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"Schreibe auf, was du siehst und hörst!" Dieser inneren Weisung ist die rheinische Seherin Hildegard gefolgt. Entstanden ist der Fundus eines umfangreichen, spirituell gedeuteten, natur- und menschenkundlichen Wissens, das sie in ihren Schriften bild- und symbolhaltig ausbreitet. Darin unterscheidet sie sich von anderen Mystikerinnen ihrer Zeit. Im übrigen erweist sich Hildegard als eine ebenso kundige wie selbstbewusste Frau. Ihre Aktualität und Faszination rühren nicht zuletzt daher, dass sie sich über die Beschaffenheit ihres Schauens Klarheit verschafft hat und darüber Rechenschaft ablegt: "Ich sehe diese Dinge nicht mit den äußeren Augen und höre sie nicht mit den äußeren Ohren, auch nehme ich sie nicht mit den Gedanken meines Herzens wahr noch durch irgendwelche Vermittlung meiner fünf Sinne. Ich sehe sie vielmehr einzig in meiner Seele, mit offenen leiblichen Augen, so dass ich niemals die Bewusstlosigkeit einer Ekstase erleide." Als rheinische Seherin, als heilkundige Vertreterin einer den materiellen wie spirituellen Kosmos einbeziehenden Mystik hat sie einen immer noch wachsenden Kreis von Verehrerinnen und Freunden gewonnen. In ihrem ersten großen, der geistigen Schau entsprungenen Werk Scivias - Wisse die Wege bezeugt sie dies. Ein Teil der Texte wird hier kommentiert geboten. Hinzu treten ausgewählte Briefe, in denen Hildegard ihr inneres Erleben schildert. Darüber hinaus ist es erstaunlich, ja bewundernswert, mit welchem Selbstbewusstsein sie als Ordensfrau des hohen Mittelalters Vorgesetzten, selbst Bischöfen und Päpsten, auch Kaisern wie Friedrich Barbarossa belehrend, nicht selten auch mahnend entgegentritt.
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Seitenzahl: 167
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Dr. theol. h.c. Gerhard Wehr, geb. 1931 in Schweinfurt/Main. Nach langjähriger Tätigkeit auf verschiedenen Feldern der Diakonie und der Erwachsenenbildung, zuletzt als Lehrbeauftragter an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Rummelsberg/Nürnberg, arbeitet er als freier Schriftsteller in Schwarzenbruck bei Nürnberg. Ein Großteil seiner Werke zur neueren Religions- und Geistesgeschichte ist in mehreren europäischen und asiatischen Sprachen verbreitet.
„Schreibe auf, was du siehst und hörst!“ Dieser inneren Weisung ist die rheinische Seherin Hildegard gefolgt. Entstanden ist der Fundus eines umfangreichen, spirituell gedeuteten, natur- und menschenkundlichen Wissens, das sie in ihren Schriften bild- und symbolhaltig ausbreitet. Darin unterscheidet sie sich von anderen Mystikerinnen ihrer Zeit. Im übrigen erweist sich Hildegard als eine ebenso kundige wie selbstbewusste Frau. Ihre Aktualität und Faszination rühren nicht zuletzt daher, dass sie sich über die Beschaffenheit ihres Schauens Klarheit verschafft hat und darüber Rechenschaft ablegt:
„Ich sehe diese Dinge nicht mit den äußeren Augen und höre sie nicht mit den äußeren Ohren, auch nehme ich sie nicht mit den Gedanken meines Herzens wahr noch durch irgendwelche Vermittlung meiner fünf Sinne. Ich sehe sie vielmehr einzig in meiner Seele, mit offenen leiblichen Augen, so dass ich niemals die Bewusstlosigkeit einer Ekstase erleide.“
Als rheinische Seherin, als heilkundige Vertreterin einer den materiellen wie spirituellen Kosmos einbeziehenden Mystik hat sie einen immer noch wachsenden Kreis von Verehrerinnen und Freunden gewonnen. In ihrem ersten großen, der geistigen Schau entsprungenen Werk Scivias – Wisse die Wege bezeugt sie dies. Ein Teil der Texte wird hier kommentiert geboten. Hinzu treten ausgewählte Briefe, in denen Hildegard ihr inneres Erleben schildert. Darüber hinaus ist es erstaunlich, ja bewundernswert, mit welchem Selbstbewusstsein sie als Ordensfrau des hohen Mittelalters Vorgesetzten, selbst Bischöfen und Päpsten, auch Kaisern wie Friedrich Barbarossa belehrend, nicht selten auch mahnend entgegentritt.
Hildegard von Bingen
Ausgewählt vonvon Gerhard Wehr
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.
Es ist nicht gestattet, Abbildungen und Texte dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder mit Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Bildvorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.
Alle Rechte vorbehalten
Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2012Lektorat: Dr. Bruno Kern, MainzCovergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbHBildnachweis: Hildegard empfängt eine göttliche Inspiration und gibt sie an ihren Schreiber weiter, Miniatur aus dem Rupertsberger Codex des Liber Scivias, Buchmalerei, um 1150, ehemals Wiesbaden, seit dem Zweiten Weltkrieg verscholleneBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0304-5
www.marixverlag.de
I. Einleitung
Eine faszinierende Frau
Das 12. Jahrhundert – ein Jahrhundert vielfältigen Geistes
Stationen ihres Lebens
Schriften, Briefe und Lieder
„O edelstes Grün aus der Sonne“
Hildegards Wirkungen
II. Texte
Aus: „Scivias“ – Wisse die Wege
Vorrede – „Schreibe, was du siehst und hörst!“
Der Lichtherrliche
Jenseits von Eden
Mensch und Kosmos
Von der Seele und ihren Kräften
Die umschattete Synagoge
Erlösung und Vollendung
III. Die Briefe
Hildegard an Wibert von Gembloux
Hildegard an Bernhard von Clairvaux
Bernhard von Clairvaux an Hildegard
Hildegard an Papst Alexander III
Konrad III. an Hildegard
Hildegard an König Konrad III
Hildegard an Friedrich Barbarossa
Friedrich Barbarossa an Hildegard
Hildegard an Friedrich Barbarossa
Erzbischof Heinrich von Mainz an Hildegard
Hildegards Antwort
Erzbischof Arnold von Mainz an Hildegard
Hildegards Antwort
Adam, Abt zu Ebrach, an Hildegard
Hildegards Antwort
Abt Nikolaus von Heilsbronn an Hildegard
Hildegards Antwort
Hildegard an Elisabeth von Schönau
Elisabeth von Schönau an Hildegard
Hildegard an Elisabeth (II)
Elisabeth an Hildegard (II)
Hildegard an die Nonnen von Zwiefalten
Hildegard an Markgräfin Richardis von Stade
Erzbischof Hartwig von Bremen an Hildegard
Hildegards Antwort
Schlussbemerkung
IV. Stimmen und Zeugnisse zu Hildegard
V. Zeittafel
VI. Literatur
Benutzte Werkausgaben
Weitere zitierte Quellentexte
Sekundärliteratur
Von Hildegard, der Benediktinerin vom Rupertsberg bei Bingen, geht seit Langem weltweit eine eigentümliche Faszination aus. Sie gilt als eine Lichtgestalt des europäischen Mittelalters. Man rühmt sie als „Schwester der Weisheit“, als „Theologin der Weiblichkeit“, als „Sibylle vom Rhein“, vertraut mit den Kräften und Geheimnissen der von Gott durchwirkten Schöpfung. Dieser seherisch begabten Frau, der sich Hilfe- und Ratsuchende zeitlebens anvertraut haben, schreibt man bis heute ein spirituelles, zugleich lebenspraktisches Heilungs- und Heilswissen zu, das in zahlreichen, ursprünglich lateinisch abgefassten, vielfach übersetzten Werken niedergelegt ist. Zwar hatte man sie samt ihrem reichen literarischen Nachlass einige Jahrhunderte hindurch beinahe vergessen, teils verdrängt, teils verkannt und gering geachtet. Aber ihre Wiederentdeckung in Gestalt einer – freilich nicht immer ganz unproblematischen – Hildegard-Renaissance stellte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts ein. Die internationale Hildegard-Forschung, die in einem wesentlichen Teil von Benediktinerinnen im Kloster Eibingen getragen wird, und eine praxisbezogene Hildegard-Rezeption ergänzen einander. Viele lassen sich heute durch die „Hildegard-Medizin“, ja sogar durch eine Art „Hildegard-Küche“ anregen, ohne freilich zu ahnen, in welchem spirituellen Kontext und vor welchem tiefen geistlichen Horizont ihr Denken und Tun verstanden werden muss. Doch auch Heilige sind nicht vor einer im Vordergründigen bleibenden Vermarktung geschützt.
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