Kater Tommy - Gerhard Vohs - E-Book

Kater Tommy E-Book

Gerhard Vohs

0,0

Beschreibung

Es ist die Liebe zu den Tieren, Dinge zu tun von denen man eigentlich nicht überzeugt ist, dass man sie überhaupt unbeschadet übersteht; seinen Kater aus den Klauen von Tierfängern zu befreien und dabei ein negatives Gefühl zu entwickelt, weil man der Meinung ist, etwas Unrechtes getan zu haben. Doch so ein Faustrecht hat folgen, was mit einer Vorladungen zur Polizei und einer Verhandlungen vor Gericht gemaßregelt wird. Eine Tierfreundschaft erfordert einiges an Schmerz, doch ebenso ist sie bereit, vieles an Gefühle zu geben.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 143

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Foto: Gerhard Vohs »Kater Tommy«

Inhaltsverzeichnis:

Aus Herrchens Sicht

1.1 Willkommen Tommy

1.2 Die Flegeljahre beginnen

1.3 Catnapping

1.4 Das Refugium

1.5 Die Erlösung

1.6 Eine anonyme Danksagung

1.7 Ein weiterer Mitbewohner

1.8 Die Vorladung

1.9 die Verhandlung

Aus Tommys Sicht

2.1 Mein neues Zuhause

2.2 Mama kommt zu Besuch

2.3 Hinter Gittern

2.4 Der Fluchthelfer

2.5 Rettung naht

2.6 Frei sein

2.7 Rex kam

2.8 Alles nur ein Traum

Kater Tommy

Entführung mit Folgen.

1. Aus Herrchens Sicht

1.1 Willkommen Tommy

Es war Frühjahr vor einigen Jahren, als die Katze meines Freundes Marc Junge bekam. Drei total blinde, taube und absolut hilflose europäische Kurzhaarkatzenbabys erblickten das Licht der Welt. Ganz besonders fiel mir eine mit zimtfarbener Zeichnung auf, die sich mit ihrem kleinen Kopf und den Vorderpfoten zwischen den Geschwistern durchbohrte, um einen warmen und sicheren Platz an Mamas Brust zu finden.

Leicht mit einem Finger streichelte ich das Fell und schon hörte ich einen hohen lautmalerischen Ton, ein quietschendes fauchen. Sie sind noch so klein und unangreifbar, sind in ihrem anfänglichen Leben damit beschäftigt, überwiegend zu schlafen und an Mamas Brust zu saugen.

Tage später öffneten sie die Augen und die bis dato nur durch Geruchs- und Tastsinn orientierten Katzenkinder, konnten nun ihre Geschwister und auch ihre Mutter sehen. Zu dieser Zeit sehen die Augen noch trübe und blau aus, aber das änderte sich in den nächsten Tagen.

Ich beobachtete die kleine zimtfarbene Katze, sah, wie sie mit ihrem Schwanz spielte. Immer wieder versuchte sie, ihn einzufangen. Als ich sie streichelte, machte sie einen Buckel, um meinen Finger intensiver zu spüren und wie sie dabei anfing zu schnurren, da war es um mich geschehen. Ich hatte mich in diese Katze verliebt und wollte sie haben.

»Lori war schon von Anfang an für dich bestimmt«, sprach Marc zu mir. »Du solltest sie öfters beim Namen nennen, damit sie sich schon mal daran gewöhnt und auch mit deiner Stimme vertraut wird.«

Lori!, eigenartiger Name, hört sich an wie Dörte, eine Mischung zwischen Döner und Torte. Aber Katzen ist es egal, mit welchen Namen sie angesprochen werden, Hauptsache die Zahl der Leckerlis stimmen.

»Ich vier Wochen ist sie dann alt genug, um Abschied zu nehmen, dann bringe ich sie dir vorbei.«

Zwei Tage später war ich wieder da, beobachtete meine zukünftige neue Mitbewohnerin, wie sie ihre schlafende Mutter ansprang, die sie daraufhin fauchenderweise in die Schranken verwies.

Als ich sie rief und den Daumen am Zeige- und Mittelfinger rieb, kam sie neugierig an, schnupperte und schuppte sich dann an meiner Hand. Sie wollte gekrault werden, und da ich unter einem unheilbaren Nicht-nein-sagen-Syndrom leide, fing ich an sie zu kraulen.

Langsam und bedächtig ließ ich meine Hand vom Kopf bis zum Schwanz gleiten, streichelte ihr warmes weiches Fell immer wieder und sie antwortete darauf mit sichtlichem Wohlbehagen.

Langsam schien sie Müde zu werden, legte sich hin und unter den Streicheleinheiten meiner Hand schlief sie dann behutsam ein.

Den nächsten Tag verbrachte ich im Zoogeschäft, suchte nach einem Bettchen, nach einem Katzenklo, nach Spielsachen, Fressnäpfen, Flohhalsband mit einer Glocke und natürlich nach Futter für meine Diva. Hier stand ich vor einem meterlangen Regal voller Katzenfutter, das wie eine Schallschutzwand den Lärm konservierte.

Da gab es Ragout, Lachs und Huhn mit Kartoffeln und Distelöl, Rind mit italienischen Schinken, Lamm und Rind mit Naturreis und Weizenkeimöl, Wild und Geflügel mit Vollkornnudeln und Leinöl, Rind mit Kartoffel und Schwarzkümmelöl, Schaf und Geflügel mit Naturreis und Hanföl.

Aus einer Grimasse würde plötzlich ein Entsetzen, als ich sah, mit was für Leckereien diese Nahrungsopportunisten verwöhnt werden.

Während sich uns einer, im Beisein einer kühlen Blondinen, überwiegend von tomatenmarkhaltigen Käsepfannkuchen ernährt, können sich kultivierte Katzen gesund und pazifistisch an gourmetartigen Speisen laben.

Eine moderne, unkomplizierte, gesunde und vollwertige Katzennahrung auf Basis natürlicher Inhaltsstoffe, entnahm ich den Etiketten. Eine garantierte vitaminreiche Vollwertnahrung, die von Experten schonend und sorgfältig zubereitet wurde und jedem Vierbeiner schmecken wird.

Und ich habe immer gedacht, dass gesunde Nahrung nicht schmeckt, dass es eigentlich schon reichen würde, wenn sie durch die Speiseröhre passt.

Zwanzig Aluminiumschälchen und zwanzig Portionsbeutel verschiedenster Hersteller nahm ich, diverse Dosen, dazu noch einige Tüten Trockenfutter, ein gemütliches kuscheliges Bettchen mit abgesenktem Einstieg, stabilem Rand und herausnehmbaren Wendekissen sowie Spielsachen, Katzenklo, Streu, Fressnäpfe und Halsband.

Dann ging es ans Eingemachte. An der Kasse versetzte mich die Gesamtsumme fast in Ohnmacht.

Voll beladen fuhr ich nach Hause, stellte sämtliche Sachen in den Flur und überlegte, wie man es so einem Wesen heimisch machen könnte. Dann entschied ich: Das Bettchen kommt erstmal ins Wohnzimmer, die Katzentoilette ins Badezimmer, Spielsachen ebenfalls ins Wohnzimmer und für das Trockenfutter, die Dosen und Schälchen musste ich erst mal mein fachgerechtes Geschick beweisen und den Vorratsschrank umräumen, um eine vorteilhafte Positionierung der Fressaliens zu erreichen.

Morgen ist nun der Tag, wo das Alleinsein ein Ende gefunden hat, wo ich fortan etwas Gutes für mein Leben tun werde, wo ich Verantwortung übernehme, dem ein gewisser De- und Missmut gegenübersteht.

Sie wird in der Nachbarschaft Katzen kennenlernen, spielen und jagen können, doch zur Dunkelheit möchte ich sie wieder zu Hause wissen.

Meine Mutter hatte früher immer gesagt:

»Junge, wenn die Straßenlaternen angehen, hast du Zuhause zu sein.«

Man wie oft hatten wir uns gewünscht, dass die Straßenlaternen mal ausfielen, doch denkste!

Der nächste Tag kam, ein Sonnabend. Marc erschien späten Nachmittag mit seiner Frau Denise und meinem neuen Hausgenossen.

Scheu wie Pflänzchen Rührmichnichtan lag sie im Katzenkorb, war wie versteinert und hatte ihre Krallen schier würgend in die Körbchendecke gebohrt.

»Wir stellen den Korb hier offen in den Flur und dann lass sie von alleine herauskommen. Katzen sind neugierig, sie wird irgendwann von alleine herauskommen. Am besten du legst hier vor der Öffnung ein gebrauchtes Kleidungsstück von dir hin, dann kann sie schon mal dein Geruch aufnehmen. Bestimmt wird sie sich an dich erinnern, als du sie gekrault hattest.«

Ich ging ins Bad und holte ein gebrauchtes T-Shirt aus dem Wäschekorb und legte es vor dem Katzenkorb.

Danach bevorzugten wir Menschen eine Kneippkur, eine Sitzung in meiner Hausbar, wo psychische Erste Hilfe im Biertrinken geleistet wird.

Zwischendurch schaute ich kurz nach dem Kätzchen, doch sie befand sich immer noch in ihrem Körbchen.

»Sitz noch hinter Gittern«, erwähnte ich, als ich den Keller wieder betrat.

»Apropos "sie", wir waren gestern noch beim Tierarzt und haben das Kätzchen untersuchen lassen, ist alles OK, bis auf einen kleinen Vorfall.«

»Erzähl mir jetzt nicht, dass sie ein Kinderzimmerschreck ist oder das sie zu einem gestandenen Löwen heranwachsen wird?«

»Nein, es liegt nur eine kleine Fehldeutung vor, eine kleine genetische Veränderung.«

»Also ein Tiger?«

»Nein, es war nur ein bedeutungsloser Irrtum.«

»Dann nagel mir kein Ei an die Schiene und erzähl. Was ist los?«

»Nun, wenn man die Katze mit einem Menschen vergleichen würde, dann könnte sie nach neuester Erkenntnis im Stehen pinkeln, was bedeutet, dass sich zu dem X-Chromosom ein Y hinzugeschmuggelt hatte.«

»Wow …, eine Geschlechtslügerei. Man gut, dass ich kein rosa Bettchen gekauft hatte. Aber egal, dann führen wir eben eine maskuline Wohngemeinschaft und ab sofort wird er Tommy heißen.«

»Siehst du und schon hast du einen ständigen Gast für eine Würstchenparty.«

Geraume Zeit später packte mich abermals die Neugier und so ging ich in den Flur, um nachzusehen.

Doch der Blick in den Korb verriet mir: ein leeres Zimmer. Er hatte die Gefängnis-frei-Karte gezogen und befand sich jetzt auf Entdeckungstour in Bad Mein-Daheim.

So stellte ich den Korb weg und schlich mich wieder hinunter in die Kellerbar.

Als ich zu späterer Zeit ins Bett ging, ließ ich alle Türen auf, damit mein ambulanter Mitbewohner sich frei bewegen konnte.

Am nächsten Morgen kontrollierte ich erst mal die Fressnäpfe in der Küche und siehe da, in den Näpfen würden sich die Mäuse Wundblasen laufen. Das erfreut einem natürlich, nur, als ich das Wohnzimmer betrat, kam mir ein eigenartiger Geruch entgegen, ein stechender nach Ammoniak riechender Geruch und dann sah ich auch schon das Malheur.

Obwohl es nicht regnete und auch der Wetterbericht Sonnenschein prophezeite, sah ich eine Ansammlung von Flüssigkeit in der Ecke stehen, ein See.

Und flugs in dem Moment fiel der Groschen pfennigweise. Woher sollte Tommy auch wissen, wo er sein Rappelmännchen machen soll, wenn man es ihm vorher nicht zeigt. Ich glaub, ich habe mein Kopf auch nur noch zum Haarewaschen.

Dann sah ich ihn. Unter dem Vorhang schauten eine kleine rosafarbene Nase und zwei Augen hervor. Ich legte mich davor und ließ einen meiner Finger vor seiner Nase hin und her tänzeln.

Volle Aufmerksamkeit wurde jeder Bewegung geschenkt und auf einmal zuckte blitzschnell seine Pfote hervor und bohrte sich in meinen Finger. Dabei übertrat er die Aua-Grenze und mein Finger fing an, ein wenig zu bluten.

Ich nahm ihn sorgsam auf den Arm, krauelte sein Bäuchlein und sofort fing er an, in den liebsten Tönen zu schnurren.

Dabei ging ich mit ihm ins Badezimmer und stellte in dort ins Katzenklo. Schnuppernd begutachtete er den Ort der Entspannung, fing dann an die weißen Qualitätskörnchen, die speziell für die Bedürfnisse einer Katze entwickelt wurden, einzeln aufzustapeln. Dann setzte er sich auf den Krater und das Rauschen von ungeklärtem Wasser war zu hören.

Ich ließ ihn alleine und kümmerte mich erstmal um die Beseitigung des Stausees im Wohnzimmer. Es dauerte nicht lange, da kam Tommy, sah mich in dieser knienden Stellung und meinte, mir erstmal in die Hacken springen zu müssen. So hörte ich mit der Bodenmassage erstmal auf und spielte mit dem Kater.

Nach gut einer Stunde des Rumjachterns, des wilde Sau Machens und des keine Geige Spielens schlief er doch fast im Stehen ein. So nahm ich ihn, legte ihn in sein Bettchen, worauf er sofort schnurrend einschlief.

Plötzlich klingelte es an der Tür. Tommy riss die Augen auf, sprang aus seinem Bettchen und verkroch sich hinter dem Sofa. Ein Geräusch, was er noch nicht kannte und möglicherweise für ihn bedrohlich erschien.

Ich ging zur Tür, öffnete sie und einer meiner Nachbarn stand davor. Ein sonntäglicher Besuch sollte es werden, ein Besuch, bei dem die Langeweile durch ein Gespräch überbrückt werden soll, bevor einem das Gesicht einschläft oder man per Anhalter durch die Galaxis düst. Dabei entstehen Konversationen, die so spannend sind, wie der Drehteller in einer Mikrowelle, was von einem "Na ja" und "tja" oder von einem Schweigen beiderseits begleitet wird.

»Hey, komm rein«, sprach ich. »Sei aber vorsichtig, wo du hintrittst. Hier läuft eine junge Katze herum.«

»Du hast eine Katze?«

»Ne ein Kater, ein männliches Tier aus der Gattung der Katzen.«

»Aha, Siamkatze?, Abessinierkatze?, Kartäuserkatze?, Hauskatze?, Angorakatze oder eine etwas größere Katze wie Tiger?, Gepard?, Leopard?, Jaguar oder Puma?«

»Eine ganz stinknormale Hauskatze!«

Wir gingen runter in die Kellerbar, öffneten uns ein Bier und stießen auf meinen neuen Hausgenossen an.

»So und nun lass ma die Katze aus dem Sack. Wo ist denn dein Stubentiger?«, fragte er nach einer Weile.

»Du hast ihn mit dem Klingeln aus dem tiefsten Schlaf geweckt. Daraufhin hat er sich entschlossen hinterm Sofa nachzudenken, mit welchen mittelalterlichen ausschweifenden Inquisitionsmethoden er dich foltern sollte. Vielleicht deine Barthaare mit Kaltwachsstreifen zu epilieren, bis du dich vom Hals aufwärts purpurrot verfärbst.«

»Hä?«

»Nun kriege nicht gleich ein Scherzinfarkt, nur weil er dich als Opfer auserwählt hat.«

Während mein Nachbar vor dem Tresen stand und ich dahinter, wir uns gegenseitig ein Schnitzel ans Ohr laberte, spürte ich auf einmal ein leichtes Picken an meiner Ferse, wie das Einstechen durch einen Voodoo-Schamanen mit einer Stricknadel in einem Kaktus.

Ich hob mein Bein, ohne meinen Gesprächsschwall zu unterbrechen, kratzte an der betroffenen Stelle und stellte es daraufhin wieder zu Boden. Kurze Zeit später spürte ich wieder, wie die Stricknadel versuchte, in meine Ferse einzudringen, um mich zum Verbluten zu bringen.

Ich schaute nach unten und sofort wurde mir klar, wer verantwortlich für diese masochistische Blutrünstigkeit war.

Tommy versuchte mit seinem kleinen Maul, in meine Ferse zu beißen. Ich freute mich ein Loch in die Mütze, dass er es geschafft hatte, die Treppen hinabzugehen, um sein Herrchen zu besuchen.

So nahm ich ihn hoch, stellte ihn auf den Tresen und sprach:

»Das ist Tommy, seine Wege sind zwar noch unergründlich, aber auch wenn er erst gestern eingezogen ist, so ist er heute schon der Chef des Hauses.«

Ja, Tommy war noch nicht lange hier, aber dennoch hatte ich das Gefühl, wir lebten schon eine längere Zeit zusammen.

1.2 Die Flegeljahre beginnen

Wochen und Monate vergingen. Tommy wuchs mittlerweile zu einem gestandenen Kater heran, zu einem richtigen kleinen Tyrannen, dem nichts so leicht aus der Bahn warf. Er war ein sehr intelligenter Kater, lernte schnell, besonders dann, wenn er das Erlernte zu seinem Vorteil einsetzen könnte.

Morgens nach dem Aufstehen, stand er solange vor dem Badezimmer bis ich frisch geduscht, rasiert und angezogen wieder rauskomme und seine Futternäpfe füllte. Nicht dass er Hunger hatte, n-e-e-e-i-i-i-n, sie mussten einfach nur gefüllt sein, einfach zu wissen, da ist was, wenn man Hunger hatte. Dann ein kurzes Beschnuppern seiner Fressalien, das Einatmen des Aromas und der Gang zur Terrassentür.

Von dort hörte ich jeden Morgen das erbärmliche Miauen einer Katze, die ihren morgendlichen Spaziergang machen möchte, ganz besonders den Toilettengang in Nachbars Garten, auf der frisch geharkten, aufgelockerten, aromatisch nach Muff, Pilzen und Bakterien riechender Erde.

Eigentlich sollte Tommy nur auf meinem Grundstück bleiben, doch eigenmächtig hatte er sein Einzugsbereich immer weiter ausgedehnt, was mittlerweile mindestens fünfzehn Grundstücke in jede Himmelsrichtung umfasst.

So krabbelt er erst mal über die Stellwand zur Nachbarin, um sich dort seine Ration Brekkies abzuholen. Nach diversen zusätzlichen Streicheleinheiten, weil er ja sonst keine erhält, geht es dann weiter zum nächsten Grundstück, wo die nächste Mahlzeit auf ihn wartete. Auch hier rundete eine ausgiebige Rückmassage das Zweitfrühstück seiner vollsten Zufriedenheit ab.

Essen macht müde und so wird vor dem Drittfrühstück erst mal ein Nickerchen in der Hollywoodschaukel des dahinter befindlichen Nachbarn gehalten. Ein älterer Herr, der sein Sport zum Hobby gemacht hatte, wobei er den Sport nur in sehr speziellen Disziplinen ausübte, in dem er Brieftauben züchtete. Er hat es tatsächlich geschafft, dass Tommy seine Brieftauben als nicht jagenswerte Objekte ansieht und die Tauben sich sogar mit ihrer charakteristischen Kopfbewegung an ihm vorbeitrauten, ohne das Tommy das Wasser im Munde zusammenläuft.

Brieftauben waren früher der ultimative Kick, Nachrichten zu versenden. Überall flogen sie durch die Luft, verteilten Mitteilungen, Botschaften, Zuschriften und Briefe. Jeder Haushalt verfügte über so ein Flugobjekt, über einen maritimen Vorgänger der heutigen Post.

Doch sie hielten sich nicht lange, denn es gab immer weniger Brieftaubenzüchter. Kein Wunder, denn der Altersdurchschnitt eines Züchters liegt bei sechzig Jahren und somit jenseits des Fortpflanzungsalters.

Heute wo flächendeckend Handys eingesetzt werden, um die Tratschbedürftigkeit vieler Menschen zu befriedigen, ist eine SMS schneller geschrieben, als ein Zettel zusammengerollt und in einem Behälter am Fuß einer Taube befestigt.

Nachdem Tommy ausgiebig sein Mittagsschläfchen gehalten hatte, geht es dann weiter, denn da waren ja noch die anderen Nachbarn, die für die Hauptmahlzeit sorgten, für sein Mittagsessen.

Ich wunderte mich die erste Zeit darüber, warum ich so viel von seinem Fresserchen wegschmeißen musste. Dabei hatte ich die Sorten ständig gewechselt und auch kontinuierlich die Hersteller. Doch egal, ob Whiskas, Felix, Kitekat, Sheba, Royal Canin oder andere Gattungsmarken, er meckerte morgens so lange herum, bis seine Näpfe gefüllt wurden, welche dann am Abend angetrocknet in der Mülltonne landeten.

Große Sorgen machte ich mir, ließ ihn vom Arzt durchchecken, doch er litt weder an Bulimie, noch war sein Körper skelettartig. Er war kerngesund, kräftig gebaut, gut ernährt, nicht zu dick und sportlich aktiv.

Doch eines Tages erhielt ich einen Anruf, den Anruf einer Frau aus der näheren Nachbarschaft:

»Vermissen sie eigentlich ihren Kater Tommy?«

Tommy trägt ein Halsband mit einem Adressanhänger, um ihn als freilaufende Katze von einer herrenlosen zu unterscheiden.

»Eigentlich nicht. Er geht zwar jeden Morgen in der Nachbarschaft auf Streife, ist aber nachmittags immer wieder Zuhause. Warum?, hat er was angestellt?«

»Nein das nicht! Er kommt seit einiger Zeit jeden Tag zu mir und lässt sich von mir beköstigen, schläft ein Weilchen auf dem Sofa und verschwindet dann wieder.«

»Ach jetzt versteh ich auch, warum er sein Essen hier schont. Das ist ja dann fast wie Essen auf Rädern. Von anderen Nachbarn habe ich auch schon gehört, dass sein Magen zwar kein Muskel ist, er ihn aber gut und gerne trainiert.«

So was erinnert mich an meine Kindheit, als Mama immer gekocht hatte, mit frischen Zutaten und ohne jegliche Geschmacksverstärker, doch am besten hat's bei Oma geschmeckt. Hier musste ich mir jedoch immer einen Grund zum Ausheulen einfallen lassen, damit Oma immer sagen konnte:

»Aber du musst doch nicht weinen Bub, komm ich mach dir ein Sorgensüppchen.«

Ja und dann kochte sie, kochte mit Maggi Würze, ein Geschmack, den ich doch so gerne mochte.

Für Tommy gab es in der Zukunft nur noch stark reduzierte Portionen, eine Hälfte morgens und die andere Hälfe, wenn der Herr Kater sich bequemt, mal hungrig nach Hause zu kommen.