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35.000 Dollar! Ein Raunen geht durch den Saal. Alle Blicke richten sich auf Eliza Fortune, die gegen das Höchstgebot der Wohltätigkeitsauktion ein Dinner für zwei kocht. Und auf Reese Parker, Selfmade-Millionär, der so hoch geboten hat. Aus einem Grund, den nur sie beide kennen ...
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Seitenzahl: 183
Charlene Sands
Höchstgebot für deine Liebe
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
„Diesmal hast du dich selbst übertroffen, Eliza. Der Saal sieht einfach toll aus. Wenn es ums Spendensammeln geht, kann dir niemand das Wasser reichen“, flüsterte Nicole Appleton ihr ins Ohr.
Eliza Fortune konnte nicht verhindern, dass sich bei diesen Worten auf ihrem Gesicht ein zufriedenes Lächeln ausbreitete. Von ihrem erhöhten Platz auf der Bühne aus schweifte ihr Blick durch den geräumigen Ballsaal des Fortune’s Seven Hotels, in dem sich zahlreiche geladene Gäste befanden.
Die Männer trugen ausnahmslos altmodische dreiteilige Abendanzüge, die Frauen elegante Abendroben, die der Mode aus der Zeit des Wilden Westens nachempfunden waren. Sie hatte sich bei der Dekoration des Saales und der Auswahl des Mottos große Mühe gegeben. „Danke, Nic. Es war harte Arbeit. Allerdings hatte ich auch viel Spaß dabei.“
„Deine Mühe hat sich auf jeden Fall gelohnt. Wie es aussieht, amüsieren sich die Gäste hervorragend. Und deine Idee, die Einladungen zum Abendessen in Form von Überraschungskörben versteigern zu lassen, ist einfach toll. Damit bekommen wir bestimmt ein paar Tausend Dollar für die Renovierung des Old West Museums zusammen.“
Der Auktionator kündigte einen weiteren Korb an, der versteigert werden sollte. Chloe McMurphy, die nun mit ihrer Spende an der Reihe war, trat zu ihm, öffnete die Klappe ihres Körbchens, das symbolisch den Preis darstellte, und reichte ihm die Karte mit den entsprechenden Angaben.
Er nahm sie entgegen, überflog sie kurz und verkündete: „Diese bezaubernde junge Dame versorgt Sie mit einem Abendessen für zwei, drei oder auch vier Personen. Ihre Spezialität ist Brathähnchen mit den besten Klößen, die man in dieser Gegend bekommen kann. Einen besonderen Genuss verspricht ein selbst gebackener Apfelkuchen zum Nachtisch. Meine Damen und Herren, das nenne ich ein wunderbares Menü. Da läuft einem ja das Wasser im Mund zusammen.“
Während die Gäste ihre Gebote abgaben, warf Eliza ihrer Freundin einen sorgenvollen Blick zu. Sobald Chloe McMurphys Korb einen Abnehmer gefunden hatte, blieben nur noch sie und Nicole übrig. „Ich hoffe, jemand bietet für mein Essen“, sagte sie im Flüsterton.
„Sei nicht albern. Wer würde ein Abendessen verschmähen, das von Eliza Fortune zubereitet wird? Noch dazu, wo es mit einer Einladung auf den legendären Familiensitz der Fortunes verbunden ist? Ich wette, du bekommst die höchsten Gebote.“
„Nur wenn mein Vater oder meine Brüder sich meiner erbarmen“, sagte Eliza ironisch. „Meine ganze Familie ist hier. Allerdings wissen sie genau, dass ich nicht gerade eine begnadete Köchin bin.“
„Das macht nichts“, erklärte Nicole entschieden. „Du nimmst bestimmt eine Menge Geld mit deinem Korb ein, und zwar nicht von deiner Familie. Jeder hier weiß, wie viel du für die Gemeinde tust. Sie haben nicht umsonst das Beste bis zum Schluss aufgespart, das bist nämlich du.“
Dankbar lächelte Eliza ihre Freundin an, dann bemerkte sie, dass Mr Phillips, der Auktionator, diskret auf Nicole zeigte. „Oh, sieh mal. Du bist dran. Viel Glück, Nic.“
Während Nicole mit ihrem Korb, den sie mit einer roten Taftschleife verziert hatte, zum Auktionator trat, lehnte Eliza sich auf der Bank zurück und wartete, bis die Reihe an ihr war.
Sie setzte sich mit großem Engagement für wohltätige Zwecke ein und war Vorsitzende der historischen Gesellschaft von Sioux Falls. Daher war es ihr mühelos gelungen, den Direktor des Old West Museums davon zu überzeugen, ihr einige der Ausstellungsstücke aus dem Museum als Dekoration zur Verfügung zu stellen. Damit hatte sie den Ballsaal in eine Szene aus dem Wilden Westen verwandelt. Die Wände waren mit Lassos, hölzernen Wagenrädern und Getreidegarben dekoriert, die Tische mit erlesenem weißem Porzellan gedeckt, das einen reizvollen Kontrast zu den blau-weiß karierten Tischdecken bildete. In der Mitte jedes Tisches stand als Blickfang ein einfacher Zinnkrug mit Sonnenblumen. Den Hintergrund der Bühne schmückte eine Kulissenmalerei, die einen Sonnenuntergang darstellte. Davor war ein mit Stroh beladener antiker Heuwagen platziert.
Nicoles Dinnerkorb erzielte das bisher höchste Gebot. Mit ihrem Abendessen, das aus Lammbraten, Rosmarinkartoffeln, einem Karottensoufflé und Crème brûlée bestand, erreichte sie einen Betrag von über dreitausend Dollar. Eliza erhob sich, um es den anderen Anwesenden gleichzutun und dem großzügigen Spender zu applaudieren.
„Und nun, meine Damen und Herren, haben Sie die Ehre, für Miss Eliza Fortunes Dinnerkorb zu bieten. Wie Sie alle wissen, hat Miss Fortune unermüdlich gearbeitet, um diese wundervolle und erfolgreiche Veranstaltung zu organisieren.“
Bei diesen Worten nahm Mr Phillips sie bei der Hand und zog sie neben sich. Eliza öffnete ihren mit Goldfarbe bemalten Korb, reichte ihm ihre Karte und senkte den Blick, während er ihr Angebot las.
„Ah, wie ich sehe, wartet hier ein ganz besonderer Abend auf Sie. Eliza wird jedes Gericht kochen, das Sie sich wünschen. Angefangen bei der Vorspeise bis hin zum Dessert. Und das Essen hat so viele Gänge, wie Sie verlangen. Also lassen Sie uns bei fünfhundert Dollar beginnen.“
Kerzengerade stand Eliza da und lächelte die Gäste im Saal freundlich an, doch in Wahrheit war sie längst nicht so gelassen, wie sie sich gab. Erst als das erste Gebot abgegeben worden war, und zwar weder von ihrem Vater noch von einem ihrer Brüder, entspannte sie sich ein wenig, und da die Auktion ziemlich lebhaft weiterging, wurde sie immer zuversichtlicher.
„Wir haben ein Gebot von dreitausendfünfhundert Dollar“, erklärte Mr Phillips schließlich begeistert. „Höre ich viertausend? Ist jemand hier, der viertausend Dollar bietet?“ Alles blieb still, deshalb sagte er: „Also schön. Dreitausendfünfhundert zum Ersten, zum Zweiten und …“
Sie musste noch einige Vorbereitungen treffen und die Countryband einweisen, denn nach der Auktion sollte getanzt werden. Zufrieden, weil sie eine so hohe Summe erzielt hatte, wollte Eliza sich schon zum Gehen wenden, da ertönte eine männliche Stimme vom anderen Ende des Saales: „Fünfunddreißigtausend Dollar.“
Die Gespräche erstarben und alle Gäste drehten sich in die Richtung um, aus der das unerhörte Gebot gekommen war.
Eliza war wie erstarrt. Das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht und sie hörte nur noch das Blut in ihren Ohren rauschen. Sie kannte diese Stimme. Dieses tiefe, leicht heisere Timbre würde sie nie vergessen, denn es hatte seine verheerende Auswirkung auf sie nicht verloren. Ihr war heiß und kalt zugleich, und sie hatte das Gefühl, als würden ihre Nerven bloß liegen. Angestrengt schloss sie die Augen und versuchte, sich zu beruhigen.
Das kann einfach nicht sein, sagte sie sich, aber sie wusste es besser.
Ihr war immer klar gewesen, dass dieser Tag kommen würde.
Mr Phillips warf ihr einen irritierten Blick zu. Als sie nicht reagierte, wandte er sich an das Publikum, das ihn erwartungsvoll anstarrte.
„Ja, also … Das Gebot lautet fünfunddreißigtausend Dollar“, sagte er atemlos. „Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten … verkauft an den Herrn dort hinten.“
Eliza atmete tief durch. Reese Parker tauchte einfach so aus der Versenkung auf und platzte in ihr Leben. Nach sechs langen Jahren.
Über die gesamte Länge des Raums hinweg trafen sich ihre Blicke. Für einen ihr endlos erscheinenden Moment sahen sie einander nur an. In seinen Augen stand keine Wärme, in seiner versteinerten Miene zeichnete sich keine Freude ab. Er sah auch nicht mehr aus wie der lässige Rodeoreiter in Jeans und Lederweste, den sie damals im Sommer in Montana kennengelernt hatte.
Natürlich war er nach wie vor sehr attraktiv, muskulös, mit markanten Gesichtszügen und fesselnden dunklen Augen, vielleicht sogar noch attraktiver als früher. Das mochte daran liegen, dass er in seinem eleganten schwarzen Smoking aussah, als gehörte er hierher.
Getreu dem Motto des Abends war der Anzug altmodisch, aber zweifellos maßgeschneidert, denn er saß perfekt. Ein Goldnugget hielt die Schnürsenkel-Krawatte zusammen, die er nach Cowboyart um den Hals trug. Unter der Smokingjacke sah sie eine helle einreihig geknöpfte Weste aus Brokat und auf seinem Kopf saß ein schwarzer Stetson, unter dem sein helles sandbraunes Haar hervorschaute.
Eliza war sich der neugierigen Blicke aus dem Saal durchaus bewusst, aber sie konnte die Augen nicht von ihm abwenden. Wie gebannt starrte sie den Mann an, den sie einmal geliebt hatte.
Sie bekam eine Gänsehaut.
Erinnerungen strömten auf sie ein und lösten eine Vielzahl widersprüchlicher Emotionen aus. Diese Flut wurde allerdings von einem Gefühl überlagert, das sie kaum unter Kontrolle halten konnte.
Zorn.
Mr Phillips beendete die Auktion, indem er den Bietern mitteilte, dass sie die ersteigerten Einladungskarten am Empfang abholen konnten. Die Countryband machte sich bereit, um die Bühne zu übernehmen.
Eliza war dankbar für die Ablenkung. Sie brach den Blickkontakt mit Reese ab und eilte hinter den künstlichen Sonnenuntergang. Unvermittelt spürte sie eine Hand auf ihrem linken Arm und hielt inne. Sie drehte sich um, sah sich zu ihrer Erleichterung jedoch nur ihrer Freundin Nicole gegenüber.
„Eliza, wovor läufst du weg?“
Sie blinzelte nervös, da ihr keine passende Antwort einfiel. Die vergangenen Minuten kamen ihr vor wie ein Traum. Nein, verbesserte sie sich in Gedanken, wie ein Albtraum.
„Dieser unverschämt gut aussehende Kerl da hinten blättert einen ganzen Haufen Geld für deinen Korb hin.“
Eliza brachte nicht einmal das leiseste Lächeln zustande. „Ich weiß.“
„Und ihr beide konntet kaum den Blick voneinander abwenden.“
„Auch das weiß ich.“
„Ach? Sagst du mir endlich, wer er ist? Du musst ihn doch kennen. Denn falls nicht, war das ein ziemlich heftiger Flirt.“
„Nein, er hat nicht geflirtet. Das kannst du mir glauben.“ Allein der Gedanke war absurd. Sie hatte keine Ahnung, was Reese nach Sioux Falls geführt hatte, und sie war nicht in der Lage, auch nur einen einzigen freundlichen Gedanken an ihn zu verschwenden. Er hatte sie betrogen und sie war seinetwegen am Boden zerstört gewesen.
Niemand außer Reese und ihr selbst kannte die ganze Wahrheit, dabei sollte es bleiben, solange es irgend möglich war.
„Wer ist er, Eliza?“, fragte Nicole beharrlich. „Bitte, sag es mir.“
Sie hatte dieses Geheimnis sechs Jahre lang gehütet. Abgesehen von der unausweichlichen grenzenlosen Demütigung, der sie ausgesetzt wäre, beunruhigte sie der Gedanke, welchen Schaden diese Geschichte für ihre Familie anrichten könnte, sollte sie bekannt werden. Der angesehene Name der Fortunes würde zweifellos in Verruf geraten.
Damals war Eliza so dumm und naiv gewesen. Wenn die Wahrheit ans Tageslicht käme, würde sie ihren guten Ruf verlieren und das Vertrauen, das viele Wohltätigkeitsorganisationen in sie setzten. Ganz zu schweigen von den Schlagzeilen in der Presse. Eine skandalöse Romanze genügte für ein ganzes Leben.
Sie hatte es geschafft, über ihren ersten Fehltritt hinwegzukommen, würde ihn aber niemals vergessen können, ebenso wenig wie vermutlich die Einwohner der Stadt. Deshalb musste sie alles daransetzen, um ihren zweiten Fehltritt in Liebesdingen für immer vor der Welt zu verbergen.
Eliza unterdrückte ein Seufzen. Es war schwer, ihrer besten Freundin die Wahrheit zu verschweigen. Ratlos blickte sie in Nicoles bernsteinbraune Augen.
„Irgendetwas stimmt doch nicht mit dir, Lizzie.“
Indem sie ihren Kosenamen aus der Kindheit benutzte, erinnerte Nicole sie unbewusst daran, wie lange sie beide schon befreundet waren. Mehr als die Hälfte ihrer einunddreißig Lebensjahre standen sie einander so nahe wie Schwestern. Unzählige Male hatte Eliza ihr inzwischen die Wahrheit gestehen wollen, es jedoch nicht über sich gebracht. Nun war der Zeitpunkt offenbar gekommen, an dem sie diese traurige Geschichte nicht länger für sich behalten konnte. Nicole war verschwiegen und würde Diskretion wahren. Außerdem hätte sie in ihr eine verlässliche Verbündete, falls es doch zur Katastrophe käme.
Und so entschloss sie sich, die Worte auszusprechen, die sie noch niemandem gegenüber geäußert hatte, nicht einmal im Kreis ihrer Familie. „Sein Name ist Reese Parker und … er ist mein Ehemann.“
Eliza zitterte in der kalten Nachtluft. Nach dem kurzen Gespräch mit Nicole hatte sie den Ballsaal verlassen, um auf der Dachterrasse des Fortune’s Seven Hotels ungestört nachdenken zu können. Die spektakuläre Aussicht auf die Stadt hatte ihr bisher immer geholfen, zur Ruhe zu kommen und sich zu sammeln. Heute funktionierte es leider nicht.
Lieber Himmel, Reese in Sioux Falls.
Sie bezweifelte stark, dass er zufällig in ihrer Heimatstadt aufgetaucht war.
Als wegen der Kälte ihre Zähne zu klappern begannen, spürte sie, wie ihr jemand eine Jacke um die Schultern legte. Sie drehte sich um und sah sich ihrem Ehemann gegenüber.
„Reese“, brachte sie mühsam hervor.
„Eliza“, erwiderte er und trat einen Schritt zurück, als könnte er ihre Nähe nicht ertragen.
Die Smokingjacke roch nach ihm, eine Mischung aus Moschus und Pinien.
„Du siehst anders aus“, sagte sie verlegen.
„Ich bin anders.“ Er nahm den Hut ab.
Sein Haar war allerdings noch so genauso wie damals, dicht, kurz geschnitten und sorgfältig gekämmt. Wie oft war sie früher mit den Fingern hindurchgefahren, um die perfekte Ordnung durcheinanderzubringen.
Sie spürte, wie ihr das Herz bis zum Hals schlug. Obwohl die Situation mehr als peinlich war, hatte er sich auf seine guten Manieren besonnen, ihr seine Jacke umgelegt und den Hut abgenommen. Reese sah nicht mehr aus wie ein rauer Rodeoreiter. Sie studierte aufmerksam das Gesicht des Mannes, der ihr vor sechs Jahren mit einem einzigen Lächeln weiche Knie verursacht hatte. Jetzt allerdings erwiderte er ihren Blick mit versteinerter Miene.
Er musterte sie von Kopf bis Fuß mit einer Eindringlichkeit, die fast schon arrogant wirkte. Eliza wurde bewusst, dass ihr Abendkleid aus cremeweißer Seide ziemlich viel Haut preisgab. Sie hatte es extra für diesen Abend gemeinsam mit einem Modedesigner entworfen. Es war Ballkleidern aus der Zeit des Wilden Westens nachempfunden und tief ausgeschnitten. Das eng anliegende Oberteil betonte ihre schmale Taille. Der Stoff war in einem verspielten Muster mit feinen Goldfäden bestickt und das Dekolleté, ebenso wie die Bündchen der Ärmel, mit breiter vergoldeter Spitze besetzt, um den goldenen Schimmer ihres blonden Haares zu betonen, wie der Designer erklärt hatte.
Unter dem eindringlichen Blick ihres Ehemannes auf ihren Ausschnitt fühlte sie sich seltsam entblößt und verwundbar. Sie erinnerte sich daran, dass es einmal eine Zeit gegeben hatte, in der nicht nur seine Blicke ihre nackte Haut berührt hatten.
Erneut erschauerte sie, aber diesmal war nicht die Kälte daran schuld.
„Es ist doch gar nicht so kalt, Eliza. Hast du vielleicht Eis in den Adern statt Blut?“
Eliza riss sich zusammen. Sie hatte fast vergessen, wo sie sich befand. Auf keinen Fall durfte sie zulassen, dass Reese in dieser Situation die Oberhand gewann. Sie war einmal vor ihm weggelaufen, das würde sie kein zweites Mal tun. „Was hast du hier zu suchen?“
Sein Lächeln erreichte nicht die Augen. „Wir müssen reden.“
„Nein. Das geht jetzt nicht. Ich muss wieder zurück und mich um die Veranstaltung kümmern.“ Eliza schüttelte den Kopf.
„Dann eben morgen, während des Abendessens, das du für mich kochst.“
„Du machst wohl Witze.“ Sie nahm seine Jacke von ihren Schultern und warf sie ihm zu. Mit einer beiläufigen Handbewegung fing er sie auf. Seine zur Schau gestellte Gelassenheit ärgerte sie.
„Ich mache äußerst selten Witze.“
Das war vor sechs Jahren anders gewesen. Sie hatten einen wundervollen Sommer miteinander verbracht, hatten viel Spaß gehabt, oft gelacht und sich geliebt. Es war auch sein Humor gewesen, der sie magisch angezogen hatte, ganz abgesehen von seinem muskulösen, durchtrainierten Körper.
„Ich kann ja wohl schlecht für dich kochen, Reese, aber mach dir keine Sorgen, ich finde jemanden, der für mich einspringt.“
„Nein, kommt nicht infrage“, protestierte er entschieden. „Du oder keine.“
Eliza hob angriffslustig das Kinn. Wenn er ihre Willensstärke auf die Probe stellen wollte, bitte sehr, das konnte er haben. „Ich fürchte, dann wird daraus nichts werden. Ich muss jetzt zurück.“ Sie wandte sich um Gehen, aber er hielt sie am Handgelenk fest und zwang sie so, sich zu ihm umzudrehen.
„Ich habe für dich bezahlt, Liebling. Fünfunddreißigtausend Dollar.“
Irritiert blickte sie ihn an, vor Aufregung hatte sie sein enormes Gebot völlig vergessen. „So viel Geld hast du doch gar nicht.“
„Und ob“, erwiderte er und zog die Augenbrauen hoch.
Ihr Blick fiel auf den maßgeschneiderten Smoking und den Goldnugget an seiner Krawatte. Vielleicht irrte sie sich, aber letztlich war ihr herzlich gleichgültig, wie viel Geld er besaß. Sie wünschte nur, er würde endlich verschwinden. Ihn wiederzusehen, war zu schmerzlich.
Normalerweise konnte sie den Gedanken an seinen Verrat verdrängen, doch nun, da sie ihm so dicht gegenüberstand, überrollten die schrecklichen Erinnerungen sie.
„Lass mich los“, forderte sie ungehalten.
Fast augenblicklich ließ er die Hand sinken. „Ich bin morgen Abend gegen acht bei dir.“
Wieder schüttelte sie den Kopf. „Das ist wirklich keine gute Idee.“
„Sie wissen es nicht, oder?“
Eliza war klar, dass seine Bemerkung sich auf ihre Familie bezog und darauf, dass sie keinem Familienmitglied je etwas von ihrer überstürzten Heirat erzählt hatte. „Nein“, sagte sie leise und senkte den Blick.
„Sechs lange Jahre, und du bist immer noch nicht mit der Wahrheit herausgerückt. Du musst wirklich … Lassen wir das. Spielt ja keine Rolle mehr.“
„Reese, du kannst morgen Abend nicht kommen.“
Er blickte sie finster an. „Möchtest du vielleicht, dass ich mich an die Presse wende? Heute Morgen waren die Zeitungen voll mit Artikeln über deine Familie und dich. Man konnte glatt den Eindruck gewinnen, diese verdammte Wohltätigkeitsveranstaltung sei von umwälzender nationaler Bedeutung. Ich könnte mir vorstellen, dass der eine oder andere Reporter sich bestimmt für das Missgeschick der heiligen Eliza Fortune im Sommer vor sechs Jahren in Montana interessiert. Für ein ziemlich skandalöses Missgeschick mit einem einfachen Cowboy.“
Früher ist er nicht so gewesen.Der Sommer war wundervoll, bis …
Eliza holte tief Luft. „Ist das eine Drohung?“
Reese setzte seinen Hut wieder auf. „Davon kannst du getrost ausgehen, Liebling. Du solltest das nicht auf die leichte Schulter nehmen.“
Diese Runde ging zweifellos an ihn und Eliza biss sich auf die Unterlippe. Das Risiko, dass er seine Drohung wahr machte, durfte sie nicht eingehen. Das konnte sie sich nicht leisten.
Es hatte viele Jahre gedauert, bis ihre erste ernsthafte romantische Beziehung zumindest oberflächlich in Vergessenheit geraten war – mit einem Mann, der den Ehrgeiz hatte, der jüngste Bürgermeister von Sioux Falls zu werden,. Sechs Monate lang war sie mit Warren Keyes liiert gewesen, bevor sie das Verlöbnis zwei Wochen vor der Hochzeit gelöst hatte. Alle örtlichen Radiosender und die Zeitungen hatten detailliert darüber berichtet. Sie war nicht gerade gut dabei weggekommen.
In ihren Schläfen begann es zu hämmern, als sie an den Moment dachte, in dem sie ihren Verlobten Warren in flagranti mit seiner Wahlkampfmanagerin ertappt hatte. Niemand außer ihrer Familie kannte die ganze Wahrheit. Sie hatte seine Untreue für sich behalten. Nicht etwa deshalb, weil sie anderenfalls ihm und seiner Karriere geschadet hätte, es war die öffentliche Demütigung gewesen, vor der sie zurückschreckte. Außerdem war Mitleid das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Es war auch so schon schlimm genug, im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses zu stehen. Im Großen und Ganzen war es ihr allemal lieber gewesen, in den Medien als flatterhaft und oberflächlich zu gelten, weil sie die Verlobung ohne Angabe von Gründen gelöst hatte.
Diese Geschichte hatte ihr sehr zu schaffen gemacht. Der Schmerz, den sie empfand, war für sie damals als unerfahrene junge Frau kaum zu ertragen gewesen. Vor allem, als ihr bewusst geworden war, dass Warren sie und den Namen ihrer Familie nur für seine politischen Ambitionen benutzt hatte.
Sie war nach Montana geflohen und dort hatte sie Reese Parker kennengelernt. Schon die erste Begegnung mit dem rauen attraktiven Cowboy hatte sie umgehauen und sie hatte sich auf der Stelle in ihn verliebt.
Nach einer zauberhaften Sommerromanze hatten sie ziemlich schnell geheiratet. Wenn jetzt herauskäme, dass sie mit dieser Ehe kläglich Schiffbruch erlitten hatte, würde die Presse über sie herfallen und auch die alte Geschichte mit Warren wieder aus der Versenkung holen.
„Also um acht Uhr“, sagte er knapp. „Ich schätze, du erinnerst dich nicht mehr an mein Lieblingsgericht, aber das macht nichts. Schließlich geht es ja um etwas anderes, nicht wahr?“
Bei diesen Worten verließ Reese die Dachterrasse. Eliza beobachtete, wie er die Glastür hinter sich schloss.
„Schmorbraten mit Röstkartoffeln und Rahmspinat“, murmelte sie tonlos.
Sie erschauerte.
Reese Parker schritt in der Penthouse-Suite seines Hotels auf und ab und unterdrückte mühsam seinen Zorn. Eliza Fortune-Parker, seine Frau, hatte wieder versucht, ihn loszuwerden, doch diesmal würde er das nicht zulassen. Ihre Begegnung hatte zu seinen Bedingungen stattgefunden, ob ihr das nun gefiel oder nicht. Offensichtlich hatte es ihr überhaupt nicht gefallen. Sein Auftauchen bei der Wohltätigkeitsveranstaltung hatte Sand ins Getriebe ihrer heilen Welt gestreut.
Bei diesem Gedanken empfand er tiefe Zufriedenheit. Auch die Furcht in ihrem Blick kam ihm gelegen. Sollte sie ruhig Angst vor ihm haben. Immerhin war er in der Lage, ein ziemliches Chaos in ihrem Leben anzurichten.
Eliza Fortune hatte ihm so viel Schmerz und so große Enttäuschung verursacht, dass es für ein ganzes Menschenleben reichte. Unwillkürlich fasste er in seine Hosentasche und holte den Brief hervor, den sie ihm vor sechs Jahren geschrieben und den ein Hotelangestellter ihm ausgehändigt hatte. Inzwischen war daraus ein zerknitterter abgenutzter Zettel geworden, den er als ständige Mahnung immer bei sich trug und als Erinnerung daran, dass nichts im Leben so wichtig war wie Erfolg, daran, dass man niemals aufgeben und sich nie geschlagen geben durfte.
Er blickte auf die verblichenen Zeilen in Elizas eleganter Handschrift.
Diese Hochzeit war ein Fehler. Ich fahre nach Hause. Und ich will Dich nie wiedersehen. Niemals.
Niemals ist eine verdammt lange Zeit, dachte er wütend, er hatte sich wahrlich lange genug zurückgehalten.
Jedes Wort dieser kurzen herzlosen Mitteilung hatte sich tief in sein Gedächtnis gebrannt und nun war es so weit, abzurechnen und diese Geschichte endlich abzuschließen, auch wenn das nicht in Elizas Pläne passen mochte.
Bevor sein Vater im vergangenen Monat gestorben war, hatte der alte Herr ihm das Versprechen abgenommen, die Angelegenheit ein für alle Mal in Ordnung zu bringen. Obwohl er die Sache nicht direkt angesprochen hatte, wusste Reese doch genau, was damit gemeint gewesen war.
Eigentlich war Cole Parker ein Mann, der sich nicht gerade in Zurückhaltung übte. Er hatte immer geradeheraus gesagt, was er meinte und wie die Dinge seiner Ansicht nach lagen, aber ihm war klar gewesen, dass Eliza Fortune-Parker der wunde Punkt im Leben seines Sohnes war. Also hatte er sich vorsichtig an das Thema herangetastet.
Es ist höchste Zeit, Reese, hatte er mit seinem nahezu letzten Atemzug gehaucht, nimm dein Leben endlich in die eigenen Hände, Sohn. Versprich es mir.
Sein Vater hatte recht gehabt. Es war höchste Zeit.