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Warmherziger Jugendroman über den Mut, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen Für die 15-jährige Feli bricht eine Welt zusammen, als ihre Schwester bei einem Autounfall ums Leben kommt. Sina – ihre geliebte große Schwester, Ratgeberin und beste Freundin – ist weg. Für immer. Was von Sina geblieben ist, ist der gemeinsame Chat, den Feli in ihrer Verzweiflung alleine weiterführt. Hier fühlt sie sich ihrer Schwester nahe und erzählt ihr alles. Auch dass sie jetzt wegen einer unnötigen Aktion Sozialstunden im Altenheim ableisten muss. Und dass sie hier auf Vito trifft, der eigentlich auch in dem Unfallauto gesessen hätte, hätte er nicht an jenem Abend Spätdienst gehabt … »Man kann nicht verliebt sein, wenn die einzige und beste Schwester gestorben ist. Kann man das? Verdammt, es ist der falsche Zeitpunkt. Ich kann doch nicht gleichzeitig traurig und glücklich sein. Das geht nicht. Zerreißt mich. Wenn ich dich doch nur um Rat fragen könnte. Ich vermisse dich so sehr, dass mir kotzübel ist.« »Aber Clara hatte etwas anderes zu sagen: "Wenn man in ein Loch fällt, muss man aus eigener Kraft wieder rausklettern. Es hilft nicht weiter, darauf zu hoffen, dass einem jemand eine Strickleiter zuwirft. So was haben die Leute in den seltensten Fällen zur Hand.« - Ein Roman komplett als Chat-Verlauf – kurze Lesehappen auch für Wenig-Leser*innen geeignet - Warmherziger Coming-of-Age Roman um Verlust, Trauer, Neubeginn und erste Liebe - Jojo Moyes-Feeling für ab 12-Jährige – empathisch, mitfühlend und lebensbejahend
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Seitenzahl: 143
Originalcopyright © 2023 Südpol Verlag, Grevenbroich
Autor: Petra Bartoli y Eckert
Umschlaggestaltung und Illustrationen: Corinna Böckmann
E-Book Umsetzung: Leon H. Böckmann, Bergheim
ISBN: 978-3-96594-247-9
Alle Rechte vorbehalten.
Unbefugte Nutzung, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung,
können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
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www.suedpol-verlag.de
2. Juli
Status von Feli Cherie, gepostet um 22.18 Uhr
gechillt – mit Schwesterherz Sina Wagner unterm Sternenhimmel
Sterne
Seliger Sterne schimmernde Scharen
Schweben so ferne, blinken so schön;
Aber in blauenden Nächten, in klaren,
Gleiten sie leise von einsamen Höh’n.
Stürzen, von siegender Sehnsucht getrieben,
Jäh durch der Welten unendlichen Raum
Nieder und weben ihr leuchtendes Lieben
Ein in der Blüten keuschen Traum.
Doch wenn im Osten der Tag sich rötet,
Müssen zurück sie, verblichen und matt ...
Sahst du denn niemals noch ein verspätet
Sternlein hangen am Rosenblatt?
(Rainer Maria Rilke)
Wir stürzen gemeinsam mit den Sternen durch Zeit und Raum und Unendlichkeit!
3. Juli
Sina Wagner, 21.44 Uhr
Schwesterherz, das wird der schönste Abend meines Lebens – trotz Dauerregen. Ich hab da so ein Gefühl ...
Feli Cherie, 21.52 Uhr
Hallo?! Dein schönster Abend war gestern! Mit mir. Im Garten. Beim Sternschnuppen-Gucken!
Sina Wagner, 21.58 Uhr
Ja, klar, Feli Cherie! Schwesternabende kann nichts toppen. Ok, mein zweitschönster Abend
Feli Cherie, 22.04 Uhr
Ich hör dein Herz schon durch die Zimmerwand POCH, BUMM, KRABUMM!
Sina Wagner, 22.06 Uhr
Kannst du nicht. Dazu hast du deine Musik viel zu laut aufgedreht.
Feli Cherie, 22.07 Uhr
Braucht dich ja nicht zu stören. Du haust ja eh gleich ab.
Sina Wagner, 22.09 Uhr
Aber Ma und Pa werden sicher bald gegen deine Tür hämmern. Da kommt schon jemand die Treppe hoch. Schnell, dreh leiser!
Sina Wagner, 22.10 Uhr
Sag einfach, du wolltest über Kopfhörer hören.
Feli Cherie, 22.19 Uhr
Uff, Pa hat sich wieder abgeregt.
Sina Wagner, 22.26 Uhr
Immerhin: Du hast es überlebt. Ich hätte dich ja gerettet. Aber nur bei Lebensgefahr
Sina Wagner, 22.27 Uhr
Kannst du mir deinen dunkelroten Lippenstift leihen? Bitte, bitte!
Feli Cherie, 22.31 Uhr
Nein! Kauf dir selbst einen.
Sina Wagner, 22.32 Uhr
Komm schon, kleine Lieblingsschwester
Feli Cherie, 22.33 Uhr
Oh Gott, jetzt kann ich auf keinen Fall den Flur betreten. Auf der Schleimspur rutsche ich aus. Liiiieblingsschwester ... Vergiss es! Ich werde dir auf KEINEN Fall meinen Lippenstift leihen.
Sina Wagner, 22.34 Uhr
Danke! Ich wusste, dass du nicht Nein sagen kannst Ich komm rüber zu dir.
Feli Cherie, 22.35 Uhr
Hast du was an den Augen? N-E-I-N! Was genau hast du daran nicht verstanden??
Sina Wagner, 22.36 Uhr
Darf ich dich daran erinnern, welche Leihgaben von mir in deinem Zimmer bereits Staub ansetzen?
Feli Cherie, 22.37 Uhr
Überredet. Aber nur unter der Bedingung, dass du dir eine gute Gegenleistung einfallen lässt. Also, was springt für mich raus?
Feli Cherie, 22.37 Uhr
Ich hab‘s: Ich leih dir meinen Lippenstift, wenn du mir versprichst, dass du mich nächstes Mal mitnimmst.
Sina Wagner, 22.38 Uhr
Geht nicht, du weißt genau, dass Ma und Pa ausflippen würden, wenn ich dich aus dem Haus schmuggle. Und du kennst ihre Meinung dazu: Feli ist noch viel zu jung! Bla, bla. Tröste dich: Bis zu deinem 16. Geburtstag dauert es ja nicht mehr lange
Feli Cherie, 22.39 Uhr
Das hätte ich nicht von dir gedacht. Feigling!
Sina Wagner, 22.40 Uhr
Jetzt schmoll nicht gleich. Du kannst doch einfach mal mit denen aus deiner Klasse weggehen.
Sina Wagner, 22.41 Uhr
Kino oder so geht doch. Muss ja nicht spätabends sein.
Feli Cherie, 22.42 Uhr
Hör auf mit dem Quatsch! Du weißt genau, dass ich mit den Nasen aus meiner Klasse nichts anfangen kann ...
Sina Wagner, 22.43 Uhr
Hey, Feli Cherie, werd jetzt bloß nicht zum Freak! Ich meine, die sind sicher nicht alle bescheuert, oder?
Feli Cherie, 22.44 Uhr
FREAK? Geht’s noch?! Ich hab keinen Bock auf den Kindergarten. Die kichern nur blöd rum und langweilen mich.
Sina Wagner, 22.45 Uhr
Schon gut. Reg dich ab! Du MUSST ja nicht mit denen abhängen. Ich dachte nur, du willst was unternehmen.
Feli Cherie, 22.46 Uhr
Hör auf zu denken. Erzähl mir lieber: Wer geht gleich alles mit?
Sina Wagner, 22.47 Uhr
Die üblichen Verdächtigen: Vito, Emma und natürlich Jo!!
Feli Cherie, 22.48 Uhr
Oh! Jo! Knutsch, schmacht, schmelz!
Feli Cherie, 22.49 Uhr
Na los, hol dir den Lippenstift bei mir ab. Ich will deinem Glück nicht im Weg stehen
Sina Wagner, 22.50 Uhr
Du bist ein Schatz Ich komm rüber.
Sina Wagner, 22.54 Uhr
Danke, der Lippenstift sieht echt wahnsinnig gut aus. Rouge Coco. Mega! Ich geh dann. Drück mir die Daumen, dass Jo auch nach dem heutigen Abend noch so genial ist, wie bisher mit Sicherheitsabstand.
Feli Cherie, 22.56 Uhr
Ich will ALLES wissen. Das bist du mir schon wegen Rouge Coco schuldig! Auch die Details. ALLES!
Sina Wagner, 22.56 Uhr
Träum weiter, Feli Cherie. Für manche Details muss man volljährig sein
Feli Cherie, 22.57 Uhr
Das mit dem Lippenstift war das letzte Mal. Nie, nie wieder tu ich dir einen Gefallen!!!
Sina Wagner, 22.58 Uhr
Ich liebe dich, kleine Schwester!
Feli Cherie, 22.59 Uhr
Ich hasse dich. Haha, Umkehrtag! Und jetzt verschwinde.
5. Juli
Feli Cherie, 1.54 Uhr
Das ist nicht witzig. Sag doch endlich, dass du wie immer in deinem Zimmer nebenan auf dem Bett sitzt. Du kannst auch sagen, wenn du keine Lust hast, mit mir zu chatten. Das würde ich verstehen. Alles würde ich verstehen. Nur das nicht, was uns die Polizei gestern früh gesagt hat.
Feli Cherie, 2.12 Uhr
Autounfall? Das kommt doch nur im Fernsehen vor. Aber doch nicht in echt. Los, sag, dass du uns alle nur verarscht hast.
Feli Cherie, 2.34 Uhr
Wenn man von dort, wo du jetzt bist, irgendwie Internetzugang bekommt, dann antworte mir. BITTE!
Feli Cherie, 2.45 Uhr
Wenn du wirklich tot bist, dann müsste sich dein Account doch einfach auflösen. Tut er aber nicht. Alles Lüge!
6. Juli
Feli Cherie, 18.36 Uhr
Das ist einfach nicht wahr!!! Fühle mich wie in Watte. Nicht weich eingehüllt, sondern kratzig. Ich ersticke gleich dran.
Feli Cherie, 20.48 Uhr
Ich kann nicht mehr denken. Meine Gehirnzellen werden gerade in einem unsichtbaren Küchenmixer verquirlt. Und wenn ich Glück habe, kommt irgendein Gedankenbrei bei mir an. Oder einfach nur nichts.
Feli Cherie, 22.27 Uhr
Ich halte das nicht aus!
Feli Cherie, 22.38 Uhr
Sina. Sina! SINA!!
Feli Cherie, 22.39 Uhr
Du kannst nicht tot sein. Du hast noch meinen Lippenstift, den du mir zurückgeben musst!!!
7. Juli
Feli Cherie, 10.15 Uhr
Schulfrei! Jemand, dessen Schwester gerade gestorben ist, muss nicht zur Schule gehen. Soll ich mich darüber freuen?
Feli Cherie, 11.55 Uhr
Du stehst in der Zeitung. Das wolltest du doch immer: Berühmt sein. Pa sitzt in der Küche am Esstisch und starrt seit einer Stunde wie hypnotisiert auf den Lokalteil: Unfall auf regennasser Fahrbahn. 19-jährige Beifahrerin starb noch am Unfallort. Eine weitere Insassin wurde schwer verletzt in die Marienklinik gebracht. Ihr Zustand ist kritisch. Der Fahrer blieb wie durch ein Wunder unverletzt.
Feli Cherie, 12.05 Uhr
Warum kann das Wunder nicht dich getroffen haben? Ich könnte auch mit kritischem Zustand leben. Das ist so unfair! SINA!
Feli Cherie, 12.25 Uhr
Ma ruft, ich soll runterkommen. Da kann sie lange warten. Ich bleib hier so lange auf meinem Bett sitzen, bis du meine Zimmertür aufmachst und reinspazierst.
Feli Cherie, 12.29 Uhr
Ma kann einfach nicht aufhören! Ich soll zum Essen kommen. ESSEN? Hat die einen Knall? So tun, als ob alles gut wäre?
Feli Cherie, 14.18 Uhr
Irgend so eine Tante von einem Seelsorgedienst war eben hier. Hat ganz zaghaft an meine Zimmertür geklopft und gefragt, ob sie reinkommen darf. Ich habe nicht Ja gesagt – reingekommen ist sie trotzdem. Dann hat sie sich auf meinen Schreibtischstuhl gesetzt und mich mitleidig angesehen. Das hätte sie sich echt sparen können! Zuerst haben wir eine Weile geschwiegen. Dann fing sie zu reden an. Sie wollte wissen, was ich fühle. HALLO??!! Ich hab kein Wort gesagt. Nichts! Niente! Die Tante ist nach einer halben Stunde Schweigen wieder aus meinem Zimmer geschlichen. Gut so. Ich würde mich so gerne mit dir zusammen darüber lustig machen. Aber du ziehst es ja vor zu sterben!!!
Feli Cherie, 14.22 Uhr
Sag jetzt endlich, wo du steckst!
Feli Cherie, 14.39 Uhr
Ich war gerade auf dem Klo und musste kotzen.
Feli Cherie, 14.42 Uhr
Das Haus ist so leer. Vor einer Woche hätte ich nichts lieber gehabt. Jetzt sind Ma und Pa unterwegs, um mit einem Bestatter zu quatschen. Beerdigungszeug. Ich wollte nicht mit. Hände vor die Augen halten. Kuckuck! Ich bin weg und niemand kann mich sehen ...
Feli Cherie, 16.12 Uhr
Oma ist da. Sie heult und heult. Ich war kurz im Wohnzimmer. Aber dann hab ich mich wieder verkrümelt. Ich konnte das Geflenne nicht mit ansehen.
Feli Cherie, 17.25 Uhr
Leer. Einfach leer. Da ist nichts in mir drin. Ich bin luftleer. Gefühlsleer. Ohne Materie. Nichts dringt nach außen. Ein schwarzes Loch mitten in meinem Zimmer.
Feli Cherie, 22.12 Uhr
Stell dir vor, Ma wollte bei mir in meinem Bett schlafen. Sie stand plötzlich vor mir. Im Nachthemd und mit schwarzen Ringen unter den Augen. Gruselig, sag ich dir! „Bitte rück doch ein Stück. Ich mach mich auch ganz schmal“, meinte sie. Bei mir im Kopf hat eine ganze Alarmanlage angefangen zu röhren. Ich wollte sie auf keinen Fall so nah bei mir haben. Außerdem bin ich doch nicht ihr Babysitter. Sie soll mich in Ruhe lassen! Pa hat mich gerettet. Er hat sie geholt, nachdem ich einen Schreianfall bekommen hatte. Wie eine Stoffpuppe hing sie an seinem Arm und ließ sich aus meinem Zimmer führen.
Feli Cherie, 22.25 Uhr
Wow! Das ist wie in einem Horrorfilm. Jemand ist in deinem Zimmer. Bist du wieder da?
Feli Cherie, 22.43 Uhr
Das ist echt unglaublich: Ma liegt in deinem Bett und schläft. Ich hab nachgesehen. Krumm wie eine Kidneybohne liegt sie da. Die Beine angezogen. Die Arme um den Körper geschlungen. Den Kopf beinahe an den Knien. Das geht einfach nicht! Das ist DEIN Bett!!! Da hat sie nichts drin zu suchen.
Feli Cherie, 22.45 Uhr
Weißt du, was mir durch den Kopf gegangen ist, als ich Ma in deinem Bett liegen sah? Ich habe mir vorgestellt, ihr ein Kissen aufs Gesicht zu drücken. Ich glaube, ich werde langsam verrückt. Komme mir vor wie eine Psychopathin. Wenn ich nicht aufpasse, werde ich noch zur Massenmörderin ...
Feli Cherie, 23.12 Uhr
Ich würde jetzt auch gerne in deinem Bett liegen. Deinen Geruch riechen. Aber da ist ja Ma. Scheiße!
Feli Cherie, 23.52 Uhr
Pa ist noch wach. Er rennt unten durchs Wohnzimmer wie ein Tiger in einem Käfig. Kann ich verstehen. Ich würd mich gerne anschließen.
8. Juli
Feli Cherie, 2.39 Uhr
Der Himmel ist bedeckt. Ich sehe aus meinem Dachfenster nur Wolkenfetzen. Der Blick ins Universum hat sich verdunkelt.
Feli Cherie, 8.09 Uhr
Ich habe heute Nacht ein paar Stunden geschlafen. Wie kann man schlafen, wenn man sich wie tot fühlt?
Feli Cherie, 9.15 Uhr
Morgen wird deine Beerdigung sein. Das hat Pa mir eben mitgeteilt. Er fragte, ob ich mich irgendwie besonders von dir verabschieden möchte. FUCK! Ich will mich überhaupt nicht von dir verabschieden. Ich will, dass du wieder da, wieder da, wieder da, WIEDER DA bist!!!
Feli Cherie, 10.43 Uhr
Ma war hier. In meinem Zimmer, meine ich. Hat sich wegen gestern entschuldigt. Und mich gebeten, mich morgen bei der Beerdigung zu benehmen. What?! Zu BENEHMEN??!! Mit schwarzem Konfirmanden-Kleidchen und Lackschuhen? Und ‘nem Spitzentaschentuch zum Tränen abtupfen? Was soll der Scheiß?! Ich könnte kotzen.
Feli Cherie, 13.21 Uhr
Eben war der Pfarrer da. Er hat mit Ma und Pa deine Beerdigung besprochen. Wollte wissen, was du für ein Mensch warst. Ich stand mit verschränkten Armen im Türrahmen. Ma und Pa haben mir immer mal wieder einen auffordernden Blick zugeworfen. So nach dem Motto: Sag du doch auch mal was. Aber den Gefallen hab ich ihnen nicht getan. Was für ein Mensch du warst? Auf jeden Fall keiner, der sich so einfach verpisst, sich mir nichts, dir nichts aus dem Staub macht. Das hätte ich am liebsten gesagt. Aber das wollte ohnehin niemand hören. Dann wollte der Pfarrer von mir wissen, ob ich vielleicht mit der Geige an deinem Grab spielen möchte. Sind denn alle komplett irre?! NEIN, will ich NICHT. Ich werde Kopfhörer im Ohr haben. Damit ich nichts von seinem Gesabber mitkriege. Er fragte dann noch so blöde Sachen: Was dich ausgemacht hat, was wir von dir behalten. Ich will DICH behalten. Will auf keinen Fall loslassen. Dich festhalten. Aber du bist nicht mehr da.
Feli Cherie, 15.46 Uhr
Sina, leihst du mir deine zerrissene Jeans? Die werde ich mir jetzt aus deinem Schrank holen. Und morgen bei deiner Beerdigung tragen. Egal, ob du damit einverstanden bist oder nicht. Du kannst nichts dagegen unternehmen. Du bist schließlich diejenige, die es vorgezogen hat, zu sterben.
Feli Cherie, 18.12 Uhr
Ich habe mich in dein Zimmer geschlichen. Bin mir vorgekommen wie eine Einbrecherin. Eigentlich wollte ich wirklich nur an deinen Schrank. Aber dann hab ich mich auf den Boden gelegt und deine Zimmerdecke angestarrt. Das war also dein Ausblick die ganzen Jahre über, wenn du gechillt hast. Hat mich so brennend interessiert, dass ich zwei Stunden regungslos liegen blieb. Gut, dass Ma sich in der Zeit nicht hat blicken lassen.
Feli Cherie, 18.16 Uhr
Ach ja: Anziehen werde ich morgen deine Fetzenjeans, mein Totenkopf-Shirt (hahaha!) und meine Chucks. Einverstanden?
Feli Cherie, 18.17 Uhr
Meinen dunkelroten Lippenstift hab ich bei dir auf dem Schreibtisch liegen lassen. Ist mir egal, dass du ihn mir nicht wieder zurückgegeben hast.
Feli Cherie, 18.21 Uhr
Ich hab deine Jeans eben anprobiert. Mich damit vor den Spiegel gestellt. Das war richtig spooky. Irgendwie so, als wäre ich halb ich und halb du. Meine Haut hat unter dem Stoff deiner Jeans zu prickeln begonnen. Ich hab mir die Hose schnell wieder ausgezogen. Es fühlt sich falsch an. Ich kann doch nicht in deine Haut schlüpfen. Das darf ich nicht. Aber andererseits ist es so schön, etwas von dir zu tragen. So als wärst du dann ein bisschen bei mir
Feli Cherie, 22.39 Uhr
Ich werde morgen nicht auf deine Beerdigung gehen. Ma und Pa haben mich beim Abendessen derart genervt! Ja, ich hab wirklich was gegessen!! Drei Bissen – mindestens. Und während ich am Tisch saß – so fünf Minuten vielleicht –, haben Ma und Pa ständig geplappert. Aber nichts miteinander gesprochen. Ich meine, die haben mich vollgelabert. Feli, iss doch noch was – Feli, willst du reden? – Feli, gib mir mal die Butter – Oma wird morgen schon um zehn zu uns kommen und dann mit uns fahren ... Alles in meine Richtung. Kaum auszuhalten. Haben die es noch nicht mitgekriegt: IHRE TOCHTER IST TOT!
Feli Cherie, 23.02 Uhr
Doch, ich gehe hin. Auf deine Beerdigung, meine ich. Statt meiner Chucks nehm ich deine Stiefel. Und deine Jeans zieh ich auch an. Du gehst also sozusagen mit mir auf deine eigene Beerdigung. Das ist zwar irgendwie schräg, aber ich glaube, nur so halte ich den Irrsinn durch ...
Feli Cherie, 23.14 Uhr
Hab mir den Lippenstift doch geholt. Den brauche ich für morgen. Ma schläft übrigens heute in ihrem eigenen Bett. Und Pa im Wohnzimmer.
Feli Cherie, 23.18 Uhr
Ich werde heute Nacht ganz nah an der Wand schlafen. Mich ganz schmal machen. Und mich nicht bewegen. Dann ist Platz in meinem Bett für dich. So wie früher. Nur umgekehrt. Weißt du noch? Als ich bei Gewittern immer zu dir ins Zimmer geschlichen kam und unter deine Decke krabbeln durfte. Und du hast mich im Arm gehalten. Und gemurmelt: „Ist gleich vorbei.“ Komm du diesmal zu mir. BITTE!
9. Juli
Feli Cherie, 9.10 Uhr
Beerdigung. Erde. Welt. Universum. Urknall. Heute ist es also so weit.
Feli Cherie, 10.18 Uhr
Ich hab mich wieder in mein Zimmer geflüchtet. Als ich vorhin unten auftauchte, mit deiner Jeans und dem Totenkopf-Shirt, hätten Oma und Ma beinahe einen Herzinfarkt bekommen. Die sollen bloß nicht so verklemmt tun. Ich passe eben nicht in ihr „braves Mädchen“-Bild. Aber das ist mir so was von scheißegal! Die können mich alle mal. Ich ziehe zu deiner Beerdigung an, was ich will. Niemand kann mir etwas vorschreiben!
Feli Cherie, 10.22 Uhr
Ich werde mir jetzt die Lippen für die Beerdigung dunkelrot anmalen und mich solange hier verschanzen. Ich lad mir noch neue Lieder aufs Handy. Irgendwas, was man voll aufdrehen kann und dabei das Gefühl hat, dass einem die Ohren wegfliegen.
Feli Cherie, 12.39 Uhr
Stell dir vor, Jo hat eben geklingelt. JO! Das Wunder, das den Scheißunfall überlebt hat! Der Arsch, der dich in den Tod