Herzblutträume - Christina Gmeiner - E-Book

Herzblutträume E-Book

Christina Gmeiner

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Beschreibung

Gedichte, Drabbles, Geschichten Tauche ab zwischen Tinte und Magie und erlebe atemberaubende Fantasiewelten, erschreckende Realitäten und alles dazwischen. Lass dich von poetischen Worten zum Träumen und Nachdenken verleiten. 17 Autorinnen und Autoren haben ihr Herzblut gegeben, um diese einzigartige Anthologie zum Leben zu erwecken. Mit deinem Kauf schenkst du Tieren Hoffnung und ein Zuhause, denn der gesamte Erlös dieser Spendenanthologie geht an den Tierschutzverein "Häuser der Hoffnung e.V."

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Seitenzahl: 185

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Für unsere Samtpfoten Carlos, Samy und Feli

Hier findet ihr unsere Autor*innen

Unsere Autor*innen

Alex C. Weiss

Guido Ewert

Julia Abel

Kerstin Imrek

Sophie Abel

Christina Gmeiner

Yvonne Mitzel

Hailey M. Evanson

Christiane Kromp

Lina Sommerfeld

Ebby Calip

Motte

Ayleen Hammer

Jaqueline Schmidt

Angelika Gmeiner

Benjamin Gründinger

Nike Gigandet

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Herzblut

Ein neues Heim für Mila

Worte

Morgen wach ich in Utopia auf!

Märchenland

Sternenzauber

Die Traumweberin

Der Sommer

Ein Sommerabend bei den Kelten

Wunderschön

Fremde im Feenreich

Bunt

Das Abenteuer des Hermann Gerdes

Die Zuhörerin

Das Moor

Spiegel

Dann bist da wieder du

Beste Freundin

Mein Freund für alle Stunden

Zu dir

Der Weg zurück ins Leben

Das Leben

Der Krake

Der Wein

Die goldene Kraft

Der letzte Drache

Meeresregen

Haltet stand!

Der blutende Schwan

Tick tack

Wenn ich schreibe

Tintentränen

Content Notes

Danksagung

Unser Spendenziel

Über uns

Bücher der Herausgeberinnen

Vorwort

Hallihallo ihr Lieben!

Tiere sind die besten Freunde des Menschen. Sie lieben uns bedingungslos, ein Leben lang. Doch oftmals kann diesen Tieren nicht das Leben geboten werden, das sie verdienen. Sie werden in Tierheime gegeben, in der Hoffnung, dort gut aufgehoben zu sein. Diese versuchen alles, um den Tieren zu helfen und ihnen ein gutes und liebevolles Leben zu ermöglichen.

Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschieden, Häuser der Hoffnung e.V. mithilfe unserer Worte bei ihrer Herzensaufgabe zu unterstützen.

Unsere Geschichten und Gedichte sollen Euch eine Möglichkeit bieten, Tieren zu helfen und ihnen ein wundervolles Zuhause zu bieten.

Der Erlös unserer ersten Spendenanthologie wird somit zu 100% an Häuser der Hoffnung e.V. gehen, sodass Ihr mit Eurem Kauf den Tieren ein Lächeln auf die Schnauze zaubern könnt;)

Wir wünschen Euch ganz viel Freude bei unserem Herzblut-Werk und sind Euch unendlich dankbar, dass ihr uns bei unserem Projekt unterstützt!

Habt ganz viel Spaß beim Lesen!

Eure Christina und Julia

Herzblut

Alex C. Weiss

In mein Schreiben fließt mein Herz,

fließt meine Liebe und all mein Schmerz,

meine Welt in Worten verhüllt,

all mein Denken in Papier geknüllt.

Herzblut fließt in jeden Satz,

nichts davon ist für die Katz’,

ich schreib für mich, ich schreib für dich,

für das Gefühl auch sicherlich.

Ein Geschenk ist dieses Tun,

lasse meinen Stift nicht ruh‘n,

schreibe weiter Tag für Tag,

das ist, was ich so gerne mag.

Herzblut fließt in jeden Text,

manchmal ist es wie verhext,

Worte entstehen wie von allein,

ach könnte es doch immer so sein.

Ein neues Heim für Mila

Guido Ewert

Es war ein trüber Herbsttag, an dem mich meine Pfoten auf den schmalen Waldweg führten, der am Hintereingang des örtlichen Tierheims endete. Ich darf mich kurz vorstellen: Mein Name ist Harmonie und ich bin eine Katze mit gewissen Extras.

Ich hielt mich im Schatten der Bäume am Rande des Weges, um nicht aufzufallen, sorgsam bedacht in keine der Tretminen zu tappen, die meine hechelnden Freunde mit Leinenfetisch hinterlassen hatten.

Ich nahm es ihnen nicht krumm. Das hier war der Weg, dem alle Hunde des Tierheims folgten, wenn sie Gassi geführt wurden. Da die Wenigsten das Glück hatten, feste Besucher zu haben, die lange Gassirunden machten, blieb nur dieses kurze Stück, um das Geschäft zu erledigen. Denn mehr als einmal den Pfad runter und wieder hoch, war bei so vielen Hunden im Verhältnis zu den wenigen Pflegern nicht drin.

Ich erreichte die Rückseite des Gebäudekomplexes ungesehen. Zum Glück war die Sonne schon untergegangen und ich konnte mich in den Schatten halten und unbehelligt über das Gelände huschen. Ich hatte zwar Mittel und Wege zu verhindern, dass ich selbst im Tierheim landete, aber die wollte ich nur im Notfall einsetzen. Mein Weg führte mich Richtung Katzenhaus. An einer Ecke stand eine abgedeckte Wassertonne. Ich sprang hinauf und von da aus auf das Dach. Ein kleiner Stupser mit meiner Katzennase und Magie und eine der Dachluken ließ sich öffnen. Ich glitt hinein und landete auf verstaubten und mit Spinnenweben verzierten Dachsparren. Der aufgewirbelte Staub kitzelte mich in der Nase und ich musste ein Niesen unterdrücken. Von hier hatte ich einen guten Blick in das Vermittlungszimmer im Katzenhaus. Heute war Besuchstag und meine Magie hatte mir mitgeteilt, dass ich hier war, um einer Samtpfote ein neues Zuhause zu verschaffen.

Mein Blick schweifte durch den Raum und nach kurzer Zeit, hatte ich meine heutige Klientin ausgemacht. Sie war eine kleine, wunderschöne schwarze Katze mit weißen Pfötchen und Ohrenspitzen. Warum hatte dieses Bild von einer Fellnase denn noch kein neues Zuhause gefunden, fragte ich mich gerade, als die Türe aufging und ein Besucher das Zimmer betrat.

Die kleine schwarze Katze erstarrte kurz, dann nahm sie Reißaus, fegte durch den Raum, lief ein Stück die Wand hoch und versteckte sich auf einem Rohr, das sich quer unter der Decke entlang zog. Okay. Nun wurde mir einiges klar.

»Dies sind alles Katzen, die zur Vermittlung freigegeben sind. Sie sind kastriert bzw. sterilisiert, entwurmt, gechipt und geimpft«, erläuterte gerade eine Tierheimmitarbeiterin dem Mann. »Suchen sie eine Wohnungskatze, oder hat die Katze bei ihnen die Möglichkeit ins Freie zu gelangen?«

»Wir haben einen Garten, sie kann also raus.«

»Prima, damit kommen grundsätzlich alle Katzen hier im Raum für sie in Frage. Haben sie noch andere Haustiere?«

»Nein das wird unser Erstes. Wir freuen uns schon so darauf, die Augen von Emma zu sehen, wenn sie dieses besondere Geschenk an Weihnachten auspackt.«

In mir zog sich alles zusammen, als ich diese Aussage hörte. Ich sah, wie auch die kleine schwarze Katze zusammenzuckte, und anfing zu zittern. Sie drehte den Kopf zu mir und unsere Blicke trafen sich. Mein Geist wurde in ihre Erinnerung gezogen.

Zunächst sah ich, wie Mila, so hieß die kleine Fellnase, zur Welt kam. Ihre Mutter kümmerte sich rührend um ihren Wurf, doch die Familie, bei der sie lebte, war nicht begeistert vomKatzennachwuchs.

»Wie sollen wir 6 Katzen durchfüttern?«, fluchte ein großer, bedrohlich wirkender Mann.

»Ich hab‘ dir gesagt wir müssen sie sterilisieren lassen. Du warst dafür ja zu geizig.«

»Ich kümmere mich drum. Halt‘ deinen Mund.«

Wenig später kam der Mann und ich sah, wie Mila zusammen mit ihren Geschwistern in einen groben, dunklen Sack gesteckt wurde. Ich hörte Autogeräusche und dann platschte das Bündel in kühles Wasser. Man merkte, dass Strömung an dem Stoff riss. Mila schnappte nach Luft, wo keine war und Panik erfasste sie. Hektisch kratzten ihre kleinen weichen Krallen an dem Gewebe, ohne Erfolg. Dann riss ein spitzer Stein den Sack auf und die Kätzchen wurden herausgewirbelt. Es wurde schwarz um sie herum.

Als Mila vor Nässe zitternd erwachte und die Augen wieder aufschlug, hörte sie Stimmen.

»Die hier lebt noch.«

Zwei Köpfe beugten sich über sie, deren Gesichter sie aber nicht recht erkennen konnte, da es dunkel war und der Mond hinter den Silhouetten am Himmel stand.

»Und was willst du jetzt mit ihr machen? Wir dürfen keine Katzen halten.«

»Dann bringen wir sie ins Tierheim.«

»Das gibt doch nur Scherereien.«

»Dann stellen wir sie halt in einem Karton vor die Tür. Ich werde sie ganz sicher nicht hier liegen lassen.«

So war Mila also im Tierheim gelandet. Die Szene wechselte. Es war Besuchstag und ein Mann stand vor ihr und zeigte mit dem Finger auf sie.

»Die nehm‘ ich.«

Grob wurde Mila aus dem Zimmer geholt und in eine Transportbox verfrachtet. Eine Autofahrt später wurde sie herausgezerrt und landete in einem Karton mit Löchern, der sie an jenen erinnerte, indem sie damals vor dem Tierheim gelandet war. Darin harrte sie stundenlang aus. Es war finster und kalt. Irgendwann wurde sie mitsamt ihrem Gefängnis gepackt und woanders wieder abgestellt. Hier war es warm, und Musik spielte. Trotzdem zitterte Mila vor Angst, konnte sich nicht mehr zusammenreißen und pinkelte in die Box. Diese wurde nach einiger Zeit hochgehoben und durch die Gegend getragen. Der Deckel wurde abgerissen. Das Gesicht eines Jungen erschien in Milas Blickfeld.

»Bäh, das ist ja nur eine blöde Katze. Die ist nass und stinkt. Die will ich nicht, ich will einen Hund«, plärrte das Kind und kurz darauf landete Mila wieder im Tierheim.

Seitdem hatte sie Angst vor Menschen und versteckte sich, sobald jemand den Raum betrat.

Ich wurde aus Milas Gedanken katapultiert und bekam gerade noch mit, wie die Tierpflegerin den Typen hinauskomplimentierte.

»Tiere sind keine Weihnachtsgeschenke. Wir werden Ihnen kein Tier vermitteln. Damit haben wir in der Vergangenheit nur schlechte Erfahrungen gemacht. Die meisten ‘Geschenke’ landen traumatisiert wieder hier bei uns. Das macht für uns keinen Sinn.«

Ich atmete durch. Was für eine vernünftige Einstellung. Ich beobachtete weiter das Zimmer und merkte, wie Milas Blick wiederholt zu mir hoch huschte. Gerade wollte sie sich von ihrem Rohr runter auf den Boden begeben, als die Türe zum Vermittlungszimmer erneut geöffnet wurde. Zitternd kauerte sich Mila wieder auf ihrem Aussichts- und Rückzugsplatz. Ich seufzte. Wie sollte sie so jemals vermittelt werden? Mein Blick glitt durch das Zimmer. Hier waren so viele liebenswerte Katzen, die ein neues Zuhause verdient hatten.

Da gab es Gregor, den alten grauen Kater, der hier seinen Lebensabend fristete, nachdem sein Herrchen verstorben war. Tagelang hatte er bei ihm ausgeharrt, bis die Polizei die Wohnung aufbrach und der Tote gefunden wurde. Die Erben des Mannes hatten Gregor einfach fortgejagt.

Jede Menge Kitten tobten durch das Zimmer und würden sich freuen, ein Zuhause zu finden. Sie waren geboren worden, weil die Menschen es versäumten ihre Katzen kastrieren zu lassen.

Fantje humpelte einmal durch den Raum. Sie war von einem Auto angefahren worden und man hatte ihr eine Pfote amputieren müssen.

Jedes dieser Schicksale zerrte an meinem Herzen. Mein Blick traf auf ein Katzenpärchen, das eng aneinander gekuschelt ruhig dasaß und immer wieder zu Mila hochsah.

Als mich der Blick des Katers traf, sah ich vor meinem geistigen Auge, wie das Pärchen zusammen mit Mila durch das Zimmer im Katzenhaus tobte. Mein Plan war schnell gefasst. Ich ließ meine Magie fließen und sie erfüllte den Raum.

Ein Paar mit zwei schon etwas größeren Kindern betrat dann das Vermittlungszimmer und sah sich um. Die Tierpflegerin erläuterte wieder den Unterschied zwischen Wohnungskatzen und Freigängern und die Eltern der beiden hörten interessiert zu. Die Tochter war in der Zeit in den Raum getreten, hatte ihre Scheu abgelegt und sah sich mit leuchtenden Augen um. Ich gab meiner Magie einen kleinen Schubs. Der Blick des Mädchens fiel auf das Katzenpärchen und sie ging geradewegs auf die beiden zu. Sie hockte sich zu ihnen und fing an, die Katze zu streicheln. Der Junge, vom Verhalten seiner Schwester ermutigt, folgte ihrem Beispiel und gesellte sich zu dem Kater.

»Na. Welche von denen gefällt euch denn?«, fragte der Vater, als er an seine Kinder herantrat.

»Beide natürlich«, kam die Antwort von den Kindern synchron und wie aus der Pistole geschossen.

»Also ich weiß nicht. Zwei Katzen?« Der Vater kratzte sich am Kopf. »Sind das Wohnungskatzen?«, fragte er die Pflegerin.

»Ja, beide sind es gewöhnt nicht rauszukönnen. Sie sind hier im Tierheim aufgewachsen. Wenn Sie sie als Wohnungskatzen halten wollen, empfehle ich ihnen, sie als Pärchen zu nehmen. Dann langweilen sich die Tiere weniger.«

»Mmh. Was meinst du Schatz?«, zog er seine Frau zurate.

»Ich denke, das ist eine gute Idee.«

»Es wäre wirklich schön, wenn wir sie zusammen vermitteln könnten«, erklärte die Pflegerin. »Sie lieben sich heiß und innig«.

»Also gut. Was meint ihr Kinder? Wollen wir den Katzen ein neues Zuhause schenken?«

Der Nachwuchs nickte eifrig und die Mitarbeiterin holte zwei Transportboxen.

»Ich finde es gut, dass sie die ganze Familie bei der Entscheidung mit einbeziehen«, lobte sie. »Dann weiß jeder, worauf er sich einlässt.«

Sie verfrachtete die Samtpfoten in die Boxen.

Ich gab Mila einen magischen Schubs. Verdattert fiel sie von ihrem Rohr, genau zwischen die beiden Transportboxen. Sie miaute laut und das bereits vermittelte Katzenpaar stimmte in das Wehklagen ein.

»Mama, schau mal, die kleine Schwarze. Ist die nicht süß?«, ließ sich das Mädchen vernehmen.

»Ja. Die ist niedlich. Aber zwei reichen, meinst du nicht?«, schritt der Vater abwehrend ein.

»Aber schau mal. Die sind ganz traurig, dass sie getrennt werden.«

Mila lief derweil zwischen den beiden Boxen hin und her und jammerte herzzerreißend. Fragend blickte die Mutter die Tierpflegerin an. »Gehören die zusammen?«

»Na ja. Unsere kleine Mila ist zwar nicht mit ihnen aufgewachsen, aber es sind die einzigen beiden Katzen, mit denen sie sich hier drinnen gut versteht. Mila hat leider eine sehr traurige Geschichte.«

Dann erzählte die Pflegerin der Familie, was ich bereits in unserer Verbindung gesehen hatte.

Die Frau sah ihren Mann an. Der blickte zurück, sah in die erwartungsvollen Augen seiner Familie und rang sichtlich mit sich. Ein kleiner Stoß meiner Magie schubste die Geschwister.

»Bitte, Papi. Wir können die drei doch nicht trennen«, flehten sie nun.

»Also gut.« endlich ließ er sich erweichen. »Wo Platz für zwei Katzen ist, da reicht er auch für drei. Aber wehe ihr kümmert euch nicht um sie.«

»Werden wir«, versprachen die Kinder und kurz darauf erschien die Pflegerin mit einer weiteren Transportbox.

Milas Augen weiteten sich vor Schreck und Panik. Mit einem Funken Magie brachte ich sie dazu, zu mir hinauf zu sehen. Ich blinzelte ihr zu und legte noch etwas mehr Magie und vor allem Zuversicht in diese Geste, die grundsätzlich zwischen Katzen dazu dient, Sicherheit zu signalisieren. Verstehen flammte in ihren Augen auf und ich konnte sehen, wie sich ihre Atmung beruhigte. Die zuvor zur Verteidigung ausgefahrenen Krallen verschwanden. Ohne größere Gegenwehr ließ sie sich nun transportfertig machen. Das bereits abreisefertige Katzenpärchen schnurrte derweil beruhigend.

Ich lächelte. Mein Blick verlor kurz den Fokus und wie durch Wolken, konnte ich einen Ausblick auf die Zukunft erhaschen. Was ich sah, waren drei glückliche Stubentiger in einem liebevollen Zuhause.

»Mission erfolgreich abgeschlossen«, schnurrte ich und machte mich auf den Weg zu meiner nächsten Aufgabe.

Worte

Julia Abel

Worte sind stark,

voller Kraft und Leben.

Doch entfachen sie Gefühle,

Gefühle der Freude,

Gefühle des Leids.

Ein ewiges Hin und Her,

Krachende Wellen,

Die alles niederreißen,

Berge erschaffen

Und ewig wandeln.

Formen sie die Welt,

Geben ihr Bedeutung,

Und doch sind sie alles.

Schwarz,

Bunt,

Kalt,

Warm.

Voller Fantasie,

Pure Realität.

Sie lügen,

Sprechen die Wahrheit.

Sie sind Spiegel unseres Seins

Und Kaiser dieser Welt.

Morgen wach ich in Utopia auf!

Kerstin Imrek

»Valerian, ich liebe dich!«

Er lächelte und öffnete die Augen.

Felizitas.

Ihr liebevoller Blick, die sommersprossengesprenkelten Wangen und die roten Locken, die sich um ihr zierliches Gesicht kringelten – sie war perfekt. In jeder Hinsicht. Ihr Lachen klang wie das eines Engels und ihre grünen Iriden leuchteten wie Smaragde.

Und sie liebte ihn.

Ihn, den schmächtigen Versager, der niemandem im Gedächtnis blieb. Und wenn doch, dann höchstens wegen der Brandnarben, die seine linke obere Gesichtshälfte entstellte und die er mit den Strähnen seines schwarzen Haares kaschierte.

Felizitas war sein Makel unwichtig. Sie fragte nicht einmal, woher er diese Narben hatte, doch Valerian hatte es ihr trotzdem erzählt.

»Es war eine Stichflamme vom defekten Gasherd. Ich war zehn. Es war ein Unfall und die Behandlungskosten haben meine Familie fast die Existenz gekostet. Ich weiß, sie geben mir nicht die Schuld, aber insgeheim hassen sie mich doch dafür. Auch wenn sie es nicht wollen. Ich hasse mich ja selbst.«

Felizitas hatte ihm geduldig zugehört. Sie hörte ihm immer zu. Ihr konnte er alles anvertrauen. Sich seinen Kummer von der Seele reden.

Valerian liebte seine Familie, aber sie verstand nicht, was in ihm vorging und er wollte ihr nicht noch mehr Sorgen bereiten. Wenn er mit Felizitas in diesem Haus am See war, verlor alles andere seine Bedeutung. Hier trafen sie sich, fernab von all dem Elend, das sie in ihrem Alltag umgab. Hier existierten keine Gewalt, kein Hass, kein Hunger, kein Dreck und Gestank, keine Krankheiten oder Ungerechtigkeit, sondern nur Felizitas und Valerian und ihre bedingungslose Liebe zueinander.

Hier. In Valerians Traumwelt.

In seinem Utopia.

»Valerian, was träumst du schon wieder?«

Die sanfte und zugleich strenge Stimme seiner Mutter ließ die Illusion von Felizitas und dem Haus wie eine Seifenblase zerplatzen. Schwermut breitete sich in Valerian aus. Er lebte nicht gern in der Realität – in der Armut und dem Elend. Wer tat das schon gern?

»Nichts, Mama«, murmelte er, öffnete die Augen, die auf die blinde, gesprungene Fensterscheibe gerichtet waren. Dahinter brach der Abend über die Stadt herein. Über das Drecksloch. In dieser Gegend lief man besser nicht allein herum. Erst recht nicht bei Dunkelheit oder wenn man Kleidung trug, die nicht abgewetzt, fleckig und an unzähligen Stellen geflickt war.

Valerian seufzte, drehte sich um und unterdrückt einen Schrei. Seine Mutter stand direkt hinter ihm. »Erschreck mich doch nicht so!«

»Und du lebst besser mal mehr in der Realität. Deine Träumerei bringt dich irgendwann mal in Schwierigkeiten. Stell dir vor, das passiert dir bei der Arbeit! Du musst übrigens los.«

Valerian seufzte erneut. Noch etwas, das ihn frustrierte: In einer versifften Kneipe schmutziges Geschirr waschen, Kotze vom Boden schrubben und dabei von betrunkenen Ekeln gedemütigt werden.

»Danke für die Erinnerung.«

Valerian wollte sich an seiner Mutter vorbeischieben, doch die hielt ihn am Oberarm zurück und zwang Valerian, sie anzusehen. In ihren dunkelbraunen Augen, die er von ihr geerbt hatte, lagen immer Sorge und ein leichter Vorwurf.

»Du weißt, wir alle sind auf das Geld angewiesen. Jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass wir ein Dach über dem Kopf haben. Auch wenn es nur ein Zimmer ist.«

In dem Träume keinen Platz haben, ergänzte Valerian in seiner Fantasie.

Seine Mutter schien seine Gedanken zu lesen. »Es ist nicht gut, sich so in eine Traumwelt zu flüchten, auch wenn es verlockend ist. Diese Träume bleiben Träume und deine Felizitas existiert nicht.«

Valerian bereute, dass er seiner Mutter in einem schwachen Moment von ihr erzählt hatte.

»Wieso sollte sich eine Frau auch für mich interessieren? So wie ich aussehe – woher ich komme.«

»So habe ich das nicht gemeint, Valerian.«

»Oh doch, genau SO!«, widersprach er, wand sich energisch aus dem Griff seiner Mutter und stapfte zur Tür. »Sorry, aber ich habe es eilig. Ich muss meinen Anteil zur Existenzberechtigung leisten.«

»Valerian!«

Er ignorierte die Rufe seiner Mutter, stürme aus der Zimmerwohnung in den Flur und prallte gegen ein Hindernis.

Gegen seinen Vater, der seine kleine Schwester Finja an der Hand hielt. Dass sie ein Unfall und ungewollt war, wusste sie mit ihren fünf Jahren zum Glück nicht.

»Valerian, wohin willst du?«, fragte sie fröhlich. Sie lächelte immer. Er bewunderte seine Schwester dafür. Und manchmal steckte sie ihn damit an. Heute nicht.

»Nur weg«, murmelte Valerian und stolperte weiter. Die Rufe seines Vaters ignorierte er. Dieser hielt ihn ebenfalls für einen Träumer und Versager. Dabei hatte er selbst nichts erreicht. Würde Valerian nicht einen wichtigen Anteil zur Bezahlung der Wohnung beitragen, hätte er seinen Sohn mit seinen zwanzig Jahren längst hinausgeworfen.

Valerian wäre auch freiwillig abgehauen – gäbe es Finja nicht. Sie liebte und respektierte Valerian bedingungslos und sah zu ihm auf. Etwas, das sonst keiner tat.

Valerian ging zur Arbeit und erfuhr wie gewohnt Demütigung und Erniedrigung. Er ließ die gehässigen Bemerkungen ohne Widerworte über sich ergehen – hatte er doch die Erfahrung gemacht, dass es dadurch nur schlimmer wurde.

»Wisch die Sauerei bei Tisch zwei auf, dann kannst du abhauen«, blaffte ihn sein Chef an. Wobei das noch zur netten Art der Konversation hier gehörte.

Valerian erledigte die Aufgabe stumm. Träumte sich derweil zu Felizitas und ihrem kleinen Haus mit den roten Fensterläden.

Es entsprang wie einem Märchen, war verspielt und bunt eingerichtet. Vielleicht ein wenig zu kitschig und altbacken mit den Spitzendeckchen, Porzellanfiguren und vollgestopften Bücherregalen, aber Valerian konnte sich keinen schöneren Ort vorstellen.

Er fühlte sich ausgelaugt, als er sich nach seiner Schicht auf den Heimweg machte. Träge schlurfte er durch die schmalen Gassen, die das trübe Licht der Straßenlaternen nur mühselig aus der Dunkelheit schälte. Es war mitten in der Nacht, doch still war es nicht. Ganz zur Ruhe kam diese Stadt nie. Nach Mitternacht gingen für viele die Geschäfte erst los.

Unruhe erfasste Valerian, ohne dass er sie benennen konnte. Doch auf sein Gefühl konnte er sich immer recht gut verlassen.

Etwas klirrte. Eine Scheibe, die zu Bruch ging? Ein Scheppern folgte, dann Gelächter. Und Schreie.

Eine Gänsehaut rollte über Valerians Rücken und sein Magen verkrampfte. Bitte nicht!

Er kannte um die Bedeutung dieser Geräusche. Black und White demonstrierten mal wieder ihre Macht. Die verfeindeten Gangs terrorisierten diese Slums schon viele Jahre. Sie buhlten um ihr Revier und kämpften um die Vorherrschaft der Drogengeschäfte. Die Menschen hier hatten kein Geld für Drogen, verkauften dafür aber ihre Seelen und Körper. Alles für den nächsten Rausch, der nur noch eine tiefere Leere in ihnen hinterließ.

Valerian wollte davon nichts wissen. Sein Leben war mies, aber er würde kein willenloser Zombie werden. Und die Gangs hatten ihn bis jetzt zum Glück auch in Ruhe gelassen.

Doch wie lange dauerte es noch, bis er und seine Familie in ihre Radare gerieten? War es heute so weit?

Valerian erschrak über seinen eigenen Gedanken und beschleunigte seine Schritte. Der Hochhausblock, in dem er lebte, war nur noch wenige Gehminuten entfernt. Nur noch um die nächste Ecke und er war in Sichtweite.

Bei seinem Anblick gefror Valerian das Blut in den Adern

Das zwanzigstöckige Hochhaus glich einem Kriegsschauplatz. Zerborstene Fensterscheiben, aus denen Flammen schlugen oder Einrichtungsgegenstände flogen, die mit einem Knall auf dem Asphalt zerschellten. Das panische Kreischen von Kindern, Frauen und Männern, durchbrochen von wüsten Schreien, untermalten das schreckliche Szenario. Dutzende Menschen strömten ihm entgegen und rissen ihn beinahe mit sich. Viele trugen nur ein Nachthemd.

»Finja! Mama! Papa!«

Valerian stürmte auf die Hölle zu, in der Black und White wie lebendig gewordene Teufel wüteten. Allein der Gedanke daran, dass jemand Hand an seine Schwester legte – auf welche Weise auch immer – verlieh Valerian übermenschliche Kräfte und machte ihn wahnsinnig vor Angst und Wut. Er stürzte in das Treppenhaus und flog die Stufen nach oben.

In den zehnten Stock.