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Aurélie wurde von ihrem Freund verlassen; damit ist der langgehegte Traum von der zukünftigen Familie geplatzt. Um wieder zu genesen, besucht sie ihre Eltern in ihrer alten Heimat Quietude – das Land wird schon länger von inneren bewaffneten Konflikten sowie fanatischem Aberglauben geplagt. Hier wachsen der ehemalige Kindersoldat Nail und der verstoßene Rémi auf. Die Wege der drei Protagonisten treffen sich, als Nail und Rémi aus einer Notlage heraus – sie werden von dem brutalen korrupten Polizeipräsidenten Bull gejagt – in das Elternhaus von Aurélie einbrechen und sie sowie ihren kleinen Bruder Aria dort überraschen. Was die drei zu diesem Zeitpunkt nicht wissen: Aurelis Familie hütet ein »schreckliches« Geheimnis, das sehr bald von dem ungleichen Trio eine tödliche Entscheidung fordert.
Der Nachfolgeroman von Adramelech knüpft zwar nicht nahtlos an seinen Vorgänger an, aber Leser dürfen sich darauf freuen, alte Bekannte wiederzutreffen und ein weiteres Mal in die düstere Welt abzutauchen, die realen sowie phantastischen Horror miteinander verbindet.
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Felix Fießer
Hexenkinder
Horror-Roman
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Sofia Steinbeck nach Motiven, 2024
Korrektorat: Bärenklau Exklusiv
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die Handlungen dieser Geschichte ist frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten und Firmen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Hexenkinder
Jetzt
Zuflucht
Aurélie
Nail
Rémi
Bull
Ausbildung
Rettung
Karriere
Zwischenprüfung
Bittersüß
Abgrund
Gegenstände
Edenville
Falle
Schlussstrich
Traum
Zu Hause
Wut
Vertrautheit
Attacke
Auftanken
Pläne
Feierabend
Einbruch
Überfall
Erwischt
Überraschung
Schock
Zweifel
Grenzen
Diskussion
Das Böse rückt näher
Stürmung
Ja
Nein
Komplikationen
Vielleicht
Kameras
Hoffnung
Entscheidung
Aurélie wurde von ihrem Freund verlassen; damit ist der langgehegte Traum von der zukünftigen Familie geplatzt. Um wieder zu genesen, besucht sie ihre Eltern in ihrer alten Heimat Quietude – das Land wird schon länger von inneren bewaffneten Konflikten sowie fanatischem Aberglauben geplagt. Hier wachsen der ehemalige Kindersoldat Nail und der verstoßene Rémi auf. Die Wege der drei Protagonisten treffen sich, als Nail und Rémi aus einer Notlage heraus – sie werden von dem brutalen korrupten Polizeipräsidenten Bull gejagt – in das Elternhaus von Aurélie einbrechen und sie sowie ihren kleinen Bruder Aria dort überraschen. Was die drei zu diesem Zeitpunkt nicht wissen: Aurelis Familie hütet ein ((schreckliches)) Geheimnis, das sehr bald von dem ungleichen Trio eine tödliche Entscheidung fordert.
Der Nachfolgeroman von Adramelech knüpft zwar nicht nahtlos an seinen Vorgänger an, aber Leser dürfen sich darauf freuen, alte Bekannte wiederzutreffen und ein weiteres Mal in die düstere Welt abzutauchen, die realen sowie phantastischen Horror miteinander verbindet.
***
Nails Hand ist ruhig. Sein Finger drückt leicht gegen den Abzug. Der Lauf zeigt auf den Säugling, direkt auf seinen kleinen Kopf. Das hier ist keine emotionale Entscheidung, auch wenn Aurélie unablässig im Hintergrund kreischt, fleht und mit letzter Kraft in Nails Richtung kriecht, während sie eine fließende Blutspur hinterlässt. »Tu es nicht! Nein! Nail, bitte!«
Nail neigt den Kopf, wendet aber nicht den Blick von dem Baby ab. Tatsächlich hört er Aurélie gar nicht. Registriert zwar den Lärm, aber hört nicht. Dafür sieht er. Sieht die kleinen Beine strampeln, die Patschhändchen in der Luft wirbeln und wundert sich darüber, dass der kleine Mensch nicht in das gleiche Geheul wie verfällt. Er sieht die großen Augen, die Stupsnase, das Bäuchlein, das sich unter dem Strampelanzug abhebt. Nimmt den Geruch war. Bull hatte sich immer einen Spaß daraus gemacht und an dem Kopf von den Säuglingen geschnüffelt, einen tiefen Zug genommen, Nail angesehen und mit einem breiten Grinsen gesagt: »Baby-Kokain.« Dieser Geruch, der Hormone freisetzen soll. Den Beschützerinstinkt wecken. Kümmer dich um mich.
»Er kann nichts dafür. Er ist unschuldig. Bitte!« Noch zwei Meter dann ist Aurélie bei ihm.
Kurz muss Nail an seine Mutter denken. Auch über sie hat er aufrecht gestanden, während sie kniete, die Waffe auf ihren Kopf gerichtet. Aber sie hat ihn nicht angesehen, auf den Boden hat sie gestarrt – wollte es ihm vielleicht leichter machen. Damals herrschte ein solches Gefühlschaos in ihm, dass gar nicht greifbar war und ihn für immer veränderte. Dinge waren gestorben und neue, bösartige und unendlich kalte, geboren. Es war die Geburt des Menschen, der er heute ist.
Aber jetzt fühlt er nichts. Gar nichts. Er würde auch nichts fühlen, wenn er den Abzug drückt und das Projektil den Kopf des Kleinen in einer roten Wolke auflöst. Das weiß er.
Das hier ist keine emotionale Entscheidung.
»Hallo, Mama!«
»Hallo, Maus, schön, dass du anrufst. Wie geht’s dir?«
»Nicht so gut.«
»Ich hör’s. Was ist denn los?«
»Ich kann nicht mehr.«
»Ach, Maus.«
»Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.«
»Ach, Maus.«
»Sie ist schwanger. Er wird mit ihr zusammenziehen«
»Maus, das tut mir so unendlich leid.«
»Er hatte nicht mal den Mut, mit mir Schluss zu machen! Ich kann es immer noch nicht fassen!«
»Maus, bitte komm nach Hause. Mir gefällt gar nicht, wie du dich anhörst.«
»… ja, ich komme.«
»Ich muss mich jetzt ganz kurz um deinen kleinen Bruder kümmern. Dann buche ich dir einen Flug
und rufe wieder an. Du musst jetzt bei deiner Familie sein.«
»Danke, Mama.«
»Das ist doch selbstverständlich, Maus!«
Es war schon immer klar gewesen. Der innere Wunsch war immer da gewesen. Die Prinzessin findet ihren Prinzen und zusammen werden dann Kinder gemacht. Eine Familie gegründet. Die muss gar nicht so groß sein: Eine Maus und ein Hase – das reicht doch. Es waren nicht die Märchen oder vielen Disney-Filme, die den Wusch auslösten, vielmehr zementierten sie ihn nur, er war absolut natürlich. Aurélie erlebte ihn als sinnstiftend. Wenn es ein Ziel gab, dann auf jeden Fall dieses, alles andere war nur Mittel zum Zweck. Klar war Selbstverwirklichung wichtig, aber die konnte eben auch darin bestehen, Mutter zu sein. Erfolgreich im Beruf, unabhängig und stark – das gehörte irgendwie auch dazu, aber wenn eben nur eines ging, dann war es, Kinder in die Welt zu setzen. Ganz klar.
Der Lebenstraum war recht detailliert. Sie und ihre Freundinnen würden ungefähr zu gleicher Zeit schwanger werden. Die Kinder wären im gleichen Alter. Man könnte sich gegenseitig austauschen, einander unterstützen und natürlich regelmäßig zu Playdates verabreden. Die Kleinen würden beste Freunde werden und Geburtstagsfeiern wären große Events, die mit viel Liebe und Mühe zelebriert würden.
Irgendwie würden die Kinder lange klein bleiben. Keine lästigen Teenager, die irgendwann anfangen ihre Eltern dauernd in Frage zu stellen. Vielmehr immer gut gelaunte, leicht zu bespassende kleine Racker, die ein ganz neues Level von Lebensfreude vermitteln.
Leider kam es nicht so. Als Aurélies erste Freundin schwanger wurde, war die Freude zwar riesengroß, auf der anderen Seite aber war der Gedanke schon vorhanden, dass es vielleicht etwas zu früh sei. So ein Kind war ja schon eine immense Einschränkung und ein bisschen Leben wollte man ja auch noch. Zudem hatte ihre Karriere gerade erst an Fahrt aufgenommen. Das Medizinstudium war bereits abgeschlossen und nun folgte die Ausbildung im Krankenhaus. Eine immens stressige Zeit, in der auch einfach keine Zeit für Kinder gewesen wäre. Als dann aber die zweite Freundin bereits eine größere Wölbung am Bauch zeigte, hatte sich ihr eigener Stress verflüchtigt und Kinderkriegen war in ihrem Freundeskreis zur Normalität geworden. Eine sinnstiftende Normalität, die das Leben bereichert und erst wirklich lebenswert macht. Als dann auch noch die dritte Freundin ein gesundes Mädchen zur Welt brachte, während bei Aurélie die vierte Kurzzeit-Beziehung in die Brüche ging, setzte bei der Prinzessin die Torschlusspanik ein. Es war eine wirkliche Panik. Alle Dating-Apps wurden installiert jedes Wochenende ging es auf die Piste, jede Möglichkeit musste genutzt werden, um den, nun mal notwendigen Prinzen zu finden. Die Ansprüche wurden schon immens nach unten geschraubt: phänomenales Aussehen – nicht mehr ganz so wichtig, sehr schüchtern – mittlerweile okay, kein Job vorhanden – kann sich ja noch ändern, total langweilig – dann sorgt sie halt für die Unterhaltung. Aber je mehr Männer kennengelernt wurden, desto mehr sich nur als flüchtige Abenteuer erwiesen, sich als Nieten herausstellten, nicht bindungsfähig, ohne Kinderwunsch oder tatsächlich schon welche vorhanden, sowie verheiratet und nicht willens, dies aufzugeben, desto mehr Zeit also verging (Aurélie, mittlerweile schon Mitte Dreißig), desto mehr Dunkelheit legte sich auf Aurélies doch einst so fröhliches Gemüt. Ein tiefer Schatten hatte sich breit gemacht, der zwar im direkten Kontakt noch durch ihr strahlendes Lächeln versteckt werden konnte, aber in den einsamen Momenten alles noch vorhandene Licht überdeckte. Daran konnten die beiden neu angeschafften Katzen auch nichts ändern, die nur kurz etwas mehr Freude in Aurélies Leben brachten, aber letztendlich nicht die tiefe Lücke füllen konnten, die ihrem Lebensweg einen Knick versetzt hatte.
Obwohl sich ihre Lebensrealität nun immer mehr von denen ihrer mit Kindern gesegneten, Freundinnen unterschied gab sie sich Mühe, nicht den Kontakt zu verlieren. Machte jedes Geburtstagsevent mit. Sorgte für extra gute Laune, machte sich bei Geschenken besonders viele Gedanken und zeigte jede Menge Interesse an der Entwicklung der Kleinen. Wenn sie dann aber nach einem solchen Event in ihre schöne Wohnung zurückkam, in der leider nur die beiden Katzen auf sie warteten, anstatt der liebevollen kleinen Familie: Maus, Hase und ein Prinz – da liefen die Tränen und so langsam kam die Einsicht, dass es nichts mehr werden würde. Das Leben somit einfach sinnlos. Und dann kam Sébastian.
Ein knochiges Gesicht. Hochgezogene Lippen, gebleckte Goldzähne, mandelförmige kalte Augen, deren Lieder immer nach unten hängen und auf hohen THC- und/oder Opiat-Konsum hindeuten. Dazwischen ein verschmiertes Kreuz – eintätowiert in frühster Jugend und seine Zugehörigkeit zu der bereits aufgelösten GPS bezeugt. Ein Blick, der ständige tiefe Verachtung gegenüber allem und jedem ausdrückt und nicht missverstanden werden kann.
Ein länglicher, immer leicht vornübergebeugter Körper. Schlaksige Bewegungen, doch plötzlich schnell wie eine Peitsche. Übersäht von Narben, die auf Schuss- und Stichwunden hindeuten, die die Geschichte eines Lebens im Krieg erzählen.
Kaum zu glauben, dass die dünnen Arme ein solche Kraft entwickeln können, aber immer wieder unter Beweis gestellt, wenn Nail eine Machete schwang und ohne zu zögern damit Köpfe spaltete oder Gliedmaßen abtrennte.
Dürre Spinnenfinger, die eisenfest den Griff einer AK umklammern konnten und ein Zeigefinger, der irgendwie dicker erschein als die restlichen, einfach weil Nail so oft abgedrückt hatte.
Alles an Nail ist Gewalt. Alles ist darauf ausgerichtet Menschen zu schaden, sie zu quälen, ihnen Schmerzen zu breiten oder sie komplett auszulöschen. Nail empfindet dabei keine Freude oder Spaß, es ist einfach das, was er tut. Praktisch seine Funktion, genauso wie die Funktion eines Hammers es eben ist Nägel, in die Wand zu schlagen. Nail war mehr Hammer als Mensch.
Es war ein Sonntag, an dem ihm sein Vater die Kette ums Bein schloss.