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16 kurze und leicht verständliche Vorlesegeschichten zur Aktivierung von Menschen mit Demenz, Altersdemenz oder Alzheimer, für Pflegekräfte und Betreuer in der Altenpflege sowie für Angehörige zu Hause +++ Das Vorlesen war schon immer weit mehr als nur Unterhaltung oder Beschäftigung. Von schönen Vorleseritualen zehren wir noch lange: von der Gemütlichkeit, den spannenden, kurzweiligen oder lustigen Geschichten und dem geborgenen Gefühl. Kein Wunder also, dass kleine Vorlesegeschichten in der Betreuung von Demenzkranken äußerst beliebt sind: Das Vorlesen bietet einen besonders stimmungsvollen und behaglichen Rahmen für die Erinnerungspflege. Geschichten, die in früheren Zeiten spielen oder an damals Erlebtes anknüpfen, eignen sich dabei besonders gut zur Aktivierung. Ältere Menschen verfügen über einen reichhaltigen Erinnerungsschatz, auch wenn er mitunter tief vergraben scheint. Es lohnt sich, ihn wieder in die Gegenwart zu holen - und mit diesen kurzen Vorlesegeschichten gelingt Ihnen das völlig unaufwändig! Die 16 Geschichten für Demenzkranke in diesem Vorlesebuch sind zweigeteilt: Die eine Hälfte beschäftigt sich mit dem Stadtleben, während die andere verschiedene Landgeschichten erzählt. Die vielfältigen Anekdoten zum Erinnern und Schmunzeln handeln vom ersten Freibad und vom Zirkus, der die Stadt besucht, vom Traktorrennen, einem entlaufenen Pferd und echten Waschweibern. Bei den Stadtgeschichten geht es z. B. um den Leierkastenmann und seinen kleinen Helfer, der das zugeworfene Geld aufsammelt. Die Episode der Landhebamme erzählt dagegen vom Landleben: Sie wird nachts vom Ehemann einer schwangeren Frau aus dem Bett geklingelt - vor Ort erwartet die Hebamme dann allerdings eine Überraschung. Diese und weitere Geschichten helfen, Erinnerungen zu pflegen, und rufen die eigenen Erlebnisse rund um das Stadt- oder Landleben wieder ins Gedächtnis. Alle 5-Minuten-Vorlesegeschichten sind mitten aus dem (damaligen Alltags-)Leben gegriffen und kurz und verständlich gehalten. Sie überfordern nicht, verkindlichen aber auch nichts, sodass sich Demenzkranke trotz der einfachen Handlungsstruktur mit den Inhalten und den Figuren sehr gut identifizieren können. Aktivierungsideen und Fragen, die an jede Geschichte anknüpfen, wecken zusätzlich die Erinnerung und ermuntern die Zuhörer zum Erzählen. Die 5-Minuten-Vorlesegeschichten sind ideal einsetzbar bei der Betreuung Demenzkranker in der Heim- oder Tagespflege, aber auch in der häuslichen Pflege. Sie bieten auch pflegenden Angehörigen die Möglichkeit, mit den Demenzkranken wieder ins Gespräch zu kommen - und wer gar nichts erzählen mag, genießt einfach das heimelige Vorleseritual und den Inhalt der jeweiligen Geschichte.
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Seitenzahl: 82
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5-Minuten-Vorlesegeschichten für Menschen mit Demenz
Petra Bartoli y Eckert
Impressum
Titel
5-Minuten-Vorlesegeschichten für Menschen mit Demenz Stadt- und Landleben
Ein Hinweis:
Die Ratschläge in diesem Buch sind von der Autorin erprobt und vom Verlag sorgfältig erwogen worden. Nehmen Sie dennoch eine genaue Prüfung entsprechend Ihrer Situation vor und wägen verantwortungsvoll ab, welche Anregungen Sie bei welchen Personen anwenden. Einige Anregungen können überwältigende Emotionen und Erinnerungen hervorrufen, andere nur bei medizinischer Unbedenklichkeit angewendet werden. Eine Haftung des Autors und des Verlages für etwaige Personen- und Sachschäden ist ausgeschlossen. Die Durchführung der Anregungen erfolgt ausschließlich in eigener Verantwortung des Anwenders.
Autorin
Petra Bartoli y Eckert
Titelbildmotiv
© Paul Grecaud – 123rf.com
Verlag an der Ruhr
Mülheim an der Ruhr
www.verlagruhr.de
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Kein Verleih. Keine gewerbliche Nutzung.
Zuwiderhandlungen werden zivil- und strafrechtlich verfolgt.
© Verlag an der Ruhr 2015
ISBN 978-3-8346-3134-3
eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net
Inhalt
Vorwort
Über die Reihe
Stadtgeschichten:
Der Leierkastenmann
Der Treppenhausgarten
Das neue Kaufhaus
Die besondere Trambahnfahrt
Das erste Freibad
Der Kohlenhändler
Der Verkehrspolizist
Der Zirkus ist in der Stadt
Landgeschichten:
Der Scherenschleifer
Das Traktorrennen
Nachbarschaftshilfe
Die Landhebamme
Der falsche Schmid
Ein nützlicher Luftroller
Das entlaufene Pferd
Echte Waschweiber
Vorwort
Liebe Vorlesende, liebe Zuhörende,
mein Name ist Petra Bartoli y Eckert. Ich wohne ziemlich genau zwischen Stadt und Land, nämlich im Vorort einer Großstadt. So konnte ich wunderbar mit Senioren in meiner Umgebung über das Leben früher sowohl in der Stadt als auch auf dem Land ins Gespräch kommen. Dieser Austausch hat mich sehr inspiriert und manche Anekdote, die mir erzählt wurde, taucht in diesem Buch in der einen oder anderen Geschichte wieder auf.
Mittlerweile habe ich schon mehrere Bücher für diese Reihe geschrieben. Immer wieder bekomme ich erzählt, dass die kurzen Geschichten bei den Zuhörern oder Lesern gut ankommen. Darüber freue ich mich sehr. Denn dann haben die Kurzgeschichten gleich einen doppelten Zweck erfüllt: Sie unterhalten den Zuhörer. Und gleichzeitig haben sie mir beim Zusammentragen, Erfinden und Schreiben viel Freude gemacht.
Besonders schön finde ich es nämlich, dass ich bei meinen Recherchen nicht in meinem stillen Kämmerlein sitze. Stattdessen habe ich immer wieder intensiven Kontakt zu Senioren. Ich hoffe, Sie spüren beim Vorlesen
Vorwort
und Zuhören meine Begeisterung für die Schätze der Erinnerung von Senioren. An dieser Stelle vielen Dank an all diejenigen, die mir ihre Geschichten erzählt haben.
Ich wünsche Ihnen viel Freude mit diesem Buch. Ich hoffe, Sie haben beim Vorlesen, Lesen oder Hören der Geschichten Vergnügen und werden zu vielen Gesprächen über die Erinnerungen an das Leben in Stadt und Land inspiriert.
Herzliche Grüße,
Petra Bartoli y Eckert
Über die Reihe
Lesen ist eine der schönsten und zeitlosesten Freizeitbeschäftigungen für Jung und Alt. In Erzählungen abtauchen, sich in andere Personen hineinversetzen, via Fantasie Zeitreisen unternehmen … Lesen bietet die Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen und ihn gleichzeitig zu verarbeiten. Wem das Lesen jedoch Mühe bereitet, der kann Lesevergnügen auch über das Vorlesen erleben.
Die Reihe „5-Minuten-Vorlesegeschichten für Menschen mit Demenz“ berücksichtigt die Einschränkungen von Demenzkranken mit kurzen, pointierten und einfachen Geschichten, die an das Alltagserleben anknüpfen. Mal humoristisch, mal nachdenklich oder auch religiös-besinnlich – je nach Anlass und Situation können Sie die passende Geschichte auswählen und die Zuhörer zum Gedankenaustausch anregen. Die entsprechenden Anschlussfragen zu jeder Geschichte bieten die dazu nötigen Anknüpfungspunkte – für ein abwechslungsreiches (Vor-) Lesevergnügen!
Der Leierkastenmann
Als ich ein kleiner Junge von vielleicht zehn oder elf Jahren war, waren die schönsten Stunden des Tages für mich die am Nachmittag. Denn kaum hatte ich meine Schulaufgaben erledigt, warf ich den Tornister in die Ecke und lief hinunter in den Hinterhof. Dort warteten immer schon meine Freunde Horst und Otto auf mich. Wir spielten dann stundenlang und vergaßen jeden Tag die Zeit. Am liebsten spielten wir Fußball. Die Wäschestangen waren unser Tor. Und unser Fußballspiel endete erst, wenn eine unserer Mütter oben im Haus das Fenster öffnete und in den Hof hinunterrief: „Schluss jetzt, ihr Rabauken. Es ist doch schon lange Abendbrot-Zeit!“
Eines Tages im Frühling war dann aber alles anders als sonst. Otto musste mit seiner Mutter zum Haareschneiden und Horst war bei seinem Großvater zu Besuch. Darum stand ich ganz allein im Hinterhof. Und ich wusste gar nicht recht, was ich so mit mir allein anfangen sollte. Missmutig trat ich gegen einen Kieselstein und ließ ihn an die Hauswand donnern.
„He, du Lausebengel! Da bröckelt ja der Putz von der Wand!“, rügte mich der alte Herr Adalbert, der gerade durch die Einfahrt kam.
Ich zog den Kopf ein und vergrub meine Hände in den Hosentaschen. Plötzlich tastete meine Hand etwas Hartes. Schnell griff ich danach und zog meine Hand aus der Hosentasche. Ich hatte gehofft, dass es vielleicht ein Groschen war. Enttäuscht starrte ich auf den Knopf, der auf meiner Handfläche lag. Schade! Mit zehn Pfennigen hätte ich zum Milchladen gehen können. Dort gab es riesige Gläser mit Zuckerzeug. Zehn Pfennige reichten für zwei Karamellbonbons und eine Zuckerstange.
Doch dann nahm der Tag doch noch eine gute Wendung. Denn plötzlich hörte ich ein leises Geklapper. Ich spitzte meine Ohren. Am Durchgang zur Straße hörte ich Schritte. Jemand kam in den Hinterhof und schob einen großen Holzkasten auf Rädern vor sich her. Der Leierkastenmann! Ich hüpfte begeistert auf und ab.
„Grüß dich, mein Junge“, nickte mir der Mann mit seinem braunen Hut zu. Er stellte sich mitten in den Hof.
Als er anfing, an seiner Kurbel zu drehen, erklangen die ersten Töne einer Melodie. Die Fenster oben in den Häusern gingen auf. Meine Mutter, die Nachbarsfrauen und sogar der alte Herr Lederer reckten ihre Köpfe. Alle lauschten begeistert der Musik, die der Leierkastenmann seiner Drehorgel entlockte.
„Schön!“, rief der alte Lederer mit brüchiger Stimme.
„Bravo!“ und „Wundervoll!“ kam es von oben.
Ich stellte mich ganz dicht an die Drehleier, damit ich nicht nur die Musik hören, sondern dem Leierkastenmann auch genau zusehen konnte.
Vorn im Holzkasten glänzten bestimmt 20 goldene Pfeifen. Ich sah ganz genau zu, wie der Mann sie durch das Drehen der Kurbel zum Klingen brachte.
Als das erste Lied zu Ende war, klatschten die Zuhörer, die auf den Fensterbrettern lehnten, begeistert in die Hände. Der Drehorgelspieler lupfte seinen Hut und lächelte freundlich. Dann kurbelte er weiter und das nächste Lied erklang. Ich wippte mit meinem Fuß zum Takt. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass meine Mutter oben im Fenster hin und her schunkelte. Der alte Herr Lederer klatschte zur Musik.
Als auch dieses Lied verklungen war, nahm der Leierkastenmann seinen Hut vom Kopf und stellte ihn verkehrt herum auf den Deckel seiner Drehorgel. Jetzt kam Bewegung in die Leute, die aus ihren Fenstern zugesehen und gelauscht hatten. Für einige Augenblicke verschwanden die Köpfe. Dann tauchten sie wieder auf. Von überall her wurden Groschen herunter in den Hof geworfen. Manche waren in Zeitungspapier gewickelt.
Ich sauste blitzschnell herum, um das Geld aufzusammeln. Jede Münze, die ich aufhob, legte ich in den Hut des Leierkastenmannes. Die Groschen in den Zeitungsseiten wickelte ich aus und legte sie ebenso dazu.
Der Drehorgelspieler nickte mir dankbar zu und verbeugte sich immer wieder vor seinem Publikum in den Fenstern.
„Dank dir, mein Junge“, wandte sich der Leierkastenmann an mich, als ich das letzte Geldstück in seinen Hut gelegt hatte. Er nahm die Münzen heraus und steckte sie in seine Hosentasche. Dann setzte er sich seinen Hut wieder auf den Kopf. Er packte den Griff am Gehäuse der Drehorgel und schob den Holzkasten vor sich her.
Ich hopste neben ihm her, um ihn noch ein Stück durch den Durchgang bis zur Straße zu begleiten.
Der Leierkastenmann steuerte seine Drehorgel nach rechts und wollte weitergehen. Er hob eine Hand und winkte mir zum Abschied. Doch dann blieb er stehen und sah mich freundlich an. Er griff in seine Hosentasche und zog eine 10-Pfennig-Münze heraus.
„Für dich. Weil du für mich die Groschen eingesammelt hast“, sagte er und drückte mir das Geld in die Hand.
Ich war so überrascht, dass ich meinen Mund aufklappte, aber kein Wort herausbrachte. Irgendwann schaffte ich es endlich und stammelte: „Danke!“ Doch da war der Leierkastenmann schon ein ganzes Stück die Straße entlang weitergegangen.
„Kauf dir was dafür“, rief er mir zu und bog um die nächste Ecke. Dann war er verschwunden.
„Jetzt hole ich mir eine Zuckerstange!“, jubelte ich und lief zum Milchladen am Ende unserer Straße.
Dort im Laden stellte ich mich brav hinten an. Ich hörte, wie die zwei Frauen, die vor mir an der Reihe waren, tuschelten.
„Es ist einfach immer wieder schön, wenn der Leierkastenmann durch die Hinterhöfe zieht“, schwärmte die eine.
Die andere nickte zustimmend. Und ich grinste. Nicht nur die Musik hatte mir gefallen. Meine Belohnung, die ich vom Leierkastenmann bekommen hatte, war beinahe noch schöner!
Als ich mit meinem Zuckerzeug zurück in unseren Hinterhof kam, setzte ich mich auf die Kellertreppe. Dort machte ich es mir gemütlich und wickelte andächtig das erste Karamellbonbon aus der raschelnden Verpackung.
Kurz darauf kamen Horst und Otto angelaufen. Otto strich sich über seine frisch geschnittenen, raspelkurzen Haare. Horst erzählte, wie es bei seinem Großvater gewesen war. Dann sahen mich die beiden an.
„Und bei dir? War etwas Besonderes los?“, fragte Otto.
„Nein, nichts Besonderes“, sagte ich und grinste. Aber dann erzählte ich ihnen doch vom Leierkastenmann und von meiner Belohnung. Und Otto und Horst gab ich schließlich sogar etwas von meinem Zuckerzeug ab.