Hilfe, mein Kater spricht - Gerhard Vohs - E-Book

Hilfe, mein Kater spricht E-Book

Gerhard Vohs

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Beschreibung

Es war wie eine akustische Halluzination, eine Sinnestäuschung; eine Stimme, die sich mir aufdrängte, die mir zuflüsterte, sogar befehlen wollte, oder war es nur eine Stimme in meinem Kopf, die sich über mich lustig machte? Doch wer war diese Stimme? Ein Doppel-Ich, das leicht versetzt auf der linken Schulter des Haupt-Ichs sitzt, und versucht mich von meinen Gedanken abzubringen? Eine Schattenseite, die alle unerfüllten Wünsche, Sehnsüchte und Fantasien verwirft? Nein! Es war die Stimme meines Katers, dessen Worte ich plötzlich verstand. Eine ungläubige Situation, wo man der Meinung ist, dass man sich in einem Albtraum bewegte, der sich gleich in Luft auflösen wird. Doch dieser von verwerflichen Emotionen begleitete Traum, der jegliche Form der Vorstellungskraft widerspricht, endete einfach nicht. Tja, und wenn man schon die Sprache seines vierbeinigen Mitbewohners versteht, dann wird einem sofort indirekt mitgeteilt, dass man am liebsten vom gleichen Teller essen möchte und so brachten unsere Gespräche Erstaunliches hervor.

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Inhaltsverzeichnis:

1. Prolog

2. Was kann ein Tag schon bringen, wenn er mit dem Aufstehen beginnt

3. Es is(s)t, wie es is(s)t

4. Dehydrationsprophylaxe versus Anorexieprophylaxe

5. Balkonien ist ein Urlaubsgebiet, das sich im Wohnbereich befindet

6. Filtriertes, nach Moder riechendes Wasser, schmeckt einfach besser

7. Climbing wie in den Adventure Mountain

8. Über Gewicht redet man nicht, Gewicht bekommt man

9. Sein Magen ist so leer, dass ich das Knurren in der Achselhöhle hören kann

10. Wie ein Aerifiziergerät bohrte er seine Krallen in den Bizeps

11. Ein chinesisches Sprichwort sagt: Grabe den Brunnen, bevor du Durst bekommst

12. Wie ein chaotisches surreales Puppentheater

13. Eigentlich ähneln wir Menschen uns den Tieren in vieler Hinsicht

14. Doch kann ich zufrieden sein, Untertan der besten, schönsten und klügsten Katze der Welt zu sein

1. Prolog

Es war der Wunsch meiner Frau, ein Haustier aufzunehmen, am liebsten einen Hund, ein Hund mit Biss. Schon im Vorfeld hatte sie die persönlichen Vorlieben und auch die Einschätzung der Lebenssituation, die zeitliche Gebundenheit und die Verantwortung des Tieres zwischen uns fachgerecht aufgeteilt.

Doch das was Frauen meistens sagen, ist nicht immer das, was sie meinen. Um das zu verstehen, braucht man eine korrekte Übersetzung. So werden Personalpronomen der zweiten Person Singular doch oft mit dem Personalpronomen der ersten Person Plural verwechselt.

Während sie eher zum Dosenöffner mutiert, würde mir dann die Aufgabe erliegen, für die geistige Auslastung und Beschäftigung des Hundes zu sorgen sowie jeden Tag mehrmals mit ihm Gassi zu gehen, was selbst bei Heranziehen einer Sturmfront mit wolkenbruchartigem Gewitter, Hagel- und Graupelschauern, Glatteisregen und Schneegestöbern, unumgänglich sei. Ein Abenteuer der abstrakten Art.

Sicher, Tausende Wetterstationen an Land, an Bord von Schiffen und Flugzeugen, ja eine ganze Armada von Satelliten, die im Orbit kreisen und ein riesiger Großrechner, der die Daten verarbeitet, lassen einem schon wissen, ob man am nächsten Tag lieber einen Regenschirm mitnehmen sollte oder nicht.

Doch Wettervorhersagen gehören zu den berühmtesten Sagen überhaupt und erreichen heutzutage sage und schreibe nicht mal eine Trefferquote von fünfzig Prozent.

In einem ausführlichen Disput "Hund versus Katze" gab es schließlich einen eindeutigen Sieger. Tage später zog Kater Tommy bei uns ein. Er sollte in erster Linie das Leben meiner Frau versüßen, da sie von einer schweren Krankheit heimgesucht wurde, die ihr Leben veränderte.

Tage und Monate vergingen, Tommy gewöhnte sich an sein neues Zuhause, war sehr agil, konnte sich auch selber beschäftigen, und wenn er das Bedürfnis hatte, schmusen zu wollen, dann meldete er sich bei seinem Frauchen.

Doch Frauchen ging es von Tag zu Tag schlechter. Trotz diverser Therapien könnte man sie nicht am Leben erhalten und so zerbrach nicht nur eine Welt für mich, nein es war, als hätte man mir bei lebendigem Leibe das Herz aus der Brust gerissen und ich nun versuchte, nicht zu verbluten.

Ich holte aus unserem Kleiderschrank ein Päckchen heraus, indem in Seidenpapier eingewickelt, ein aus Maulbeerseide gefertigter Schlafanzug mit Spitzenstickerei sich befand. Von allen Seiten betrachtete ich ihn und dachte an die Zeit, als ich ihn gekauft hatte. Es war an dem Tag, wo man uns weismachen wollte, die Krankheit besiegt zu haben.

Für eine besondere Gelegenheit wollte sie ihn aufbewahren. Jeder Tag mit dir ist eine besondere Angelegenheit, hatte ich daraufhin gesagt. Sie hatte ihn nie getragen und ich glaubte, dass der richtige Moment nun gekommen war. So legte den Schlafanzug zu den anderen Sachen, die von dem Beerdigungsinstitut mitgenommen werden sollten, um sie für ihren letzten Gang aufzuhübschen.

Man sagt zwar, dass derartige Wunden mit der Zeit verheilen, doch im Inneren wird immer eine tiefe Wunde verbleiben.

Einziger Trost war Tommy, der Kater meiner Frau, das Oberhaupt unserer Familie, einerseits ein etwas misstrauisches Tier, anderseits eine neckische und spitzbübische Fellkugel.

Er wusste, wenn ich traurig war, wann er mich trösten müsste und wann es besser war, mich doch lieber allein zu lassen. Meine Aufgabe war es nun, mein Leben und auch die Trauer mit ihm zu teilen.

»Komm schon«, maute er immer wieder, »du bist ein Krieger. Ich kann es an deinen Augen sehen. In deinen Adern fließt das Blut eines wahren Helden. Alles was du in den letzten Tagen erlebt hast, macht dich nur härter. Erfülle deine Bestimmung, denn ich bin ja auch noch da.«

Ja sein Miauen gab mir immer wieder Zuversicht und Schutz vor trister Einsamkeit. Dafür schätzte ich ihn sehr und ließ gerne hin und wieder mal fünf grade sein. Schließlich ist er ein Lebewesen und kein Spielzeug, kein Möbelstück und auch kein Spielfilm in Überlänge.

Doch schnell hat er erkannt, dass ein bestimmtes Verhalten bei mir Erfolg bringt, dass er tun und sein lassen konnte, was er wollte. Er lernte schnell, meine Laute zu deuten. Meistens aber tat er so, als würde er sie nicht verstehen. Eine Taktik oder auch ein schauspielerisches Talent, um damit zu zeigen, wer denn nun eigentlich wirklich der Chef hier im Hause ist.

Liege ich im Wohnzimmer auf dem Sofa, schaue fern und höre plötzlich ein leichtes Scharren an einer Tür, dann steht er meistens vor dem Kleiderschrank im Schlafzimmer und erwartet nun, dass ich aufstehe, ihm die Tür öffne, damit vier Samtpfoten im Schrank verschwinden, um auf einen meiner dunklen Lieblingspullover sein kindliches Wohnbefinden zu zeigen und danach ein Nickerchen darauf zu machen.

Erfolg ist sein ausschlaggebendes Kriterium, ein "Nein" hingegen nur der Ausdruck mangelnder Fantasie und so öffne ich ihm selbstverständlich die Tür, um sein Vorhaben zu bewältigen.

In unserer nun entstandenen zwangsläufigen Männer-WG, wo ich mir manchmal wie Robinson Crusoe auf einer einsamen Insel vorkam, Tommy mich dabei, wie sein Freund Freitag behandelte, sind die Aufgaben dezidiert.

Tommy darf keine alten Zeitschriften ins Haus schleppen, dafür darf er die flauschig schön anzusehenden Wollmäuse hinterm Schrank hervorholen und mit ihnen spielen, anstatt sich über sie zu beschweren. Er darf keine Bierfahne haben, wenn er sich nachts an mich kuschelt und vor allem nicht schnarchen, sondern nur gedämpft schnurren, wenn wir uns das Kopfkissen teilen.

Seine Krallen kann er ruhig in die nagelneuen Nylonstrümpfe der hübschen Nachbarin verhängen, sein beneidenswertes volles und glänzendes Haar selber pflegen aber niemals den Kühlschrank mit Bierdosen vollstopfen.

Ich hingegen werde ihn streicheln, wenn er es will; werde mit ihm spielen, wenn ihm danach gelüstet; ihn nicht stören, wenn er faulenzt und nicht böse sein, wenn er Dummheiten gemacht hat.

Ausschlafen ist nicht mehr angesagt, verschlafen allerdings auch nicht mehr, da mannigfaltige Aufgaben verrichtet werden müssen, wie zum Beispiel die Fressnäpfe nachzufüllen, bis sie überlaufen.

Tommys Meinung nach, eignen wir Menschen uns verhältnismäßig gut für das Zusammenleben mit Katzen, da wir Dosen öffnen können und wir es akzeptieren, dass wir im Gegenteil zu Hunden, die ein Herrchen haben, sie hingegen ein Diener besitzen.

Zwischen Tommy und sein Diener bestand nun eine innige Verbundenheit, ein inniges Verhältnis nach menschlichem Postulat, eine Verwöhnung und Behandlung nach selbstlosen Maßstäben.

Wir unterhielten uns viel über das Weltgeschehen und philosophierten ein wenig, sprachen über Frauchen und schauen uns gemeinsam alte Bilder an.

Bei einigen Bildern miaute er, was wohl mehr oder wenige bedeuten sollte:

»Auf den Fotos siehst du richtig gut aus.«

Könnte aber auch heißen:

»Zwischen heute und den Bildern liegen bequem zwanzig Kilo.«

Mit seinem Miauen, schnurren oder auch Gähnen gab er mir dann zu verstehen, dass er das Gleiche denken würde, es für Akzeptable hielt oder es einfach zum Gähnen langweilig sei. Manchmal sitzt er auch nur dumm rum und denkt sich sein Teil.

Ich glaube, dass er manchmal der Meinung ist, dass ich an fehlender Realitätswahrnehmung leide, dass ich denken würde, es wäre meine Wohnung und dass er nur da wäre, damit ich nicht alleine bin.

Vielleicht mag er in einer Hinsicht recht haben, aber ich könnte mir heute ein Leben ohne ihn kaum mehr vorstellen. Uns verbindet eine ganze Menge und allen voran sein Frauchen, meine Frau. Deshalb genieße ich jeden Tag mit ihm, der Erinnerungen wiedergibt und Trauer beseitigt, ein Tag, der sich eigentlich in gleicher Weise immer wieder wiederholt.

2. Was kann ein Tag schon bringen, wenn er mit dem Aufstehen beginnt

Es gibt Menschen, dessen Verstand sie versucht zu belehren, sich einfach von der warmen, kuscheligen Bettdecke nicht zu trennen, lieber weiter von Wind in den Haaren, Sand unter den Füßen und Salzwasser auf der Haut zu träumen. Wir brauchen diesen Schlaf, um uns zu erholen und um Energie zu sparen. Wissenschaftler behaupten sogar, dass das Gehirn während der Schlafphase aufgeräumt, frisch gelerntes gespeichert und unwichtiges gelöscht wird. Ähnlich wie das Defragmentieren eines Datenchaos auf einer Festplatte, also die Neuordnung, damit man schneller auf einzelne Daten zurückgreifen kann. Ein Optimieren des Betriebssystems namens Gehirn.

Doch die grausame Rache des eifersüchtigen Weckers, der nach Vergeltung schreit, dass man sein Bett mehr liebe als ihn, ist unermüdlich. Jeden Morgen führt er zu schrecklicher Pein und Qual, wenn er den Nachtschlaf viel zu früh beendet.

Hierzu hat sich das instinktive Drücken des Snooze Button, also die Schlummertaste auf dem Radiowecker, zu einer der äußerst beliebtesten Tätigkeiten am frühen Morgen nach dem Wecker klingeln erwiesen. Er verschiebt immerhin das Aufstehen um einige Minuten nach hinten, und wenn man es gleich mehrmals durchführt, dadurch zu spät aus den Federn kommt, ist das Verlassen des Hauses im Eiltempo unumgänglich.

Viele stellen sich auch den Wecker extra eine halbe Stunde vor, um dem Wachwerden noch ein wenig zu trotzen. Einige haben sogar gleich mehrere Wecker neben dem Bett stehen und verschlafen trotzdem. Andere lassen ihn in ausreichender Entfernung stehen, um die Snooze Taste nicht berühren zu können.

Ich kann von mir behaupten, dass ich ein Frühaufsteher bin, gehöre nicht zu den Menschen, die mit verschlafenen Augen, Zahnbürste im Mund und Kaffeebecher in der Hand versuchen, sich anzuziehen. Auch nicht zu den Künstlern, die während der Autofahrt sich ein Sandwich mit Putenbrust, Feldsalat, Pesto, Schinken, Frühstücksspeck, geriebene Käse, Ketchup, Olivenöl, Salz und Pfeffer und Tomaten belegen können.

Es ist das endogene Schlaf-wach-Verhalten, dass von einer inneren Uhr gesteuert wird, ein innerer Taktgeber, der mir sagt: Los raus aus den Federn, der Tag versaut sich nicht von allein.

Doch nur einer kennt diese präzise Steuerung meines Schlaf-wach-Verhaltens, es ist mein Kater Tommy, neun Jahre alt, zimtfarbenes Fell mit weißen Pfoten, wohlernährt und unsportlich, ständig am Verhungern, Chef des Hauses und Jungfrau. Ein Wallach unter den Tieren.

Schon weit bevor mir ins Gedächtnis gerufen wurde, mich so langsam auf das Aufstehen vorzubereiten, sitzt mein Kater vor dem Bett und hypnotisierte mich mit der Ausdauer eines Faultieres, dessen Verdauung einer Mahlzeit alleine bis zu einem Monat dauern kann. Vielleicht ist es aber auch nur der Anprall seiner Müdigkeit, die ihn halt mit offenen Augen vor meinem Bett einschlafen lässt.

Manche merken sofort, wenn sie beobachtet werden, andere brauchen etwas länger. Es ist der siebte Sinn, den man spürt, wenn einem dieses Phänomen des gespürten Blickes sich wie ein Akkubohrer in einem hineinbohrt.

Oder wie beim Flirten. Ein kleiner verstohlener Blick kann schon ausreichen, um jemanden zum Schmelzen zu bringen. Der Blickkontakt ist immer das i-Tüpfelchen bei einer Annäherung.

Bei dieser Art der "Observation" schnurrt mein Kater noch dabei. Ein niederfrequentes, gleichmäßiges vibrierendes Geräusch, das von kaum hörbar bis beinahe aufdringlich ausfallen kann. Doch gerade am frühen Morgen, wo kaum Autos fahren, Flughäfen noch geschlossen sind und selbst die Nachbarn noch träumen, da hört sich das Schnurren an, als wenn jemand neben einem liegt und mit einem zunächst leisen zzzZZZzzz über einem starken CCCcccCCC und einem lauten sCCCHHH bis hin zu einem Nasenlaut, welches mit kräftigen Rapüüüh endet, einem berieselt.

Langsam öffne ich die Augen, und da die Dämmerung erst langsam eintrat, sah ich nur die Umrisse einer runden Fellkugel mit spitz zu laufenden Ohren, die immer näherkam. Wie das Crescendo eines Orchesters wuchs auch das Schnurren an, bis er so dicht war, dass durch das Beschnuppern meines Gesichtes seine Vibrissen anfingen, an meiner Nase zu kitzeln.

Ich drehte mich auf den Rücken, wollte noch ein bisschen Dösen, über den heutigen Tag nachdenken, denn heute ist kein normaler Tag, zumindest nicht für mich.

Es ist der vierte Todestag eines geliebten Menschen, den man verloren hatte, meiner Frau. Erinnerungen stiegen auf, als wir uns kennenlernten. Man wie lange ist das schon her, zwölf Jahre, fünfzehn Jahre, noch länger? Es wäre die abenteuerlichste Form gewesen, einen Partner kennenzulernen, zwischen Bratwürstchen, Bauchspeck und Kartoffelsalat, wenn ich mich nicht zu sehr um meine Freunde gekümmert hätte.

Es war auf der Grillparty eines Nachbarn. Sie hatte mich beobachtet, als wenn ich der Bandleader einer Rockgruppe gewesen war und sie als "pubertierender Teenager" darauf wartete, dass ich in ihre Richtung sehe, damit sie sich mit hysterisch kreischenden Bewegungen bemerkbar machen konnte. Doch ich bemerkte sie nicht.

Tage später führte uns das Schicksal zusammen, als ich geschäftlich mit ihr in Verbindung trat. Es war wie die Liebe auf den ersten Blick, ein magischer Moment, wo sich unsere Blicke trafen und plötzlich die Zeit anfing, stillzustehen.

Wir konnten miteinander reden, denn jeder hatte immer was zu sagen; wurden niemals alleine gesehen, sodass man uns schon als siamesische Zwillinge bezeichnete. Einige behaupteten sogar, dass man Magnete in unsere Hände eingepflanzt hätte, weil es keinen Moment gab, wo wir nicht Hand in Hand durch die Gegend marschierten.

Vorsichtig und doch neugierig hatten wir uns kennengelernt. Diese Zeit liegt nun schon lange zurück und manchmal ist es mir, als wäre es erst gestern gewesen. Traurig lag ich in meinem Bett, als eine Träne sich löste.

»Hey übertreibst du es nicht ein bisschen? Es ist bereits vier Jahre her. Das Leben geht weiter, egal wie sehr du dir das auch wünscht, die Zeit zurückdrehen zu können.«

Erschrocken fuhr ich hoch, herausgerissen aus einer wundervollen Erinnerung und schaute mich im Raum um. Niemand war zu sehen. War es eine akustische Halluzination, eine Stimme, die sich mir aufdrängte, die mir etwas zuflüsterte oder befehlen wollte, die den Moralapostel spielte? Die Stimme eines Geistes in der unsichtbaren Welt?

»Komm schon, steh auf und las uns Frühstücken.«

Wieder diese Stimme, wieder durchsuchte mein Blick das Zimmer, blieb aber plötzlich auf meinem Kater hängen, der rechts von mir am Bettrand stand und mich fixierte.

»Warst du…, warst du der… Nein, du warst das nicht, was für eine dumme Einbildung von mir… Oder…? Sprich noch mal.«

»Miau.«

»Hä, hä, hä hab ich mir doch gedacht.«

Doch wer war das? War es nur eine fiktive Stimme in meinem Kopf? Ein Doppel-Ich, das leicht versetzt auf der linken Schulter des Haut-Ichs sitzt, und versucht mich von meinen Gedanken abzubringen? Eine Schattenseite, die alle unerfüllten Wünsche, Sehnsüchte und Fantasien verwirft?

»Ja schon gut, jetzt reicht es.«

»Nein, nein, nein«, rief ich überrascht und riss die Decke an mich, als wenn sie eine Art Schutzschild bilden würde. »Du bist…, du kannst sprechen…, verdammt du hast gesprochen«, bemerkte ich bestürzt und schaute dabei meinen Kater an.

»Na endlich hast du es kapiert. So und nun steh auf, ich hab Hunger.«

»Okay, mal ganz langsam«, bemerkte ich überlegend. »Ich liege hier in meinem Bett, im Schlafzimmer, in einer kleinen Zweizimmerwohnung mit Balkon und…, und habe einen sprechenden Kater?«

»Man ich bin doch nicht der einzige Kater auf der Welt, der sprechen kann. Denk mal an Tom von Tom und Jerry, an den gestiefelten Kater, Garfield, Kater Carlo, Mikesch von der Puppenkiste und viele, viele andere.«

»Ja aber das sind fiktionale Comicfiguren, du bist ein Lebewesen, du bist lebendig, du bist aus Fleisch und Blut.«

»Na und, einer muss doch den Anfang machen.«

»Aha und irgendwann ist dann dieser Planet von intelligenten Katzen bevölkert, die uns primitive Menschenrasse dann für Experimente missbrauchen.«

»Quatsch, du siehst zu viel fern… und wie lange willst du da noch herumliegen?«

»Ich glaub ich werde verrückt«, dabei rutschte ich wieder in die Liegeposition und schüttelte mein Kopf.