürte seine muskulöse Brust, die gegen ihre drückte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal getragen worden war, nicht einmal von ihrem Vater. Diese freundliche Geste brachte eine versteckte Saite in ihrem Inneren zum Schwingen und verwirrte Erin. Sie merkte, dass Daniel ihr den Pizzakarton aus der Hand nehmen wollte.
„Sie können die Pizza jetzt loslassen“, sagte er lächelnd.
Erin wurde bis über beide Ohren rot. „Oh, tut mir leid, Hoheit.“
„Ich wundere mich nur, dass Sie nicht alles fallen gelassen haben, als Jordan an Ihnen hochgesprungen ist.“
„Alles Übungssache, Sir. Egal, was passiert, lass niemals das Tablett fallen, wurde uns eingetrichtert.“
Daniel musste lachen. „Ihre Lehrer können stolz auf Sie sein.“ Er stellte den Pizzakarton hoch auf die Musikanlage und drehte sich zu dem Hund. „Du bekommst heute Abend zur Strafe keine Pizza. So behandelt man eine Dame nicht“, schimpfte er.
Erin betrachtete den zerknirscht wirkenden Hund. Das Tier war groß, hatte dunkle Augen, einen seelenvollen Blick und große Pfoten. „Was ist das für eine Rasse, Sir?“, fragte Erin neugierig. Der Hund sah aus wie eine Mischung aus Braunbär und Bulldogge.